Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 29.07.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 5 NC 192.12 u. a. | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 146 Abs 4 S 6 VwGO, § 10 KapVO BE, Neunzehnte Änderungsverordnung zur Kapazitätsverordnung, § 9 Abs 1 LVerpflV BE, § 9 Abs 4 LVerpflV BE, § 9 Abs 5 LVerpflV BE |
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. November 2012 wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5 000,00 EUR festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, sie nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2012/2013 vorläufig zum Studium im Studiengang Soziale Arbeit (Bachelor) im ersten Fachsemester zuzulassen. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass über die in der Zulassungsordnung festgesetzte Zulassungszahl von 171 Studienplätzen und über die Zahl der tatsächlich vergebenen 180 Studienplätze hinaus keine weiteren Studienplätze für Studienanfänger vorhanden seien.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die kapazitätsrechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Lehrdeputatsver-minderung, der Lehrauftragsstunden, des Dienstleistungsexports sowie der Ermittlung der Lehrnachfrage.
II.
Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Rahmen der fristgerechten Darlegung der Antragstellerin befindet, hat keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist bei Zugrundelegung dieses Prüfungsumfangs nicht zu beanstanden.
Lehrdeputatsverminderung
Die Forderung der Beschwerde, die Lehrdeputatsverminderung in Höhe von 4,5 LVS für Prof. ... auf den in § 9 Abs. 5 LVVO normierten Höchstwert von 4 LVS für Ermäßigungen nach § 9 Abs. 2 und 4 LVVO zu begrenzen, geht ins Leere. Die der Lehrperson für die Leitung des Bachelorstudiengangs Soziale Arbeit zugesprochene Ermäßigung fußt auf § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a) LVVO und wahrt die dort vorgesehene Grenze von 25 v.H. der Lehrverpflichtung für Professoren in Höhe von 18 LVS.
Die Rüge der Beschwerde, dass die Prof. G...für ihre Tätigkeit als Leiterin des Bachelorstudiengangs Soziale Arbeit BASA Online zugestandene Ermäßigung von 4 LVS nicht gerechtfertigt sei, weil es sich bei dem Studiengang mit seinen 80 Studienplätzen um einen Kleinststudiengang handele, der allenfalls eine Ermäßigung für die Leitung eines Fachgebietes in Höhe von 1 LVS gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 b) LVVO rechtfertige, greift nicht durch. Die Beschwerde verkennt, dass sich der in Rede stehende Studiengang im Aufbau befindet, nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragsgegnerin ein hohes Entwicklungspotential aufweist und mit der gewährten Ermäßigung dem erhöhten Organisations- und Koordinationsaufwand in dieser Phase des Studiengangs Rechnung getragen wird. Der Vorhalt, dass im Vermerk über die Freistellung von Prof. G... die Ermäßigung nicht bestätigt worden sei, ist ausweislich des Freistellungsvermerks der Rektorin vom 5. Oktober 2010 unzutreffend. Substanzlos ist auch der Vorwurf einer „doppelten Dekanatsermäßigung“, die sich daraus ergeben soll, dass bereits Prof. S... eine „Ermäßigung für die Tätigkeiten eines Studiendekanats für die Gesamtstudieneinheit erhalten hat“, im Hinblick darauf, dass sich die in dem Prof. S... betreffenden Freistellungsvermerk vom 1. November 2011 angesprochene „Gesamtveranwortung“ ausdrücklich auf den von ihr geleiteten Bachelorstudiengang Soziale Arbeit beschränkt. Die Beschwerde vermag die Ermäßigung für Prof. G... auch nicht mit dem Hinweis in Frage zu stellen, dass Prof. H... für die Übernahme des Vorsitzes der Lehrbetriebskommission (LBK) eine Ermäßigung von 2 LVS gewährt worden sei und daher für eine „weitere Berücksichtigung kein Raum mehr bestehe“. Die LBK fungiert ausweislich des Prof. H... betreffenden Freistellungsvermerks vom 1. Oktober 2011 als übergeordnetes Gremium und ist für alle bestehenden Studiengänge an der Antragsgegnerin einschließlich des Entwurfs der Lehrplanung verantwortlich. Damit sind jedoch nicht die - aus dem Freistellungsvermerk für Prof. G... vom 5. Oktober 2010 ersichtlichen - studiengangspezifischen Aufgabenstellungen erfasst, die die in Rede stehende Ermäßigung tragen.
Anders als die Beschwerde meint, gibt es gegen die Prof. R... für ihre Tätigkeit als Leiterin des Masterstudiengangs Praxisforschung in Sozialer Arbeit und Pädagogik gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a) LVVO gewährte Ermäßigung in Höhe von 2 LVS nichts zu erinnern. Der Einwand der Beschwerde, dass der Studiengang mit lediglich 74 Studienplätzen keinen Fachbereich darstelle, mithin „die Leitung auch nicht im Umfang mit den Aufgaben eines Studiendekanats vergleichbar ist, sondern vom Umfang her ersichtlich höchstens der Leitung eines Fachgebietes gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4b entspricht“, übersieht, dass die Ermäßigung auf den Studiengang bezogen ist und sich dieser nicht über die Zahl der Studienplätze definiert.
Ob die auf der Grundlage von § 9 Abs. 4 LVVO zugebilligten weiteren Ermäßigungen für Prof. ...sowie Prof. C... in Höhe von insgesamt 5 LVS - wie von der Norm verlangt - nach „Maßgabe des Haushalts“ und aufgrund eines „Ausnahmefalls“ ausgesprochen worden sind, kann offen bleiben, weil sie sich angesichts der Zahl der tatsächlich vergebenen Studienplätze im Ergebnis nicht auswirken. Insoweit erübrigt sich eine weitere Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen.
Lehrauftragsstunden
Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe Lehrauftragsstunden nur im Umfang von 319,75 LVS berücksichtigt und sei damit nicht nachvollziehbar von den von der Antragsgegnerin angesetzten 346,25 LVS abgewichen, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der von der Antragsgegnerin ermittelte Wert beruht auf dem Durchschnitt der von der Lehreinheit im Sommersemester 2011 und im Wintersemester 2011/2012 vergebenen Lehrauftragsstunden. Nach § 10 Satz 1 KapVO sind aber ausschließlich die Lehrauftragsstunden in die Berechnung einzubeziehen, die der Lehreinheit in den dem Berechnungsstichtag (28. Februar 2012) vorausgehenden zwei Semestern zur Verfügung gestanden haben. Dieser Vorgabe hat das Verwaltungsgericht entsprochen, indem es seiner Berechnung die Lehrauftragsstunden des Wintersemesters 2010/2011 sowie des Sommersemesters 2011 zu Grunde gelegt hat.
Anders als die Beschwerde meint, hat die Antragsgegnerin im Ergebnis zutreffend 6 LVS für eine Vakanzvertretung gemäß § 10 Satz 2 KapVO von den Lehrauftragsstunden abgezogen. Die Antragsgegnerin hat nachvollziehbar und unwidersprochen dargelegt, dass sich die Vakanzvertretung auf die unbesetzte Stelle Nr. 6 des Stellenplans bezieht und ihre ursprüngliche Angabe, die Vakanzvertretung betreffe die - tatsächlich mit Prof. ...- besetzte Stelle Nr. 7 des Stellenplans, auf einem Übertragungsfehler beruht.
Dienstleistungsexport
Die gegen den Abzug des Dienstleistungsexports gerichteten Angriffe der Beschwerde gehen ins Leere. Der Vorwurf, die Antragsgegnerin habe keine Berechnung des Dienstleistungsbedarfs für die vier nicht der Lehreinheit zugeordneten Studiengänge vorgelegt, ist angesichts des Umstandes, dass eine solche als Anlage 3 der Kapazitätsberechnung beigefügt ist, nicht nachvollziehbar. Soweit die Beschwerde moniert, es sei „völlig offen, welcher der vierte Studiengang sein soll, der lediglich mit der Abkürzung: ‚BA PTET‘ benannt ist“, wird mitgeteilt, dass sich dahinter der von der Antragsgegnerin seit April 2004 angebotene Bachelorstudiengang Physiotherapie/Ergotherapie verbirgt.
Ermittlung der Lehrnachfrage
Soweit die Beschwerde weitere Studienplätze anhand einer von ihr angestellten neuen Berechnung des Curricularnormwertes (CNW) für den Bachelorstudiengang Soziale Arbeit aufzudecken versucht, vermag sie damit nicht zu überzeugen. Bei den CNW handelt es sich nicht um beliebig veränderbare Rechengrößen, sondern um Normen, die durch die Neunzehnte Verordnung zur Änderung der Kapazitätsverordnung vom 5. März 2012 (GVBl. S. 68) gesetzt worden sind. Die Festlegung der CNW beruht auf einem Meinungs- und Entscheidungsbildungsprozess des Normgebers, der komplexe Elemente des Einschätzens und Abwägens, der Vorsorge und Vorausschau, des Kompromisses zwischen gegenläufigen Interessen, Auffassungen und Gewichtungen enthält und daher nur einer beschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 7. Juli 2004 - OVG 5 NC 3.04 - [FU/Publizistik, Wintersemester 2003/2004]).
Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab verfängt der Vorwurf der Beschwerde nicht, die Antragsgegnerin habe bei der Ermittlung des CNW weder den in der Anlage zur Studienordnung veröffentlichten Studienplan herangezogen noch die einzelnen Veranstaltungen den Lehrveranstaltungstypen der KapVO zugeordnet. Zutreffend ist vielmehr, dass die von der Antragsgegnerin vorgelegte Berechnung des festgesetzten CNW von 5,61 für den in Rede stehenden Studiengang sowohl durch den - der Studienordnung sowie der Prüfungsordnung als Anlage beigefügten inhaltsgleichen - Studienplan unterlegt ist als auch in Einklang mit den Vorgaben in der Anlage 2 Teil B Abschnitt III der KapVO steht. Dagegen beruht das Zahlenwerk der Beschwerde auf einer nicht nachvollziehbaren Interpretation des Studienplans sowie der Vorgaben der KapVO. Die Beschwerde verkennt bereits grundlegend, dass zum einen das im Studienplan verwendete Symbol S ausweislich seiner Beschreibung im Studienplan (S = Seminar/Übung) neben der in der KapVO genannten Veranstaltungsart k 5 (Seminaristischer Lehrvortrag an Fachhochschulen) auch die Veranstaltungsarten k 8 (Übung an Fachhochschulen) sowie k 12 (An Fachhochschulen: Seminar, Projektseminar, Vertiefungsseminar etc.) umfasst und zum anderen das im Studienplan enthaltene Symbol V (Vorlesung) die Veranstaltungsart k 4 (Lehrvortrag an Fachhochschulen) zulässt. Die These der Beschwerde, die Veranstaltungsart k 8 setze die Erbringung einer Prüfungsleistung voraus, sodass bei deren Fehlen allenfalls die Veranstaltungsarten k 4, k 5 oder k 6 in Betracht kämen, entbehrt im Hinblick auf die Beschreibung der Lehrveranstaltungstypen in der KapVO jeglicher Grundlage. Gleiches gilt für die von der Beschwerde vorgenommene Einordnung einer Lehrveranstaltung ohne Prüfungsleistung (k 5) in die Veranstaltungsart k 4 sowie für ihre Annahme, eine Vorlesung ohne Prüfungsleistung sei nicht der Veranstaltungsart k 4, sondern „zwingend“ der Veranstaltungsart k 1 (Vorlesung in rechts-, wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Bachelorstudiengängen) zuzuordnen. Der Versuch der Beschwerde, die in der Berechnung der Antragsgegnerin als Veranstaltungsart k 12 erfasste Lehrveranstaltung „Handlungsmethoden I“ als Veranstaltungsart k 5 einzuordnen, „da kein Bezug zu anderen Lehrveranstaltungen besteht“, schlägt fehl; die Veranstaltungsart k 12 unterfällt dem in der KapVO festgelegten Lehrveran-staltungstyp C, der nach seiner Beschreibung lediglich verlangt, dass die Anzahl der Lehrveranstaltungen an Fachhochschulen höchstens fünf betragen darf. Diese Grenze hat die Antragsgegnerin beachtet, wie sich ohne weiteres aus ihrer Berechnung ergibt. Eine Verbindung mit anderen Veranstaltungen ist nach der KapVO nur für die im Lehrveranstaltungstyp B erfassten Veranstaltungsarten k 6 und k 8 vorgesehen. Anders als die Beschwerde meint, spricht jedoch nichts dafür, dass dieses Erfordernis von der Antragsgegnerin nicht beachtet worden ist (vgl. etwa die in der Berechnung der Antragsgegnerin als k 8 ausgewiesenen Lehrveranstaltungen in den Modulen „Rechtliche Grundlagen Sozialer Arbeit I“ und „Forschungsmethoden“, die jeweils mit einer Lehrveranstaltung der Veranstaltungsart k 5 [Lehrveranstaltungstyp A] verbunden sind).
Schließlich ist die Forderung, den im CNW enthaltenen Betreuungsfaktor für die Bachelorarbeit zu reduzieren, nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, dass aus kapazitätsrechtlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass sich die Betreuung von Studienabschlussarbeiten im Rahmen der Lehrnachfrage quantitativ ausdrücken und bei der Ermittlung des CNW niederschlagen muss (vgl. statt vieler Beschluss vom 22. Februar 2013 - OVG 5 NC 139.12 -, juris Rn. 5 [TU Berlin/Maschinenbau, Sommersemester 2012]).
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den vorgenannten Gründen nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO auch unter Berücksichtigung des Prüfungsmaßstabes des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 10. August 2001 - 2 BvR 569/01 -, juris Rn. 19) keine hinreichende Erfolgsaussicht hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).