Gericht | OLG Brandenburg 4. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 14.12.2011 | |
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Aktenzeichen | 4 U 198/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufungen der Parteien wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 06.07.2010 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 118.404,48 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 88.202,99 € seit dem 21.06.2006 sowie weitere Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 30.201,49 € seit dem 23.10.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 8 % und der Beklagte zu 92 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaft für Verbindlichkeiten der W… GmbH gegenüber der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin in Anspruch.
Die W… GmbH war im Zeitraum vom 19.01.1999 bis zum 30.06.2006 für die Klägerin als Finanzvermittlerin tätig.
Grundlage dieser Tätigkeit waren Courtagezusagen vom 27.11.1998/19.01.1999 bzw. vom 12.07./28.07.2004. Wegen der Einzelheiten dieser Vereinbarungen wird auf die Anlage K1 (Bl. 47 ff. d.A.) Bezug genommen.
Mit Erklärung vom 28.07.2004 übernahm der Beklagte, der zum damaligen Zeitpunkt Geschäftsführer der W… GmbH war, eine selbstschuldnerische Bürgschaft für die Erfüllung aller gegenwärtigen und zukünftigen Verbindlichkeiten der W… GmbH gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin.
Mit Daten vom 18.08./17.10.2005 trafen die Klägerin und die W… GmbH darüber hinaus eine sogenannte „Unterstützungsvereinbarung“, die insbesondere zum Gegenstand hat, dass der W… GmbH die Rückführung eines Soll-Saldos in Höhe von 42.000,00 € gestundet bzw. in einem Vorschuss umgewandelt wurde.
Mit Schreiben vom 18.04.2006 sprach der Beklagte die Kündigung der Bürgschaft aus mit der Begründung, dass er nicht mehr Geschäftsführer der Klägerin sei, wobei zwischen den Parteien in der ersten Instanz streitig war, ob der Klägerin diese Kündigungserklärung zugegangen ist.
Mit Schreiben vom 11.05.2006 kündigte die Klägerin ihrerseits die Courtagezusagen sowie die Unterstützungsvereinbarung gegenüber der W… GmbH zum 30.06.2006.
In Bezug auf das Vermögen der W… GmbH wurde am 18.02.2010 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, der am 13.07.2010 mangels Masse abgelehnt wurde. Die W… GmbH wurde am 08.12.2010 im Handelsregister gelöscht.
Die Klägerin hat ursprünglich nach Durchführung eines Mahnverfahrens sowohl die W… GmbH als auch den Beklagten vor dem Landgericht Wiesbaden auf Rückzahlung erhaltener Courtage in Höhe von insgesamt 94.022,69 € in Anspruch genommen. Das Landgericht Wiesbaden hat das Verfahren gegen den Beklagten abgetrennt und dieses an das Landgericht Cottbus verwiesen.
Gegenstand dieser ursprünglichen Klage ist der Überschuss zugunsten der Klägerin, der sich aus Buchungen von wechselseitigen Forderung der W… GmbH einerseits und der Klägerin andererseits auf den vereinbarungsgemäß bei der Klägerin geführten Verrechnungskonten mit den Endziffern 30477 – hier für den Zeitraum vom 07.09.2005 bis zum 24.05.2006 (Anlage 2 a – Bl. 76 bis 79 d.A.) und vom 22.06.2006 bis zum 17.08.2006 (Anlage 2 b – Bl. 81/82 d.A.) – und 26281 – hier für den Zeitraum vom 24.08.2005 bis zum 24.05.2006 (Anlage 2 a – Bl. 83 d.A.) und vom 16.06.2006 bis zum 08.09.2006 (Anlage 2 b – Bl. 84) – ergibt.
Im Verfahren vor dem Landgericht Cottbus hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 14.10.2009 ihre Klage um weitere 35.717,20 € auf insgesamt 129.739,89 € erweitert. Mit der Klageerweiterung macht die Klägerin (Abschluss- und Bestandpflegeprovisionen der W… GmbH übersteigende) Courtagerückzahlungsansprüche betreffend den Zeitraum ab dem 17.08.2006 bezogen auf das Konto mit den Endziffern 30477 sowie ab dem 08.09.2006 bezogen auf das Konto 2681 geltend, wobei sie diese beiden Konten ab dem 08.01.2008 auf einem Konto mit der Endziffer 25696 zusammengefasst hat.
Im Übrigen wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage des Zeugen S… sowie durch Vernehmung der Zeugen St… und G….
Mit Urteil vom 06.07.2010 hat es den Beklagten sodann zu einer Zahlung in Höhe von 93.022,69 € nebst Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, in der ausgeurteilten Höhe stehe der Klägerin gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Rückerstattung der Courtage wegen gekündigter Verträge unter Berücksichtigung der Unterstützungsvereinbarung gemäß §§ 765, 767 BGB zu.
Dass die Bürgschaft des Beklagten am 18.04.2006 gekündigt worden sei, stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts fest.
Ein Anspruch bestehe jedoch nur in Höhe des ausgeurteilten Betrages. Insoweit habe die Klägerin mit Schreiben vom 13.03.2007 im Einzelnen dargelegt, wie sich der Betrag zusammensetze bzw. welche Versicherungen gekündigt worden seien, für die Courtagerückzahlungen und in welcher Höhe begehrt würden. Ein Anspruch bestehe jedoch nur in Höhe der sich aus dem beiden Vermittlungskonten ergebenden Beträge 31.514,17 € und 61.508,52 €. Dem Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 13.03.2007 sei der Beklagte nicht substanziiert entgegengetreten. Er habe auch nicht im Einzelnen vorgetragen, welche Ansprüche gegebenenfalls aus Bestandspflege von Versicherungen und Dynamikprovisionen entstanden sein sollen.
In Bezug auf die mit der Klageerweiterung vom 14.10.2009 geltend gemachten Ansprüche von weiteren 35.717,20 € sei die Klage abzuweisen.
Der Beklagte habe die Forderungen als anhand der mit Schriftsatz vom 13.11.2009 zunächst eingereichten Forderungsaufstellungen nicht nachvollziehbar beanstandet. Die Forderungsaufstellung ersetze keinen substanziierten Sachvortrag.
Das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 10.06.2010 sei gemäß § 296 ZPO als verspätet zurückzuweisen, nachdem mit Beschluss vom 03.06.2010 nach bereits mehrfach zuvor erfolgten Fristverlängerungen der Antrag vom 18.05.2010 auf erneute Fristverlängerung um zwei Monate zurückgewiesen worden sei. Das Vorbringen rechtfertige auch keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
Der Einwand der fehlenden Aktivlegitimation sei vom Beklagten nach Erklärung der Z… Versicherung dahingehend, dass Zahlungen die Klägerin nicht erfolgt seien, nicht aufrecht erhalten worden.
Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren jeweils selbständigen Berufungen.
Der Beklagte hat mit seiner Berufung zunächst die vollständige Klageabweisung erreichen wollen; er hat die Berufung jedoch in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2011 zurückgenommen, soweit sie einen 4.819,70 € nebst Zinsen übersteigenden Betrag betraf. Die Klägerin strebt mit ihrer Berufung eine über das landgerichtliche Urteil hinausgehende Verurteilung des Beklagten im Umfang ihrer erstinstanzlichen Klageerweiterung in Höhe weiterer 35.717,20 € an.
Soweit der Beklagte seine Berufung aufrecht erhalten hat, geht es um die klägerseits mit der ursprünglichen Klage im Rahmen der Berechnung der Ansprüche für das Konto mit den Endziffern 30477 geltend gemachte Stornoreserve.
In Bezug auf die Berufung der Klägerin macht der Beklagte geltend, das Landgericht habe den neuen Vortrag der Klägerin vom 10.06.2010 zutreffend als verspätet zurückgewiesen. Im Übrigen setze sich die erweiterte Klageforderung ganz anders zusammen als die vorherige Klageforderung. Der Vortrag der Klägerin sei deshalb insgesamt unschlüssig. So habe die Klägerin mit Schriftsatz vom 13.03.2007 zu einer versicherten Person D…, S… vorgetragen; zu der dort genannten Versicherungsnummer finde sich hingegen im Schriftsatz vom 10.06.2010 nichts mehr. Das Landgericht hätte deshalb in jedem Fall die gesamte Klage als unschlüssig zurückweisen müssen. Im Übrigen beruft er sich gegenüber der klageerweiternd geltend gemachten Forderung auf die bereits mit erstinstanzlichem Schriftsatz vom 13.11.2009 erhobene Einrede der Verjährung sowohl in Bezug auf die Bürgschaftsforderung als auch auf die Hauptforderung.
Der Beklagte beantragt zuletzt,
das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 06.07.2010 abzuändern und die Klage in einem Umfang von 4.819,70 € nebst Zinsen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
sowie in Bezug auf ihre eigene Berufung,
unter Abänderung des am 06.07.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Cottbus den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin auch den Klageerweiterungsbetrag von 35.717,20 € zzgl. Zinsen seit Zustellung der Klageerweiterung zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin macht geltend, das Urteil des Landgerichts sei in Bezug auf die Klageerweiterung in seiner Begründung überraschend. Das Gericht habe während der Prozessdauer die Frage der mangelnden Substanziiertheit der Klageerweiterung nicht als problematisch angesehen und hierzu auch keine Hinweise erteilt. Sie weist darauf hin, dass die Parteien in Ziffer 5. der Courtagezusage eine Kontokorrentabrede getroffen hätten. Die Berechnung der gegenseitigen Forderungen sei in der gesamten Vertragslaufzeit auch stets kontokorrentmäßig erfolgt. Die durch die Hauptschuldnerin erfolgten Saldo-Anerkenntnisse kämen dem Gläubiger auch im Verhältnis zum Bürgen zu Gute. Die Klägerin habe im Klageerweiterungsschriftsatz vom 14.10.2009 vorgetragen, dass die Hauptschuldnerin die Kontoabrechnungen erhalten und ihnen innerhalb von sechs Wochen nicht widersprochen habe. Erst mit Schriftsatz vom 13.11.2009 habe die Beklagtenseite durch Bestreiten mit Nichtwissen pauschal alle Behauptungen der Klägerin streitig gestellt.
Das Landgericht hätte im Übrigen die Möglichkeit zur Abtrennung der Klage und Entscheidung durch Teilurteil über die ursprünglich geltend gemachte Hauptforderung gehabt.
Des Weiteren hätte es eines Hinweises seitens des Gerichts hinsichtlich der Frage der Schlüssigkeit der Klageerweiterung bedurft. Derartige Hinweise habe das Gericht auch nicht etwa im Fristverlängerungsbeschluss vom 23.03.2010 erteilt. Es habe lediglich mit Schreiben vom 03.06.2010 – einem Feiertag in Hessen – die Fristverlängerung abgelehnt. Mit Schriftsatz vom 10.06.2010 und damit unverzüglich nach der Ablehnung habe die Klägerin die Entstehung der Salden durch Darstellung der einzelnen Rückabschlussprovisionen nachgewiesen.
Die mit der Klageerweiterung geltend gemachten Forderungen seien nicht verjährt. Forderungen aus Rückabschlussprovisionen, die im Jahr 2007 oder später entstanden seien, könnten bereits nicht verjährt sein, weil sich die Bürgschaftsforderung mit der Löschung der W… GmbH "verselbständigt" habe, so dass allein die Geltendmachung gegenüber dem Beklagten mit der Klageerweiterung die Hemmung der Verjährung auch in Bezug auf die Hauptforderung bewirkt habe. Die im Jahr 2006 entstandenen Forderungen wegen Rückabschlussprovisionen seien gemäß § 251 BGB ebenfalls nicht verjährt, da die der W… GmbH in den Jahren 2006 und 2007 gutgeschriebenen Abschlussprovisionen gemäß § 396 Abs. 1 S. 2, 366 Abs. 2 BGB gegen die jeweils ältesten nicht titulierten Rückabschlussprovisionen zu verrechnen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
II.
Beide Berufungen sind zulässig; sie haben auch beide – diejenige des Beklagten in dem nach Rücknahme der Berufung im Übrigen noch streitgegenständlichen Umfang von 4.819,70 € nebst Zinsen – in der Sache Erfolg.
Die Klägerin kann den Beklagten gemäß § 765 BGB aus der Bürgschaft vom 28.07.2004 für Verbindlichkeiten der W… GmbH in Anspruch nehmen.
a) Der Abschluss der Bürgschaftsvereinbarung auf der Grundlage der Erklärung des Beklagten vom 28.07.2004 ist zwischen den Parteien nicht streitig. Danach hat der Beklagte die selbstschuldnerische Bürgschaft für alle gegenwärtigen und zukünftigen Verbindlichkeiten der W… GmbH gegenüber der Klägerin übernommen.
b) Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf eine – unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich mögliche (vgl. dazu nur: Palandt-Sprau, BGB, 70. Aufl., § 765 Rn. 16) – Kündigung der Bürgschaft berufen.
Der Beklagte hat nicht bewiesen, dass der Klägerin das von ihm behauptete Kündigungsschreiben vom 18.04.2006 zugegangen ist. Diese Feststellung des Landgerichts, an die der Senat mangels konkreter Anhaltspunkte für Zweifel an ihrer Richtigkeit oder Vollständigkeit gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden ist, hat der Beklagte im Berufungsverfahren nicht angegriffen.
c) Die Inanspruchnahme des Beklagten aufgrund der Bürgschaft stellt sich auch nicht als rechtsmissbräuchlich dar.
Es trifft zwar zu, dass der BGH in einem Urteil vom 06.07.2004 (– XI ZR 254/02 – Rn. 16) angenommen hat, der Bürgschaftsgläubiger verwirke seinen Anspruch gegen den Bürgen, wenn er unter Verletzung seiner Vertragspflichten gegenüber dem Hauptschuldner dessen wirtschaftlichen Zusammenbruch schuldhaft verursacht, also den Bürgschaftsfall selbst herbeigeführt und jeden Rückgriff des Bürgen vereitelt habe.
Der Beklagte hat jedoch keinerlei Tatsachen vorgetragen, die auf eine schuldhafte Vertragsverletzung der Klägerin gegenüber der W… GmbH schließen ließen. Allein der Umstand, dass die Klägerin die Zusammenarbeit mit der W… GmbH mit Schreiben vom 11.05.2006 (K 7; Bl. 90) gekündigt hat, reicht dafür nicht aus, selbst wenn dies letztlich zur Insolvenz der W… GmbH – der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist allerdings ohnehin nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin erst am 18.02.2010 gestellt worden – beigetragen haben mag.
e) In einem Umfang von insgesamt 118.404,48 € besteht auch die Hauptforderung. In diesem Umfang sind die geltend gemachten Forderungen der Klägerin gegen die W… GmbH – was in Höhe von 88.202,99 € infolge der Rücknahme der Berufung durch den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2011 nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens ist - begründet.
aa) Unbegründet ist die Forderung der Klägerin allerdings, soweit diese in ihre als Anlage K 2 a (Bl. 80 d.A.) vorgelegte Berechnung einer Gesamtforderung von 52.051,- € bezogen auf das Konto mit den Endziffern 30477 per 24.05.2006 zu Lasten der W… GmbH eine Stornoreserve in Höhe von 4.819,70 € eingestellt hat. Insoweit fehlt es – worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2011 ausdrücklich hingewiesen hat – an einem ausreichenden Vortrag der Klägerin.
aaa) Die Klägerin kann sich – dies gilt sowohl für die Forderung unter dem Gesichtspunkt "Stornoreserve" auch für sämtliche anderen Forderungen – nicht mit Erfolg auf Saldoanerkenntnisse der W… GmbH berufen. Insoweit verkennt der Senat nicht, dass die Klägerin und die W… GmbH unter Ziff. 5 der Courtagevereinbarung vom 12.07./28.07.2004 (Anlage K 1; Bl. 48 d.A.) eine Verrechnungsvereinbarung getroffen und ausdrücklich bestimmt haben, dass die dem Versicherungsmakler zu übersendenden Abrechnungsunterlagen als anerkannt gelten, wenn er nicht innerhalb von 6 Wochen schriftlich widerspricht. Allein der – wenn auch unbestrittene – Vortrag der Klägerin, der W… GmbH seien monatlich Abschlüsse übersandt worden, gegen die sie keine Einwendungen erhoben habe, reicht nicht aus, um die streitgegenständlichen Forderungen auf ein in einem anerkannten Abschlusssaldo liegendes abstraktes Schuldanerkenntnis stützen zu können. Dies käme nur in Betracht, wenn die Klägerin zum Beleg für ihre Forderungen diejenigen Abrechnungen vorgelegt hätte, die sie der W… GmbH übersandt hat; nur daraus könnte sich ergeben, welche Abschlusssalden für welche Zeiträume die W… GmbH tatsächlich anerkannt hat. In den als Anlagen K 2 a) und K 2 b) vorgelegten Forderungsaufstellungen, auf die die Klägerin ihre Ansprüche im vorliegenden Verfahren stützt, sind die wechselseitigen Forderungen der Parteien des Versicherungsmaklervertrag dagegen in völlig anderer Weise und für erheblich größere Zeiträume zusammengefasst und saldiert; eine Übereinstimmung dieser Zusammenfassung mit den der W… GmbH vereinbarungsgemäß monatlich übersandten Abrechnungen lässt sich auf dieser Grundlage nicht feststellen.
bbb) In Bezug auf die danach beklagtenseits bereits mit der Klageerwiderung erheblich bestrittene Forderung unter dem Gesichtspunkt einer Stornoreserve in Höhe von 4.819,70 € reicht der auf die Aufstellung in der Anlage K 2 a) (Bl. 80 d.A.) gestützte Vortrag der Klägerin nicht aus, da sich daraus lediglich die Höhe der in den Monaten September 2005 bis April 2006 nach der Behauptung der Klägerin unter diesem Gesichtspunkt jeweils angefallenen Beträge ergibt, nicht jedoch die tatsächlichen Grundlagen, aus denen sich die Berechtigung der Klägerin zur Geltendmachung dieser Forderungen ergeben könnte. Dieses Vortragsdefizit hat die Klägerin auch nach dem Hinweis des Senats im Termin vom 17.08.2011 nicht behoben.
bb) Entgegen der Auffassung des Beklagten sind auch die mit der Klageerweiterung geltend gemachten Ansprüche der Klägerin jedenfalls im Umfang von 30.201,49 € begründet.
aaa) Die Klägerin kann sich allerdings aus den bereits unter aa) aaa) ausgeführten Gründen auch in Bezug auf die mit der Klageerweiterung geltend gemachten Forderungen ebenfalls nicht auf Saldoanerkenntnisse der W… GmbH stützen.
bbb) Die Klägerin hat ihre mit der Klageerweiterung geltend gemachten Forderungen, die sich aus den auf den Konten mit den Endziffern 30477 ab dem 17.08.2006, Nr. 26281 ab dem 08.09.2006 und Nr. 25696 ab dem 08.01.2008 gebuchten wechselseitigen Forderungen der Vertragsparteien des Versicherungsmaklervertrages zusammensetzen, jedoch schlüssig dargelegt.
(1) Dafür reichte zwar allein der Vortrag in dem Klageerweiterungsschriftsatz vom 14.10.2009 in Verbindung mit der darin in Bezug genommenen Anlage K 2 c (Bl. 462 ff. d.A.) nicht aus, da aus dieser insbesondere nicht hervorgeht, welche Änderung der jeweiligen Versicherungsverträge zu welchem Zeitpunkt Rückabschlussprovisionen oder Rückbestandpflegeprovisionen begründet haben sollen; dies ist auch schriftsätzlich nicht erläutert. Ohne diese Angaben ist aber aus der bloßen Angabe der Vertragsnummer, des Versicherungsnehmers und des Tarifs nicht nachvollziehbar, ob die Rückabschluss/ Rückbestandspflegeprovisionen zutreffend berechnet worden sind.
(2) Die Klägerin hat ihren Vortrag jedoch mit Schriftsatz vom 10.06.2010 (Bl. 543 d.A.) in der Weise ergänzt, dass sie – bis auf wenige Ausnahmen, zu denen eine Vervollständigung der Angaben nach Hinweis des Senats erst mit Schriftsatz vom 14.09.2011 erfolgt ist – für jeden einzelnen Versicherungsvertrag vorgetragen hat, zu welchem Zeitpunkt aufgrund welchen Änderungstatbestandes Rückprovisionen entstanden sind.
Diesen ergänzenden Vortrag hat das Landgericht zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen, so dass er im Berufungsverfahren zu berücksichtigen ist.
Die Zurückweisung als verspätet hat das Landgericht, auch wenn es die zur Anwendung gelangte Alternative nicht genau bezeichnet hat, eindeutig auf § 296 Abs. 1 ZPO gestützt, da es die Zurückweisung als verspätet ausdrücklich damit begründet hat, dass der Schriftsatz vom 10.06.2010 nach Ablauf der bis zum 18.05.2010 verlängerten Frist und nach Ablehnung einer weiteren Verlängerung mit Beschluss vom 03.06.2010 eingegangen sei.
Die Regelung des § 296 Abs. 1 ZPO war jedoch schon deshalb nicht anwendbar, weil es sich bei dem Schriftsatz vom 10.06.2010 um einen – wenn auch nach Fristablauf eingegangenen - im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16.11.2009 (Bl. 494 d.A.) nachgelassenen Schriftsatz im Sinne des § 283 ZPO handelte. § 283 ZPO gehört nicht zu den in § 296 Abs. 1 ZPO genannten Vorschriften. Darüber hinaus ist der Umstand, dass es sich bei der Regelung in § 296 Abs. 1 ZPO um eine gebundene Entscheidung handelt ("sind nur zuzulassen"), nicht mit § 283 S. 2 ZPO zu vereinbaren, wonach es im Ermessen des Gerichts steht, einen nach Ablauf der Frist eingegangenen Schriftsatz zu berücksichtigen (wohl ebenso, wenn auch zu § 528 Abs. 1 ZPO a.F.: BGH Urteil vom 10.03.1983 – VII ZR 135/82 – Rn. 22).
Daraus folgt, dass die Klägerin im Berufungsverfahren mit dem Vortrag aus dem Schriftsatz vom 10.06.2010 jedenfalls nicht gemäß § 531 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen ist. Ob eine Zurückweisung als verspätet gemäß §§ 296 Abs. 2, 282 ZPO in Betracht gekommen wäre, ist schon deshalb unerheblich, weil das Berufungsgericht nicht befugt ist, die Zurückweisung nach einer anderen Vorschrift oder mit anderen Gründen aufrecht zu erhalten (vgl. nur: Zöller-Heßler, a.a.O. Rn. 7 m.w.N.).
Der Vortrag der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 10.06.2010 ist im Berufungsverfahren als vom Landgericht nicht berücksichtigter Vortrag im Sinne der §§ 283 S. 2, 296 a ZPO zu behandeln, so dass sich im Berufungsverfahren lediglich die Frage der Zulassungsfähigkeit als neuer Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 ZPO stellt.
Ist danach die Frage der Berücksichtigungsfähigkeit des Vortrages nach § 531 Abs. 2 ZPO zu beurteilen, ist der Vortrag vom 10.06.2010 bereits deshalb zuzulassen, weil der Beklagte die konkreten Angaben zu den einzelnen Versicherungsverträgen, die beendet worden sind, einschließlich der Tatsache, dass die W… GmbH von den Kündigungen, Beitragsfreistellungen etc. jeweils am gleichen Tag in Kenntnis gesetzt hat, an dem die Klägerin dem Versicherungsnehmer den Eingang des Beendigungsschreibens bestätigt hat, im Berufungsverfahren nicht in Abrede gestellt hat.
Der Beklagte hat vielmehr im Rahmen seiner Berufungsbegründung (Bl. 805 ff.) zu dem Vortrag aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 10.06.2010 lediglich geltend gemacht, mit diesem Vortrag werde bereits der Vortrag der Klägerin zur ursprünglichen Klageforderung unschlüssig. Dies ist jedoch im Hinblick auf die mit der Klageerweiterung geltend gemachten Forderungen, die nach dem Vortrag der Klägerin erst nach dem 17.08.2006 (Konto 30477) bzw. dem 08.09.2006 (Konto 26281) entstanden sind, unerheblich.
ccc) Die danach in den Einzelheiten ihrer Entstehungsvoraussetzungen nicht bestrittenen Forderungen sind in einem Umfang von 30.201,49 € auch nicht verjährt.
(1) Wie die Klägerin zutreffend vorgetragen hat, reicht es nach dem Untergang der Hauptschuldnerin, d.h. hier nach der Löschung der W… GmbH am 08.12.2010, aus, dass die Klägerin gegenüber dem Beklagten als Bürgen mit der Geltendmachung der Forderung im vorliegenden Rechtsstreit verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen hat (vgl. BGH Urteil vom 28.01.2003 – XI ZR 243/03; Senat Urteil vom 21.03.2007 – 4 U 128/06).
Daraus folgt, dass über die Ansprüche auf Zahlung von Rückprovisionen aufgrund von Beendigungstatbeständen aus der Zeit ab dem 01.01.2008 hinaus jedenfalls auch Ansprüche, die im Jahr 2007 entstanden sind, aufgrund der Zustellung der Klageerweiterung vom 14.09.2009 an den Beklagten in unverjährter Zeit nicht verjährt sind.
Der Klägerin ist ebenfalls dahin zu folgen, dass die Verjährungseinrede auch gegenüber Ansprüchen der Klägerin aus dem Jahr 2006 aufgrund der Verrechnung mit Ansprüchen des Beklagten auf Zahlung von Abschlussprovisionen gemäß §§ 396 Abs. 1 S. 2, 366 Abs. 2, 215 BGB nicht greift. Dem kann der Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Klägerin eine Aufrechnung nicht erklärt hat. Einer (gesonderten) Aufrechnungserklärung bedurfte es aufgrund der zwischen der Klägerin und der W… GmbH mit dem Vertrag vom 12.07./28.07.2004 unter Ziff. 5 getroffenen Abrede zu einer fortlaufenden Verrechnung ihrer wechselseitigen Forderungen nicht. Der Umstand, dass die Klägerin sich – wie bereits ausgeführt – mangels Vorlage der an die W… GmbH übersandten monatlichen Abrechnungen nicht auf Saldoanerkenntnisse stützen kann, ändert nichts an der Wirksamkeit der Verrechnungsvereinbarung als solcher.
(2) Nicht verjährte Ansprüche, die Gegenstand der Klageerweiterung sind, lassen sich auf der Grundlage des eigenen Vortrages der Klägerin jedoch nur in einem Umfang von insgesamt 30.201,49 € feststellen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind ihren Forderungen auf Rückabschlussprovision nicht nur diejenigen Abschlussprovisionen gegenüber zustellen, die diejenigen Verträge betreffen, für die auch Rückprovisionen entstanden sind. In die Berechnung des klägerischen Anspruchs sind vielmehr aufgrund der zwischen den Parteien getroffenen Verrechnungsabrede sämtliche wechselseitigen Ansprüche einzubeziehen, die denselben Zeitraum betreffen wie die geltend gemachten Ansprüche auf Rückabschlussprovisionen, d.h. auch die zugunsten der W… GmbH entstandenen Provisionsansprüche sowie die wechselseitigen Ansprüche in Bezug auf die Bestandspflege. Soweit die Klägerin meint, der Senat gehe nicht von einem Kontokorrentverhältnis aus, liegt ein Missverständnis vor. Die Klägerin kann sich lediglich nicht auf den Gesichtspunkt eines Saldoanerkenntnisses stützen, da es an einem hinreichenden Vortrag zu Rechnungsabschlüssen und der Vorlage der konkreten, der W… GmbH zugegangenen Rechnungsabschlüsse fehlt.
Dies bedeutet, dass – entsprechend dem bereits mit Beschluss vom 28.09.2011 erteilten Hinweis des Senats, auf den die Klägerin auch mit Schriftsatz vom 22.11.2011 nichts Erhebliches vorgetragen hat - in Bezug auf die drei streitgegenständlichen Konten folgende Beträge in die Berechnung einzustellen sind:
Kt. 30477
Abschlussprovisionen
73.801,93 €
(Anl. K2c Schr.s.14.10.09)
Rückabschlussprovisionen
- 102.274,67 €
(Schr.s. 14.09.11 S. 2 u. 3)
zzgl. Nr. 154
- 821,70 €
(Schr.s. 10.06.10 S. 32/33)
zzgl. Nr. 289
- 3.866,90 €
(Schr.s. 10.06.10 S.74/75)
Bestandspflege
6.683,40 €
(Anl. K2c Schr.s.14.10.09)
Rückbestandspflege
- 1.881,05 €
(Anl. K2c Schrs.14.10.09)
---------------------
- 28.358,99 €
Kt. 26281
Abschlussprovisionen
33.234,16 €
(Anl. K2c Schrs.14.10.09)
Rückabschlussprovisionen
- 32.318,- €
(Anl. K2c-Erg. 14.09.11)
Bestandspflege
1.158,04 €
(Anl. K2c Schrs.14.10.09)
Rückbestandspflege
- 315,75 €
(Anl. K2c Schrs.14.10.09)
----------------------
1.695,45 €
Kt. 25696
Abschlussprovisionen
12.087,65 €
(Anl. K2c Schrs.14.10.09)
Rückabschlussprovisionen
- 6.801,93 €
(Schr.s. 14.09.11 S. 8 u. 9)
zzgl.
nicht in der Anl. K 2c-Erg.
enthaltene RAP aus der
Anl. K 2c Schr.s.14.10.09
- 12.431,01 €
Bestandspflege
4.307,92 €
(Anl. K2c Schrs.14.10.09)
Rückbestandspflege
- 700,58 €
(Anl. K2c Schrs.14.10.09)
---------------------
- 3.537,95 €
Insgesamt:
- 28.358,99 €
1.695,45 €
- 3.537,95 €
-----------------
- 30.201,49 €
Soweit in Bezug auf die Rückabschlusspositionen zum Kt. 30477 und zum Konto 26281 eine geringfügige Differenz zu den Berechnungen der Klägerin in der Anlage K 2 c zum Schriftsatz vom 14.10.2009 verbleibt, erklärt sich dies daraus, dass zu den Pos. 154 zum Kt. 30477 und der Pos. 1 zum Kt. 25696 – auch darauf ist mit Beschluss vom 28.09.2011 bereits hingewiesen worden - eine Erläuterung fehlt.
e) Soweit danach Ansprüche der Klägerin bestehen, die diese erstmals mit der Klageerweiterung vom 14.10.2009 geltend gemacht hat, greift auch nicht die beklagtenseits erhobene Einrede der Verjährung der Bürgschaftsforderung.
Zwar läuft die Verjährung der Bürgschaftsforderung grundsätzlich unabhängig von der Verjährung der Hauptforderung. Die Verjährung der Bürgschaftsforderung begann jedoch frühestens mit der Entstehung der jeweiligen Hauptforderung, d.h. für die ältesten der mit der Klageerweiterung geltend gemachten Forderungen im Jahr 2006, so dass die gemäß § 195 BGB dreijährige Verjährung der Bürgschaftsforderung in Bezug auf diese Hauptforderungen gemäß § 199 BGB mit Ablauf des 31.12.2006 begann. Diese Verjährung wurde jedoch gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit der am 22.10.2009 (Bl. 477 d.A.) erfolgten Zustellung gehemmt.
Die Zinsforderung beruht auf §§ 280 Abs. 2, 291, 288 Abs. 2 BGB.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 128.739,89 € festgesetzt.