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Personalvertretungsrechtliches Beschlussverfahren; Rechtskraft; vorhergehender Beschluss; Verfahrensgegenstand; Identität des -es; Stellenausschreibung; Anforderungsprofil; Beurteilungsrichtlinie; Personalauswahlrichtlinie; Examensnote; Note der letzten Beurteilung; Deutsche Rentenversicherung Bund


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 62. Fachsenat für Personalvertretungssachen Entscheidungsdatum 06.10.2011
Aktenzeichen OVG 62 PV 3.11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 322 Abs 1 ZPO, § 80 Abs 2 ArbGG, § 85 Abs 1 ArbGG, § 75 Abs 3 Nr 9 BPersVG, § 76 Abs 2 S 1 Nr 3 BPersVG, § 76 Abs 2 S 1 Nr 8 BPersVG

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. März 2011 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten besteht seit längerem Streit über das Mitbestimmungsrecht bei der Erstellung von Anforderungsprofilen. Bereits im Jahre 2006 hatte der Antragsteller in einem personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren beantragt festzustellen, dass der Beteiligte bei der Herausgabe von Grundsätzen für die Aufstellung von Anforderungsprofilen gegen das Recht des Antragstellers auf Mitbestimmung bei der Aufstellung von Beurteilungs- und Personalauswahlrichtlinien verstoßen habe. Diesen Antrag wies das Verwaltungsgericht Berlin mit Beschluss vom 12. Oktober 2006 (VG 71 A 1.06) zurück: Es sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zwischen nicht mitbestimmungspflichtiger Qualifikation von Arbeitsplätzen einerseits und mitbestimmungspflichtigen personenbezogenen Maßnahmen andererseits zu unterscheiden. Auch wenn Funktionsbeschreibungen oder Anforderungsprofile eine tatsächliche Grundlage für Beurteilungen und Personalauswahlentscheidungen abgäben, besäßen sie nicht den Charakter beteiligungspflichtiger Vorentscheidungen in Bezug auf Personalmaßnahmen. Die dagegen eingelegte Beschwerde (OVG 62 PV 1.07) nahm der Antragsteller im Termin zur mündlichen Anhörung am 19. März 2009 nach einem rechtlichen Hinweis des Vorsitzenden zurück.

Anlass für das vorliegende Verfahren gab die interne Ausschreibung der bis zum 30. November 2011 befristet zu besetzenden Dezernentenstelle I in der Abt. 40 - Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen bei der Deutschen Rentenversicherung Bund - in der personalvertretungsrechtlich verselbständigten Dienststelle Brandenburg an der Havel (E 13 TV DRV-Bund). Während im Anforderungsprofil als unabdingbare Voraussetzung in Bezug auf die Berufsausbildung zwei bestandene juristische Examina gefordert werden, nennt die Stellenausschreibung zusätzlich befriedigende Abschlüsse beider Examina als unabdingbare Voraussetzung. Zur Begründung heißt es in der Vorlage zur Kenntnisnahme vom 11. Dezember 2009: Die Forderung mindestens befriedigender Abschlüsse orientiere sich an dem Maßstab, der bereits bei der externen Einstellung von Jurist(inn)en im März 2009 zugrunde gelegt worden sei. Da es sich bei der Besetzung der Dezernentenstelle um einen Einzelfall handele, werde von einer Änderung des bestehenden Anforderungsprofils abgesehen. Das Ansinnen des Antragstellers, aus Anlass der einzelfallbezogenen Änderung des bestehenden Anforderungsprofils beteiligt zu werden, lehnte der Beteiligte ab.

Mit der Begründung, für die Abweichung bedürfe es einer Änderung des Anforderungsprofils bzw. der Beurteilungs- und Auswahlrichtlinien und damit seiner Beteiligung, hat der Antragsteller am 28. Dezember 2010 das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet und - soweit hier noch von Interesse - beantragt, festzustellen, dass der Beteiligte ihn bei dem Aufstellen von Kriterien für eine Personalauswahl, die abweichend von den vom Beteiligten veröffentlichten Anforderungsprofilen erfolgt, zu beteiligen hat.

Mit Beschluss vom 10. März 2011 hat das Verwaltungsgericht Berlin das Rechtsschutzbegehren zurückgewiesen: Dem Antrag stehe die Rechtskraft des Beschlusses derselben Kammer vom 12. Oktober 2006 - VG 71 A 1.06 - entgegen, soweit die Argumentation des Antragstellers darauf hinauslaufe, mit der Überarbeitung der stellenbezogenen Anforderungsprofile würden Kriterien für eine Personalauswahl aufgestellt. Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage nach Rechtskraft, die eine erneute Entscheidung zulasse, sei nicht eingetreten. Davon abgesehen sei nicht erkennbar, dass die fraglichen Kriterien die Qualität einer Richtlinie aufwiesen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, zu deren Begründung er vorträgt: Die Rechtskraft der Entscheidung der Kammer vom 12. Oktober 2006 stehe einer erneute Entscheidung nicht entgegen, weil sich die Verhältnisse geändert hätten. Der Beteiligte habe außer in dem erstinstanzlich geschilderten Anlassfall auch in anderen Fällen grundlegende Richtlinien in Abweichung zu den vereinbarten Anforderungsprofilen aufgestellt. So fordere er jetzt bei den funktionsoffenen Stellenausschreibungen als unabdingbare Voraussetzung zusätzlich mindestens 10 Punkte im Gesamturteil der aktuellen Beurteilung (entspricht den Anforderungen, obere Grenze). Die Anforderungsprofile würden entsprechend angepasst. Diese neue Anforderung lasse die Rechtskraftwirkung des Beschlusses entfallen. Sie stehe in Korrespondenz zum erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalt der „befriedigenden“ juristischen Staatsexamina. Mangels Arbeitsplatzbezogenheit handele es sich bei den Mindestnoten jeweils nicht um ein Kriterium des Anforderungsprofils, sondern um ein solches der Personalauswahl. Jedenfalls sei die Grenze fließend. Würde man die Mitbestimmung ausschließen, könnte der Dienstherr jegliche Voraussetzung in einer Stellenausschreibung als Anforderungsprofil deklarieren, was zu einer Aushöhlung des Beteiligungsrechts der Personalvertretung führen würde.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. März 2011 zu ändern und festzustellen, dass der Beteiligte den Antragsteller bei dem Aufstellen von Kriterien für eine Personalauswahl, die abweichend von den vom Beteiligten veröffentlichten Anforderungsprofilen erfolgt, zu beteiligen hat.

Der Beteiligte beantragt Zurückweisung der Beschwerde, verteidigt den angefochtenen Beschluss und meint, es gehe dem Antragsteller ebenso wie in dem vorangegangenen Verfahren nur um die Rechtsfrage, ob ihm bei der Erstellung von Anforderungsprofilen und deren Änderung das von ihm geltend gemachte Beteiligungsrecht aus § 76 Abs. 2 Nr. 8 BPersVG zustehe, ob also die Anforderungsprofile und deren Bestandteile sowie Grundsätze für deren Formulierung selbst Auswahlkriterien darstellten, die als Personalauswahlrichtlinien der Mitbestimmung unterlägen. Sowohl bei den Examensnoten als auch bei den Noten der letzten Beurteilung handele es sich indes um keine Auswahlkriterien, sondern um Anforderungen, die jeder potentielle Stelleninhaber erfüllen müsse.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, weil einer Entscheidung in der Sache die Rechtskraft des Beschlusses vom 12. Oktober 2006 in der Sache VG 71 A 1.06 entgegensteht.

Nach dem auch im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 322 Abs. 1 ZPO sind Beschlüsse der Rechtskraft fähig, soweit über den durch den Antrag erhobenen Anspruch entschieden ist (vgl. GKÖD V Anh. 1 zu K § 83 Rn. 53 unter Hinweis auf die eine materielle Rechtskraft voraussetzenden Regelungen in § 80 Abs. 2 und § 85 Abs. 1 ArbGG sowie m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts; vgl. auch Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Januar 2010 - 1 ABR 55/08 -, juris Rn. 15). Bei Identität der Beteiligten und des Sachverhalts hindert die materielle Rechtskraftwirkung im Interesse des Rechtsfriedens, dass die bereits rechtskräftig entschiedene Frage den Gerichten zur erneuten Entscheidung unterbreitet werden kann.

Über die Grundsätze der materiellen Rechtskraftwirkung, über den Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses vom 12. Oktober 2006 durch Beschwerderücknahme im Termin zur mündlichen Anhörung vor dem Senat am 19. März 2009 sowie darüber, dass die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens mit den Beteiligten des Verfahrens VG 71 A 1.06 identisch sind, besteht zu Recht kein Streit. Identisch ist aber entgegen der Ansicht des Antragstellers auch der Gegenstand beider Verfahren. Unter Verfahrensgegenstand ist die durch den Antrag und den ihm zugrundeliegenden Sachverhalt näher erläuterte Rechtsbehauptung, eine bestimmte Zuständigkeit zu haben oder eine bestimmte Befugnis oder Aufgabe wahrnehmen zu dürfen, zu verstehen. Der Umfang der Rechtskraft ergibt sich dabei aus der Beschlussformel. Lässt diese - wie hier bei einer antragsabweisenden Entscheidung - den Streitgegenstand und damit den Umfang der Rechtskraft nicht erkennen, sind die Gründe des Beschlusses zur Ermittlung desselben heranzuziehen (vgl. GKÖD, a.a.O., Rn. 57).

Nach diesen Maßstäben war Streitgegenstand des Verfahrens VG 71 A 1.06 die in Form eines Globalantrags begehrte allgemeine Feststellung, dass der Beteiligte bei der Herausgabe von Grundsätzen für die Aufstellung von Anforderungsprofilen gegen das Recht des Antragstellers auf Mitbestimmung bei der Aufstellung von Beurteilungs- und Personalauswahlrichtlinien verstoßen hat. Aufgrund der diesen Antrag zurückweisenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin ist zwischen den Beteiligten geklärt, dass die Herausgabe von Grundsätzen für die Aufstellung von Anforderungsprofilen (und erst recht das Erstellen und Ändern von Anforderungsprofilen) weder nach §§ 75 Abs. 3 Nr. 9, 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BPersVG (Beurteilungsrichtlinien) noch nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG (Personalauswahlrichtlinien) mitbestimmungspflichtig ist. Aufgrund der oben beschriebenen Rechtskraftwirkung dieser Entscheidung kann somit ein erneuter Feststellungsantrag in diesem Zusammenhang nicht zulässig erhoben werden, wenn es sich bei der fraglichen, nach den vorgenannten Bestimmungen vermeintlich mitbestimmungspflichtigen Maßnahme um (Richtlinien zu) Anforderungsprofile(n) handelt.

Zwar meint der Antragsteller, die fraglichen Maßnahmen stellten in Wahrheit keine Änderungen der Anforderungsprofile oder der Richtlinien dazu dar, sondern neue Personalauswahlkriterien bzw. -richtlinien. Dies trifft jedoch so nicht zu. Die Examensmindestnote und die Mindestnote der letzten Beurteilung bilden lediglich Varianten derselben Grundkonstellation, die von der allgemeinen Feststellung im Beschluss vom 12. Oktober 2006 erfasst sind.

Den Zusammenhang der Maßnahmen zu Anforderungsprofilen stellt der Antragsteller zunächst selbst durch den Relativsatz im Antrag her, „…die abweichend von den vom Beteiligten veröffentlichten Anforderungsprofilen erfolgt“. Damit macht er eine Abweichung von den vom Beteiligten veröffentlichten Anforderungsprofilen zur Voraussetzung der begehrten Feststellung der Verletzung seines Mitbestimmungsrechts.

Auch die für den Feststellungsantrag anlassgebenden Maßnahmen lassen keinen anderen Schluss zu, als dass der Antragsteller wiederum Anforderungsprofile als mitbestimmungspflichtige Maßnahmen im Sinne von §§ 75 Abs. 3 Nr. 9, 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 8 BPersVG zur Entscheidung stellt. Die bei funktionsoffenen Stellenausschreibungen unabdingbaren Voraussetzungen mindestens befriedigender Examensnoten bzw. eines mindestens 10 Punkte erreichenden Gesamturteils der letzten Beurteilung bilden Teile des Anforderungsprofils der jeweiligen Stellen bzw. Grundsätze zu ihrer Aufstellung. Die Mindestnote beschreibt den betreffenden Dienstposten als qualitativ höherwertig. Eine Begründung seiner Gegenansicht, bei der Mindestnote handele es sich nicht um eine arbeitsplatzbezogene Maßnahme, ist der Antragsteller schuldig geblieben.

Das Argument des Antragstellers, die Grenze zwischen Anforderungsprofilen und Beurteilungs- oder Personalauswahlkriterien bzw. den Richtlinien dazu sei fließend, eine Bewertung der Mindestnoten als nicht mitbestimmungspflichtiger Teil eines Anforderungsprofils lasse die Rechte der Personalvertretung leerlaufen, geht fehl.

Bei einer Notenanforderung ist die Grenze zwischen Anforderungsprofil und Personalauswahlkriterium nur insoweit fließend, als in beiden Fällen die Personalauswahl gesteuert wird. Der maßgebliche Unterschied liegt jedoch in folgendem: Als Teil des Anforderungsprofils formulierte unabdingbare Voraussetzung einer Stellenbesetzung qualifiziert eine Mindestnote den Arbeitsplatz/Dienstposten mit der Folge, dass, wenn sich kein Bewerber findet, der diese Voraussetzung erfüllt, die Stelle nicht besetzt werden kann. Erst wenn mehrere Bewerber die Qualitätsanforderung erfüllen, setzt die Personalauswahl ein. Umgekehrt ergäbe eine festgelegte Notenstufe für die Personalauswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern keinen Sinn, weil sie keine Bestenauslese zuließe. Geeignetes Auswahlkriterium wäre die Note nur in der abstrakten Form der Auswahl nach der besten Examens-/Beurteilungsnote. Nach Maßgabe dessen ist die Grenze nicht fließend, vielmehr ist die Unterscheidung trennscharf: Es kann sich nur entweder um einen Teil eines Anforderungsprofils (Ausschluss ungeeigneter Kandidaten) oder um ein Beurteilungs-/Personalauswahlkriterium (unter mehreren geeigneten Kandidaten) handeln.

Die nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz auf die Beurteilungs- und Personalauswahlrichtlinien beschränkten Beteiligungsrechte der Personalvertretung können nicht unterlaufen werden, wenn es sich bei der Maßnahme um eine Qualifizierung der Arbeitsplätze/Dienstposten handelt. Richtig ist insoweit nur, dass es der Dienstherr in der Hand hat, zu entscheiden, ob eine Examens- bzw. Beurteilungsnote eine Qualitätsanforderung einer Stelle sein soll. Diese Entscheidungsfreiheit setzt aber das Bundespersonalvertretungsgesetz mit der Trennung in mitbestimmungsfreie Arbeitsplatzqualifizierung und mitbestimmungspflichtige Personalmaßnahme als gegeben voraus. Es ist, wie die Fachkammer im Beschluss vom 12. Oktober 2006 zutreffend festgestellt hat, allein Sache des Arbeitgebers/der Dienstbehörde, den Arbeitsplatz/Dienstposten zu qualifizieren; auch wenn die Anforderungsprofile eine tatsächliche Grundlage für die Leistungsbeurteilung und Personalauswahl abgeben können, stellen sie auch keine mitbestimmungspflichtigen Vorentscheidungen in Bezug auf die Personalmaßnahmen dar.

Die Rechtsbeschwerde war mangels Zulassungsgrundes nicht zu eröffnen.