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Entscheidung 5 T 120/11


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 5. Zivilkammer Entscheidungsdatum 26.10.2011
Aktenzeichen 5 T 120/11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die sofortigen Beschwerden beider Miteigentümer und des weiteren Meistbietenden gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 08.04.2011, Az: 7 K 524/09 - werden zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführer tragen die jeweils auf sie entfallenden Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird für die Beschwerdeführerin zu 2. auf 305.000,00 € und für die Beschwerdeführer zu 1. und 3. auf jeweils 237.500,00 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 09.03.2011 hat das Amtsgericht zunächst der Meistbietenden den Zuschlag in dem Teilungsversteigerungsverfahren erteilt. Hiergegen hat diese am 23.03.2011 sofortige Beschwerde erhoben und zu deren Begründung insbesondere geltend gemacht, sie habe aufgrund der vom Gericht im Versteigerungstermin mitgeteilten Versteigerungsbedingungen angenommen, das Grundstück in der Weise ersteigern zu können, dass ihr anschließend ein Sonderkündigungsrecht gegenüber der im Haus lebenden Mieterin zustehe.

Das Amtsgericht hat dieser Beschwerde mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 08.04.2011 abgeholfen und in diesem Beschluss ausgesprochen, dass der Zuschlag sowohl der Meistbietenden als auch dem weiteren Meistbietenden xxx zu versagen sei. Hiergegen wenden sich dieser und beide Miteigentümer mit ihren sofortigen Beschwerden.

Die Miteigentümerin zu 2. begehrt dabei die Aufhebung des Abhilfebeschlusses und die Wiederherstellung des Zuschlagbeschlusses vom 09.03.2011 und verweist darauf, dass die Meistbietende ausdrücklich auf „die gesetzlichen Versteigerungsbedingungen“ geboten und genau zu diesen gesetzlichen Versteigerungsbedingungen auch den Zuschlag erhalten habe. Wenn die Meistbietende bei Abgabe ihres Gebots über den Inhalt des Gesetzes im Irrtum gewesen sei, so liege darin ein unbeachtlicher Motivirrtum in ihrer Person, der an der Wirksamkeit ihres Gebots und der Rechtsmäßigkeit des darauf erteilten Zuschlags nichts ändere.

Der Miteigentümer zu 1. und der weitere Meistbietende machen geltend, wenn denn schon der Zuschlag nicht der Meistbietenden zu erteilen sei, so doch dem weiteren Meistbietenden, der nämlich sein Gebot in der Sache auf genau jene Bedingungen hin abgegeben habe, zu denen ein Erwerb nach den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen hätte erfolgen können, und der insoweit Meistbietender geblieben sei.

Das Amtsgericht hat diesen Beschwerden nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerden sind zulässig, insbesondere sämtlich fristgerecht erhoben worden. Sämtliche nunmehrigen Beschwerdeführer rügen die (erstmalige) Verletzung ihrer Rechte durch den Abhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 08.04.2011.

Betreffend den Beschwerdeführer zu 3. können insoweit zwar Zweifel deshalb bestehen, weil dieser den von ihm erstrebten Zuschlag schon von Anfang an nicht erhalten hatte und hiergegen hätte sofort Beschwerde führen können. Auch er kann indessen berechtigt den Standpunkt einnehmen, ein Zuschlag an die Meistbietende - die nun einmal ein das seine übersteigendes Gebot abgegeben hatte - habe ihn nicht in seinen Rechten verletzen können, wohl aber die Verweigerung des Zuschlages insgesamt - zu der es erst durch den jetzt angefochtenen Beschluss gekommen ist.

Die Beschwerden sind aber unbegründet. Die Entscheidung des Amtsgerichts, im Ergebnis des durchgeführten Teilungsversteigerungstermins keinen Zuschlag zu erteilen, entspricht der Sach- und Rechtslage und kann demgemäß nicht beanstandet werden.

Auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts zur Fehlerhaftigkeit der zugelassenen Versteigerungsbedingungen und des gebildeten Mehrfach-Ausgebots in dem angefochtenen Beschluss kann verwiesen werden, ohne diese Ausführungen hier zu wiederholen. Im Ergebnis zutreffend kommt das Amtsgericht zu dem Ergebnis, vor diesem Hintergrund den Zuschlag verweigern zu müssen.

Dabei kommt es allerdings entgegen dem sich aus dem angefochtenen Beschluss nahelegenden Eindruck nicht auf die Frage an, wer von den im Termin Anwesenden die Versteigerungsbedingungen subjektiv wie verstanden hat oder verstehen konnte. Entscheidend ist vielmehr, dass diese Versteigerungsbedingungen objektiv einen anderen als den vom Gesetz vorgegeben Inhalt hatten. Denn die verschiedenen Varianten des gebildeten Mehrfach-Ausgebots können - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin zu 2. - nicht isoliert voneinander betrachtet werden, sondern sie bildeten insgesamt die Bedingungen, zu denen das Grundstück zur Versteigerung angeboten wurde. Diese einheitliche Betrachtung führt aber zu der Feststellung, dass diese Versteigerungsbedingungen objektiv eine Aussage über den Inhalt des Gesetzes dahin enthielten, dass dem Ersteher nach den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen ein Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG zustehe. Denn die Alternative einerseits der gesetzlichen Versteigerungsbedingungen und andererseits der gesetzlichen Versteigerungsbedingungen unter Verzicht auf ein solches Kündigungsrecht beinhaltet objektiv die Aussage, dass das Kündigungsrecht nach den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen gerade nicht bereits ausgeschlossen sei - andernfalls man hierauf nämlich denklogisch nicht noch verzichten könnte. Tatsächlich ist ein solches Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG aber durch die Regelung des § 183 ZVG für den Fall der Teilungsversteigerung schon kraft Gesetzes ausnahmslos ausgeschlossen.

Diese den bekannt gegebenen Versteigerungsbedingungen immanente objektiv unrichtige Aussage über die Gesetzeslage macht die Versteigerungsbedingungen insgesamt vorschriftswidrig im Sinne vom § 83 Nr. 1 ZVG. Auf eine Versteigerung unter solchen vorschriftswidrigen Versteigerungsbedingungen muss aber der Zuschlag versagt werden, § 83 ZVG. Und dies gilt nicht nur für die Zuschlagserteilung an die Meistbietende, sondern auch für jeden anderen Zuschlag, insbesondere auch für einen möglichen Zuschlag an den Beschwerdeführer zu 3. als weiteren Meistbietenden.

Letzteres hätte im Übrigen auch deshalb zu gelten, weil die These der Beschwerdeführer zu 1. und 3., es wäre auch bei vorschriftsgemäßen Versteigerungsbedingungen niemand bereit gewesen, ein höheres als das vom Beschwerdeführer zu 3. abgegebene Gebot abzugeben, sich bei näherer Betrachtung als reine Spekulation erweist. Insoweit ist insbesondere festzuhalten, dass auf die „gesetzlichen“ Versteigerungsbedingungen neben dem Gebot der Meistbietenden auch noch ein anderes Gebot abgegeben worden ist, das mit 301.000,00 € weit über dem des Beschwerdeführers zu 3. von 237.500,00 € lag. Mit welchen subjektiven Vorstellungen und Erwartungen jener letztlich überbotene Bieter gehandelt hat und zu einem Gebot welcher Höhe er bei vorschriftsmäßiger Gestaltung der Versteigerungsbedingungen bereit gewesen wäre, ist völlig offen. Insbesondere kann angesichts der beachtlichen Differenz der Gebote nicht ausgeschlossen werden, dass er (oder ein anderer Ersteher) sich vor Abgabe seines Gebotes mit der Mieterin ins Benehmen gesetzt und mit dieser eine Abstandszahlung für den Fall seines Eigentumserwerbs ausgehandelt hätte.

Bei dieser Sachlage kann es letztlich nur bei der vom Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss vom 08.04.2011 getroffenen Entscheidung bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt für sämtliche Beschwerdeführer aus § 97 ZPO.

Der festgesetzte Gegenstandswert ergibt sich für die Beschwerdeführerin zu 2. ohne weiteres aus dem Umstand, dass ihre Beschwerde auf die Verpflichtung der Meistbietenden abzielt, den Betrag von 305.000,00 € für das Grundstück zu bezahlen.

Die niedrigere Wertfestsetzung für die Beschwerden der Beschwerdeführer zu 1. und 3. findet ihren Grund in dem geringeren wirtschaftlichen Interesse, das diese beiden dem Grundstück beimessen, indem sie die Ersteilung eines Zuschlages für nur 237.500,00 € anstreben. Dabei kommt es nicht in Betracht, einen objektiv höheren Verkehrswert des Grundstücks anzunehmen und auf diesen abzustellen, denn der Verkehrswert ist vom Amtsgericht auf Grundlage eines eingeholten Sachverständigengutachtens auf lediglich 193.000,00 € festgesetzt worden.

Weil die oben erörterte Problematik der objektiven Unrichtigkeit von Versteigerungsbedingungen als Folge der Bildung von Mehrfachausgeboten mit sachlich von der gesetzlichen Regelung gar nicht abweichendem Inhalt bislang höchstrichterlich, soweit für die Kammer ersichtlich, nicht erörtert worden ist, und weil dieser Frage auch - unabhängig von der hochgradigen Seltenheit ihres Auftretens, die sich daraus ergibt, dass Fehler wie der vorliegende in der Praxis der Zwangsversteigerungsgerichte außerordentlich selten vorkommen - für die Rechtssicherheit im Zwangsversteigerungsverfahren durchaus grundsätzliche Bedeutung zukommt, war die Rechtsbeschwerde zuzulassen.