Gericht | ArbG Cottbus 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 30.05.2013 | |
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Aktenzeichen | 3 Ca 85/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Teilurteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 631a BGB |
1. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten seit dem 01.01.2013 ein Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Änderungsvertrages des Klägers mit der Deutschen Roten Kreuz Rettungsdienste Spremberg gGmbH vom 10.12.2012 im Zeitpunkt des Übergangs am 31.12.2012 besteht.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
3. Der Streitwert wird auf 7.407,87 € festgesetzt.
Die Parteien streiten, soweit für das Teilurteil von Belang, um das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen aufgrund eines Betriebsübergangs.
Der Kläger war zuletzt aufgrund eines Änderungsvertrages vom 10.12.2012 als Rettungsassistent bei der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH tätig. Laut § 1 des Änderungsvertrages wird für den Kläger eine Betriebszugehörigkeit „ab dem 01.12.1994 angenommen.“ § 2 des Änderungsvertrages bestimmt, dass das Inkrafttreten des Arbeitsvertrages von der Begründung der Mitgliedschaft des Klägers zum DRK abhängt. Mit der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages erkläre der Kläger seinen Beitritt zum DRK, Bl. 190 R der Akte. Hinsichtlich der Arbeitsbedingungen verweist § 3 auf den jeweils gültigen Tarifvertrag der Deutsches Rotes Kreuz Rettungsdienst Spremberg gGmbH. Die Möglichkeit der fristgemäßen Kündigung dieser Klausel ist ausdrücklich vereinbart.
Die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH ist Teil des DRK Kreisverband Niederlausitz e.V. und betrieb bis zum 31.12.2012 die Rettungswachen Guben und Spremberg im Landkreis Spree-Neiße mit 49 Beschäftigten.
Die Beklagte erbringt als ein Unternehmen der international tätigen Falckgruppe Rettungsdienstleistungen in Deutschland mit Sitz in H..
Bis zum 31.12.2012 erbrachte der DRK Cottbus-Spree-Neiße-West e.V. aufgrund eines Vergabevertrags nach öffentlicher Ausschreibung für den Landkreis Spree-Neiße den Rettungsdienst im Landkreis Spree-Neiße mit insgesamt sieben Rettungswachen. Fünf Rettungswachen (Peitz, Burg, Forst, Döbern und Drebkau) wurden vom DRK Cottbus-Spree-Neiße-West e.V. selbst betrieben. Zwei Rettungswachen, Guben und Spremberg, von der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH. Die Gebäude der Rettungswachen, deren Inventar, die Fahrzeuge nebst deren Ausstattung und das zur Aufgabenerbringung erforderliche Material stehen im Eigentum des Landkreises Spree- Neiße.
Mit Beschluss des Kreistages Spree-Neiße im Vergabeverfahren Nr. I./32.4-03/2012 vom 16.06.2012 wurden der Beklagten die Aufgaben des Rettungsdienstes und die Aufgaben des erweiterten Rettungsdienstes im Landkreis Spree-Neiße ab dem 01.01.2013 übertragen. In einem Vergabevertrag mit dem Landkreis vom 04.07.2012 wurde der Beklagten die Verfügungsbefugnis über die sieben Rettungswachen, deren Fahrzeuge, Material und Inventar mit Stand 31.12.2012 eingeräumt. Seit dem 01.01.2013 erbringt die Beklagte für den Landkreis die Aufgabe des - auch erweiterten – Rettungsdienstes mit den sieben Rettungswachen, deren Fahrzeugen, Material und Inventar.
Die in den vormals vom DRK Cottbus-Spree-Neiße-West e.V. betriebenen Rettungswachen Burg, Peitz, Forst, Döbern und Drebkau beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden von der Beklagten zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt.
Die Mitarbeiter der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH wurden von der gGmbH mit Schreiben vom 30.08.2012 über einen geplanten Betriebsübergang zur Beklagten informiert, Bl. 16 der Akte. Die Beklagte teilte den Mitarbeitern der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH mit Schreiben vom 27.08.2012 mit, dass sie ab dem 01.01.2013 zu den neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des weltweiten Falck-Konzerns gehören würden, Bl. 19 der Akte. Angefügt war dem Schreiben eine zweiseitige Anlage mit einer Übersicht häufig gestellter Fragen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang, Bl. 22f der Akte.
Am 30.11.2012 erhielt die Beklagte Kenntnis von einem zwischen der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH und ver.di im Oktober 2012 rückwirkend auf den 01.09.2012 abgeschlossenen Tarifvertrag. Die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH war zuvor nicht tarifgebunden.
Mit Schreiben vom 01.12.2012 unterbreitete die Beklagte dem Kläger ein Arbeitsvertragsangebot. Der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages sei erforderlich, da kein Betriebsübergang von der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH zur Beklagten vorliege und somit kein Arbeitsverhältnis zur Beklagten ab dem 01.01.2013 bestehe. Dieses Angebot unterbreitete die Beklagte allen ihr bekannten Beschäftigten der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH. Der Kläger bot im Gegenzug mit Schreiben vom 12.12.2012 seine Arbeitskraft zu den Arbeitsbedingungen, „wie sie am 31.12.2012 mit der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH geregelt sind“, an, Bl. 63 der Akte. Seit dem 01.01.2013 wird der Kläger von der Beklagten als Rettungsassistent in seiner bisherigen Rettungswache beschäftigt; aufgrund einer Gesamtzusage der Beklagten auf Basis des Entgeltniveaus von Juni 2012. Dies entspricht einem monatlichen Bruttoentgelt von durchschnittlich 2.469,29 €.
Mit seiner am 23.01.2013 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenen Klage begehrte der Kläger zunächst nur die Feststellung, dass sein zur DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH bestehendes Arbeitsverhältnis ab dem 01.01.2013 zu den am 31.12.2012 geltenden Bedingungen zur Beklagten fortbesteht. Im Kammertermin am 18.04.2013 erweiterte der Kläger sein Klagebegehren auf die Feststellung der Unwirksamkeit einer von der Beklagten erklärten Teilkündigung des Änderungsvertrages vom 10.12.2012.
Der Kläger ist der Ansicht, dass sein Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB zu den am 31.12.2012 geltenden Bedingungen des Änderungsvertrages vom 10.12.2012 zur Beklagten fortbesteht. Nach der - im Einzelnen zitierten - Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte liege bei der Neuvergabe von Rettungsdiensten an einen anderen Auftragnehmer durch den Landkreis ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB vor. Die von der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH bis zum 31.12.2012 genutzten Betriebsmittel nutze ohne jede Änderung seit dem 01.01.2013 die Beklagte. Dies sei maßgeblich, weil es sich bei den sächlichen Betriebsmitteln des Rettungsdienstes um die für den Betrieb „Rettungsdienst“ identitätsprägenden Bestandteile handele. Die Aufgabe habe sich nicht verändert. Alle Beschäftigten der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH seien seit dem 01.01.2013 für die Beklagte tätig.
Bereits im September 2011 habe der Betriebsrat die Geschäftsführerin der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH auf Bitten der Belegschaft zu Tarifverhandlungen mit ver.di aufgefordert. Die Tarifverhandlungen zu dem im Oktober 2012 abgeschlossenen Tarifvertrag zwischen der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH und ver.di hätten am 28. Februar 2012 begonnen.
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten seit dem 01.01.2013 ein Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen aus dem Änderungsvertrag des Klägers mit dem Deutschen Roten Kreuz Rettungsdienste Spremberg gGmbH vom 10. September 2012 im Zeitpunkt des Übergangs mit Ablauf des 31.12.2012 besteht;
2. festzustellen, dass eine Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Teilkündigung der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 09. April 2013 nicht erfolgt ist;
3. hilfsweise für den Fall, dass die Teilkündigung eine Änderungskündigung sein sollte, festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Teilkündigung der Beklagten in dem Schriftsatz vom 09. April 2013 unwirksam ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass zwischen ihr und dem Kläger kein Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Änderungsvertrages vom 10.12.2012, abgeschlossen zwischen dem Kläger und der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH, bestehe. Ein Betriebsübergang habe durch die Erbringung der Aufgaben des Rettungsdienstes für den Landkreis Spree-Neiße seit dem 01.01.2013 mit den Rettungswachen Guben und Spremberg von der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH zu ihr nicht stattgefunden.
Ein Übergang der Arbeitsverhältnisse von der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH – auch über den Landkreis Spree-Neiße als Eigentümer der sächlichen Betriebsmittel des Rettungsdienstes – habe nicht stattfinden können, da es am Merkmal des „rechtsgeschäftlichen Überganges“ fehle. Die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH sei nicht Dritte im Sinne von § 10 Brandenburgisches Rettungsdienstgesetz gewesen. Der Landkreis habe den DRK Cottbus-Spree-Neiße-West e.V. mit der Erbringung der Aufgaben des Rettungsdienstes beauftragt. Es sei nicht bekannt, aufgrund welcher Rechtsgrundlage die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH Aufgaben des Rettungsdienstes für den DRK Cottbus-Spree-Neiße-West e.V. mit den Rettungswachen Guben und Spremberg erbracht habe. Eine vertragliche Beziehung habe weder zu ihr noch zum Landkreis Spree-Neiße bestanden. Es könne gerade in dieser Fallkonstellation nicht auf das Merkmal des „rechtsgeschäftlichen Übergangs“ für den Tatbestand des § 613a BGB verzichtet werden. Wie der Fall exemplarisch zeige, könne die fehlende Verhandlungssituation zwischen Erwerber und Veräußerer zu Missbrauch führen. Zu Lasten des Erwerbers können Fakten geschaffen werden, die ihn durch die durch § 613a BGB angeordnete Übernahme der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen finanziell schädigten.
Aufgrund der im Änderungsvertrag des Klägers vom 10.12.2012 enthaltenen „Tendenzklausel“, der Vielzahl der von den Beschäftigten der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH ausgeübten Nebentätigkeiten für das Deutsche Rote Kreuz und da die von der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH betriebenen Rettungswachen Lehrrettungswachen gewesen seien, sei eine Identitätswahrung nicht gegeben. Weder setze das Arbeitsverhältnis zur Beklagten die Mitgliedschaft im Deutschen Roten Kreuz voraus, noch seien Ehrenämter für die Tätigkeit in den von der Beklagten seit dem 01.01.2013 betrieben Rettungswachen prägend. Die Rettungswachen Guben und Spremberg seien keine Lehrrettungswachen mehr.
Es sei auch nicht bekannt, ob der Kläger Mitglied des Deutschen Roten Kreuzes sei, so dass der Änderungsvertrag keine Wirksamkeit bis zum 31.12.2012 erlangt habe. Andere Arbeitsverträge mit der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH seien der Beklagten nicht bekannt.
Die Berufung auf den Änderungsvertrag vom 10.12.2012 sei treuwidrig. Es sei für den Kläger erkennbar gewesen, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag auf einem treuwidrigen Zusammenwirken der Tarifvertragsparteien zu Lasten der Beklagten beruhe.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen gemäß § 313 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit 46 Abs. 2 ArbGG verwiesen.
I.
Zwischen den Parteien besteht seit dem 01.01.2013 ein Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Änderungsvertrages am 31.12.2012, abgeschlossen zwischen dem Kläger und der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH am 10.12.2012.
Über den Feststellungsantrag des Klägers zum Betriebsübergang war durch Teilurteil zu entscheiden. Gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG hat das Gericht durch Endurteil (Teilurteil) zu entscheiden, sofern von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder nur ein Teil des Anspruchs zur Endentscheidung reif ist. Der Feststellungsantrag des Klägers zum Betriebsübergang war zur Entscheidung reif. Es besteht auch keine Notwendigkeit einheitlich über die weiteren Feststellungsanträge des Klägers zur Rechtswirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Teilkündigung des Änderungsvertrages zu entscheiden. Die Frage des Bestandes eines Arbeitsverhältnisses zwischen Kläger und Beklagten kann getrennt von der Frage der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung dieses Arbeitsverhältnisses beurteilt werden.
Die Kammer erachtet eine isolierte Entscheidung über den Feststellungsantrag des Klägers zum behaupteten Betriebsübergang als sinnvoll, da nur im Falle der rechtskräftigen Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien zu den Bedingungen des Änderungsvertrages vom 10.12.2012 der Beklagten als Vertragspartei des Klägers ein (Teil-)Kündigungsrecht für diesen Änderungsvertrag zusteht.
1. Der vom Kläger gestellte Feststellungsantrag ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Das als Sachurteilsvoraussetzung zu prüfende besondere Feststellungsinteresse besteht, als der Antrag auf die Feststellung des Fortbestands eines Arbeitsverhältnisses gerichtet ist. Hierbei handelt es sich um ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO, an dessen Feststellung der Kläger ein gegenwärtiges Interesse hat, da die Beklagte rechtliche Beziehungen zum Kläger aus einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis leugnet (BAG vom 10.05.2012, 8 AZR 434/11, Rz.21).
2. Der Feststellungsantrag des Klägers ist begründet. Zum 01.01.2013 hat ein Übergang des Betriebes der Rettungswachen Guben und Spremberg von der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH auf die Beklagte stattgefunden.
Ein Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit „Betrieb“ bei einem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falls. Als Teilaspekt der Gesamtwürdigung zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebes, der Übergang materieller Betriebsmittel wie bewegliche Güter und Gebäude, der Wert immaterieller Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der Übergang von Kundschaft und Lieferbeziehungen, der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer der Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen ergeben, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (BAG a.a.O., Rz. 24 m.w.N.)
a. Die Rettungswachen Guben und Spremberg sind eine wirtschaftliche Einheit im Sinne des § 613a BGB. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Die Rettungswachen in Guben und Spremberg mit ihren Gebäuden, Fahrzeugen und Personal erbrachten in diesem Teil des Landkreises Spree-Neiße bis zum 31.12.2012 die Aufgaben des Rettungsdienstes, die aufgrund des Vergabevertrages dem DRK Cottbus-Spree-Neiße-West e.V. oblagen. Mit der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH als Betreiberin, die zum DRK Niederlausitz e.V. gehört, war der Betrieb der Rettungswachen juristisch verselbständigt und hatte einen eigenen Betriebsrat.
b. Dieser Betrieb ist unter Wahrung seiner Identität auf die Beklagte übergegangen.
aa. Die maßgeblichen Betriebsmittel, mit denen die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH bis zum 31.12.2012 die Aufgabe des Rettungsdienstes im Bereich der Rettungswachen Guben und Spremberg erfüllte, hat die Beklagte übernommen.
11. Die Kammer schließt sich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in der bereits mehrfach zitierten Entscheidung vom 10.05.2012 und der 11. Kammer des LAG Köln (11 Sa 698/07 vom 19.10.2007) an, dass für die Aufgabe des Rettungsdienstes die sächlichen Betriebsmittel identitätsprägend sind, da bei wertender Betrachtung ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht und sie unverzichtbar für die auftragsgemäße Verrichtung der Tätigkeit sind (BAG a.a.O., Rz. 36ff). Dies trifft – auch nach Auffassung der Kammer – auf die von der Beklagten ab dem 01.01.2013 genutzten Rettungswagen und sonstigen Einsatzfahrzeuge sowie die zur Durchführung des Rettungsdienstes erforderlichen Ausrüstungsgegenstände zu. Auch die Gebäude und deren Inventar sind nach Auffassung der Kammer identitätsprägend, da ohne sie die Betriebsmittel für die Aufgabenerfüllung an diesem Ort nicht vorgehalten werden können. Umfassende Änderungen im Bestand der sächlichen Betriebsmittel ab dem 01.01.2013 sind von der Beklagten nicht behauptet worden. Ob sächliche Betriebsmittel identitätsprägend sind, richtet sich insbesondere nach der jeweiligen Eigenart des Betriebs (LAG Köln, 11 Sa 698/07, Rz. 90).
Dass die Beklagte nicht Eigentümerin der sächlichen Betriebsmittel ist, ist unerheblich. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts sind einem Betrieb auch solche Gebäude, Maschinen, Werkzeuge oder Einrichtungsgegenstände als sächliche Betriebsmittel zuzurechnen, die nicht im Eigentum des Betriebsinhabers stehen, sondern die dieser auf Grund einer mit Dritten getroffenen Nutzungsvereinbarung zur Erfüllung der Betriebszwecke einsetzen kann (LAG Köln a.a.O., Rz. 83 m.w.N.). Dies ist bei der Beklagten aufgrund des am 04.07.2012 mit dem Landkreis Spree-Neiße abgeschlossenen Vergabevertrags unstreitig der Fall.
22. Auch unter Berücksichtigung der erforderlichen Gesamtwürdigung des Einzelfalls kommt die Kammer zu keinem anderen Ergebnis. Die Beklagte verfolgt keinen anderen Betriebszweck als die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH. Sie verrichtet vielmehr am selben Ort von denselben Räumlichkeiten aus mit denselben Betriebsmitteln dieselben Tätigkeiten wie zuvor die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH, nämlich die rettungsdienstliche Versorgung im regional festgelegten Umfeld der Wachen Guben und Spremberg (siehe auch LAG Köln a.a.O., Rz. 72).
33. Der Identitätswahrung steht nicht entgegen, dass die Beklagte alle sieben Rettungswachen des Landkreises Spree-Neiße betreibt und für diese zumindest für die Zukunft ein einheitliches Führungskonzept vorsieht. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte eine wesentliche Organisationsänderung vorgenommen hat (vgl. dazu BAG vom15.02.2007, 8 AZR 431/06, Rz. 28). Im Kammertermin erklärte der Vertreter der Beklagten, dass Leitungsfunktionen bei den Rettungswachen verbleiben sollen. Die Rahmendienstpläne würden auch zukünftig in den Rettungswachen erstellt. Das Ziel sei eine Austauschbarkeit von Personal bei Urlaub und Krankheit. Hierzu erklärte der Kläger unwidersprochen, dass so auch schon vor dem 31.12.2012 verfahren wurde. Auch in Bezug auf „Kundschaft“ kann die Beklagte keine wesentlichen organisatorischen Änderungen vornehmen. Der Rettungsdienst wird vor und nach dem 31.12.2012 durch die vor Ort lebende Bevölkerung bzw. die sich im regional festgelegten Umfeld der Rettungswachen Guben und Spremberg aufhaltenden Personen in Anspruch genommen.
44. Die erstmalige Beauftragung mit Aufgaben des erweiterten Rettungsdienstes steht einer Identitätswahrung nicht entgegen. Es ist nicht erkennbar und von der Beklagten auch nicht konkret dargetan worden, dass die Vorhaltung dieser Infrastruktur als deutlich größere Organisationsstruktur der zuvor bis zum 31.12.2012 von der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH wahrgenommenen Aufgabenreichweite anzusehen ist (LAG Köln, a.a.O., Rz. 80). Gleiches gilt für die Einstellung des Lehrbetriebs in den Rettungswachen. Auch hier ist nicht erkennbar, inwieweit dies zu einer erheblichen Änderung der Organisationsstruktur führen sollte.
55. Neben der Übernahme der sächlichen Betriebsmittel, die zuvor die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH nutzte, hat die Beklagte auch allen ihr bekannten Beschäftigten der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH einen Arbeitsvertrag angeboten. Zwar ist Personal nur in betriebsmittelarmen Betrieben identitätsprägend, die Übernahme der Belegschaft kann aber auch in betriebsmittelintensiven Betrieben, wie im vorliegenden Fall, ein weiteres Kriterium unter anderem für die Annahme eines Betriebsübergangs sein (BAG a.a.O., Rz. 38). Da es aber nicht das maßgebliche, identitätsprägende Kriterium ist, kann der Auffassung der Beklagten, die „Tendenzklausel“ in den Arbeitsverträgen (zwingende Mitgliedschaft beim DRK, § 2 des Änderungsvertrages) und die in großer Zahl ausgeübten Ehrenämter (wobei dies konkret für den Kläger nicht behauptet und festgestellt wurde) würde einer Identitätswahrung entgegenstehen, nicht gefolgt werden. Kommt es auf den Übergang der Arbeitsverhältnisse nicht an, kann bei dennoch erfolgter Übernahme allein die Veränderung arbeitsvertraglicher Regelungen zu keiner anderen Bewertung führen.
bb. Der Betrieb der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH ist auf die Beklagte durch die Erlangung der Verfügungsbefugnis über die identitätsprägenden sächlichen Betriebsmittel durch den Vergabevertrag mit dem Landkreis Spree-Neiße und die tatsächliche Fortführung des Betriebs ab dem 01.01.2013 durch Übernahme der betrieblichen Organisations- und Leitungsmacht übergegangen.
11. Dass es sich bei der Durchführung des Rettungsdienstes um eine Aufgabe der Daseinsvorsorge handelt, steht der Annahme eines Betriebsübergangs grundsätzlich nicht entgegen. Die Übertragung von Dienstleistungen, die im öffentlichen Interesse sind, schließt einen Betriebsübergang dann nicht aus, wenn die betreffende Tätigkeit keine hoheitliche Tätigkeit darstellt. Die Vergabe von Aufträgen zur Durchführung öffentlicher Krankentransportleistungen betrifft keine hoheitliche Tätigkeit (BAG a.a.O., Rz. 33, 35 m.w.N.).
22. Dass die Beklagte in keinen vertraglichen Beziehungen zur DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH stand bzw. gestanden hat, schließt den Betriebsübergang nicht aus. Eine rechtsgeschäftliche Beziehung zwischen dem vorherigen und dem nachfolgenden Betreiber ist nicht erforderlich für die Annahme des Betriebsüberganges gemäß § 613a BGB, Schaub-Koch Arbeitsrechtshandbuch, 14. Auflage § 117 Rz. 31 mit weiteren Nennungen. Maßgeblich ist allein, dass die Beklagte durch Rechtsgeschäft (Vergabevertrag) mit dem Inhaber der sächlichen Betriebsmittel, dem Landkreis Spree-Neiße, die den Betriebsübergang auslösende Befugnis für die eigenwirtschaftliche Verwendung der sächlichen Betriebsmittel, die für die Erfüllung der Aufgaben des Rettungsdienstes notwendig sind, erhielt. Dies allein ist notwendig und ausreichend.
33. Zwar besteht hier sicherlich eine besondere Fallkonstellation, als auch der Landkreis Spree-Neiße als Vertragspartner der jeweiligen Dritten im Sinne des § 10 Brandenburgisches Rettungsdienstgesetz keine vertraglichen Beziehungen zur DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH hatte. Die Delegation der Aufgabe des Rettungsdienstes vom DRK Cottbus-Spree-Neiße-West e.V. auf die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH kann aber nur auf rechtsgeschäftlicher Basis erfolgt sein, vgl. oben 1.aa., und schließt somit eine Übertragungskette wegen hoheitlicher Aufgabenwahrnehmung nicht aus. Auch die von der Beklagten zutreffend aufgeworfene Frage, ob eine Delegation der Aufgabe des Rettungsdienstes vom DRK Cottbus-Spree-Neiße-West e.V. auf die DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH überhaupt unter Beachtung des § 10 Brandenburgisches Rettungsdienstgesetz zulässig war, ist für die Frage des rechtsgeschäftlichen Übergangs unerheblich.
44. Der von der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH im Oktober 2012 rückwirkend auf den 01.09.2012 abgeschlossene Tarifvertrag rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Zwar mag die Konstellation, dass ein Dritter, nicht an den Erwerbsverhandlungen Beteiligter mit wirtschaftlichen Eigeninteresse in diesem Bereich, der den betreffenden Betrieb in eigener Regie führt, durchaus dazu führen, dass noch vor dem Betriebsübergang „unfreundliche Akte“ gegenüber dem Erwerber erfolgen. Es ist dies aber keine ungewöhnliche Situation, sondern bei Auftragsneuvergaben, die aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu Betriebsübergängen führen, die Regel. Letztlich kann sich der Erwerber gegen solche Risiken entweder im Vertrag mit dem Inhaber der identitätsprägenden Betriebsmittel schützen oder vom geplanten Erwerb insgesamt Abstand nehmen. Schließlich besteht auch die Möglichkeit - wie von der Beklagten im hiesigen Verfahren getan - individualvertraglich zu reagieren oder beim Dritten direkt Regress zu nehmen. Die Kammer ist nicht der Ansicht, dass hier eine so außergewöhnliche Fallkonstellation vorliegt, dass von den durch die Rechtsprechung bisher entwickelten Voraussetzungen für die Feststellung eines rechtsgeschäftlichen Übergangs abgewichen werde müsste.
3. Dem Kläger ist es nicht verwehrt, sich auf die Geltung des Änderungsvertrages vom 10.12.2012 zu berufen.
a. Der Vertrag ist wirksam. Der Kläger wurde spätestens mit der Vertragsunterschrift am 10.12.2012 Mitglied im Deutschen Roten Kreuz. Dies bestimmt § 2 des Änderungsvertrages. Dass er bis zum 31.12.2012 die Mitgliedschaft wieder beendet hat, hat die Beklagte nicht behauptet.
b. Die Berufung auf den Änderungsvertrag ist nicht treuwidrig. Ein von der Beklagten angenommener Fall des Rechtsmissbrauchs könnte in der Berufung des Klägers auf die Rechte aus dem Änderungsvertrag vom 10.12.2012 nur dann zu sehen sein, wenn der Kläger diese Rechtsposition durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben hätte. Das unredliche Verhalten muss dem Gläubiger Vorteile und dem Schuldner Nachteile gebracht haben, die bei redlichem Verhalten nicht entstanden wären (BeckOK/Sutschet, § 242 BGB, Rz. 59 m.w.N.). Die Beklagte ist der Ansicht, dass sich der Kläger treuwidrig verhalten habe, als er kurz vor dem - von ihr bestrittenen - Betriebsübergang einen Änderungsvertrag unterzeichnete, der sich vollinhaltlich auf den nach Auftragsneuvergabe an die Beklagte abgeschlossenen Tarifvertrag zwischen der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH und ver.di bezieht. Die Kammer folgt dieser Auffassung nicht. Grundsätzlich steht es den Vertragsparteien im bestehenden Vertragsverhältnis frei, ihre Beziehungen jederzeit neu zu regeln. Das ist Kern der Privatautonomie. Ihre Grenze findet die Privatautonomie bei einer vorsätzlichen Schädigung eines Dritten. Unabhängig davon, wie der Tarifvertragsabschluss zwischen ver.di und der DRK Rettungsdienst Spremberg gGmbH zu werten ist, gilt für den Kläger nach Auffassung der Kammer, dass bereits die für Tarifverträge geltende Richtigkeitsgewähr der Annahme des treuwidrigen Verhaltens entgegensteht. Tarifverträge bieten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine materielle Richtigkeitsgewähr. Aufgrund des Verhandlungsgleichgewichts der Tarifvertragsparteien ist davon auszugehen, dass die vereinbarten tariflichen Regelungen den Interessen beider Seiten gerecht werden und keiner Seite ein unzumutbares Übergewicht vermittelt wird (BAG vom 15.08.2012, 7 AZR 184/11, Rz. 27 m.w.N.). Wegen der Richtigkeitsgewähr konnte der Kläger den Änderungsvertrag abschließen, ohne im Einzelnen die Vertragsbestandteile darauf zu überprüfen, ob die Beklagte durch sie infolge des Betriebsübergangs unangemessen benachteiligt wird. Gegen ein treuwidriges Verhalten spricht auch, dass die Bezugnahmeklausel auf dem Tarifvertrag ein Kündigungsrecht enthält (von dem die Beklagte auch Gebrauch machte).