Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 30.11.2011 | |
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Aktenzeichen | L 7 KA 40/08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 85 Abs 4 SGB 5 |
Sofern ein Vertrag über den Honorarverteilungsmaßstab ab dem 1. April 2005 noch die Bildung eines Individualbudgets vorsieht, verstößt dies gegen § 85 Abs. 4 SGB V und die Vorgaben des Bewertungsausschusses; Individualbudgets stellen kein Steuerungsinstrument dar, das den gesetzlich vorgegebenen Regelleistungsvolumen in seinen Auswirkungen vergleichbar ist.
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2005 und der Bescheid vom 13. März 2007 werden geändert.
Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 9. Juli 2003 auf Neufestsetzung ihres Individualbudgets für die Quartale III/2003 bis I/2005 unter Heranziehung der Quartale II/2000 bis I/2001 als Bemessungszeitraum neu zu entscheiden.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, das Honorar der Klägerin für die Quartale III/05 bis II/07 und IV/07 bis III/08 durch ein Individualbudget zu begrenzen.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte 6/7 und die Klägerin 1/7.
Die Revision wird im Hinblick auf den Feststellungsausspruch (Zeit ab dem Quartal III/05) zugelassen.
Die Klägerin begehrt eine Neufestsetzung ihres Individualbudgets für die Quartale III/03 bis I/05 sowie die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt war, ihr Honorar für die Quartale III/05 bis II/07 und IV/07 bis III/08 durch ein Individualbudget zu begrenzen.
Die Klägerin nimmt seit April 1993 an der vertragsärztlichen Versorgung teil, seit Februar 1997 als Fachärztin für Nervenheilkunde im Verwaltungsbezirk P. Vom 11. Juni 2001 bis zum 31. Dezember 2002 arbeitete sie mit Genehmigung der Beklagten wegen Mutterschaft (Geburt des zweiten Kindes am 21. Juli 2001) und Fortbildung zur Psychoanalytikerin nur halbtags.
Ihre Praxisumsätze in den Quartalen I/2001 bis II/2003 betrugen:
Quartal I/2001 |
Quartal II/2001 |
Quartal III/2001 |
Quartal IV/2001 |
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Primärkassen |
Ersatzkassen |
Primärkassen |
Ersatzkassen |
Primärkassen |
Ersatzkassen |
Primärkassen |
Ersatzkassen |
7.066,70 € |
14.461,02 € |
4.186,81 € |
5.594,87 € |
3.444,72 € |
4.033,72 € |
3.980,23 € |
4.940,67 € |
Quartal I/2002 |
Quartal II/2002 |
Quartal III/2002 |
Quartal IV/2002 |
||||
Primärkassen |
Ersatzkassen |
Primärkassen |
Ersatzkassen |
Primärkassen |
Ersatzkassen |
Primärkassen |
Ersatzkassen |
4.251,81 € |
6.085,09 € |
4.516,10 € |
8.663,19 € |
4.888,22 € |
5.995,59 € |
5.591,25 € |
7.836,08 € |
Quartal I/2003 |
Quartal II/2003 |
||
Primärkassen |
Ersatzkassen |
Primärkassen |
Ersatzkassen |
5.960,75 € |
8.300,06 € |
5.773,43 € |
8.222,72 € |
Mit Wirkung vom 1. Juli 2003 setzte die Beklagte für die Praxis der Klägerin ein Individualbudget fest und zog hierfür – entsprechend den Regelungen im seinerzeit geltenden Honorarverteilungsmaßstab (HVM) – als Bemessungsgrundlage die Umsätze der Klägerin im Jahre 2002 heran, nämlich im Primärkassenbereich durchschnittlich 4.811,85 € pro Quartal und im Ersatzkassenbereich durchschnittlich 7.144,99 € pro Quartal. Als Individualbudget errechnete sich auf dieser Grundlage eine Punktmenge pro Quartal in Höhe von 94.111 im Primär- und von 139.744 im Ersatzkassenbereich, während die Fachgruppengrenzwerte (Nervenärzte/Neurologen/Psychiater) 261.659 Punkte im Primär- und 272.110 Punkte im Ersatzkassenbereich betrugen.
Mit Schreiben vom 9. Juli 2003 beantragte die Klägerin eine Neufestsetzung ihres Individualbudgets. Das Jahr 2002 sei für ihre Praxistätigkeit nicht repräsentativ. Aufgrund ihrer Mutterschaft habe sie maximal halbtags gearbeitet und sei pro Woche nur fünf bis 10 Stunden vertreten worden. Sie betreibe eine Mischpraxis mit neurologisch-psychiatrischen Patienten und mit Psychotherapie-Patienten. Für letztere sei eine Vertretung unmöglich. Außerdem befinde sie sich in Weiterbildung zur Psychoanalytikerin, so dass die insoweit angefallenen Behandlungsstunden über eine Institutsambulanz hätten abgerechnet werden müssen. Im Jahre 2002 sei allein hier eine Gesamtpunktzahl von 318.010 Punkten angefallen. Vor dieser Sondersituation seien in den Anfangsjahren ihrer Tätigkeit mit der Praxis wesentlich höhere Umsätze erzielt worden, so etwa im Jahr 1998 insgesamt 176.986,18 DM und in den Quartalen II/2000 bis 1/2001 insgesamt 166.677,99 DM.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 2003 setzte die Beklagte daraufhin das Individualbudget der Klägerin unter Berücksichtigung von Mutterschaft und Fortbildung im Jahre 2002 neu fest und zog hierfür ausschließlich das Quartal I/2003 als Bemessungszeitraum heran; die Beklagte errechnete ein Individualbudget von 116.582 Punkten im Primär- und von 162.335 Punkten im Ersatzkassenbereich.
Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin an: Auch die Neuberechnung werde dem stabilen Umsatz der Praxis bis zum Quartal I/2001 nicht gerecht. Die Zeit der Erziehung ihres Kindes und der Fortbildung dürfe sich nicht nachteilig auswirken. Die Entscheidung der Beklagten führe zu einem unvertretbar niedrigen Punktwert von unter 3 Cent. So seien etwa im Quartal I/2004 im Primärkassenbereich 246.255 Punkte angefordert, aber nur 113.985,4 Punkte vergütet worden.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 12. Mai 2005 zurück. Über die Regelung im Bescheid vom 15. Dezember 2003 hinaus sei eine Anhebung des Individualbudgets nicht möglich. Im nun gewählten Bemessungszeitraum des Quartals I/2003 sei der durchschnittliche individualbudgetrelevante Umsatz schon erheblich höher als in den Quartalen der beiden Vorjahre:
durchschnittlicher |
durchschnittlicher |
Individualbudgetrelevanter |
11.927,19 € |
11.956,84 € |
14.260,81 € |
Ein weiterer signifikanter Anstieg sei nicht ersichtlich, was sich aus den Punktzahlanforderungen pro Quartal ergebe:
2001 im Durchschnitt 411.314 Punkte pro Quartal |
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2002 im Durchschnitt 391.118 Punkte pro Quartal |
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I/2003 |
487.065 Punkte |
II/2003 |
472.662 Punkte |
III/2003 |
443.301 Punkte |
IV/2003 |
446.474 Punkte |
I/2004 |
537.316 Punkte |
II/2004 |
492.929 Punkte |
Zwar seien die Punktzahlanforderungen im ersten Halbjahr 2004 leicht ansteigend, doch seien die Fallzahlen der Klägerin rückläufig:
2001 im Quartalsdurchschnitt 186
2002 im Quartalsdurchschnitt 168
2003 im Quartalsdurchschnitt 167
2004, erstes Halbjahr, im Quartalsdurchschnitt 161
Damit habe sich lediglich der Fallwert erhöht; Voraussetzung für eine weitergehende Anhebung des Individualbudgets sei aber zusätzlich ein - hier nicht zu verzeichnender - Patientenzuwachs. Eine Heranziehung etwa des Jahres 1998 oder der Quartale II/2000 bis I/2001 als Bemessungszeitraum komme nicht in Betracht, weil das abgerechnete Punktzahlvolumen dieser Zeiträume zum gegenwärtigen Zeitraum nicht annähernd erreicht werde.
Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen ausgeführt: Der HVM der Beklagten berücksichtige das Auftreten von Schwangerschaft oder Erziehungszeit im Bemessungszeitraum nicht hinreichend. Auch im Jahr 2003 habe die Praxis noch nicht vollständig an ihre Leistungsfähigkeit bis einschließlich März 2001 anknüpfen können, zumal in diesem Jahr noch eine Praxisvertretung erfolgt sei; die Ausbauphase sei noch Mitte 2004 nicht beendet gewesen. Die mit der Tätigkeit in der Institutsambulanz erzielten Umsätze hätten nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Jedenfalls sei das herangezogene Quartal I/2003 insgesamt nicht repräsentativ.
Mit Bescheid vom 13. März 2007 hat die Beklagte einen neuerlichen Antrag der Klägerin auf Neufestsetzung ihres Individualbudgets vom Dezember 2006 positiv beschieden. Angesichts der Fallzahl- und Leistungssteigerung der Praxis seit dem Quartal III/2005 wurde mit Wirkung zum 1. Juli 2005 eine Erhöhung des Individualbudgets gewährt, nämlich im Primärkassenbereich auf 163.662 Punkte und im Ersatzkassenbereich auf 190.517 Punkte.
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 5. Dezember 2007 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Heranziehung des Quartals I/2003 als Bemessungszeitraum sei nicht zu beanstanden. Ein Fallzahlanstieg sei gegenüber diesem Quartal nicht zu verzeichnen. Es stehe der Klägerin offen, jährlich um zehn Prozent bis zum Fachgruppendurchschnitt zu wachsen.
Gegen das ihr am 2. Mai 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. Mai 2008 Berufung eingelegt. Ergänzend bringt sie vor: Erst ab dem dritten Quartal 2004 sei sie wieder voll leistungsfähig gewesen. Die Heranziehung des Quartals I/2003 sei daher schon im Ansatz verfehlt. Zudem müsse sich die Bemessung des Individualbudgets grundsätzlich an einem Jahreszeitraum orientieren. Einzig in Betracht komme eine Bemessung anhand der Quartale II/2000 bis I/2001, dem letzten Jahreszeitraum vor Mutterschutz und Erziehungszeit. Unabhängig davon bestünden für die Zeit ab dem Quartal II/2005 erhebliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten enthaltenen Regelungen zum Individualbudget (Hinweis auf Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. März 2010, B 6 KA 43/08 R).
Auf Anfrage hat die Beklagte mitgeteilt, dass im Zeitraum 1. Juli 2003 bis 31. Dezember 2008 nur die der Klägerin für die Quartale II/05, III/07 und IV/08 erteilten Honorarbescheide bestandskräftig geworden seien.
Die Klägerin beantragt,
1) das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2005 und den Bescheid vom 13. März 2007 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, über ihren Antrag vom 9. Juli 2003 auf Neufestsetzung ihres Individualbudgets für die Quartale III/03 bis I/05 unter Heranziehung der Quartale II/2000 bis I/2001 als Bemessungszeitraum neu zu entscheiden,
2) das Urteil des Sozialgerichts vom 5. Dezember 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2005 und den Bescheid vom 13. März 2007 zu ändern und festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt war, das Honorar der Klägerin für die Quartale III/05 bis II/07 und IV/07 bis III/08 durch ein Individualbudget zu begrenzen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Revision zuzulassen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Die Berufung der Klägerin ist mit beiden Anträgen zulässig und begründet.
I. Im Hinblick auf den Antrag zu 1) ist die Klägerin rechtsschutzbedürftig. Die Höhe des maximal abrechenbaren individuellen Punktzahlvolumens (Individualbudget) ist einer eigenständigen Klärung auch losgelöst von der Anfechtung eines konkreten Honorarbescheids zugänglich. Weil die Honorarbescheide für den Zeitraum der Quartale III/2003 bis I/2005 noch nicht bestandskräftig geworden sind, ist für eine Neufestsetzung des Individualbudgets der Klägerin grundsätzlich noch Raum, denn sie kann einen höheren Honoraranspruch nach sich ziehen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 3. Februar 2010, B 6 KA 31/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12 und 14).
Der Antrag zu 1) hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf Neufestsetzung ihres Individualbudgets für den Zeitraum der Quartale III/2003 bis I/2005 mit den Quartalen II/2000 bis I/2001 als Bemessungszeitraum; die von der Beklagten vorgenommene Bemessung ihres Individualbudgets anhand der Umsätze im Quartal I/2003 ist rechtswidrig.
Der seit dem 1. Juli 2003 geltende HVM der Beklagten sah als zentrales Steuerungs- und Vergütungsinstrument ein maximal abrechenbares individuelles Punktzahlvolumen (Individualbudget) vor, welches alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Psychotherapeuten für punktzahlbewertete Leistungen erhielten. Als Bemessungszeitraum waren die Quartale I/2002 bis IV/2002 vorgesehen. Mit den gesetzlichen Regelungen zur Honorarverteilung (insbesondere § 85 Abs. 4 Satz 1 bis 3 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch [SGB V]) und dem Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit ist dies grundsätzlich vereinbar (vgl. nur Bundessozialgericht, Urteil vom 10. Dezember 2003, B 6 KA 54/02 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13 ff.).
In begründeten Fällen konnte ein Leistungserbringer gemäß § 9 Abs. 9 HVM beim Vorstand eine Neufestsetzung seines Individualbudgets beantragen, u.a. wegen längerer Erkrankung im Bemessungszeitraum. Hieran gemessen bestand im Falle der Klägerin – auch nach Auffassung der Beklagten – begründeter Anlass zu anderweitiger Bemessung ihres Individualbudgets. Auch wenn sie im Jahre 2002 nicht erkrankt war, hatte sie aber während des gesamten Jahres 2002 ihre Praxistätigkeit erheblich reduziert, um sich der Erziehung ihres Mitte 2001 geborenen zweiten Kindes zu widmen.
Die Heranziehung einzig des Quartals I/2003 ist indessen zur Überzeugung des Senats von vornherein sachwidrig.
Für die Berechnung des Individualbudgets ist gemäß § 9 Abs. 1 HVM grundsätzlich ein Abschnitt von vier Quartalen als Bemessungszeitraum heranzuziehen. Schon in seinem rechtskräftigen Urteil vom 24. November 2010 (L 7 KA 37/07) hat der Senat klargestellt, dass es sachwidrig ist, die Bemessung des Individualbudgets auf weniger als vier Quartale zu stützen, noch dazu gegebenenfalls auf krankheitsbedingt vom Umsatz her stark unterdurchschnittliche Quartale.
Gleichzeitig besteht nach den Regelungen des HVM die Grundidee der Bemessung des Individualbudgets in einer Orientierung an den Umsätzen zurückliegender Zeiträume. Nicht tragfähig war damit auch die Argumentation der Beklagten, die Bemessung des Individualbudgets anhand des Quartals I/2003 sei rechtmäßig und geboten, weil in der Folgezeit keine relevanten Fallzahlzuwächse zu verzeichnen seien.
War die Heranziehung des Quartals I/2003 damit rechtswidrig, kann die einzige rechtmäßige Neubemessung des Individualbudgets der Klägerin sich nur an den Quartalen II/2000 bis I/2001 orientieren, denn dies sind die letzten zusammenhängenden repräsentativ abgerechneten Quartale vor Beginn von Mutterschutz und Kindererziehungszeit. Eine andere Möglichkeit zur sachgerechten Festsetzung des Individualbudgets ist schlechthin nicht ersichtlich. Dass die Umsätze der Klägerin in den späteren Jahren gegebenenfalls hinter denen des Bemessungszeitraums II/2000 bis I/2001 zurückgeblieben sind, spielt bei alledem keine Rolle, denn die Bemessung des Individualbudgets hat im Falle einer Altpraxis nur rückblickend zu erfolgen. Im Übrigen hätte es der Beklagten offen gestanden, das Individualbudget der Klägerin gegebenenfalls für spätere Zeiträume herabzusetzen, wären die Leistungsanforderungen dauerhaft hinter dem geltenden Individualbudget zurückgeblieben.
II. In der Sache erfolgreich ist auch der Antrag zu 2). Insoweit waren die erstinstanzliche Entscheidung sowie die entgegen stehenden Bescheide der Beklagten aufzuheben, verbunden mit der Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt war, das Honorar der Klägerin für den Zeitraum der Quartale III/05 bis II/07 und IV/07 bis III/08 durch ein Individualbudget zu begrenzen.
1. Zulässig ist die Klage insoweit zum einen als Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), gerichtet auf die Aufhebung des Bescheides, der den Antrag auf Neufestsetzung des Individualbudgets ablehnte und auf der Annahme beruhte, dass für die (noch) streitigen Zeiträume ab dem Quartal III/05 ein Individualbudget festgesetzt werden dürfe. Effektivem Rechtsschutz entspricht es aus Sicht der Klägerin auch hier, diesen Bescheid nicht bestandskräftig werden zu lassen. Sachgerecht kombiniert ist diese Anfechtungsklage mit einer Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG); das streitige Rechtsverhältnis besteht insoweit in der Frage, ob die Beklagte überhaupt berechtigt war, das Honorar der Klägerin für die Zeiträume der Quartale III/05 bis II/07 und IV/07 bis III/08 durch ein Individualbudget zu begrenzen. An einer derartigen Feststellung hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 55 Abs. 1, letzter Halbs. SGG. Die so verstandene Feststellungsklage ist auch nicht unter dem Aspekt der Subsidiarität unzulässig (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl. 2008, Rdnr. 19 ff. zu § 55); die mit der Anfechtungsklage kombinierte Verpflichtungsklage, gerichtet auf Neufestsetzung eines Individualbudgets für die streitigen Zeiträume, wäre – was weiter unten (II. 2.) zu zeigen sein wird – offensichtlich unbegründet, denn ab dem Quartal II/2005 war die Beklagte kraft bundesgesetzlicher Regelungen grundsätzlich gehindert, überhaupt vertragsärztliches Honorar durch ein Individualbudget zu begrenzen. Es kann der Klägerin nicht zugemutet werden, mit einer statthaften Anfechtungs-/Verpflichtungsklage kostenpflichtig zu unterliegen, während sie mit einer Anfechtungs-/Feststellungsklage – wie hier – obsiegen würde. Die im Berufungsverfahren auf Anraten des Senats (§ 106 Abs. 1 Satz 1 SGG) vorgenommene Änderung des Klageantrags wäre damit auch sachdienlich im Sinne von § 99 Abs. 1 SGG.
2. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. In den noch streitigen Quartalen III/05 bis II/07 und IV/07 bis III/08 durfte die Beklagte vertragsärztliches Honorar nicht (mehr) durch ein Individualbudget begrenzen.
Grundsätzlich steht einem Anspruch auf Erhöhung des Individualbudgets nämlich entgegen, dass das Regelungskonzept der Individualbudgets in dem HVM (ab 1. Juli 2005: „Vertrag über den Honorarverteilungsmaßstab“) der Beklagten rechtswidrig ist. Die für die streitigen Quartale maßgeblichen Honorarverteilungsregelungen entsprechen weder den gesetzlichen Vorgaben in § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) (unten a) noch der am 29. Oktober 2004 beschlossenen Übergangsregelung des Bewertungsausschusses (unten b). Dementsprechend gibt es (ab dem Quartal II/2005) keine gesetzliche Grundlage mehr, aufgrund derer eine Erhöhung des Individualbudgets beansprucht werden kann.
a) Gemäß § 85 Abs. 4 SGB V in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 19. November 2003 (GKV-Modernisierungsgesetz, GMG, BGBl. I S. 2190) verteilt die Beklagte die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte, und zwar getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung (Satz 1). Sie wendet dabei ab dem 1. Juli 2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig bis zum 30. April 2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an. Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zugrunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zugrunde zu legen (Satz 3, 1. Halbsatz). Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes entsprechend seinem Versorgungsauftrag nach § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V vorzusehen (Satz 6). Insbesondere sind arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina [RLV], Satz 7). Im Fall der Überschreitung der Grenzwerte ist die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten zu vergüten (Satz 8). Nach § 85 Abs. 4 a Satz 1 SGB V bestimmt der Bewertungsausschuss Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 4 SGB V, unter anderem erstmalig bis zum 29. Februar 2004 auch den Inhalt der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V zu treffenden Regelungen. Die nach § 85 Abs. 4 a SGB V zu beschließenden bundeseinheitlichen Vorgaben für die regionalen Honorarverteilungsmaßstäbe sind nach § 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V Bestandteil der an die Stelle der bisherigen Beschlussfassung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen tretenden HVM-Vereinbarungen nach § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V, was in seiner rechtlichen Bindungswirkung der Vereinbarung des Bundesmanteltarifvertrages als „allgemeiner Inhalt der Gesamtverträge“ nach § 82 Abs. 1 SGB V entspricht.
Der Bewertungsausschuss ist seinen Regelungsverpflichtungen nach § 85 Abs. 4 a SGB V u. a. durch den Beschluss vom 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 46 vom 12. November 2004, Seite A-3129) nachgekommen (im Folgenden: BRLV). Darin bestimmt er, dass Regelleistungsvolumen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V arztgruppenspezifische Grenzwerte sind, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum (Arzt-Abrechnungsnummer) im jeweiligen Kalendervierteljahr (Quartal) erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrages (ggf. jeweils) vereinbarten, festen Punktwert (Regelleistungspunktwert) zu vergüten sind. Für den Fall der Überschreitung der Regelleistungsvolumen ist vorzusehen, dass die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten (Restpunktwerten) zu vergüten ist (III. 2.1 BRLV). Für die Arztpraxis oder das medizinische Versorgungszentrum, die bzw. das mit mindestens einer der in Anlage 1 genannten Arztgruppen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sind im Honorarverteilungsvertrag nachfolgende Regelleistungsvolumen zu vereinbaren, für die dieser Beschluss die Inhalte der Regelungen vorgibt (III. 3.1 Abs. 1 BRLV). Die in 4. aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen unterliegen nicht den Regelleistungsvolumen (III. 3.1 Abs. 4 BRLV).
Diesen Vorgaben wird der im streitigen Zeitraum geltende HVM der Beklagten nicht gerecht, weil er das Honorar der Vertragsärzte wie die schon seit dem 1. Juli 2003 geltenden Honorarverteilungsmaßstäbe durch ein Individualbudget begrenzt; hierin liegt ein Verstoß gegen das nach § 85 Abs. 4 SGB V verbindlich vorgegebenen System der Regelleistungsvolumen.
Grundsätzlich steht den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen bei der Vereinbarung der Honorarverteilungsverträge Gestaltungsfreiheit zu, dies jedoch nur, soweit und solange ein höherrangiger Normgeber – insbesondere der Gesetzgeber, aber auch der Bewertungsausschuss – innerhalb der ihm übertragenen Kompetenzen die Materie nicht selbst geregelt hat (vgl. Urteil des BSG vom 18. August 2010, B 6 KA 27/09 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 24). Im vorliegenden Fall wird der Gestaltungsspielraum der Vertragspartner bei den Honorarverteilungsregelungen durch die genannten gesetzlichen Vorgaben in § 85 Abs. 4 Satz 7 und 8 SGB V und ferner dadurch maßgeblich eingeschränkt, dass der Bewertungsausschuss durch Beschluss vom 29. Oktober 2004 nach § 85 Abs. 4 a Satz 1, 2. Halbs. SGB V in der ab dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung Vorgaben zum Inhalt der Regelungen nach § 85 Abs. 4 Satz 6 bis 8 SGB V getroffen hat. Mit dem GMG hat der Gesetzgeber die bisher als Soll-Vorschrift ausgestaltete Regelung zu den Regelleistungsvolumina (§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V a.F.) verbindlich vorgegeben (nunmehr: „… sind Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die Leistungen … mit festen Punktwerten zu vergüten sind…“). Dadurch soll erreicht werden, dass die von den Ärzten erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert mit festen Punktwerten vergütet werden und ihnen dadurch Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze und Einkommen gewährt wird. Leistungen, die den Grenzwert überschreiten, sollen mit abgestaffelten Punktwerten vergütet werden; damit soll zum einen der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung getragen werden und zum anderen soll der ökonomische Anreiz zur übermäßigen Mengenausweitung begrenzt werden (vgl. BT-Drs. 15/1170, S. 79).
Die Honorarverteilungsregelungen, die die Beklagte und die Krankenkassen für den hier streitbefangenen Zeitraum vereinbart haben, berücksichtigen die zwingenden gesetzlichen Vorgaben in ihren „Kernpunkten“ (so Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 40) nicht, denn sie sehen weder die Festlegung von arztgruppenspezifischen Grenzwerten vor, bis zu denen die von einer Arztgruppe erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind, noch sehen sie vor, dass die darüber hinaus abgerechneten Punktmengen mit abgestaffelten Punktwerten zu vergüten sind. Die Regelungen des hier angewandten HVM sehen vielmehr für alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Psychotherapeuten die Bildung eines individuellen Punktzahlvolumens (Individualbudget) vor, innerhalb dessen die Leistungen mit einem im HVM festgelegten Punktwert vergütet werden sollen, vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 HVM vom 10. April 2006.
Das Individualbudget wird bei einer Praxis, die wie die der Klägerin als Altpraxis einzustufen ist, nach Abzug bestimmter Leistungen aus den individuellen Umsätzen des Durchschnitts des Bemessungszeitraums (Quartale I/02 bis IV/02) und getrennt nach Primär- und Ersatzkassen gebildet. Die um diese Leistungen geminderten Umsätze werden mit dem Faktor 10/0,0511292 multipliziert. Daraus ergibt sich, nach Division durch die Anzahl der Quartale, ein Individualbudget je Arzt bzw. Praxis und Quartal. Dieses durchschnittliche Individualbudget je Quartal wird zum Ausgleich der Quartalsschwankungen der pauschalierten Gesamtvergütung mit einem Gewichtungsfaktor (Anlage 1 des HVM) versehen. Im Ergebnis erhält jeder Arzt bzw. jede Praxis ein quartalsbezogenes Individualbudget für all jene Leistungen, die – vorbehaltlich der Regelungen in § 9 Abs. 3 HVM – mit einem festen Punktwert zu vergüten sind, der im HVM als Individualbudgetpunktwert von 4,15 Cent genannt wird, vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 HVM. Nach § 9 Abs. 4 HVM wird ferner eine Fachgruppenquote ermittelt, die Auswirkungen auf die Vergütung der im Individualbudget erbrachten Leistungen hat. Zur Ermittlung der je Fachgruppe maximal zu einem festen Punktwert zu vergütenden Leistungen (Abs. 2) werden die nach Abs. 3 verringerten Honorarfonds der Fachgruppen durch den Faktor 0,0415 dividiert. Somit ergibt sich je Fachgruppe das maximal zu 4,15 Cent zu vergütende Punktvolumen. Dieses Punktvolumen je Fachgruppe wird durch die Summe der nach Abs. 2 gebildeten Individualbudgets je Fachgruppe dividiert. Der daraus resultierende Quotient ist die Fachgruppenquote. Die vom Arzt angeforderten Punkte – maximal bis zur Höhe des ermittelten Individualbudgets – werden mit der jeweiligen Fachgruppenquote multipliziert. Das so ermittelte Punktvolumen wird mit 4,15 Cent vergütet, vgl. § 9 Abs. 5 HVM. Die über dieses Punktvolumen hinaus abgerechneten Leistungen werden mit einem floatenden Punktwert vergütet.
Aufgrund dieser HVM-Regelungen ist es grundsätzlich möglich, dass für die Vergütung der Leistungen mit einem Punktwert von 4,15 Cent nicht allein das nach § 9 Abs. 2 HVM ermittelte individuelle Punktzahlvolumen des Arztes maßgeblich war, sondern das Abrechnungsverhalten der übrigen Ärzte der Fachgruppe. Daraus ergibt sich, dass anders als bei den Regelungen über RLV, bei denen ein zuvor festgelegter Punktwert bis zu einer bestimmten oder bestimmbaren Obergrenze der vom Arzt erbrachten Leistungen gilt, bei den Honorarregelungen der Beklagten nicht im Vorfeld bestimmbar ist, welches Punktzahlvolumen mit einem festen Punktwert vergütet wird. Zudem sieht der HVM der Beklagen auch keine Abstaffelung des Punktwertes für die über das Budget hinaus erbrachten Leistungen vor, wie dies § 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V vorgibt. Die Abstaffelung von Vergütungen, die ihr Vorbild in den Maßnahmen zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der Kassenpraxis hat, trägt der Tatsache Rechnung, dass eine Arztpraxis wesentlich auf der fachlichen Qualifikation und Leistungsfähigkeit des freiberuflich tätigen Vertragsarztes beruht und daher in ihrer Kapazität ohne Qualitätseinbußen nicht erweiterungsfähig ist, wobei auch gleichzeitig der Einspareffekt berücksichtigt wird, der durch eine starke Auslastung der medizinisch-technischen Geräte genutzt wird (vgl. Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand II/10, § 85 RdNr. 262 b).
Schließlich fehlt es in dem HVM der Beklagten auch an arztgruppenspezifischen Festlegungen. Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 17. März 2010 (B 6 KA 43/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17) ausgeführt hat, erfordert das Merkmal der arztgruppenspezifischen Grenzwerte (§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V n.F.), dass in die Regelung jedenfalls auch ein Element arztgruppeneinheitlicher Festlegung einfließt, wobei es nicht ausreicht, dass jeder Arztgruppe ein gemeinschaftliches Honorarkontingent („Honorartopf“) zugeordnet ist. Vielmehr müsse die Regelung z. B. jedenfalls auf arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen aufbauen. Der den in dem streitbefangenen Zeitraum gebildeten Individualbudgets zugrunde gelegte HVM der Beklagten enthält indessen keine Elemente arztgruppeneinheitlicher Festlegung, sondern legt der Honorarabrechnung Punktzahlgrenzen zugrunde, die für jede Arztpraxis individuell ausgehend von dem Umsätzen des Jahres 2002 gebildet wurden. Die mit arztgruppenspezifischen Grenzwerten beabsichtige Nivellierung vertragsärztlicher Honorare wird durch Individualbudgets, die in erster Linie an den praxisindividuellen Leistungsumfang in einem Referenzzeitraum anknüpfen, gerade nicht erreicht. Der HVM der Beklagten verstößt daher gegen § 85 Abs. 4 Satz 7 und 8 SGB V.
b) Die Bestimmungen des HVM über das Individualbudget widersprechen auch der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2. 2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004. Dort ist folgendes geregelt:
„Sofern in einer Kassenärztlichen Vereinigung zum 31. März 2005 bereits Steuerungselemente vorhanden sind, die in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs. 3 SGB V vergleichbar sind, können diese bis zum 31. Dezember 2005 fortgeführt werden, wenn die Verbände der Krankenkassen auf Landesebene das Einvernehmen hierzu herstellen. Wird kein Einvernehmen durch die Verbände der Krankenkassen auf Landesebene hergestellt oder sind solche Steuerungselemente, die in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs. 4 SGB V vergleichbar sind, nicht vorhanden, finden Regelleistungsvolumen gemäß 3. mit Wirkung zum 1. April 2005 Anwendung“.
Die Fortgeltung dieser Regelung, deren Rechtmäßigkeit das Bundessozialgericht bestätigt hat (vgl. Urteil vom 17. März 2010, B 6 KA 43/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 21), bis zum 31. Dezember 2006 bzw. im Jahr 2007 ergibt sich aus Teil IV des Beschlusses des erweiterten Bewertungsausschusses vom 16. Dezember 2005, für das Jahr 2007 aus Teil II des Beschlusses des Bewertungsausschusses aus der 117. Sitzung und für das Jahr 2008 aus der 139. Sitzung, Teil A Nr. 2.1 des Beschlusses.
Mit der Bezugnahme auf „vorhandene Steuerungselemente“ erlaubt der Beschluss des Bewertungsausschusses von den Vorgaben des § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V (arztgruppenspezifische Grenzwerte, Vergütung mit festen Punktwerten, abgestaffelte Punktwerte bei Überschreitung der Grenzwerte) nur dann eine Ausnahme, wenn bereits Steuerungselemente vorhanden sind, deren Auswirkungen mit den Vorgaben der gesetzlichen Regelung vergleichbar sind, und diese Instrumente fortgeführt werden. Hieran fehlt es allerdings (anders noch Urteil des Senats vom 24. November 2010, L 7 KA 162/07); Individualbudgets stellen kein Steuerungsinstrument dar, das den gesetzlich vorgegebenen Regelleistungsvolumen in seinen Auswirkungen vergleichbar ist. Eine andere Sichtweise hätte eine weitgehende Suspendierung der zwingenden gesetzlichen Vorgaben zur Folge, zu der auch der Bewertungsausschuss nicht berechtigt war.
Den Regelungen über RLV liegt die Vorstellung zugrunde, dass für jeden Arzt ein Leistungsvolumen festgelegt werden soll, das den im Regelfall anfallenden Versorgungs- und Behandlungsbedarf abdecken soll. Dafür ist vorgesehen, dass aus dem Versorgungsumfang der Arztgruppe ein entsprechender Gesamtbehandlungsbedarf ermittelt wird, aus dem sich die arztgruppenbezogenen Regelleistungsvolumina für jede Arztgruppe (§ 85 a SGB V) und für jeden einzelnen Arzt ergeben. Im Rahmen dieser Volumina erfolgt eine Vergütung mit festen Punktwerten. Nur soweit ein spezieller weiterer Behandlungsbedarf besteht, soll der Arzt zusätzliches Honorar erhalten können. Das Honorar für Leistungen, die über das RLV hinaus erbracht werden, wird abgestaffelt. Ziel der Regelungen ist es zum einen, dem Vertragsarzt Kalkulationssicherheit bei der Vergütung seiner Leistungen bis zu einer bestimmten Obergrenze zu gewährleisten; zum anderen soll damit die Kostendegression bei steigender Leistungsmenge durch die Abstaffelung des Vergütungspunktwertes bei den das RLV übersteigenden Leistungen verringert werden (vgl. Engelhard a.a.O., § 85 RdNr. 258 a mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung). Zwar zielen auch die Regelungen über Individualbudgets darauf ab, den Ärzten Kalkulationssicherheit zu verschaffen und den Anreiz zur Leistungsausweitung zu vermindern. Allein die Zielsetzung einer Regelung ist jedoch nicht ausreichend, die in § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V genannten Vorgaben zu erfüllen. Maßgeblich kommt es auf die Auswirkungen des jeweiligen Steuerungsinstruments an; diese sind – wie gezeigt – beim Regelleistungsvolumen einerseits und beim Individualbudget andererseits verschieden (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. September 2010, L 11 KA 23/08, zitiert nach juris, dort Rdnr. 95).
c) Vor diesem Hintergrund kommt der Senat ebenso wie das Sozialgericht Berlin in seiner jüngeren Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011, S 79 KA 198/08) und ebenso wie das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, das über ähnliche HVM-Regelungen zu entscheiden hatte (a.a.O., anhängig beim Bundessozialgericht zum Aktenzeichen B 6 KA 3/11 R, Revisionsentscheidung erwartet für den 14. Dezember 2011) zu dem Ergebnis, dass der HVM der Beklagten in dem hier streitbefangenen Zeitraum keine Steuerungselemente enthielt, deren Auswirkungen mit den Vorgaben der gesetzlichen Regelung vergleichbar sind. Die mit dem System der Vergütung nach Regelleistungsvolumina für die Vertragsärzte gegebenenfalls verbundenen Vorteile dürfen aber nicht ohne normative Grundlage im Bundesrecht durch die Partner der HVM so begrenzt werden, dass anstelle der Regelleistungsvolumina faktisch praxisindividuelle Budgets zur Anwendung kommen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18. August 2010, B 6 KA 27/09 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 39). Da die Regelungen des HVM über die Bildung von Individualbudgets somit gegen höherrangiges Recht verstoßen, sind sie rechtswidrig.
Nach alldem hatte die Klägerin Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt war, ihr Honorar für den Zeitraum der Quartale III/05 bis II/07 und IV/07 bis III/08 durch ein Individualbudget zu begrenzen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO, folgt dem Ergebnis in der Hauptsache und berücksichtigt im Übrigen, dass die Klägerin ihr erstinstanzlich noch verfolgtes Begehren in Bezug auf die Quartale II/05, III/07 und IV/08 fallen gelassen hat.
Der Senat hat die Revision im Hinblick auf den Feststellungsausspruch (Zeit ab dem Quartal III/05) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Im Übrigen waren Gründe für die Zulassung der Revision nicht ersichtlich.