Gericht | OLG Brandenburg Vergabesenat | Entscheidungsdatum | 02.06.2020 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 19 Ver 1/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2020:0602.19VER1.20.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 21. Januar 2020 - VK 18/19 - wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen der Auftraggeberinnen und der Beigeladenen zu tragen.
Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Auftraggeberinnen zu 1) bis 3) wird für notwendig erklärt.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.682.599 € festgesetzt.
I.
Die Auftraggeberinnen schrieben im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 13. Juni 2018 die Herstellung und Lieferung von 45 Straßenbahnfahrzeugen, davon 21 optional, im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb europaweit aus. Ihr Beschaffungsbedarf gliedert sich auf in 13 Fahrzeuge für die Auftraggeberin zu 1., 20 Fahrzeuge für die Auftraggeberin zu 2. (davon 13 optional) und 12 Fahrzeuge für die Auftraggeberin zu 3. (davon 8 optional). Gemäß Ziffer II.2.5) der Bekanntmachung war der Preis nicht das einzige Zuschlagskriterium.
Im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs wurde die Bewerberfrage Nr. 3, ob eine Beteiligung eines Unternehmens, welches sich nicht in einem Vertragsstaat des GPA befinde, direkt
oder über eine Niederlassung, möglich sei, wie folgt beantwortet:
„Es wird klargestellt, dass nach dem geltenden sog. „Drei-Minister-Erlass" (vgl. Gemeinsames Rundschreiben des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes, des Bundesministeriums für Wirtschaft und des Auswärtigen Amtes v. 29.4.1960, BWBI. 1960, 269) eine Beteiligung von außereuropäischen Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen möglich ist, auch wenn die Staaten, in denen diese Unternehmen ihren Sitz haben, nicht Mitgliedstaat des Government Procurement Agreement (GPA) sind. In diesem Zusammenhang wird auf § 55 Abs. 1 Sektorenverordnung (SektVO) hingewiesen, in dem es heißt: „Der Auftraggeber eines Lieferauftrags kann Angebote zurückweisen, bei denen der Warenanteil zu mehr als 50 Prozent des Gesamtwertes aus Ländern stammt, die nicht Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind und mit denen auch keine sonstigen Vereinbarungen über gegenseitigen Marktzugang bestehen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gibt im Bundesanzeiger bekannt, mit welchen Ländern und auf welchen Gebieten solche Vereinbarungen bestehen. Die Auftraggeber behalten sich vor, von dieser Regelung Gebrauch zu machen, wenn mehrere wirtschaftliche Angebote vorliegen sollten."
Nach Durchführung des Teilnahmewettbewerbs wurden mehrere ausgewählte Bieter mit Schreiben vom 27. Juli 2018 zur Abgabe eines ersten indikativen Angebotes aufgefordert. Unter Pkt. B. II.2. des Anschreibens wurde der Wortlaut des § 55 Abs. 1 SektVO erneut zitiert und erneut darauf hingewiesen, dass sich die Auftraggeberinnen vorbehalten, von dieser Regelung auch Gebrauch zu machen, wenn mehrere wirtschaftliche Angebote vorliegen sollten. Mit dem Angebot solle der Bieter eine Erklärung abgeben, welche objektiven Gründe gegebenenfalls einer solchen Entscheidung des Auftraggebers entgegenstehen. Sollten Warenanteile aus Ländern stammen, die nicht Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftraum sind, sei darzulegen, dass eine Vereinbarung über den gegenseitigen Marktzugang im Sinne des § 55 Abs. 1 SektVO bestehe, da andernfalls eine Zurückweisung des Angebotes möglich sei.
Nach Ziffer 8.3.1.2. der Leistungsbeschreibung (Lastenheft für meterspurige Straßenbahnfahrzeuge Teil A) sollten für die Auftraggeberinnen zu 1. und zu 3. Fahrzeuge mit einer Wagenbreite von > 2.300 mm und für die Auftraggeberin zu 2. mit einer Wagenbreite von 2.400 mm angeboten werden. Unter Ziffer 8.3.2.1. wurde festgelegt, dass mindestens 45 Sitzplätze (55 Sitzplätze bei 2.400 mm Straßenbahnbreite) vorhanden sein müssten und nur Sitzplätze in die Wertung kämen, die den unter Ziffer 8.3.1.6. und 8.3.1.7 beschriebenen Kriterien genügten. In Ziffer 8.3.1.6. wurde die Breite für einen Einzelsitz mit > 430 mm und die Breite für einen Doppelsitz (2+1 Bestuhlung) mit > 920 mm definiert. Die den Bietern zur Verfügung gestellte tabellarische Bewertungsmatrix führte die nach den Ziffern der Lastenhefte bezeichneten Wertungskriterien und Unterkriterien, die je Kriterium erreichbare Punktzahl, die kriterienspezifischen Wertungsmodalitäten und die Kennzeichnung der Muss-Kriterien auf. Das Kriterium „Sitzplätze (mindestens 45/55)" gemäß Ziffer 8.3.2.1. war als Muss-Kriterium ausgewiesen.
Es waren maximal 1.000 Punkte erreichbar.
Nach Eingang der indikativen Angebote und mehreren Verhandlungsrunden wurden drei Bieter, darunter die Antragstellerin – ein Unternehmen mit Sitz in der VR China - und die in der Tschechischen Republik ansässige Beigeladene, zur Abgabe ihrer finalen Angebote aufgefordert. Die Antragstellerin gab mit dem indikativen und mit ihrem finalen Angebot vom 1. März 2019 in der Eigenerklärung zu § 55 Abs. 1 SektVO an, dass der Anteil ihrer zur Herstellung der Niederflurstraßenbahnen notwendigen Waren und Materialien aus Ländern, die nicht Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, bei ca. 70 % liege und keine Vereinbarung über den gegenseitigen Marktzugang im Sinne von § 55 Abs. 1 SektVO bestehe.
Die eingegangenen Angebote erachteten die Auftraggeberinnen als nicht zuschlagsfähig, es folgte eine weitere Verhandlungsrunde. Im Anschluss wurden die Bieter zur Abgabe eines ergänzten finalen Angebotes bis zum 18. April 2019 aufgefordert. Die ergänzten finalen Angebote der drei Bieter wurden einer Wertung auf der Grundlage der Bewertungsmatrix unterzogen.
Am 15. August 2019 hielten die Auftraggeberinnen in einem internen Aktenvermerk fest, dass die Anwendung des § 55 Abs. 1 SektVO mehrmals gegenüber der Antragstellerin thematisiert worden sei, so mit der Antwort auf die Bewerberfrage Nr. 3 und der Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 27. Juli 2018. Darüber hinaus sei gegebenenfalls die zwingende Vorschrift des § 55 Abs. 2 SektVO zu beachten.
Auf Vorschlag der Vergabestelle beschlossen die Auftraggeberinnen ausweislich des Aktenvermerks, das Angebot der Antragstellerin gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 SektVO zurückzuweisen, wenn mindestens ein weiteres Angebot vorliege, welches nicht nach § 55 SektVO zurückzuweisen sei bzw. zurückgewiesen werden könne. Bis in die Phase der Angebotsbewertung sei die weitere Einbeziehung des Angebotes zur Absicherung der Bedarfsdeckung geboten. In diese Entscheidung sei eingeflossen, dass sich im Rahmen der Verhandlungsgespräche erhebliche Sprachbarrieren gehäuft hätten, die nicht durch die verschiedenen Dolmetscher hätten beseitigt werden können. Die fachlich technische Kommunikation mit der Antragstellerin habe sich im gesamten Verfahren schwierig gestaltet. Weitere Probleme wurden in Bezug auf die Straßenbahnfachkenntnisse des vorgesehenen deutschen Projektleiters sowie in Bezug auf den in China durchzuführenden Teil der betriebsnotwendigen Schulungen gesehen.
Mit Informationsschreiben vom 29. August 2019 teilte die Vergabestelle der Antragstellerin das Ergebnis der Angebotswertung mit und räumte Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 13. September 2019 ein. Das Angebot der Antragstellerin sei wegen Nichterfüllungen des Muss-Kriteriums zur Anzahl der Sitzplätze auszuschließen. Gemäß Ziffer 8.3.2.1. des Lastenheftes Teil A müssten die anzubietenden Fahrzeuge mit einer Breite von 2300 mm mindestens 45 Sitzplätze und die mit einer Breite von 2400 mm mindestens 55 Sitzplätze ausweisen. Gemäß Ziffer 8.3.1.6. müsse die Breite der Doppelsitze 920 mm betragen. Diese Vorgabe erfülle das Angebot der Antragstellerin teilweise nicht.
Darüber hinaus wurde der Antragstellerin als fiktives Ergebnis der Angebotswertung mitgeteilt, ihr Angebot habe mit einem Abstand von 27,29 Punkten zum Bestbieter Rang zwei belegt.
Das Angebot des dritten Bieters wurde von den Auftraggeberinnen ausgeschlossen.
Mit dem zugleich als förmliche Rüge bezeichneten Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 5. September 2019 vertrat die Antragstellerin die Auffassung, sie habe alle Muss-Kriterien eingehalten. Der Ausschluss des Angebotes sei vergaberechtswidrig. Die Sitzplatzbreite eines Doppelsitzes stelle kein wertungserhebliches Muss-Kriterium dar, denn sie werde in der Wertungsmatrix nicht erwähnt, so dass hieran der Ausschluss eines Angebotes nicht geknüpft werden könne. Unabhängig davon sei die im Lastenheft geforderte Breite von 920 mm eingehalten worden. Bei der mitgeteilten Angebotswertung liege zudem ein Additionsfehler vor. Ihr Angebot hätte insgesamt 30 Punkte mehr erhalten müssen und läge dann an erster Wertungsstelle. Sie legte ferner dar, warum sie ihrer Auffassung nach in den einzelnen genannten Kriterien die volle Punktzahl hätte erhalten müssen.
Mit Vorabinformation nach § 134 GWB vom 24. Oktober 2019 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, ein Zuschlag für das Angebot der Beigeladenen sei frühestens am 4. November 2019 zu erteilen. Zur Begründung der Nichtberücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin wurde auf das als Anlage beigefügte Auftraggeberschreiben vom 29. August 2019 verwiesen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 28. Oktober 2019 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Vergabe und begründete dies im Wesentlichen mit den Ausführungen aus ihrem Schreiben vom 5. September 2019, ergänzt um den Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach einem Bieter zunächst Gelegenheit zu geben sei, ein - nach Ansicht der Auftraggeberinnen vorliegendes - widersprüchliches Angebot aufzuklären.
Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 29. Oktober 2019 hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg angebracht, den sie im Wesentlichen mit den Ausführungen aus ihrer vorhergehenden Stellungnahme vom 5. September 2019 begründet hat.
Nachdem die Auftraggeberinnen mit ihrer Antragserwiderung vom 8. November 2019 den Ausführungen der Antragstellerin in der Sache entgegengetreten waren, verbunden mit dem Hinweis, dass sie hinsichtlich des Angebots der Antragstellerin, sollte dieses nach Auffassung der Vergabekammer in der Wertung verbleiben müssen, von ihrem Zurückweisungsrecht nach § 55 Abs. 1 SektVO Gebrauch machen würden, die Antragstellerin also keinesfalls den Zuschlag erhalten werde, erteilte die Vergabekammer den rechtlichen Hinweis vom 13. November 2019. Sie mahnte unter anderem die von allen Verfahrensbeteiligten einzuhaltende Verfahrensförderungspflicht gemäß § 167 Abs. 2 S.1 GWB an.
Daraufhin haben die Auftraggeberinnen das Angebot der Antragstellerin mit Schreiben vom 14. November 2019 nach § 55 Abs. 1 S. 1 SektVO zurückgewiesen. Zur Begründung haben sie unter anderem auf den Aktenvermerk vom 15. August und ihre Antragserwiderung vom 8. November 2019 verwiesen.
Die Antragstellerin ist der Zurückweisung ihres Angebotes nach § 55 Abs. 1 SektVO entgegengetreten.
Sie hat geltend gemacht, § 55 Abs. 1 SektVO sei nicht anwendbar, die dieser Vorschrift zugrundeliegende Regelung des Art. 85 RL 2014/25/EU sei aus den nachfolgenden Gründen nichtig. Die Lieferung von Straßenbahnen falle als verkehrsnahe Tätigkeit, die in einem unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhang mit dem eigentlichen Beförderungsvorgang stehe, unter den Verkehrstitel der Art. 90 ff. AEUV. Die Regelung in Art. 85 RL 2014/25/EU, dessen Umsetzung in das deutsche Recht mit § 55 SektVO erfolgt sei, werde jedoch nicht auf die Kompetenzen der Europäischen Union im Verkehrsbereich gestützt. Der Erlass der Richtlinie sei vielmehr zur Verwirklichung des Binnenmarktes auf Art. 53, 62 und 114 AEUV gestützt worden, woraus sich aber keine Gesetzgebungskompetenz der Europäischen Union zur Regelung des Ausschlusses von Angeboten ausländischer Bieter im Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs ergebe. Indem die Richtlinie 2014/25/EU auf die Art. 90 ff. AEUV keinen Bezug nehme, sei Art. 85 der Richtlinie mangels dahingehender Gesetzgebungskompetenz nichtig, soweit er auch Regelungen über den Bereich des Verkehrs enthalte. Auch wenn man dies anders beurteilte, verstieße die Norm jedenfalls gegen EU-Primärrecht, weil Art. 34 AEUV mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verbiete. Die Drittlandklausel in Art. 85 RL 2014/25/EU würde es den Mitgliedstaaten hingegen gestatten, rechtmäßig in die Gemeinschaft importierte Waren im Vergabeverfahren auf Grund ihrer Herkunft zurückzuweisen. Es lägen weder die Ausnahmetatbestände des Art. 36 AEUV noch andere zwingende Erfordernisse vor, welche die Zurückweisung von rechtmäßig in die Europäische Union importierten Waren in einem Vergabeverfahren rechtfertigten. Darüber hinaus sei die Richtlinie 2014/25/EU und infolgedessen die Norm des § 55 Abs. 1 SektVO nach ihrem Sinn und Zweck auf Unternehmen mit Sitz in Drittländern - wie die Antragstellerin - überhaupt nicht anwendbar, sondern nur auf die am Binnenmarkt teilnehmenden Länder bzw. dort ansässige Unternehmen.
Unabhängig davon hätten die Auftraggeberinnen auf ein mögliches Recht, das Angebot der Antragstellerin gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 SektVO zurückzuweisen, konkludent verzichtet oder es jedenfalls verwirkt. Sie - die Antragstellerin - habe im Rahmen ihres indikativen Angebotes die von den Auftraggeberinnen zitierte Eigenerklärung abgegeben, ohne dass die Auftraggeberinnen nachfolgend auf § 55 Abs. 1 Satz 1 SektVO Bezug genommen hätten. Es seien mit Blick auf den Verfahrensablauf sowohl Umstandsmoment als auch Zeitmoment einer Verwirkung gemäß § 242 BGB erfüllt, so dass eine Zurückweisung des Angebotes nach § 55 SektVO treuwidrig sei. Es dürfe einer Vergabestelle nicht erlaubt sein, begründete Zweifel an der Eignung eines Bewerbers in der Hinterhand zu behalten und diese im Bedarfsfall, wenn die Wertung keinen sicheren Ausschluss ergebe, wieder hervorzuholen.
Ferner habe die Ermessensentscheidung über die Zurückweisung nach § 55 Abs. 1 SektVO nach der Aufklärung des Warenanteils getroffen werden müssen. Die Norm gebe den öffentlichen Auftraggebern lediglich die Befugnis, ein Angebot auszuschließen, sobald der Anteil von Erzeugnissen mit Ursprung in Drittländern aus diesem Angebot erkennbar sei.
Dass hier erst nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens und Hinweis der Vergabekammer eine Zurückweisung des Angebotes nach § 55 Abs. 1 SektVO erfolgt sei, erfordere jedenfalls eine kritische Prüfung, ob die angedrohte Zurückweisung nicht allein von sachfremden Erwägungen getragen werde. Die Auftraggeberinnen hätten sich auch nicht mit dem Zweck des § 55 Abs. 1 SektVO auseinandergesetzt. Die Vorschrift habe die Funktion, den gegenseitigen Zugang zu den Märkten der Europäischen Union und eines Drittlandes durchzusetzen, wie Erwägungsgrund 111 der RL 2014/25/EU belege, wonach die entsprechenden Artikel 58 und 59 der Vorgängerrichtlinie 2004/17/EG für eine Übergangszeit beizubehalten seien, solange Unternehmen der Union auf Schwierigkeiten beim Marktzugang in Drittländern stießen.
Wollte man unterstellen, dass sich die Auftraggeberinnen wirksam erstmals im Nachprüfungsverfahren auf § 55 Abs. 1 SektVO berufen konnten, würde dies zu einer Erledigung des Nachprüfungsverfahrens führen. Die Antragstellerin hätte dann ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Zulässigkeit und Begründetheit des Nachprüfungsantrags, um ihre Angebotskosten im Wege des Schadensersatzes geltend machen zu können.
Mit Beschluss vom 22. November 2019 ist die für den Zuschlag vorgesehene Bieterin beigeladen worden.
Die Antragstellerin hat zuletzt beantragt,
1. den Auftraggeberinnen zu untersagen, den Zuschlag in dem Vergabeverfahren betreffend die Beschaffung von Niederflur-Straßenbahnfahrzeugen (2018/S 111-253713) an die Beigeladene zu erteilen;
2. den Auftraggeberinnen aufzugeben, bei fortbestehender Vergabeabsicht die Angebotswertung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen;
3. hilfsweise zu 2., die Auftraggeberinnen zu verpflichten, das Vergabeverfahren aufzuheben;
4. festzustellen, dass die Heranziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Antragstellerin notwendig gewesen ist;
5. höchsthilfsweise für den Fall, dass die Vergabekammer von einem wirksamen Ausschluss des Angebots der Antragstellerin gemäß § 55 Abs. 1 SektVO ausgehen sollte,
a) festzustellen, dass der diesseitige Nachprüfungsantrag ursprünglich zulässig und begründet gewesen ist, also das Angebot der Antragstellerin nicht aus anderen Gründen hätte ausgeschlossen werden dürfen und die Auftraggeberinnen ohne einen Ausschluss des Angebots der Antragstellerin nach § 55 SektVO nicht berechtigt wären, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen, sondern - bei fortbestehender Vergabeabsicht - ihre Wertung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen hätten,
b) hilfsweise werde die Erledigung des Verfahrens erklärt und beantragt, den Auftraggeberinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und diese zu verpflichten, der Antragstellerin ihre außergerichtlichen Kosten zu ersetzen.
Die Auftraggeberinnen haben beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag vom 29. Oktober 2019 zurückzuweisen;
2. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Auftraggeberinnen notwendig gewesen ist;
3. die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Auftraggeberinnen der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag vom 29. Oktober 2019 zurückzuweisen
2. sowie festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Beigeladene notwendig gewesen ist,
3. die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 21. Januar 2020 den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.
Den Nachprüfungsantrag hinsichtlich der Hauptanträge hat sie für zulässig, jedoch als unbegründet erachtet. Den höchsthilfsweise formulierten Feststellungsantrag hat sie als unzulässig beurteilt.
Zur Begründung hat die Vergabekammer im Wesentlichen ausgeführt, die Zurückweisung des Angebots der Antragstellerin gemäß § 55 Abs. 1 SektVO sei vergaberechtskonform erfolgt. Dessen Voraussetzungen seien gegeben. Die Antragstellerin habe in ihren Eigenerklärungen selbst angegeben, dass der Anteil der zur Herstellung der Niederflurstraßenbahnen notwendigen Waren und Materialien aus Drittländern rund 70 % betrage und mit keinem dieser Länder eine sonstige Vereinbarung über den gegenseitigen Marktzugang bestehe. Die der Regelung in § 55 Abs. 1 SektVO zugrundeliegende RL 2014/25/EU (Art. 85 Abs. 2) sei weder wegen mangelnder Rechtsetzungsbefugnis des Richtliniengebers unanwendbar noch wegen Verstoßes gegen Art. 34 und 36 AEUV (Warenverkehrsfreiheit) unwirksam. Die Auffassung der Antragstellerin, die Richtlinie RL 2014/25/EU habe nicht auf die dort genannten Vorschriften zur Regelung des EU-Binnenmarktes gestützt werden können, sondern, da die Lieferung von Straßenbahnen als "verkehrsnahe Tätigkeit" anzusehen sei, nur auf diejenigen aus dem Verkehrstitel der Art. 90 ff. AEUV, weil sie auch Regelungen zum Ausschluss von Angeboten aus Drittländern im Verkehrsbereich treffe, gehe fehl. Die Lieferung von Straßenbahnen falle nicht in den Bereich des Verkehrstitels der Art. 90 ff. AEUV. Gemäß Art. 58 Abs. 1 AEUV gälten die Bestimmungen zur Regelung der Verkehrspolitik in den Art. 90 ff. AEUV nur für Dienstleistungen auf dem Gebiet des Verkehrs, nicht hingegen für Warenlieferungen von Verkehrsmitteln. Ebenso wenig sei dem Vortrag der Antragstellerin zu folgen, dass Art. 85 der Richtlinie 2014/25/EU und infolgedessen § 55 Abs. 1 und Abs. 2 SektVO wegen eines Verstoßes gegen die in Art. 34 AEUV geregelte Warenverkehrsfreiheit unwirksam seien. Durch die Drittlandklausel in Art. 85 der Richtlinie 2014/25/EU werde der Verkehr der dort beschriebenen Waren zwar grundsätzlich beschränkt. Da über die Drittlandklausel das Ziel einer - mittelbaren - Öffnung der internationalen Beschaffungsmärkte angestrebt werde und es sich bei der Klausel um ein seit mehreren Rechtsetzungsakten im Kern unverändert gebliebenes und zur Durchsetzung dieses Zieles geeignetes Mittel handele, sei aber jedenfalls davon auszugehen, dass wegen der Bedeutung darin zum Ausdruck kommenden allgemeinen Interesses kein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit vorliege.
Die von der Antragstellerin vertretene Ansicht, dass die Art. 85 RL 2014/25/EU umsetzende Vorschrift des § 55 Abs. 1 SektVO nur für Angebote von Unternehmen mit Sitz innerhalb der EU gelte und nicht für solche mit Sitz außerhalb der EU - wie die Antragstellerin -, sei unhaltbar. Diese Ansicht verkehre den handelspolitischen Zweck der genannten Vorschriften in ihr Gegenteil. Von der in § 55 Abs. 1 SektVO statuierten Zurückweisung seien vielmehr die Angebote aller Bieter, unabhängig von ihrem Firmensitz bedroht. Denn Anknüpfungspunkt sei allein die objektive Herkunft der Waren.
Die Auftraggeberinnen hätten bei Ausübung des Zurückweisungsrechts auch nicht ermessensfehlerhaft gehandelt. Einem Auftraggeber werde nach § 55 Abs. 1 SektVO die freie Entscheidung überlassen, ob er die warendiskriminierende Vorschrift anwenden wolle oder nicht. Dem betroffenen Bieter komme dagegen keine rechtliche Handhabe zu. Soweit die Auftraggeberinnen ihre Ausschlussentscheidung vom 8. November 2019 in diesem Zusammenhang noch auf vier andere Gesichtspunkte gestützt hätten, sei das nicht erforderlich, aber auch unschädlich gewesen. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Auftraggeberinnen auf das Zurückweisungsrecht zuvor verzichtet hätten. Eine Verwirkung des Zurückweisungsrechts liege ebenfalls nicht vor. Schon wegen der frühzeitig erfolgten Hinweise auf die bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 SektVO bestehende Zurückweisungsmöglichkeit habe für die Antragstellerin kein schützenswertes Vertrauen dahingehend entstehen können, dass ihr Angebot bei Vorliegen der Voraussetzungen nicht ausgeschlossen werde. Die Auftraggeberinnen seien nicht verpflichtet gewesen, den Hinweis auf das in § 55 Abs. 1 SektVO geregelte Zurückweisungsrecht bei der Aufforderung zur Abgabe finaler Angebote zu erneuern. Es habe vielmehr im Risikobereich der Antragstellerin gelegen, im Zuge des fortschreitenden Verhandlungsverfahrens mit ihrem Angebot unterhalb des für § 55 Abs. 1 SektVO relevanten Warenanteils zu bleiben. Mit Blick auf die erstmalige Ausübung des Zurückweisungsrechtes im Nachprüfungsverfahren sei daher auch kein treuwidriges Verhalten der Auftraggeberinnen zu erkennen, zumal § 55 SektVO keine Vorgaben zum Zeitpunkt der Ausübung des Zurückweisungsrechts enthalte. Die in Absatz 1 und 2 geregelten Voraussetzungen für eine Zurückweisung könnten vielmehr erst nach Wertung der finalen Angebote zuverlässig geprüft werden. Vor diesem Hintergrund komme es auf die zwischen den Auftraggeberinnen und der Antragstellerin streitigen Punkte zur Einhaltung des Muss-Kriteriums hinsichtlich der mit der Ausschreibung geforderten Sitzplatzanzahl und den zunächst darauf gestützten Ausschluss der Antragstellerin nicht an, was auch für die im Detail zwischen den Verfahrensbeteiligten aufgeworfenen Fragen zur fiktiven Angebotswertung gelte.
Die Hilfsanträge seien unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB für ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren nicht erfüllt seien. Es fehle insbesondere an einem erledigenden Ereignis. Die formulierte Bedingung für den Hilfsantrag könne das fehlende erledigende Ereignis nicht ersetzen. Die Zurückweisung nach § 55 Abs. 1 SektVO sei zwar ein von der Angebotswertung unabhängiger Ausschluss, es sei aber über deren Voraussetzungen eine streitige Entscheidung zu treffen.
Dagegen richtet sich die form- und fristgemäß eingelegte und begründete sofortige Beschwerde der Antragstellerin.
Sie wiederholt und vertieft ihre Rechtsansichten und verfolgt ihr Begehr in vollem Umfang weiter. Das von den Auftraggeberinnen in Anspruch genommene Zurückweisungsrecht aus § 55 Abs. 1 SektVO hätte nur bis zur Abgabe eines indikativen Angebots ausgeübt werden können, denn bei der Aufforderung zur Abgabe des finalen Angebots sei nicht mehr auf dessen mögliche Ausübung hingewiesen worden, auch nicht bei den nachfolgenden Verhandlungsterminen. Der Umstand, dass die Auftraggeberinnen detaillierte Fragen zu ihrem endgültigen Angebot gestellt hätten, habe nach dem Empfängerhorizont nur den Schluss zugelassen, die Regelung in § 55 Abs. 1 SektVO werde nicht mehr zur Anwendung kommen. Damit hätten die Antragsgegnerinnen auf die Ausübung des Zurückweisungsrechtes im Verfahrensablauf jedenfalls konkludent verzichtet. Auch im Schreiben vom 29. August 2019 hätten die Auftraggeberinnen den beabsichtigten Ausschluss nicht erwähnt, obwohl sie bereits am 15. August 2019 einen entsprechenden Aktenvermerk gefertigt hätten. Es liege insoweit auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor, denn in jedem Stadium des Verfahrens habe der Bieter die Beurteilungsmaßstäbe zu kennen, die der Auftraggeber anlegen wolle. Die Pflicht zur Rücksichtnahme habe es geboten, sie, die Antragstellerin, davon in Kenntnis zu setzen, dass sich die Auftraggeberinnen die Anwendung von § 55 Abs. 1 SektVO weiter vorbehielten. Vor diesem Hintergrund sei das Zurückweisungsrecht vor seiner Ausübung jedenfalls verwirkt worden. Der für das Zeitmoment relevante zeitliche Rahmen werde durch das Vergabeverfahren selbst gesteckt. Auch das Umstandsmoment sei verwirklicht, nachdem kein Hinweis auf § 55 Abs. 1 SektVO nach Abgabe des indikativen Angebots im weiteren Verfahrensablauf mehr erfolgt sei.
Es gehe hier auch nicht darum, wie die Vergabekammer gemeint habe, dass noch bis zur abschließenden Wertung aller Angebote mit der Bevorzugung eines im Sinne des § 55 Abs. 2 SektVO gleichwertigen Angebots zu rechnen gewesen sei, mithin das Zurückweisungsrecht nach Abs. 1 nicht vor der abschließenden Angebotswertung habe ausgeübt werden müssen. Ein Vergleich zwischen den Voraussetzungen des Abs. 1 und 2 gehe fehl, denn § 55 Abs. 2 beinhalte gänzlich andere Voraussetzungen und eröffne keinen Handlungsspielraum für den Auftraggeber, habe also mit dem Zurückweisungsrecht nach § 55 Abs. 1 SektVO nichts zu tun.
Selbst wenn man dies anders sähe, könne das Zurückweisungsrecht allenfalls bis zum Zeitpunkt der abschließenden Angebotswertung ausgeübt werden und nicht mehr im Nachprüfungsverfahren. Dem stehe jedenfalls entgegen, dass zu diesem Zeitpunkt die (weitere) Bieterreihenfolge sicher feststehen müsse, denn es sei laut Ausschreibung eine Abstufung bei der Punktevergabe vorgesehen, wonach das beste Konzept, die insoweit höchste Bewertung und das zweitbeste 20 % Punkte weniger bekommen solle (etc.). Es habe für die danach erforderliche Einstufung die Liste der verbleibenden Teilnehmer aber bereits feststehen müssen. Würde man der Vergabestelle hingegen ein Wahlrecht einräumen, ob § 55 Abs. 1 SektVO vor oder nach der Wertung zur Anwendung komme, könne diese nach Belieben die Bieterreihenfolge beeinflussen.
Unabhängig davon sei das in § 55 Abs. 1 SektVO als „Kann-Bestimmung“ ausgestalte Zurückweisungsrecht von den Auftraggeberinnen ermessensfehlerhaft ausgeübt worden. Ihr in Bezug auf die Zielsetzung der Norm nicht ausgeübtes Ermessen im Vergabeverfahren habe im Nachprüfungsverfahren auch nicht mehr korrigiert werden können. Die von den Auftraggeberinnen ausweislich ihres Aktenvermerks ursprünglich nur erwogenen negativen Entscheidungskriterien wie Sprachbarrieren, Schulungen in China etc. seien vor dem Hintergrund des § 55 Abs. 1 SektVO und der dabei auszuübenden Ermessensentscheidung nicht sachgemäß gewesen. Es sei vielmehr zu prüfen gewesen, ob der "handelspolitische" Schutzzweck des § 55 Abs. 1 SektVO im konkreten Fall die Zurückweisung des Angebots notwendig mache. Die Auftraggeberinnen hätten diese Frage allerdings gar nicht allein prüfen bzw. entscheiden können, denn es handele sich um eine ordnungspolitische Entscheidung. Es komme hinzu, dass die Auftraggeberinnen für die Umsetzung der ausgeschriebenen Beschaffungsmaßnahmen voraussichtlich Zuwendungen von Bund und Land in Anspruch nehmen würden, womit die von wirtschaftlichen Kriterien unabhängige Zurückweisung eines Angebots nach § 55 Abs. 1 SektVO zu einem Verstoß gegen die üblichen zuwendungsrechtlichen Auflagen (Bezuschlagung des wirtschaftlichsten Angebots) führen müsse. Diese Gesichtspunkte hätten die Auftraggeberinnen nicht in die Ermessensausübung eingestellt.
Die Vorschrift des § 55 Abs. 1 SektVO sei außerdem unwirksam. Art. 85 Abs. 2 RL 2014/25/EU könne nicht als Ermächtigungsgrundlage dienen. Die in der Präambel der RL 2014/25/EU mit Verweis auf Binnenmarktvorschriften angegebene Ermächtigungsgrundlage für die in Vergabeverfahren im Verkehrssektor geregelten Zurückweisungsrechte gegenüber Anbietern, deren Warenangebot überwiegend aus Drittländern stamme, sei rechtlich unzureichend und die betreffende Regelung in Art. 85 der Richtlinie damit nichtig. Die auf dieser Grundlage in nationales Recht umgesetzte Vorschrift des § 55 Abs. 1 SektVO sei infolgedessen ebenfalls unwirksam. Schon die Vorgängervorschrift des Art. 85 sei auf der Grundlage der Binnenmarktvorschriften erlassen worden und stelle eine einer mengenmäßigen Einfuhrbeschränkung vergleichbare Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne des Art. 34 AEUV dar. Über Angebote unmittelbar von Unternehmen mit Sitz in Drittländern verhalte sich Art. 85 Abs. 2 RL 2014/25/EU zudem nach seinem Wortlaut nicht. Die Europäische Kommission habe deshalb im ursprünglichen Rechtsetzungsverfahren sogar die Ansicht vertreten, dass die Richtlinie auf Unternehmen mit Sitz in Drittländern - wie im vorliegenden Fall - nicht anwendbar sei. Selbst wenn man die Vorschrift dennoch auf Angebote von Unternehmen mit Sitz in Drittstaaten anwenden wolle, bleibe es dabei, dass dies auf eine Maßnahme mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen von Waren hinausliefe, für die die in Art. 36 AEUV genannten Ausnahmen nicht vorlägen. Art. 85 RL 2014/25/EU sei deshalb wegen Verstoßes gegen europäisches Primärrecht unwirksam.
Es sei zur Klärung dieser und der weiteren Frage, ob nach dem Zweck der Regelung überhaupt Angebote von Unternehmen mit Sitz in Drittländern zurückgewiesen werden dürften, die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens zum Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV geboten.
Auch hinsichtlich der Frage, wie lange im Vergabeverfahren von dem Zurückweisungsrecht in Art. 85 Abs. 2 der Richtlinie bzw. in § 55 Abs. 1 SektVO gegebenenfalls noch zulässig Gebrauch gemacht werden könne und welche Ermessenserwägungen in diesem Zusammenhang eine Rolle spielten, handele es sich um Fragen der Auslegung europäischen Rechts. Es habe auch insoweit eine Vorlage gemäß Art. 267 AEUV an den Europäischen Gerichtshof zu erfolgen.
Soweit sich die Auftraggeberinnen aus Sicht des Gerichts zurecht auf § 55 Abs. 1 SektVO berufen sollten, führe dies jedenfalls zur Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache, denn es liege dann eine Erledigung in sonstiger Weise im Sinne des § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB vor. Die erstmalige Berufung auf § 55 Abs. 1 SektVO im Nachprüfungsverfahren sei vergleichbar mit der Rechtslage bei erstmaliger Erhebung der Verjährungseinrede im Laufe eines Rechtsstreits. Scheide die Zurückweisung ihres Angebots nach § 55 Abs. 1 SektVO aus, sei das Nachprüfungsverfahren wegen der im Übrigen bereits vor der Vergabekammer angeführten Rügen begründet.
Die Antragstellerin wiederholt und vertieft ferner ihren Vortrag zu dem nach ihrer Auffassung fehlerhaften Ausschluss ihres Angebots wegen fehlender Breite der Doppelsitze und daraus von den Auftraggeberinnen gefolgerter unzureichender Sitzplatzanzahl. Die Breite eines Doppelsitzes stelle schon kein wertungserhebliches Muss-Kriterium dar, die sehe die Ausschreibung nicht vor. Die geforderte Breite sei zudem bei allen Doppelsitzen eingehalten. Die erfolgte Punktewertung sei fehlerhaft, ihr - der Antragstellerin - hätten bereits auf Grundlage des unstreitigen Sachverhalts weitere 30 weitere Punkte zugesprochen werden müssen, womit sie auf Rang 1 gelegen hätte.
Die Antragstellerin beantragt,
die Entscheidung der Vergabekammer des Landes Brandenburg - VK 18/19 - abzuändern und nach ihren Schlussanträgen zu erkennen.
Die Auftraggeberinnen beantragen,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten auf ihrer Seite für notwendig zu erklären.
Die Auftraggeberinnen verteidigen den Beschluss der Vergabekammer. Es sei den Bietern von Anfang an bekannt gewesen, dass die Anwendung von § 55 Abs. 1 SektVO in Betracht komme. Sie seien ausdrücklich aufgefordert worden mit Schreiben vom 27. Juli 2018, dagegen etwaige Einwendungen zu erheben. Es wäre daher Angelegenheit der Antragstellerin gewesen, bei fortschreitendem Vergabeverfahren nachzufragen, ob es bei dem erklärten Vorbehalt verbleibe. Die Antragstellerin habe es zur Minimierung ihres Risikos außerdem in der Hand gehabt, den in Rede stehenden Warenanteil bei ihrem finalen Angebot noch entsprechend anzupassen. Davon habe sie aus den im Termin vor der Vergabekammer genannten Preisgründen abgesehen und damit das Risiko der Zurückweisung in Kauf genommen. Die Ausführungen zur vermeintlichen Verwirkung und dem konkludenten Verzicht auf das Recht zur Zurückweisung gingen fehl. Die Aufforderung zur Abgabe eines finalen Angebots sei erforderlich gewesen, um das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 SektVO (Warenanteil aus Drittländern) überhaupt prüfen zu können. Das Recht zur Zurückweisung habe vor Einreichung des finalen Angebots nicht bestanden.
Auch die rechtssystematischen Überlegungen der Antragstellerin zur möglichen Veränderung der Bieterreihenfolge bei einer Ausübung des Zurückweisungsrechts erst im Nachprüfungsverfahren gingen ins Leere. Die SektVO kenne, anders als die VOB/A keine Wertungsstufen. Betreffend das Argument der Verschiebung der Bieterreihenfolge sei zu berücksichtigen, dass insoweit allein die Beigeladene oder die übrigen beteiligten Bieter in ihren Rechten verletzt werden könnten, nicht aber die Antragstellerin.
Alleiniger Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens sei die Frage, ob die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten seien, ordnungspolitische oder zuwendungsrechtliche Fragen spielten entgegen der Ansicht der Antragstellerin dabei keine Rolle.
Ein Vorlageverfahren zum Europäischen Gerichtshof wegen der insoweit von der Antragstellerin aufgeworfenen Fragen scheide aus. Die von ihr angeführten Gesichtspunkte von Verwirkung, Verzicht und Treuwidrigkeit sowie eine etwa daraus folgende zeitliche Begrenzung des Zurückweisungsrechts unterlägen Rechtsinstituten des deutschen Zivilrechts. Unabhängig von der Frage, ob ein Ermessen nach § 55 Abs. 1 SektVO auszuüben sei, sei zu beachten, dass der Europäische Gerichtshof entschieden habe (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C 440/13 - Celex-Nr. 62011CJ0414 Croce Amica One, juris Rn. 38 ff.), dass nach der einschlägigen RL 89/665/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die RL 2007/66 geänderten Fassung im Nachprüfungsverfahren etwaige Ermessenserwägungen jedenfalls nur einer Rechtmäßigkeitskontrolle und keiner Zweckmäßigkeitskontrolle unterlägen. Durch die Nachprüfungsinstanzen sei ein auf den Zweck des Zurückweisungsrechtes abstellender Ermessensfehler daher von vornherein nicht zu beurteilen. Die verbleibende Rechtmäßigkeitskontrolle obliege den Nachprüfinstanzen und sei keine vorlagefähige Einzelfallfrage.
Die weiter von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob von Art. 85 RL 2014/25/EU bzw. § 55 Abs. 1 SektVO auch Angebote von Unternehmen mit Sitz außerhalb des Binnenmarktes erfasst seien, lasse sich ebenfalls klar beantworten aus den Überlegungen der Europäischen Kommission im Rechtsetzungsverfahren. Diese habe Art. 85 Abs. 2 als einen Mechanismus beschrieben, der auch auf Drittlandunternehmen oder Unternehmen auszudehnen sei, die Waren oder Leistungen mit Drittlandursprung anböten. Zweck sei der warenbezogene Schutz des Binnenmarkts, der leerlaufen würde, wenn die Regelung nur für Unternehmen mit Sitz innerhalb des Binnenmarkts gelte und nicht gerade auch für Unternehmen mit Sitz in Drittländern.
Die weitere von den Antragstellern für ein Vorabentscheidungsverfahren aufgeworfene Frage, ob Art. 85 Abs. 2 RL 2014/25/EU einer mengenmäßigen Einfuhrbeschränkung gleichkomme, sei jedenfalls nicht entscheidungserheblich, denn es handele sich bei dem Leistungsangebot der Antragstellerin nicht um Güter, die bereits in die Gemeinschaft importiert worden seien. Die Antragstellerin werfe mithin eine abstrakte Frage auf, die sich im vorliegenden Fall nicht stelle.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer und führt ergänzend aus, ein konkludenter Verzicht komme schon deshalb nicht in Betracht, weil im Vergabeverfahren die Textform beachtlich sei und ein Verzicht auf das Zurückweisungsrecht jedenfalls allen Bietern hätte bekannt gegeben werden müssen. Wäre ihr der Verzicht auf das Zurückweisungsrecht nach § 55 Abs. 1 SektVO bekannt gemacht worden, hätte sie in ihrem finalen Angebot einen Warenanteil aus Drittländern stammend in einer Größenordnung angeboten, die zu einer erheblichen Preisreduzierung geführt hätte.
Soweit die Antragstellerin auf ein treuwidriges Verhalten oder auf einen Verstoß gegen Rücksichtnahmepflichten abstellen wolle, könne dies allenfalls Sekundäransprüche - wegen Aufwendungen nach Abgabe des indikativen Angebots - auslösen. Die Antragstellerin trage aber schon nicht vor, dass sie bei einem wiederholten Hinweis auf das Zurückweisungsrecht in § 55 Abs. 1 SektVO dann von einer weiteren Beteiligung am Vergabeverfahren oder der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens überhaupt abgesehen hätte.
Die von der Antragstellerin begehrte Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde bis zu deren Entscheidung hat der Senat mit Beschluss vom 20. Februar 2020 gemäß § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB angeordnet.
Die Antragstellerin hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 7. Mai 2020 weiter zur Sache vorgetragen; hierauf wird Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist statthaft und auch im Übrigen form- und fristgerecht gemäß eingelegt und begründet worden (§ 171 Abs. 1 und 3, § 172 Abs. 1 bis 3 GWB). Sie ist im Ergebnis jedoch unbegründet.
1. Der Nachprüfungsantrag ist in seinen Hauptanträgen zulässig.
Die Antragstellerin ist gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Sie hat sich als Bieterin im Vergabeverfahren beteiligt und trägt eine Verletzung von vergaberechtlichen Vorschriften mit der Folge eines möglichen Schadenseintritts schlüssig im Sinne von § 160 Abs. 2 Satz 2, § 97 Abs. 6 GWB vor.
2. Die Hauptanträge sind unbegründet, wie die Vergabekammer zutreffend entschieden hat.
Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten verletzt (§ 97 Abs. 6 GWB). Die Zurückweisung ihres Angebots für die ausgeschriebenen Lieferleistungen zur Beschaffung der Niederflur-Straßenbahnfahrzeuge beruht auf der rechtswirksamen Anwendung der Vorschrift des § 55 Abs. 1 SektVO und verstößt nicht gegen sonstige Vorschriften des Vergaberechts.
Der in § 55 Abs. 1 SektVO geregelte Tatbestand ist nach seinen sachlichen Voraussetzungen unstreitig erfüllt (lit. a). § 55 Abs. 1 SektVO setzt entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten unwirksame Regelung in Art. 85 Abs. 2 RL 2014/25/EU mit der Folge eigener Unwirksamkeit um (lit. b). Der von der Antragstellerin angenommene Verstoß der in Art. 85 RL 2014/25/EU getroffenen Regelung gegen primärrechtliche Grundsätze der Warenverkehrsfreiheit (Art. 34, 36 AEUV) ist bereits nicht entscheidungserheblich (lit. c). Es bestehen zudem keine rechtlichen Zweifel daran, dass diese Vorschriften (Art. 85 RL 2014/25/EU und § 55 Abs. 1 SektVO), indem sie für die Zurückweisungsmöglichkeit nur auf den Ursprung der Waren des Angebots abstellen, auch Unternehmen mit Sitz in Drittländern betreffen können (lit. d). Die Auftraggeberinnen haben von dem Zurückweisungsrecht im Vergabeverfahren auch keinen verspäteten Gebrauch gemacht, sie haben auch nicht zuvor auf die Geltendmachung des Rechts konkludent verzichtet oder es verwirkt (lit. e). Sie haben das Zurückweisungsrecht schließlich nicht ermessensfehlerhaft (lit. f) oder aus erkennbar sachfremden Gründen erst im Nachprüfungsverfahren ausgeübt (lit. g).
Im Ergebnis kommt es auf die Prüfung des von den Auftraggeberinnen auch mit der Verletzung von Vergabebedingungen begründeten Ausschlusses des Angebots der Antragstellerin sowie die weiter hilfsweise angegriffene fiktive Bewertung deren Angebots durch die Auftraggeberinnen für die hier zu treffende Entscheidung nicht mehr an.
a) § 55 SektVO dient der Umsetzung von Art. 85 RL 2014/25/EU, der die frühere Regelung aus Art. 58 RL 2004/17/EG übernommen hat. Letztgenannter Vorschrift gingen die inhaltlich jeweils übereinstimmenden Regelungen in der ersten für den Bereich der Verkehrsversorgung einschlägigen Sektorenrichtlinie in Art. 29 RL 90/531/EWG des Rates vom 17. September 1990 sowie in Art. 36 RL 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993, geändert durch die RL 98/4/EG vom 16. Februar 1998, voraus. Die Bestimmung des § 55 SektVO hat mit der Reglementierung von Beschaffungsausschreibungen nach allgemeiner Auffassung keinen originär vergaberechtlichen Hintergrund, sondern verfolgt einen handelspolitischen Zweck (siehe nur Summa in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 55 SektVO Rn. 1; Frank, Die Koordinierung der Vergabe öffentlicher Aufträge in der Europäischen Union, Diss. jur. 2000, S. 202 f.; Zillmann, NZBau 2003, 480, 481; v. Bogdandy/Wernicke, EuZW 1993, 216, 220 mwN). Hintergrund hierfür ist das handelspolitische Prinzip der Gegenseitigkeit, wonach eine Öffnung des Binnenmarktes für Waren aus Drittstaaten nur erfolgen soll, soweit die jeweiligen Drittlandsmärkte für entsprechende Waren aus dem EWR ebenfalls geöffnet wurden (siehe nur Debus, in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., § 55 SektVO, Rn. 2 mwN).
Die Regelungen in Art. 85 RL 2014/25/EU bzw. § 55 SektVO begründen damit eine unionsrechtliche Erlaubnis zur Diskriminierung von Warenangeboten, die aus den betreffenden Drittländern stammen (Debus in Ziekow/Völlink, aaO, Rn. 1; Müller in Greb/Müller, Kommentar zum Sektorenvergaberecht, 2. Aufl., § 55 SektVO Rn. 5). Für eine wie vorliegend auf Art. 85 Abs. 2 RL 2014/25/EU bzw. § 55 Abs. 1 SektVO gestützte Zurückweisung eines Bieterangebots ist dabei Tatbestandsvoraussetzung nur, dass die angebotene Leistung mit einem anteiligen Gesamtwert von mehr als 50 % handelspolitisch unerwünschter Herkunft ist, das heißt überwiegend nicht aus am EWR teilnehmenden Drittländern stammt, mit denen auch keine gegenseitigen Marktzugangsvereinbarungen bestehen. Dieser Tatbestand ist hier, vorbehaltlich der noch gesondert zu erörternden Frage (s. lit. d), ob die Regelung ungeachtet ihres auf den Warenursprung abzielenden Wortlauts auch auf Angebote von Unternehmen mit Sitz in Drittländern - wie hier mit Blick auf die Antragstellerin - anwendbar ist, unstreitig erfüllt. Eine wechselseitige Marktzugangsvereinbarung, wie sie außerhalb der EU mit den Teilnahmestaaten im EWR oder bilateral wie etwa mit der Schweiz geschlossen wurde, besteht mit dem Sitzstaat der Antragstellerin - der Volksrepublik China - nicht und wird von ihr auch nicht behauptet.
b) Der Auffassung der Antragstellerin, der Anwendbarkeit des § 55 Abs. 1 SektVO stehe entgegen, dass die dieser Vorschrift zugrundeliegende Richtlinienbestimmung in Art. 85 Abs. 2 RL 2014/25/EU mangels ausreichender primärrechtlicher Ermächtigungsgrundlage nichtig sein könnte, so dass zur Klärung dieser Frage eine Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 1 AEUV veranlasst wäre, kann nicht gefolgt werden. Vernünftige Zweifel an einer für diese Richtlinienbestimmung ausreichenden unionsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage bestehen nicht.
aa) An ihrer im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer - und von dieser in dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesenen - Auffassung, dass die in der Präambel der RL 2014/25/EU als Ermächtigungsgrundlage „insbesondere“ angeführten Art. 53, 62 und 114 AEUV keine Gesetzgebungskompetenz der Europäischen Union zur Regelung des Ausschlusses ausländischer Bieter im Verkehrsbereich begründen würden, weil die Richtlinie insoweit verkehrsnahe Tätigkeiten betreffe und daher nur nach den für die Verkehrspolitik geltenden Reglungen in Art. 90 ff. AUEV zu erlassen gewesen wäre, hält die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht mehr fest. Gegen die Beurteilung der Vergabekammer, dass der Erlass der Sektorenrichtlinie - ungeachtet einer nach Art. 91 Abs. 1 AEUV für den Bereich der Verkehrspolitik allerdings ebenfalls gegebenen primärrechtlichen Regelungskompetenz - deshalb nicht unter die in Art. 90 ff. AEUV geregelten Zuständigkeiten fällt, weil diese gemäß Art. 58 Abs. 1 AEUV nur für Dienstleistungen gelten, wozu die in der Sektorenrichtlinie geregelte Beschaffung von Waren ersichtlich nicht gehört, ist auch nichts zu erinnern. Im Einklang damit gelten Art. 85 RL 2014/25/EU bzw. § 55 SektVO nach ihrem Wortlaut nur für Lieferaufträge und nicht für Bau- oder Dienstleistungen (vgl. Debus in Ziekow/Völlink, aaO, Rn. 2; Sturhahn in Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl., § 55 SektVO Rn. 2).
bb) Soweit die Antragstellerin meint, die in Art. 85 RL 2014/25/EU enthaltenen Regelungen zur Diskriminierung von überwiegend aus Drittländern stammenden Warenangeboten könnten nicht auf die in der Präambel der Richtlinie („insbesondere“) als Ermächtigungsgrundlage aufgeführten Artikel 53 Abs. 1, 62 und 114 AEUV gestützt werden, weil Vorschriften, die eine Öffnung des Binnenmarktes innerhalb der Europäischen Union zum Ziel hätten, keine Grundlage für protektionistische Maßnahmen im internationalen Handelsverkehr sein könnten, ist zunächst festzustellen, dass von den vorgenannten Artikeln nur Art. 114 AEUV die Ausgestaltung des Binnenmarkts betrifft. Nach Art. 114 Abs. 1 AEUV ergreifen das Europäische Parlament und der Europäische Rat „Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben“. Da dieser Binnenmarkt insbesondere auf den vier in Art. 26 Abs. 2 AEUV festgeschriebenen Grundfreiheiten beruht, das heißt dem freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital, ermächtigt Art. 114 AEUV die EU-Organe auch dazu, über das europäische Sekundärrecht Einfluss auf diejenigen Regelungen der Mitgliedsstaaten zu nehmen, die die Vergabe und Durchführung öffentlicher Aufträge zum Gegenstand haben. Ziel dieser Ermächtigung ist insofern die Garantie eines freien und gleichberechtigten Zugangs zu öffentlichen Aufträgen für alle europäische Unternehmen sowie eine möglichst transparente Auftragsvergabe (EuGH, Urteil vom 27. Februar 2003 - C-373/00 - Adolf Truley GmbH./.Bestattung Wien GmbH, juris Rn. 41 mwN).
Zutreffend ist allerdings, dass die gemeinsame Handelspolitik der Europäischen Union im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. e) AEUV zum auswärtigen Handeln der Union gehört und diese Politik den Handelsverkehr mit Drittländern betrifft und nicht den Handelsverkehr im Binnenmarkt. Indem die Mitgliedsstaaten nach innen einen Binnenmarkt geschaffen haben, der im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Austausch von Waren die staatlichen Grenzen weitgehend unbeachtlich hat werden lassen, bedingt diese interne Mobilität andererseits eine zentralisierte Außenhandelspolitik, die „auf das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes hin und zum Schutz des Gesamtinteresses der Union konzipiert [ist]“ (EuGH, Gutachten 1/75, Slg. 1975, 1355, 1363). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs fällt ein Rechtsakt der Union allerdings nicht schon deshalb unter die gemeinsame Handelspolitik, weil er bestimmte Auswirkungen auf den internationalen Handelsverkehr haben kann. Ein Rechtsakt der Union ist nur dann Teil der gemeinsamen Handelspolitik, wenn er speziell den internationalen Warenaustausch betrifft, weil er im Wesentlichen diesen Handelsverkehr fördern, erleichtern oder regeln soll und sich direkt und sofort auf ihn auswirkt (EuGH, Gutachten 2/00 vom 6. Dezember 2001, Slg. 2001, I-9713, Rn. 40 sowie Urteile vom 18.07.2013 - C-414/11 - Celex-Nr. 62011CJ0414, juris Rn. 51, vom 12. Mai 2005 - C347/03 - Regione autonoma Friuli-Venezia Giulia und ERSA, Slg. 2005, I-3785 Rn. 75 und vom 8. September 2009 - C-411/06 - Kommission./.Parlament und Rat, Slg. 2009, I-7585, Rn. 71). Die Regelungen in Art. 85 RL 2014/25/EU stellen demgegenüber nicht auf den Sitz der an einem Vergabeverfahren im Verkehrssektor teilnehmenden Unternehmen ab, sondern ausschließlich auf den Warenursprung, so dass von ihnen aber jedenfalls auch - und insoweit von der Antragstellerin nicht in Frage gestellt - Sachverhalte fallen, in denen anders als vorliegend Unternehmen mit Sitz im Binnenmarkt betroffen sein können. Zugleich können deshalb Lieferangebote von einem in Art. 85 RL 2014/25/EU genannten Zurückweisungsrecht erfasst sein, die sich überwiegend aus Drittlandswaren zusammensetzen und sich bereits im Binnenmarkt befinden, denn nach Art. 29 AEUV gelten diejenigen Waren aus dritten Ländern als im freien Verkehr eines Mitgliedstaats befindlich, die in einem Mitgliedstaat bereits nach den dafür geltenden allgemeinen Regeln eingeführt wurden. Soweit von der Regelung in Art. 85 RL 2014/25/EU solche Sachverhalte erfasst werden, kann an der Betroffenheit des Binnenmarktes und an Art. 114 AEUV als zu dessen Ausgestaltung tauglicher Ermächtigungsgrundlage somit kein Zweifel bestehen.
Soweit davon andererseits Sachverhalte erfasst werden, die Angebote betreffen, für deren Erfüllung die notwendigen Waren im Zuschlagsfall erst von außerhalb des Binnenmarktes eingeführt werden müssen, was insbesondere - aber auch nicht nur - Anbieter wie die Antragstellerin mit Sitz in Drittländern betreffen kann, besteht ein solcher Zusammenhang nicht ohne Weiteres. Es braucht hier allerdings nicht geklärt zu werden, ob der zum Erlass der Art. 85 RL 2014/25/EU führende Rechtsakt wegen der davon unmittelbar oder mittelbar erfassten Sachverhalte allein oder nur teilweise auf Art. 114 AEUV zu stützen ist, weil damit nicht nur der Regelungsbereich des Binnenmarktes betroffen ist, sondern auch die gemeinsame Handelspolitik der Europäischen Union, wie die Antragstellerin meint. Letzteres wäre nach den dazu vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Kriterien zwar nur anzunehmen, wenn ein Rechtsakt der Union „speziell den internationalen Warenaustausch betrifft, weil er im Wesentlichen den Handelsverkehr fördern, erleichtern oder regeln soll und sich direkt und sofort auf ihn auswirkt“ (EuGH, Gutachten 2/00 vom 6. Dezember 2001, Slg. 2001, I-9713 Rn. 40 sowie Urteile vom 12. Mai 2005 - C-347/03. Slg. 2005, I-3785 Rn. 75 und vom 8. September 2009 - C-411/06, Slg. 2009, I-7585 Rn. 71 zu internationalen Abkommen im Sinne von ex-Art. 133 EGV). Das ist insofern nicht der Fall, als die Regelungen in Art. 85 RL 2014/25/EU nicht an den Drittlandsitz eines bietenden Unternehmens und damit aber auch nicht direkt an einen Warenaustausch über den Binnenmarkt hinaus anknüpfen, sondern unmittelbar nur an den Warenursprung, wofür die Regelungen ganz allgemein gelten. Soweit die Bestimmungen in Art. 85 RL 2014/25/EU die Zurückweisung von Angeboten erfassen können, die von Unternehmen mit Sitz in bestimmten Drittländern abgegeben werden, liegt ihnen daher keine Regelungsmaterie zugrunde, welche den grenzüberschreitenden Außenhandel speziell betrifft.
Auf diese Zuordnungen kommt es für die von der Antragstellerin aufgeworfene Kompetenzfrage im Ergebnis jedoch nicht an, weil entgegen ihrer Auffassung der EU-Normgeber nach Maßgabe des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), von dessen Regelungen die Richtlinie 2014/25/EU in ihrer Präambel als Ermächtigungsgrundlage die den Binnenmarkt betreffende Regelung in Artikel 114 „insbesondere“ und auch nur unter anderen nennt, für die gesamte Handelspolitik gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. e) AEUV seit langem eine ebenfalls ausschließliche Regelungszuständigkeit besitzt (Callies/Ruffert/Callies, EUV/AEUV, 5. Auflage, Art. 3 Rn. 15 mwN). Es kann deshalb dahinstehen, ob die Auffassung der Antragstellerin zutrifft, dass die Binnenmarktvorschriften des AEUV als Ermächtigungsgrundlage zur Reglementierung des hier vergaberechtlich mitbetroffenen internationalen Warenaustauschs nicht allein ausreichend sind, denn die Ausgestaltung des internationalen Handelsverkehrs fällt als Rechtssetzungskompetenz ebenso wie die Entwicklung des Binnenmarktes nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) AEUV in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union.
Ob unabhängig davon dem von der Antragstellerin diesbezüglich eingeforderten Vorabentscheidungsverfahren vorliegend bereits die Präklusionswirkung des Art. 263 Abs. 6 AEUV entgegensteht, wie sie sich aus dem Verhältnis der nach Art. 267 Abs. 1 Buchst. b) AEUV eröffneten Gültigkeitskontrolle zu der nach Art. 263 Abs. 4 AEUV für unmittelbar betroffene individuelle Kläger eröffneten Nichtigkeitsklage ergeben kann - wie die Auftraggeberinnen meinen -, bedarf keiner Erörterung.
c) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt es vorliegend auch nicht darauf an, ob die Regelung in Art. 85 RL 2014/25/EU gegen die primärrechtlichen Grundsätze der Warenverkehrsfreiheit verstößt, denn die von der Antragstellerin angebotenen Waren werden davon jedenfalls nicht erfasst. Die in Rede stehenden Waren befinden sich unstreitig nicht im Binnenmarkt und sind damit nicht solche im Sinne der Art. 28 Abs. 2, 29, 34 AEUV. Auf eine primärrechtlich aus dem Gesichtspunkt der Sicherung des freien Warenverkehrs bestehende Unwirksamkeit von Art. 85 RL 2014/25/EU könnte es im Streitfall hingegen nur entscheidungserheblich ankommen, wenn die Anwendung der dieser Richtlinienvorgabe folgenden Regelung in § 55 Abs. 1 SektVO hier dazu führte, dass es der Antragstellerin verunmöglicht würde, bereits in den Binnenmarkt eingeführte Waren als Teil ihrer Leistung anzubieten. Das ist nicht der Fall und dafür reicht es auch nicht aus, dass die Waren erst nach einer Zuschlagserteilung für den Vertragsvollzug einzuführen wären. Diese Beurteilung ergibt sich klar und eindeutig aus der bereits einschlägig ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und bedarf daher ebenfalls keiner Klärung im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens.
Nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen gilt das in den Art. 34 bis 37 AEUV enthaltene Verbot mengenmäßiger Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten gemäß Art. 28 Abs. 2 AEUV zwar sowohl für Waren, die aus den Mitgliedstaaten stammen, als auch für Waren aus dritten Ländern, die sich in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befinden, das heißt unabhängig davon, woher sie ursprünglich stammen (vgl. EuGH, Urteile vom 18. November 2003 - C-216/01 - Budejovicky Budvar, juris Rn. 95 und vom 16. Juli 2015 - C-95/14 - UNIC und Uni.co.pel, juris Rn. 41; jeweils mwN). Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich aber auch, dass das Inverkehrbringen erst eine nach der Einfuhr liegende Phase darstellt (EuGH, Urteil vom 22. September 2016 - C-525/14 - Kommission./.Tschechische Republik, juris Rn. 38). Das erkennt die Antragstellerin grundsätzlich selbst, wenn sie zutreffend ausführt: „Die Drittlandsklausel würde es den Mitgliedstaaten gestatten, rechtmäßig in die Gemeinschaft importierte Waren im Vergabeverfahren auf Grund ihrer Herkunft zurückzuweisen“ (Beschwerdebegründung, S. 23). Die von der Antragstellerin im Vergabeverfahren angebotenen Waren befinden sich indes (noch) nicht im freien Warenverkehr der Mitgliedstatten, so dass es auf die dazu von ihr aufgeworfene Rechtsfrage, ob Art. 85 RL 2014/25/EU insoweit gegen Primärrecht verstößt, als in den Binnenmarkt eingeführte Waren im Vergabeverfahren zurückgewiesen werden können, die überwiegend aus Drittländern ohne wechselseitiges Marktzugangsabkommen herrühren, im Streitfall nicht ankommt.
Es fehlt für das auch insoweit von der Antragstellerin begehrte Vorabentscheidungsverfahren jedenfalls an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Juli 2006 - C-212/04 - Celex-Nr. 62004CJ0212, juris Rn. 43; Callies in Calliess/Ruffert/Wegener, aaO, Art. 267 AEUV Rn. 24 mwN). Der Fall, dass ein im Binnenmarkt angesiedeltes Unternehmen in seinem Recht auf freien Warenverkehr behindert wird, weil es im freien Warenverkehr der Mitgliedstaaten befindliche Produkte anbietet, die zu mehr als 50 % aus Drittländern stammen, liegt nicht vor.
Ungeachtet dessen ist selbst in Bezug auf solche Sachverhaltskonstellationen eine Vereinbarkeit der Drittlandsklausel mit der Warenverkehrsfreiheit in jüngerer Zeit nicht mehr kontrovers diskutiert worden. Richtig ist zwar, dass die in Art. 36 AEUV aufgeführten Ausnahmetatbestände die Regelungsmaterie des Art. 85 RL 2014/25/EU ersichtlich nicht erfassen (betreffend die öffentliche Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums; näher dazu Zillmann, NZBau 2003, 480, 484). Dass die Drittlandsklausel unabhängig davon nicht aus den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs seit der Cassis-de-Dijon-Entscheidung anerkannten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses (EuGH, Urteil vom 20. Februar 1979 - RS 120/78 - Cassis de Dijon, Slg. 1979, 649 ff.) mit gemeinschaftsrechtlichem Primärrecht vereinbar ist, ist aber schon in der Vergangenheit nur sehr vereinzelt und - soweit ersichtlich - zuletzt gar nicht mehr vertreten worden (vgl. Zillmann, NZBau 2003, 480, 484 mit Fn. 42 i.V.m. Fn. 1; ausführlich dazu v. Bogdandy/Wernicke, EuZW 1993, 216, 220 ff.). Die Bindung der Europäischen Union an ein freiheitliches Ordnungskonzept schließt Marktzugangsregelungen auch keineswegs aus. Gemäß Art. 206 Abs. 1 AEUV (vgl. ex-Art. 2 EGV bzw. ex-Art. 2 EWGV) ist legitimes Ziel der Union vielmehr nur die schrittweise gegenseitige Marktöffnung im internationalen Handelsverkehr „zur harmonischen Entwicklung des Welthandels“ und damit eine ausgewogene Wirtschaftsausweitung. Dieses Ziel wird mit Art. 85 Abs. 2 RL 2014/25/EU umgesetzt, denn damit erfolgt in den von der Richtlinie umfassten Sektoren eine schrankenlose Marktöffnung für Drittlandsprodukte bis zur Marke von 50 %, was im Vergleich zu früheren mitgliedstaatlichen Regelungen gerade einen Abbau von Protektionismus darstellt (v. Bogdandy/Wernicke, aaO).
d) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bestehen gegen die Anwendbarkeit von Art. 85 RL 2014/25/EU auf Bieter, die wie die Antragstellerin ihren Sitz in Drittländern unterhalten, ebenfalls keine Bedenken. Die gegenteilige Annahme der Antragstellerin geht bereits insoweit fehl, als Bieter von der Zurückweisung ihrer Angebote unabhängig davon bedroht sind, wo sie ihren Unternehmenssitz unterhalten. Anknüpfungspunkt für den Zurückweisungstatbestand ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Richtlinienbestimmung, dem § 55 Abs. 1 SektVO ohne inhaltliche Abweichung folgt, allein die Herkunft der Waren. Ob sie von einem asiatischen Hersteller oder einem europäischen Importeur/Händler angeboten werden, ist deshalb nach einhelliger Auffassung für die Tatbestandserfüllung unerheblich (Müller in Greb/Müller, aaO, Rn. 17; Summa in Heiermann/Zeiss/Summa, aaO, Rn. 16; Zillmann, NZBau 2003, 480, 483; Sturhahn in Pünder/Schellenberg, aaO, Rn. 1; Debus in Ziekow/Völlink, aaO, Rn. 5; Langenbach in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 3. Aufl., § 55 SektVO Rn. 8). Nichts anderes folgt entgegen der Auffassung der Antragstellerin aus der Historie des Rechtsetzungsverfahrens. Soweit sich die Antragstellerin für ihre abweichende Auffassung darauf stützt, es ergebe sich aus Ausführungen der Europäischen Kommission in einer Beilage zum Bulletin der Europäischen Gemeinschaften aus dem Jahr 1988, dass die (ursprüngliche) Richtlinie nur anwendbar sein sollte auf Unternehmen mit Sitz im Binnenmarkt, ist diese Stelle genauer in den Blick zu nehmen, wenn es dort zunächst heißt:
„Situationen, wo Angebote von Unternehmen mit Sitz außerhalb der Gemeinschaft gemacht werden, kommen in der Praxis relativ selten vor, und die Richtlinien werden auf keinen Fall für sie gelten“ (Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 6/88, Mitteilung der Kommission über die Gemeinschaftsregelung für Beschaffungen in den ausgenommenen Sektoren: Wasser, Energie, Verkehr und Telekommunikation, III. F: Die gemeinschaftsexterne Dimension, S. 76, Rn. 444).
Der Antragstellerin ist zuzugeben, dass diese Äußerung, dernach die Richtlinie(n) keine Anwendung auf Unternehmen finden werde(n), die ihren Sitz im Ausland haben, missverständlich erscheint, in der auf den Vorschlag der Kommission hin später erlassenen Richtlinie jedenfalls aber keinen Niederschlag gefunden hat; denn die Umsetzung des gesetzgeberischen Ziels in Art. 85 der Richtlinie knüpft nach ihrem expliziten Wortlaut unabhängig vom Unternehmenssitz nur an die Herkunft der Produkte an und kann mithin Unternehmen mit Sitz in Drittländern indirekt betreffen. Tatsächlich besteht zwischen der Stellungnahme der Kommission und dem Richtlinieninhalt indes kein zwingender Widerspruch. Es ist nicht einmal naheliegend, dass die vermeintliche Vorstellung der Kommission, die Richtlinie sei auf Drittlandsunternehmen nicht anwendbar, im Rechtsetzungsverfahren lediglich anders umgesetzt worden ist. Dass der von der Antragstellerin aus dem Zusammenhang heraus zitierte Passus nicht mit dem suggerierten Verständnis gemeint gewesen sein kann, erschließt sich vielmehr schon aus unmittelbar vorhergehenden und nachfolgenden Textabschnitten in der genannten Beilage, wenn es dort heißt:
„Die Unternehmen in den Drittländern verfolgen mit wachsendem Interesse den erneuten Anlauf der Gemeinschaft zur Schaffung eines gemeinsamen Auftragswesens als einem wesentlichen Element bei der Errichtung des Binnenmarktes bis 1992. Dabei interessieren sie insbesondere die Maßnahmen der Gemeinschaft zur Öffnung des Auftragswesens in den ausgeschlossenen Sektoren … Die Öffnung des Auftragswesens in den ausgeschlossenen Sektoren könnte unter bestimmten Umständen den Zugang zu großen Aufträgen ermöglichen, um die sich Unternehmen mit Sitz in Drittländern entweder direkt oder über ihre Tochtergesellschaften in den Mitgliedstatten bewerben könnten. Die Gemeinschaft ist also ernsthaft dabei, ihren Binnenmarkt einseitig zu öffnen, wenn die Richtlinien über die ausgeschlossenen Sektoren der externen Dimension nicht ordentlich Rechnung tragen“ (aaO, Rn. 440).
„Das ebenso wichtige Gegenstück zu diesen Vorschriften, welche die Stellung der Gemeinschaft gegenüber Drittländern wahren, ist ein Mechanismus, der dem Rat auf Vorschlag der Kommission gestatten wird, die Richtlinienvorschriften auf Drittlandsunternehmen oder Unternehmen auszudehnen, die Waren oder Leistungen mit Drittlandsursprung anbieten“ (aaO, Rn. 446).
Nichts anderes ergibt sich für die Zielsetzung der Drittlandsklausel aus der amtlichen Begründung der Europäischen Kommission zum Vorschlag für die ursprüngliche Sektorenrichtlinie, wenn sie dort den zuletzt zitierten Text wiederholt (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates betreffend die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung, KOM (88) 377 endg., Brüssel 1988, S. 26 Rn. 104). Mit demselben Inhalt hat die Bundesregierung den Bundestag zu dem von der Kommission unterbreiteten Vorschlag der Richtlinie informiert (BT-Drucks 11/3888, S. 15 f. Nr. 105). Darin fügt sich ein, dass die Drittlandsklausel letztlich das Ergebnis einer gemeinschaftsinternen Auseinandersetzung zwischen den Anhängern eines freien internationalen Wettbewerbs und anderen Ländern/Akteuren war, die zur Verwirklichung bestimmter wirtschaftspolitischer Vorstellungen einen wirkungsvollen Außenschutz anstrebten (näher dazu Frank, Die Koordinierung der Vergabe öffentlicher Aufträge in der Europäischen Union Diss. Jur. 2000, S. 203 f.). Um dies zu gewährleisten und um formulierungstechnisch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die von in der Gemeinschaft niedergelassenen Unternehmen getätigten Lieferungen häufig ihren Ursprung in einem Drittland haben, „konzentriert sich daher [die Regelung] auf den Ursprung der Ware und nicht auf die Eigenschaft des Bieters als Drittlandanbieter oder EG-Niederlassung“ (v. Bogdandy/Wernicke, aaO, S. 219).
Indem die Richtlinie dadurch nicht unmittelbar auf den Unternehmenssitz abhebt, sondern insofern neutral auf den Ursprung der angebotenen Waren, wird im Übrigen eine nur gegen in Drittländern ansässige Unternehmen gerichtete Diskriminierung gerade vermieden, weil sie von der Vorschrift nämlich (ebenfalls) nicht erfasst werden, wenn der Warenanteil ihrer Produkte, die nicht aus dem Binnenmarkt oder Drittländern mit gleichwertigem Marktzugang stammen, den Wert von 50 % nicht übersteigt. Das ändert gleichwohl nichts daran, dass mit der Drittlandsklausel „der EU ein Mittel in die Hand gegeben werden [soll], Druck auf (dritte) Verhandlungspartner auszuüben, um Reziprozität in noch nicht geregelten Bereichen zu erzielen“, wofür die mögliche Zurückweisung von Angeboten von außerhalb der Gemeinschaft niedergelassenen Unternehmen seinerzeit als zwingend angesehen wurde (Frank, aaO). Erkennbar wird daran, dass die Diskriminierung von Unternehmen in Drittländern nicht „die primäre Stoßrichtung“ der Regelung ist und diese nach ihrem Wortlaut deshalb nicht gerade nur auf solche anzuwenden ist (v. Bogdandy/Wernicke, aaO). Damit klärt sich aber auch die eingangs zitierte Äußerung der Kommission, auf die sich die Antragstellerin für ihre Auffassung allein stützt, zwanglos auf, denn die Richtlinie adressiert für ihren Regelungszweck nicht Drittlandsunternehmen, sondern Drittlandswaren.
Vor diesem Hintergrund ist ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 Abs. 1 AEUV auch insoweit nicht veranlasst. Daran, dass die Regelungen in Art. 85 RL 2014/25/EU nach ihrer Zielsetzung auch für Angebote von Unternehmen gelten, die ihren Sitz in Drittländern ohne wechselseitiges Marktzugangsabkommen haben, bestehen keine vernünftigen Zweifel.
e) Die Ausübung des Zurückweisungsrechts nach § 55 Abs. 1 SektVO scheitert ferner nicht daran, dass die Auftraggeberinnen davon mit Außenwirkung erst im Nachprüfungsverfahren Gebrauch gemacht haben.
aa) Vorab ist festzuhalten, dass mit der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens das Vergabeverfahren keineswegs beendet ist. Der Ablauf der nach § 134 Abs. 2 GWB bestehenden Wartefrist für den Auftraggeber nach Versendung des Informationsschreibens bewirkt die Beendigung des Vergabeverfahrens nicht unmittelbar oder durch ein Ausscheiden der schlechter platzierten Bieter aus diesem Verfahren (Gnittke/Hattig in Müller-Wrede, GWB-Kommentar, 1. Aufl. (2016), § 134 Rn. 98). Er hat nur zur Folge, dass der Auftraggeber die von ihm beabsichtigte Verfahrensentscheidung erstmals treffen darf und rügewillige Bieter mit der Gefahr rechnen müssen, dass ein Nachprüfungsverfahren nicht mehr zulässig eingeleitet werden kann, wenn der Auftraggeber von der Zuschlagsmöglichkeit rechtzeitig Gebrauch gemacht hat.
Ferner ist festzustellen, dass die Norm des § 55 SektVO selbst keinen Zeitpunkt benennt, ab oder bis zu welchem Zeitpunkt im Vergabeverfahren eine von den Zuschlagskriterien unabhängige Angebotszurückweisung in Betracht kommt, was den von der Antragstellerin angenommenen zeitlichen Beschränkungen bereits grundsätzlich entgegensteht. Auch aus den sonstigen Regelungen der Sektorenverordnung kann auf eine zeitliche Bestimmung der Ausübung des Zurückweisungsrechts nicht geschlossen werden. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin kann sich eine solche Bestimmung nicht aus der Prüfungsreihenfolge bei Angebotswertung ergeben, denn eine solche Reihenfolge kennt die SektVO nicht. So regelt § 51 Abs. 1 SektVO nur, dass die Angebote geprüft und gewertet werden, „bevor der Zuschlag erteilt wird“; eine Prüfung nach bestimmten Wertungsstufen oder ähnlichen Gesichtspunkten folgt daraus nicht (Honekamp/Weyand in Greb/Müller, aaO, § 51 SektVO Rn. 8).
bb) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist das Zurückweisungsrecht in § 55 Abs. 1 SektVO auch nicht aus verfahrensimmanenten Gründen immer schon zu demjenigen Zeitpunkt auszuüben, zu dem das aufgrund des für den Auftraggeber im Bieterwettbewerb erkennbar gewordenen Sachverhalts nach dem Wortlaut dieser - als „Kann-Vorschrift“ ausgestalteten - Regelung erstmals möglich erscheint, so wie vorliegend nach Eingang der mit dem indikativen Angebot eingegangenen Eigenerklärung der Antragstellerin zum Warenursprung ihrer offerierten Leistung. So stellt Absatz 2 des § 55 SektVO jedenfalls klar, dass der zwingende Ausschluss eines Bieters, dessen Angebot sich von seinem Gesamtwert her zu mehr als 50 % aus Erzeugnissen zusammensetzt, die ihren Ursprung in Drittländern ohne wechselseitige Marktzugangsregelung haben, nur dann in Betracht kommt, wenn sich herausstellt, dass es ein gleichwertiges Angebot gibt, das nicht zurückweisungsfähig ist. Dem lässt sich im Umkehrschluss entnehmen, dass ein Auftraggeber im Rahmen seiner ihm nach Absatz 1 eingeräumten Entscheidungsfreiheit nicht bereits dann eine Zurückweisung aussprechen muss, wenn das erstmals, nämlich bei Kenntniserlangung vom Warenursprung in Betracht käme. Denn der von § 55 Abs. 2 SektVO vorausgesetzte Fall des Privilegierungszwangs könnte überhaupt nicht mehr eintreten, wenn ein Bieter, dessen Waren überwiegend aus Drittländern stammen, immer schon vor der für diesen Privilegierungszwang maßgeblichen Wertungsentscheidung auszuschließen wäre. Die Situation, dass ein Unternehmen, dessen Angebot sich überwiegend aus Drittlandswaren zusammensetzt, bis in die Phase der von § 55 Abs. 2 SektVO vorausgesetzten Vergleichswertung vorstößt, könnte sich dann nicht ergeben und es wäre mit dem Normverständnis der Antragstellerin die in Absatz 2 getroffene Regelung praktisch gegenstandslos. Davon kann nicht ausgegangen werden. Es spricht daher nichts dafür, dass die Entscheidung über die Zurückweisung eines Angebots nach Absatz 1 vor demjenigen Zeitpunkt getroffen werden muss, zu dem für den Auftraggeber eine Zurückweisung nach Absatz 2 am Verfahrensende zwingend werden kann. Diese Entscheidungen lassen sich vor dem Eingang der finalen Angebote auch gar nicht wirtschaftlich sinnvoll treffen.
Richtig ist daher vielmehr, dass der Auftraggeber mit Blick auf die wirtschaftlich maßgeblichen Zuschlagskriterien ein grundsätzlich nach § 55 Abs. 1 SektVO zurückweisungsfähiges Angebot weiterhin zur Sicherstellung der Bedarfsdeckung in den weiteren Auswahlwettbewerb einbeziehen „kann“, solange nicht feststeht, dass dieses Angebot entweder - wie hier von den Auftraggeberinnen wegen der Verletzung eines Muss-Kriteriums angenommen - aus anderen Gründen auszuschließen ist oder dass es ein als gleichwertig anzusehendes Angebot gibt, das nicht nach § 55 Abs. 1 SektVO zurückweisungsfähig und daher zwingend nach Absatz 2 zu bevorzugen ist. Dem Auftraggeber ist es mit Rücksicht auf die allgemeinen Zuschlagskriterien schließlich grundsätzlich erlaubt, auch ein überwiegend aus Drittländern herrührendes und daher zurückweisungsfähiges Angebot auszuwählen. Eine Ausschlussentscheidung vor dem Eingang der finalen Angebote und mithin gleichsam um jeden Preis würde dieser wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit ohne erkennbare Rechtfertigung entgegenstehen. Es kommt hinzu, dass es einem Anbieter im Ablauf des Vergabeverfahrens möglich sein muss, den Warenanteil an der von ihm angebotenen Leistung noch im finalen Angebot gegenüber seinem Erstangebot zu verändern bzw. nachzubessern, worauf die Beigeladene zutreffend hinweist.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bestehen allerdings auch keine zwingenden Gründe dafür, dass ein möglicher Bieterausschluss nach § 55 Abs. 1 SektVO sodann immer bei der Wertung der finalen Angebote erfolgen müsste. Das lässt sich insbesondere nicht damit rechtfertigen, dass sich im Falle einer Ausübung des Zurückweisungsrechtes nach erfolgter Angebotswertung - jedenfalls nach Maßgabe der vorliegend von den Auftraggeberinnen vorgegebenen Bewertungssystems - die sich nach den Zuschlagskriterien ergebenden Bieterreihenfolge nachträglich (auch manipulativ) ändern ließe. Die Antragstellerin führt dazu an, für die Verteilung der Punkte auf der finalen Wertungsstufe sei vorliegend entscheidend, wie viele Bieter zu dieser Zeit noch im Wettbewerb seien, weil die Bewertungsbedingungen vorsähen, dass das „beste Konzept“ eine dafür vorgesehene höchste Punktwertung bekomme und die im Rang nachfolgenden jeweils 20 % weniger. Ihre daran geknüpfte Auffassung, es müsse deshalb eine Entscheidung über die Zurückweisung zumindest bis zur Wertungsentscheidung und mithin zwingend vor Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens erfolgen, weil die Bieterreihenfolge andernfalls nachträglich manipuliert werden könne, verkennt insoweit, dass ein Vergabeverfahren und die Teilnahme der Wettbewerber daran nicht grundsätzlich mit der Wertungsentscheidung enden muss, sondern sich im weiteren Verfahren jederzeit noch Änderungen einer bis dahin vorgenommen Wertung ergeben können, so etwa gerade durch Rügen unterlegener Bieter im Sinne von § 160 Abs. 3 GWB. Es können daher nach der Wertungsentscheidung vorgebrachte Verstöße im Abhilfe- und/oder Nachprüfungsverfahren immer noch zu einem veränderten Wertungsergebnis führen. Damit besteht die von der Antragstellerin sinngemäß vorausgesetzte Fixierung des in der Wertungsentscheidung gefundenen Ergebnisses aber nicht.
Ferner können sich, worauf die Beigeladene zutreffend hinweist, auch erst im weiteren Verfahren noch Anhaltspunkte für einen zwingenden oder fakultativen Ausschluss von Bietern ergeben, der nach den §§ 123 f. GWB „zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens“ zulässig ist, wodurch es für die davon nicht betroffenen Bieter ebenfalls zu einer nachträglichen Änderung ihrer sich nach Binnenkriterien richtenden Reihenfolge kommen kann. Ein verfahrensimmanenter Grund dafür, dass das Zurückweisungsrecht nach § 55 Abs. 1 SektVO vor der Wertungsentscheidung ausgeübt werden müsste, lässt sich deshalb auch nicht mit dem Verweis auf eine vermeintlich danach feststehen müssende Bieterreihenfolge überzeugend annehmen.
Schließlich lässt die Argumentation der Antragstellerin außer Acht, dass für einen Auftraggeber, der die Wertung eines Angebots wegen eines von ihm - und sei es auch fehlerhaft - angenommenen Verstoßes gegen Ausschreibungsbedingungen oder Vergabevorschriften nicht vornimmt, die Ausübung des Zurückweisungsrechts dann keine Bedeutung (mehr) hat, wenn er - wie die Auftraggeberinnen - von einem ohnehin nicht wertungsfähigen Angebot ausgeht. Dass dies nicht eine rein hypothetische Annahme darstellt, zeigt der vorliegende Fall. Wenn aus Sicht eines Auftraggebers die verbindliche Wertung eines Angebots, wie im Streitfall, bereits aus anderen Gründen nicht veranlasst ist (und wie hier aus Sicht der Auftraggeberinnen selbst die fiktive Wertung dieses Angebots keine Zuschlagsfähigkeit ergibt), stellt sich eine Zurückweisung des Angebots nach § 55 Abs. 1 SektVO auch zum Zeitpunkt der Wertungsentscheidung nicht als geboten dar. Es besteht dann aber auch keine verfahrensrechtliche Notwendigkeit, alle in Betracht kommenden Ausschlussgründe, die aus Sicht des Auftraggebers einer Zuschlagserteilung jedenfalls auch entgegenstehen würden, erschöpfend und ohne Entscheidungserheblichkeit gleichsam überlappend geltend zu machen.
Eine für das Zurückweisungsrecht in § 55 Abs. 1 SektVO spezifische Manipulationsgefahr ist dadurch nicht gegeben. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass in einem Fall, in dem ein zurückweisungsfähiges Angebot bei der Wertungsentscheidung auf den ersten Rang kommen würde, ein Auftraggeber, der - wie hier die Beschwerdegegnerinnen ausweislich des internen Aktenvermerks vom 15. August 2019 - dessen Zurückweisung nach § 55 Abs. 1 SektVO zuvor schon erwogen hat, diese dann auch tatsächlich vor der Wertungsentscheidung erklären wird, weil es darauf (nur) dann aus seiner Sicht für die Zuschlagserteilung ankommt.
Gegen den Versuch, aus der im Vergabeverfahren zu treffenden Wertungsentscheidung eine zeitliche Beschränkung für die Ausübung des Zurückweisungsrechts nach § 55 Abs. 1 SektVO abzuleiten, spricht daher ganz generell, dass es Fälle gibt, in denen der Auftraggeber aus anderen Gründen von einem wirksamen Angebotsausschluss ausgeht und deshalb - wie vorliegend wegen der angenommen Nichterfüllung eines Muss-Kriteriums im Angebot der Antragstellerin - eine für das Wettbewerbsergebnis konstitutive Wertung des betroffenen Angebots nicht mehr vornimmt.
Da hierzu keine normativen Unklarheiten bestehen, ist ein diesbezügliches Vorabentscheidungsverfahren im Sinne des Art. 267 Abs. 1 AEUV auch insoweit nicht veranlasst, zumal die in Art. 85 Abs. 2 RL 2014/25/EU bzw. § 55 Abs. 1 SektVO enthaltenen Regelungen für die von der Antragstellerin geforderte zeitliche Begrenzung weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem unionsrechtlichen Regelungszusammenhang den geringsten Anhalt bieten.
cc) Die Auftraggeberinnen haben sich mit Blick auf die von ihnen im Vergabeverfahren mehrfach erteilten Hinweise zur möglichen Anwendung des § 55 Abs. 1 SektVO auch nicht selbst irgendwelchen zeitlichen Beschränkungen unterworfen. Sowohl bei der Beantwortung von Bewerberfragen als auch mit der schriftlichen Aufforderung vom 27. August 2018 zur Abgabe von indikativen Angeboten ist jeweils auf § 55 Abs. 1 SektVO hingewiesen und zugleich dargelegt worden, dass sich die Auftraggeberinnen vorbehalten, ein Angebot nach dieser Norm zurückzuweisen, „wenn mehrere wirtschaftliche Angebote vorliegen sollten“. Damit haben die Auftraggeberinnen die Entscheidung darüber jedenfalls für keinen vor Abschluss des Vergabeverfahrens liegenden Zeitpunkt zugesichert. Zudem liegt entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch auf der Hand, dass die Auswahl unter mehreren „wirtschaftlichen Angeboten“ von vornherein nicht schon nach dem Eingang von indikativen Angeboten sinnvoll getroffen werden kann, sondern nur im Rahmen einer abschließenden Entscheidung, die aber - wie dargelegt - grundsätzlich erst mit dem Ende des Vergabeverfahrens endgültig getroffen ist.
dd) Soweit die Antragstellerin die Zurückweisung ihres Angebots ferner unter den sich argumentativ teilweise überschneidenden Gesichtspunkten eines vermeintlich konkludent erfolgten Verzichts der Auftraggeberinnen auf das Zurückweisungsrecht aus § 55 Abs. 1 SektVO respektive dessen Verwirkung rügt, vermag auch dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
Vor dem Hintergrund, dass ein Vergabeverfahren nach Ablauf der gemäß § 134 Abs. 2 GWB bestehenden Wartefrist nicht beendet ist und es im vorliegenden Fall auch an anderweitig gesetzten Zäsuren fehlt, die eine vor dem Abschluss des Vergabeverfahrens nach § 55 Abs. 1 SektVO zu treffende Zurückweisungsentscheidung hätten erwarten lassen, fehlt es bereits an einem objektiv erkennbaren Verhalten der Auftraggeberinnen, das einen konkludenten Rechtsverzicht oder auch nur das Umstandsmoment für einen Verwirkungstatbestand im Sinne des § 242 BGB hätte begründen können. Soweit die Antragstellerin meint, es habe sich bereits mit der Abgabe des indikativen Angebots und der mitgeteilten Produktzusammensetzung, wonach diese zu mehr als 70 % aus Drittländern stamme, die Möglichkeit ergeben, das Angebot nach § 55 Abs. 1 SektVO zurückzuweisen, lässt sich damit jedenfalls keine Handlungspflicht eines Auftraggebers begründen, aus deren Unterlassen eine Rechtsfolge der genannten Art abzuleiten wäre. Eine solche Annahme würde vielmehr auf zahlreiche Bedenken stoßen, unter anderem zu einem Unterlaufen des in Absatz 1 eingeräumten Entscheidungsspielraums des Auftraggebers führen, wonach er im Hinblick auf ein nach den Zuschlagskriterien voraussichtlich wirtschaftlich attraktives Angebot dieses auch dann noch im Wettbewerb halten darf, wenn es aufgrund seiner Produktzusammensetzung grundsätzlich zurückweisungsfähig wäre. Es kommt hinzu, dass insbesondere die Annahme eines konkludenten Verzichts bereits mangels ausreichender Publizität dem im Vergabewesen allgemein und auch im unionsrechtlichen Zusammenhang anerkannten Transparenzgebot widersprechen müsste (vgl EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-440/13 - Celex-Nr. 620103CJ0440, juris Rn. 33 mwN). Darauf hat die Beigeladene unter Geltendmachung, dass sie im Falle eines nach Eingang der indikativen Angebote öffentlich erklärten Verzichts der Auftraggeberinnen auf das Zurückweisungsrecht nach § 55 Abs. 1 SektVO ihr eigenes finales Angebot mit einem höheren Drittlandswarenanteil noch preisgünstiger gestaltet hätte, zu Recht hingewiesen.
Die Vergabekammer hat ferner zutreffend darauf hingewiesen, dass der Entstehung eines verwirkungsrechtlich relevanten Vertrauenstatbestandes zugunsten der Antragstellerin bereits grundsätzlich entgegensteht, dass die Bieter im Vergabeverfahren mehrfach auf die Bestimmung des § 55 Abs. 1 SektVO und konkret auf die danach bestehende Zurückweisungsmöglichkeit hingewiesen worden sind. Es kann hier dahin stehen, ob es eines solchen Hinweises überhaupt bedurfte, denn die Regelung in § 55 Abs. 1 SektVO ist Teil des geltenden Rechts, dessen Anwendung nicht erst dann zulässig wird, wenn in einem Vergabeverfahren ein Hinweis auf diese Vorschrift erfolgt. Andererseits können ohne eine entsprechende Information interessierte Unternehmen nicht absehen, ob die Erarbeitung eines Teilnahmeantrags oder Angebots von vornherein sinnlos wäre, weil sie Waren anbieten wollen, die aus rein handelspolitischen Gründen unerwünscht sind.
(3) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin lassen sich auch nicht aus Gründen von Treu und Glauben Sorgfaltspflichten herleiten, die eine frühere Ausübung des Zurückweisungsrechtes aus § 55 Abs. 1 SektVO geboten hätten. Solche Gesichtspunkte könnten unabhängig davon, dass bereits vor Zuschlagserteilung ein vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen der Vergabestelle und den potentiellen Auftragnehmern besteht, nicht zu einer Änderung der beabsichtigten Zuschlagsentscheidung im Primärrechtsschutz führen, sondern allenfalls Sekundäransprüche auslösen, da andernfalls die mit Treu und Glauben zu begründende Bevorzugung eines Bieters unmittelbar zur Benachteiligung aller anderen Bieter führen müsste (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 24. Oktober 2019 - 13 Verg 9/19, juris Rn. 29 ff. mwN).
f) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die von den Auftraggeberinnen im Nachprüfungsverfahren erklärte Angebotszurückweisung nach § Abs. 1 55 SektVO auch nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.
aa) Die Ausübung des Zurückweisungsrechts nach § 55 Abs. 1 SektVO ist an keine weiteren als die tatbestandlichen Voraussetzungen geknüpft und steht, soweit sie eine Kann-Bestimmung enthält, in der ihm dadurch eingeräumten Entscheidungsbefugnis des Auftraggebers. Diese führt dazu, dass ein Auftraggeber trotz vorliegender Tatbestandsvoraussetzungen die nach dem handelspolitischen Normzweck gerechtfertigte Angebotszurückweisung nicht aussprechen muss. Dem Auftraggeber wird dafür in Art. 85 Abs. 2 RL 2014/25/EU bzw. § 55 Abs. 1 SektVO mit der dort vorgesehenen Kann-Bestimmung ein Handlungsspielraum eingeräumt, um ihm eine weitgehende wirtschaftliche Auswahlfreiheit zu bewahren. Danach steht es ihm frei, dem nach den Zuschlagskriterien wirtschaftlichsten Angebot auch dann den Zuschlag zu erteilen, wenn die dafür zu liefernden Waren überwiegend aus Drittländern ohne wechselseitiges Marktzugangsabkommen stammen. Er ist mithin entgegen der handelspolitischen Zielsetzung der Richtlinienbestimmung nicht gezwungen, diejenigen Bieter zu privilegieren, deren angebotene Waren überwiegend aus mit dem Binnenmarkt verbundenen Ländern stammen. Etwas anderes, nämlich ein Privilegierungszwang, gilt nach Absatz 2 der Norm nur dann, wenn ein nach den Zuschlagskriterien als gleichwertig geltendes Angebot vorliegt, das nicht nach Absatz 1 zurückweisungsfähig ist, denn dann muss die Zurückweisung zwingend erfolgen. Auch das wird indes selten erforderlich sein, denn eine Gleichwertigkeitsfiktion findet sich dort nur mit der für einen Preisvergleich statuierten 3-Prozentklausel. Auftraggeber berücksichtigen jedoch zumeist - wie vorliegend - im Vergabeverfahren neben dem Preis weitere Zuschlagskriterien, bei deren Gewichtung sie somit einen von § 55 Abs. 2 SektVO nicht eingeengten Spielraum haben (Summa in Heiermann/Zeiss/Summa, aaO, Rn. 12).
Die von der Antragstellerin an im deutschen Verwaltungsrecht zu Kann-Bestimmungen geltende Grundsätze angelehnte Argumentation zur Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ist vor diesem Hintergrund bereits wegen des allein handelspolitischen Regelungszwecks der Norm verfehlt. Es wird nach dem Regelungsmechanismus des Art. 55 Abs. 1 SektVO bzw. Art. 85 Abs. 2 RL 2014/25/EU mit der Kann-Bestimmung lediglich ein - auf die engen Voraussetzungen des Absatz 2 beschränkter - Automatismus vermieden, um dem Auftraggeber die ökonomische Entscheidungsfreiheit zu lassen. Drittschützende Aspekte, die in ermessensleitende Erwägungen einzustellen wären, lassen sich der Norm hingegen nicht entnehmen. Denn deren Ziel ist gerade die Benachteiligung von Angeboten, die mit dem Binnenmarkt nicht in hinreichender Verbindung stehen, so dass der Ausschluss eines zurückweisungsfähigen Angebots nur diesem gesetzgeberischen Ziel und die Nichtausübung der Zurückweisung umgekehrt nur dem wirtschaftlichen Eigeninteresse des öffentlichen Auftraggebers dient.
(2) Dass die damit beschriebene Zielsetzung der in Art. 85 Abs. 2 RL 2014/25/EU enthaltenen und § 55 Abs. 1 SektVO unmittelbar zugrundeliegenden Regelung im Zuge mehrfacher Novellierungen seit ihrer ursprünglichen Aufnahme in Art. 29 Abs. 2 RL 90/531/EWG inhaltlich unverändert geblieben ist, ergibt sich - auch weiterhin - eindeutig aus dem Erwägungsgrund 111 der Sektorenrichtlinie, wonach die entsprechenden Regelungen in Artikel 58 der Vorgängerrichtlinie 2004/17/EG wegen der fortbestehenden „Diskussionen über horizontale Bestimmungen zur Regelung der Beziehungen zu Drittländern im Kontext des öffentlichen Auftragswesens“ beibehalten werden sollen. Dass der dort enthaltene Regelungsmechanismus damit nur außenhandelspolitischen Zwecken dient, ergibt sich klar und eindeutig aus dem Rechtsetzungsverfahren, das zur Verabschiedung der ursprünglichen Sektorenrichtlinie geführt hat. Nach Auffassung der Kommission war die Regelung so auszugestalten, dass „Auftraggeber nicht verpflichtet sind, die Vorschriften der Richtlinien gegenüber Angeboten mit Ursprung außerhalb der Gemeinschaft anzuwenden“ (Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, aaO, Rn. 445). Gleicher Wortlaut findet sich in der Information der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag (aaO, S. 16 Nr. 109). Die Kann-Bestimmung gebietet deshalb keine Abwägung mit etwa zu schützenden Interessen der von einer Zurückweisung betroffenen Bieter, sondern stellt einen Dispens des Auftraggebers von der mit dem Zweck der Vorschrift beabsichtigten handelspolitischen Benachteiligung von Waren mit einem überwiegend außerhalb der Gemeinschaft liegenden Ursprung dar. Er ist dann zur Zurückweisung „berechtigt - nicht verpflichtet“ (v. Bogdandy/Wernicke, EuZW 1993, 216, 219). Dass wegen der ausschließlich handelspolitischen Zielsetzung der mit § 55 Abs. 1 SektVO umgesetzten Regelung ermessensleitende Aspekte für deren Anwendung schwerlich zu benennen sind, entspricht daher im Schrifttum - soweit die Ermessensfrage dort überhaupt erörtert wird - der einhelligen Auffassung (Sturhahn in Pünder/Schellenberg, aaO, Rn. 4; Debus in Ziekow/Völlink, aaO, Rn. 8; Langenbach in Burgi/Dreher, aaO, Rn. 9). Für ein von der Antragstellerin auch insoweit nach Art. 267 Abs. 1 AEUV eingefordertes Vorabentscheidungsverfahren besteht damit kein Grund.
(3) Selbst wenn die Notwendigkeit einer Ermessensausübung nach § 55 Abs. 1 SektVO anders zu beurteilen wäre, obläge es nicht dem Senat, die von den Auftraggeberinnen getroffene Entscheidung unter den von der Antragstellerin angeführten - und vermeintlich in ihrem Interesse liegenden - Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten im Nachprüfungsverfahren zu kontrollieren.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dienen Entscheidungen, für die die Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 1 Unterabsatz 3 der Rechtsmittelrichtlinie 89/665 EWG ein vergabebezogenes Nachprüfungsverfahren im Bereich des öffentlichen Auftragswesens einführen müssen, zwar grundsätzlich dazu, die Beachtung der einschlägigen materiellen Regelungen des Unionsrechts oder der einzelstaatlichen Vorschriften, die diese Regelungen umsetzen, sicherzustellen. Die Rechtsmittelrichtlinie beschränkt sich aber darauf, die in den Mitgliedstaaten vorhandenen Mechanismen zu koordinieren, um die vollständige und tatsächliche Anwendung der Vergaberichtlinien sicherzustellen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs folgt daraus unionsrechtlich nur eine Rechtmäßigkeitskontrolle, die zwar nicht auf die Prüfung beschränkt werden darf, ob die Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers willkürlich erfolgt sind. Eine Zweckmäßigkeitskontrolle ist danach aber unstatthaft und allenfalls durch - im vorliegenden Zusammenhang nicht gegebene - nationale Verfahrensvorschriften ergänzend festzulegen (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-440/13 - Celex-Nr. 62013CJ0440). Darauf hat die Vergabekammer im Ergebnis bereits zutreffend hingewiesen.
(4) Vor diesem Hintergrund ist auch den weiteren Ausführungen der Vergabekammer beizutreten, wonach die von den Auftraggeberinnen für die von ihr zur Ausübung des Zurückweisungsrechtes ohne normative Rückanknüpfung angeführten Ermessenserwägungen (Sprachbarrieren etc.) jedenfalls unschädlich sind. Auf solche Erwägungen kann es mit Blick auf die handelspolitische Zielsetzung von Art. 85 RL 2014/25/EU bzw. § 55 Abs. 1 SektVO von vornherein nicht ankommen. Die dazu von den Auftraggeberinnen zunächst nur in internen Aktenvermerken dokumentierten und später im Nachprüfungsverfahren offengelegten Überlegungen sind der Antragstellerin im Übrigen nur potentiell günstig, indem sie nicht allein auf den erfüllten Tatbestand abstellen und als überobligatorische Erwägungen für eine zulässige Zurückweisungsentscheidung nicht zu verlangen gewesen wären.
(5) Es besteht damit kein Raum für die weiteren von der Antragstellerin im Zusammenhang mit einer vermeintlich nach § 55 Abs. 1 SektVO gebotenen und insofern deutschen Verwaltungsrechtsgrundsätzen entsprechenden Ermessensausübung angeführten Prüfungsgesichtspunkte. Das gilt insbesondere für ihre Auffassung, die Auftraggeberinnen hätten im Rahmen der nach § 55 Abs. 1 SektVO erforderlichen Ermessensausübung nicht bedacht, dass sie wegen des für die in Rede stehenden Beschaffungsmaßnahmen beabsichtigten Erhalts von Zuwendungen von Bund und Land im Falle der Auswahl des nicht wirtschaftlich günstigsten Angebots den Rückruf solcher Zuwendungen zu gewärtigen hätten. Soweit die Antragstellerin damit zugleich rügen will, dass die Auftraggeberinnen gegen Grundsätze des Subventionsrechts verstoßen würden, wenn sie sich nicht streng an die danach geltenden Gebote der Wirtschaftlichkeit hielten, vermag dies zudem kein subjektives Recht der Antragstellerin im Sinne von § 97 Abs. 6 GWB zu begründen, denn solche nicht-vergaberechtlichen Ordnungsvorschriften weisen den erforderlichen Schutznormcharakter nicht auf (vgl. Dietrich in Greb/Müller, aaO, § 110 GWB Rn. 120 mwN). Dass die Auftraggeberinnen hier jedenfalls selbst als öffentliche Auftraggeber nach § 1 Abs. 1 SektVO i.V.m. § 100 Abs. 1 Nr. 2 GWB anzusehen und als solche auch selbst zur Ausübung des Zurückweisungsrechtes in § 55 Abs. 1 SektVO berechtigt sind, hat die Vergabekammer in dem angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt.
g) Die Auftraggeberinnen haben sich im vorliegenden Nachprüfungsverfahren schließlich nicht aus erkennbar sachfremden oder gar willkürlichen Erwägungen erst dann für eine Zurückweisung des Angebots der Antragstellerin nach § 55 Abs. 1 SektVO entschieden, als die Frage des zulässigen Angebotsausschlusses wegen der behaupteten Nichterfüllung eines Muss-Kriteriums von der Antragstellerin angegriffen worden und aus Sicht der Auftraggeberinnen eine insoweit andere Beurteilung durch die Vergabekammer in Betracht gezogen worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebietet das Nachschieben von Angebotsausschlussgründen in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren zwar eine sorgfältige Prüfung der nachträglich angeführten Gründe auf ihre etwaige Sachwidrigkeit hin (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014 - X ZB 15/13, juris Rn. 32 ff. zu einem Vergabeverfahren nach Regelungen der VOB/A). Gesichtspunkte, welche die im Nachprüfungsverfahren verlautbarte Zurückweisung des Angebots der Antragstellerin als sachwidrig erscheinen ließen, sind hier aber nicht ersichtlich.
aa) Wie bereits ausgeführt, unterliegt das Zurückweisungsrecht nach § 55 Abs. 1 SektVO keiner zeitlichen Beschränkung und kann in rechtmäßiger Weise allein aus wirtschaftlichen Eigeninteressen der Auftraggeberseite ausgeübt werden. Mit Blick auf den besonderen Ausschlusscharakter des Zurückweisungsrechtes nach § 55 Abs. 1 SektVO ist zu beachten, dass die Prüfung der etwaigen Sachfremdheit seiner nachträglichen Ausübung nicht zu einer nach den Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 SektVO nicht veranlassten Ermessensprüfung führt. Indem durch die Ausübung des Zurückweisungsrechts dem Nachprüfungsverfahren der dafür üblicherweise zu bewertende Streitstoff entzogen wird, kann es für die Prüfung sachfremder Bewegungsgründe hier daher nur auf Gesichtspunkte ankommen, welche die Zurückweisungsentscheidung der Auftraggeberinnen zur Verdeckung anderer als von § 55 Abs. 1 SektVO vorausgesetzter Zwecke vorgeschoben erscheinen lassen. Solche sind hier nicht ersichtlich.
bb) Zudem dokumentiert der interne Aktenvermerk der Vergabestelle vom 15. August 2019, dass sich die Auftraggeberinnen keinesfalls erst im Nachprüfungsverfahren mit der Frage der Zurückweisung des Angebots der Antragstellerin nach § 55 Abs. 1 SektVO konkret befasst haben (vgl. Ordner Dokumentation/Vergabevermerk, Anlage 2). Die dazu dokumentierten Überlegungen haben seinerzeit zwar keine Außenwirkung erlangt, lassen aber im Zusammenhang mit den früher erteilten Hinweisen im Vergabeverfahren zur vorbehaltenen Möglichkeit einer Angebotszurückweisung nach § 55 Abs. 1 SektVO erkennen, dass die Auftraggeberinnen eine solche Zurückweisung in einem früheren Verfahrensstadium ernsthaft erörtert und für den Fall von mehreren wertbaren Angeboten sogar intern bereits beschlossen hatten. Im Hinblick darauf erscheint die Zurückweisung des Angebots der Antragstellerin nach § 55 Abs. 1 SektVO, auf die es wegen des angefochtenen Angebotsausschlusses hinsichtlich der dafür angeführten Verletzung eines Muss-Kriteriums aus Sicht der Auftraggeberinnen im Nachprüfungsverfahren erstmals entscheidend ankommt, nicht ersichtlich vorgeschoben.
Ein solcher Eindruck entsteht entgegen der Auffassung der Antragstellerin mit Rücksicht auf die (auch) in der vermerkten Beschlussfassung genannte Bedingung von mehreren wirtschaftlich wertbaren Angeboten desgleichen nicht aus dem Umstand, dass eine Angebotszurückweisung gegenüber der Antragstellerin nicht bereits in dem an sie gerichteten Informationsschreiben vom 29. August 2019 für die Begründung des stattdessen beabsichtigten Zuschlags an die Beigeladene angeführt wurde. Es lassen sich die Erwägungen der Auftraggeberinnen zur Frage der (Nicht-)Erfüllung von Zuschlagskriterien viel eher als ein im Vergleich zu einer davon unabhängigen Angebotszurückweisung nach § 55 Abs. 1 SektVO milderes Begründungsmittel verstehen. Jedenfalls setzt aber die nunmehr im Nachprüfungsverfahren erfolgte Zurückweisung des Angebots der Antragstellerin nach § 55 Abs. 1 SektVO die für diese Entscheidung von den Auftraggeberinnen im Vergabeverfahren zuvor auch mehrmals öffentlich aufgestellte Bedingung - unter der Voraussetzung eines wirtschaftlich wertbaren Angebotes - lediglich folgerichtig um. Von einer willkürlichen Überraschungsentscheidung oder von einem vor Einleitung des Nachprüfungsverfahren nicht erwogenen oder vorsorglich „in der Hinterhand gehaltenen“ und nunmehr gezogenem „Joker“, wie die Antragstellerin geltend machen will, kann daher keine Rede sein.
3. Der Nachprüfungsantrag in seinen Hilfsanträgen ist unzulässig.
a) Wie die Vergabekammer zutreffend ausgeführt hat, zielt der Hilfsantrag zu 5. a) auf eine in § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB geregelte Konstellation. Hiernach ist im Vergabenachprüfungsverfahren auf Antrag eines Beteiligten festzustellen, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat und zwar dann, wenn sich das Nachprüfungsverfahren erledigt hat. Ein Nachprüfungsverfahren kann sich durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung, durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder in sonstiger Weise erledigen (§ 168 Abs. 2 Satz 2 GWB). Das ist hier nicht der Fall. Ein Zuschlag ist nicht erteilt und das Vergabeverfahren nicht eingestellt oder aufgehoben worden. Auch haben die Beteiligten das Nachprüfungsverfahren nicht übereinstimmend für erledigt erklärt.
Schließlich hat sich das Vergabeverfahren nicht in sonstiger Weise erledigt. Allein der Umstand, dass die Auftraggeberinnen erst im Nachprüfungsverfahren die Zurückweisung des Angebots der Antragstellerin nach § 55 Abs. 1 SektVO erklärt haben, führt nicht zu einer Erledigung des gesamten Nachprüfungsverfahrens, sondern bedeutet nur einen von den bekannt gegebenen Wertungskriterien unabhängigen Bieterausschluss, über den mangels Rücknahme des Nachprüfungsantrages eine streitige Entscheidung zu ergehen hat. Dafür sind im Nachprüfungsverfahren die Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 Abs. 1 SektVO zu prüfen (vgl. Zillmann, NZBau 2003, 480, 482; Sturhahn, in Pünder/Schellenberg, aaO, § 55 SektVO Rn. 6; Debus in Ziekow/Völlink, aaO, § 55 SektVO Rn. 13; Langenbach in Burgi/Dreher, aaO, § 55 SektVO Rn. 14; Müller in Müller/Greb, aaO, § 55 SektVO Rn. 21). Die Antragstellerin hat zudem hinsichtlich des in § 55 Abs. 1 SektVO geregelten Zurückweisungsrechts einen konkludenten Verzicht bzw. dessen Verwirkung seitens der Auftraggeberinnen und jedenfalls eine ermessensfehlerhafte Ausübung geltend gemacht hat. Eine Erledigung des Nachprüfungsverfahrens ist damit gerade nicht eingetreten, das Verfahren wird nach wie vor streitig geführt.
Die Antragstellerin hat ihre Hauptanträge auch in vollem Umfang aufrechterhalten, so dass die Vergabekammer über alle rechtlichen Aspekte des Nachprüfungsverfahrens zu entscheiden hatte, lediglich aus rechtlichen Gründen ist eine Entscheidung über den Angebotsausschluss wegen Nichteinhaltung von Muss-Kriterien obsolet geworden.
b) Der Hilfsantrag zu 5 b) bezüglich der einseitigen Erledigungserklärung geht ins Leere. Auf die zutreffenden Ausführungen der Vergabekammer wird Bezug genommen.
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 175 Abs. 2, § 78 GWB.
Die Antragstellerin hat als im Beschwerdeverfahren unterlegene Partei dessen Kosten zu tragen. Davon umfasst sind auch der Beigeladenen zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Beschwerdeverfahren entstandene Kosten. Ein beigeladenes Unternehmen, das die durch § 162 GWB begründete Stellung als Beteiligte am Beschwerdeverfahren nutzt, indem es Schriftsätze einreicht, an einer mündlichen Verhandlung teilnimmt oder sich anderweitig in außergerichtliche Kosten verursachender Weise am Beschwerdeverfahren beteiligt, kann die Grundsätze in Anspruch nehmen, die für dieses Verfahren hinsichtlich der Kostentragung gelten (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2004 - X ZB 44/03, juris Rn. 41). Vorliegend hat sich die Beigeladene mit Schriftsätzen am Beschwerdeverfahren beteiligt, indem sie die Entscheidung der Vergabekammer gegenüber der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin mit eigenen Ausführungen verteidigt und entsprechende Anträge gestellt hat.
Die Hinzuziehung des anwaltlichen Bevollmächtigten für die Auftraggeberinnen ist als notwendig anzusehen. Diese wären insbesondere nicht selbst in der Lage gewesen, die Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen ohne anwaltliche Unterstützung zu bewältigen. Auch die Bedeutung und das Gewicht des in Rede stehenden Auftrags begründet die Notwendigkeit der Hinzuziehung.
IV.
Die Wertfestsetzung beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.
Der festgesetzte Betrag von 3.682.599 € entspricht 5 % der Bruttoauftragssumme nach Maßgabe des Angebots der Antragstellerin (2.134.840 € als Durchschnittspreis für 24 sicher zu beschaffende Fahrzeuge mit einem Wertansatz von 100 % = 51.236.176 € und hiervon 5 % = 2.561.808 € zzgl. 21 optional zu beschaffende Fahrzeuge mit einem Wertansatz von 50 % und hiervon 5 % = 1.120.791 €).