Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 26.06.2020 | |
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Aktenzeichen | 9 UF 36/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2020:0626.9UF36.20.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 05.02.2020 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Königs Wusterhausen vom 06.12.2019 (Az. 5 F 512/1 abgeändert:
Dem Antragsteller wird das Recht zur Geltendmachung von Kindesunterhalt für die Kinder (1), geboren am ...2004, und (2), geboren am ...2007, allein übertragen.
Es bleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz.
Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin jeweils zur Hälfte. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000 € festgesetzt.
I.
Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Eltern der nichtehelichen Kinder (1), geboren am ...2004, und (2), geboren am ...2007. Die Eltern trennten sich Ende 2016. Seit dieser Zeit betreuen sie die Kinder im Rahmen eines paritätischen Wechselmodells. Es besteht gemeinsame elterliche Sorge.
Seit Ende 2017 streiten die Eltern um den Kindesunterhalt. Sie wandten sich zunächst an das zuständige Jugendamt zwecks Beratung und Berechnung der Unterhaltsansprüche. Zu einer Einigung kam es aber nicht.
Beide Eltern sind berufstätig. Die Kindesmutter verfügt über die höheren Einkünfte.
Mit Schriftsatz vom 18.09.2019 hat der Kindesvater auf Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung des Kindesunterhalts angetragen. Er hat die Absicht, die Mutter gerichtlich auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch zu nehmen.
Die Kindesmutter ist dem Antrag entgegengetreten. Nach ihrer Ansicht ist ein Ergänzungspfleger zu bestellen, der als unabhängiger Dritter die Belange der Kinder vertrete. Der Verfahrensbevollmächtigte des Vaters sei als dessen Interessenvertreter nicht unabhängig.
Mit Beschluss vom 06.12.2019 hat das Amtsgericht den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Die Voraussetzungen des § 1628 BGB lägen nicht vor. Bei einem paritätischen Wechselmodell führe die Geltendmachung von Kindesunterhalt regelmäßig zu einem konkreten Interessenkonflikt. Das ergebe sich bereits daraus, dass sich der Unterhaltsbedarf beim Wechselmodell nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern bemesse und auch die Mehrkosten des Wechselmodells umfasse. Die Frage, wie sich die Einkommensverhältnisse der beteiligten Eltern darstellen, könne in einem Sorgerechtsverfahren nicht kindeswohlverträglich aufgeklärt werden. Nur ein Ergänzungspfleger sei in der Lage, die Interessen der Kinder unabhängig und frei von eigenen Interessen wahrzunehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Beschlusses Bezug genommen.
Gegen den am 16.01.2020 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit einem am 05.02.2020 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt. Die Entscheidung sei mit der Rechtsprechung des BGH zur Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen im Falle eines Wechselmodells nicht vereinbar. Danach stehe jedem Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, ein Wahlrecht zu: Bestellung eines Ergänzungspflegers oder Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB. Ein konkreter Interessenkonflikt sei vorliegend auch nicht feststellbar. Die Kindesmutter habe im Verfahren nie bestritten, dass sie die höheren Einkünfte erziele und deshalb voraussichtlich barunterhaltspflichtig sei. Schließlich sei die Bestellung eines Ergänzungspflegers auch nicht kindeswohldienlicher, was näher ausgeführt wird.
Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss mit näheren Darlegungen.
II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Amtsgericht hat zu Unrecht den Antrag des Antragstellers, ihm die alleinige Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt für die Kinder (1) und (2) allein zu übertragen, zurückgewiesen. Anders als das Amtsgericht meint, ist § 1628 BGB im Falle eines echten Wechselmodells anwendbar, um dem ausgleichsberechtigten Elternteil die Möglichkeit zu geben, namens der Kinder Barunterhalt durchzusetzen. Insofern bedarf es nicht stets der Bestellung eines Ergänzungspflegers.
Wenn die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zusteht, kann nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB derjenige Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen. Diese Regelung findet auch dann Anwendung, wenn sich die Eltern die Betreuung des Kindes teilen, aber ein Elternteil das Kind in überwiegendem Maße betreut (OLG Hamburg, NZFam 2015, 31; OLG Frankfurt, FamRZ 2014, 46). Das Kind befindet sich in diesem Fall im Rechtssinne in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt (OLG Hamburg, Beschluss vom 15.08.2018 - 2 UF 70/18; OLG Brandenburg, NZFam 2015, 868). Dann bleibt es auch bei der in § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB vorgenommenen Aufteilung, dass nur der andere Elternteil barunterhaltspflichtig ist.
Betreuen die Eltern ihr Kind dagegen in der Weise, dass es in etwa gleichlangen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (sog. Wechselmodell), so lässt sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht ermitteln. Das hat zur Folge, dass kein Elternteil die Obhut im Sinne des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB innehat und damit auch keiner von beiden Elternteilen allein vertretungsberechtigt ist. Beim Wechselmodell kann keiner der Eltern Kindesunterhaltsansprüche gegen den anderen geltend machen (BGH, FamRZ 2014, 917; FamRZ 2006, 1015; OLG Nürnberg, NZFam2017, 257; OLG Hamm, NZFam 2017, 723; OLG Köln, FamRZ 2015, 859; OLG Celle, FamRZ 2015, 590). Vielmehr muss der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält und dies gerichtlich klären lassen will, entweder die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertritt, oder der Elternteil muss beim Familiengericht beantragen, ihm gemäß § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen. Für die Eltern besteht im Regelfall ein Wahlrecht zwischen diesen beiden Möglichkeiten (BGH, FamRZ 2014, 917; FamRZ 2006, 1015; OLG Brandenburg, NZFam 2015, 868; OLG Hamburg, Beschluss vom 15.08.2018 - 2 UF 70/18; Wendl/Dose/Schmitz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., § 10 Rn. 45).
Dass die Beteiligten zu 1. und 2. ihre gemeinsamen Kinder (1) und (2) in einem paritätischen Wechselmodell betreuen, ist unstreitig. Damit steht auch fest, dass keiner der beiden Elternteile die Kinder nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB bei der Geltendmachung ihrer Unterhaltsansprüche gesetzlich vertreten kann. In einem solchen Fall hat der BGH in den oben angeführten Entscheidungen ausdrücklich zwei alternative Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Der die Barunterhaltsinteressen des Kindes verfolgende Elternteil muss beim Familiengericht beantragen, ihm die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen (§ 1628 BGB), oder auf die Bestellung eines Ergänzungspflegers (§ 1909 BGB) hinwirken. Der Kindesvater hat hier von der ersten Möglichkeit Gebrauch gemacht.
Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts liegen im Ausgangsfall die Voraussetzungen des § 1628 BGB vor. § 1628 ermöglicht es gemeinsam sorgeberechtigten Eltern bei Streit über eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, die die Eltern nach § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB gemeinsam zu entscheiden haben, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.
In Ansehung der oben angeführten höchstrichterlichen Entscheidungen kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen vom Familiengericht gemäß § 1628 BGB einem Elternteil zugewiesen werden kann und es sich dabei insbesondere um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind handelt. Letzteres stellt die Antragsgegnerin in der Beschwerdeerwiderung vom 02.03.2020 selbst nicht in Frage. Es liegt auch im wohlverstandenen Interesse der betroffenen Kinder, dass ihre Unterhaltsansprüche - nach jahrelangen Verhandlungen der Eltern, die ergebnislos blieben - endlich geklärt werden, ggfs. auch gerichtlich. Gründe, warum die Entscheidungsbefugnis nicht auf den Antragsteller übertragen werden sollte, sind nicht erkennbar. Eine Übertragung auf den Kindesvater liegt schon deswegen im Interesse der Kinder, weil angesichts der unstreitig gleichgewichtigen Betreuungsanteile der Eltern allenfalls von der leistungsfähigeren Kindesmutter eine zusätzliche Barunterhaltsleistung gefordert werden kann. Laut Bericht des Jugendamts vom 04.12.2019 hat die Kindesmutter im Rahmen eines Telefonats bestätigt, mehr als der Kindesvater zu verdienen. Sie ist danach auch bereit, Kindesunterhalt zu zahlen. Nach Aktenlage hat sie bereits eine Abschlagszahlung in Höhe von 1.300 € geleistet (siehe Schriftsatz des Antragstellers vom 05.07.2019, dort S. 5). Festzuhalten bleibt, dass die Kindesmutter höhere Einkünfte erzielt als der Kindesvater. Bei diesen Gegebenheiten entspricht es dem Wohl der betroffenen Kinder, dem Antragsteller die Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen. Die Frage, ob ein derartiger Anspruch letzten Endes zu bejahen sein wird, ist allein im Unterhaltsverfahren zu klären, bedarf jedenfalls keiner weiteren Vertiefung im vorliegenden Verfahren der teilweisen Sorgerechtszuweisung.
Soweit das Amtsgericht Interessengegensätze bemüht, um demgegenüber auf die Notwendigkeit einer Ergänzungspflegschaft abzustellen, vermag dies nicht zu überzeugen.
Es ist richtig, dass bei aufgeteilter Betreuung kein Elternteil seine Unterhaltspflicht gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB allein durch Betreuung erfüllt. Vielmehr steht den Kindern gegen beide Eltern ein Barunterhaltsanspruch zu, der sich nach dem gemeinsamen Elterneinkommen bemisst und für den diese gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig nach Maßgabe ihres den angemessenen Selbstbehalt übersteigenden Einkommens haften (BGH, FamRZ 2014, 917; FamRZ 2006, 1015). Erst im Ergebnis der beiderseitigen Anteile ergibt sich eine Zahlungsverpflichtung nur eines Elternteils, weil derjenige, der im höheren Maße für den Bedarf des Kindes einzustehen hat, die Hälfte der Differenz zwischen dem auf ihn und den anderen Elternteil als Ausgleichszahlung zu erbringen hat (Wendl/Dose/Klinkhammer, a.a.O., § 2 Rn. 450). Der vertretende Elternteil mag deshalb geneigt sein, den eigenen Haftungsanteil möglichst gering anzusetzen. Ähnliche Interessengegensätze bestehen aber auch in anderen unterhaltsrechtlichen Konstellationen, ohne dass sie in abstrakter Form Anlass zu einem Eingriff in die elterliche Sorge gegeben hätten. So sind etwa im Falle der Verfahrensstandschaft nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB Interessengegensätze bei der Verfolgung von Kindes- und Ehegattenunterhalt, da der Höhe nach hier Abhängigkeiten bestehen können, abstrakt vorstellbar. Zu nennen sind auch die Fälle, in denen der vertretungsbefugte Elternteil wegen eines erheblichen Einkommensunterschieds oder wegen der Gefährdung des angemessenen Selbstbehalts des in Anspruch genommenen Elternteils mit für den Barunterhalt haftet. Deshalb kann nur ein konkreter Interessenkonflikt im festzustellenden Einzelfall den Rückgriff auf § 1628 BGB ausschließen (OLG Frankfurt, FamRZ 2017, 289 m.w.N.). Dafür ist vorliegend aber weder etwas dargetan noch sonst ersichtlich. Nach Aktenlage sind die Einkommensverhältnisse des Kindesvaters eher bescheiden, sodass sich ein Interessengegensatz nicht gerade aufdrängt.
Die Auffassung des Amtsgerichts, bei einem paritätischen Wechselmodell führe die Geltendmachung von Kindesunterhalt regelmäßig zu einem konkreten Interessenkonflikt, weshalb immer ein Ergänzungspfleger einzusetzen sei, ist verfehlt; sie lässt sich mit der einschlägigen Rechtsprechung des BGH, wonach insoweit ein Wahlrecht besteht, nicht vereinbaren. Gegen eine Regelung ausschließlich im Wege der Ergänzungspflegschaft spricht auch, dass in diesem Fall jeweils beiden Elternteilen die elterliche Sorge für diesen Teilbereich zu entziehen ist, während sich der „Entzug“ im Falle der Regelung über § 1628 BGB auf einen Elternteil beschränkt. Das Vorgehen nach § 1628 BGB ist gegenüber der Einsetzung eines Ergänzungspflegers auch vorteilhafter, weil damit auch die Entscheidungsbefugnis über das Ob der Einleitung eines Unterhaltsverfahrens geklärt wird (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 15.08.2018 - 2 UF 70/18; OLG Frankfurt, FamRZ 2017, 289).
Nach alledem war die angefochtene Entscheidung - wie geschehen - abzuändern.
Der Senat hat von der ihm gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG eröffneten Möglichkeit zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren Gebrauch gemacht, weil eine mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht stattgefunden hat und von der Wiederholung dieser Verfahrenshandlung vor dem Senat keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten sind.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 FamFG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts ist nach §§ 40 Abs. 1, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG erfolgt.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.