Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 25. Senat | Entscheidungsdatum | 23.10.2014 | |
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Aktenzeichen | L 25 AS 2137/14 B PKH | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | 172 Abs 3 Nr 2a SGG, § 172 Abs 3 Nr 2b SGG, § 40 S 1 ZPOEG, § 120 Abs 4 S 2 ZPO, § 124 Abs 2 ZPO |
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juli 2014 wird aufgehoben.
Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juli 2014, mit dem das Sozialgericht die durch seinen Beschluss vom 3. Juli 2013 vorgenommene Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klägerin sowie die Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten aufgehoben hat, ist zulässig. Insbesondere stehen der Zulässigkeit nicht die hier allein in Betracht kommenden Ausschlussgründe des § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe a und b des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entgegen. Denn der dortige Beschwerde-ausschluss meint nur die Ablehnung der beantragten, nicht die Aufhebung der bereits bewilligten Prozesskostenhilfe. Raum für eine über den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift hinausgehende Analogie zu Lasten der Klägerin besteht nicht (vgl. nur den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Oktober 2012 - L 33 R 751/12 B PKH – juris – zum Streitstand und m. w. N.; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 172, Rn. 6g).
Die Beschwerde ist auch begründet. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe sowie der Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin liegen hier nicht vor. Zu Recht führt die Klägerin insoweit in ihrer Beschwerdebegründung aus, dass die mit Wirkung zum 1. Januar 2014 durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31. August 2013 (BGBl. I S. 3533) vorgenommenen Änderungen des Prozesskostenhilferechts hier nicht einschlägig sind. Denn nach § 40 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung sind dann, wenn eine Partei vor dem 1. Januar 2014 für einen Rechtszug Prozesskostenhilfe beantragt hat, für diesen Rechtszug die §§ 114 bis 127 der Zivilprozessordnung (ZPO) in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden. Nach den Erwägungen des Gesetzgebers soll diese Regelung den mit der Umstellung auf das neue Recht verbundenen Aufwand der Gerichte begrenzen und das neue Recht daher nicht gelten, soweit eine Partei vor dem Inkrafttreten der neuen Regelungen ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt hat (vgl. BR-Drs. 516/12, S. 66). Zu Unrecht hat das Sozialgericht demnach seine Entscheidung auf die am 1. Januar 2014 in Kraft getretenen §§ 120a Abs. 2 Satz 1 bis 3, 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gestützt.
Auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung der bereits bewilligten Prozesskostenhilfe nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 124 ZPO in seiner bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (a. F.) liegen jedenfalls jetzt nicht vor. Nach dem insoweit allein einschlägigen § 124 Nr. 2 ZPO a. F. kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 nicht abgegeben hat. Nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO a. F. hat sich die Partei auf Verlangen des Gerichts darüber zu erklären, ob eine Änderung der Verhältnisse – gemeint sind die in § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO a. F. genannten für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse - eingetreten ist.
Ungeachtet der Tatsache, dass das Sozialgericht zuletzt mit gerichtlichem Schreiben vom 17. Juni 2014 die Klägerin zu Unrecht aufgefordert haben dürfte, eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig ausgefüllt mit Belegen einzureichen, weil eine derartige Verpflichtung einer Partei nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut von § 120 Abs. 4 ZPO a. F. im Nachprüfungsverfahren nicht bestehen dürfte (vgl. nur Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13. Februar 2012 – 1 Ta 8/12 – juris), und ungeachtet dessen, dass das Sozialgericht im Rahmen seiner Aufhebungsentscheidung zu Unrecht kein Ermessen ausgeübt haben dürfte (vgl. dazu Landessozialgericht Sachsen, Beschluss vom 5. August 2014 - L 3 AS 619/12 B PKH – juris), ist der Beschluss des Sozialgerichts bereits deshalb aufzuheben, weil die Klägerin die vom Sozialgericht begehrte Handlung, die Übersendung einer aktuellen Erklärung über ihre - im Sinne des Prozesskostenhilferechts unverändert geblieben - persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen (hier insbesondere nebst Leistungsbescheid des Beklagten vom 17. Juni 2014), mit ihrer Beschwerde nachgeholt hat. Eine solche Nachholung ist auch im Beschwerdeverfahren noch möglich. Denn die Fristen nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO a. F. sind keine Ausschlussfristen (vgl. hierzu und zum Folgenden Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18. November 2003 - 5 AZB 46/03 – juris – m. w. N.). Für die Annahme von Ausschlussfristen hätte es einer entsprechenden gesetzlichen Regelung bedurft. § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO a. F. sieht nur die Einräumung von Erklärungsfristen durch das Gericht vor. Deren Sinn besteht darin, dass erforderliche Erklärungen und Nachweise binnen angemessener Zeit beschafft werden. Ein endgültiger Rechtsverlust ist mit der Versäumung der Fristen nicht verbunden. Auch die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung nach § 124 Nr. 2 ZPO a. F. ist - bis zur Rechtskraft der Entscheidung - nicht in diesem Sinne endgültig. Sie dient nicht der Sanktionierung der Fristversäumung, sondern des Ausbleibens der geforderten Erklärung. Wie im Falle des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO geht es auch bei § 124 Nr. 2 ZPO a. F. um die sachlich richtige Entscheidung. (Nur) Solange die Partei nicht ausreichend mitwirkt, ist im Regelfall mangels anderweitiger Erkenntnisse anzunehmen, dass die Bewilligungsvoraussetzungen nicht (mehr) vorliegen.
Liegen mindestens jetzt die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe demnach nicht vor, gilt Entsprechendes für die Aufhebung der Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 118 Abs. 1 Satz 4, 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).