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Entscheidung 15 Sa 273/14


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 15. Kammer Entscheidungsdatum 02.04.2014
Aktenzeichen 15 Sa 273/14 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 Abs 2 S 1 KSchG

Leitsatz

1. Betriebsstilllegung und Betriebsveräußerungen schließen sich systematisch aus. Gleiches gilt daher auch für geplante Maßnahmen.

2. An dem erforderlichen endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung fehlt es, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes steht.

3. Gleiches gilt, wenn für derartige Verhandlungen noch ein Unternehmensberater engagiert wird und potenzielle Investoren noch durch den Betrieb geführt werden.

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus (Kammern Senftenberg) vom 10.10.2013 - 12 Ca 10313/13 – teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.04.2013 nicht aufgelöst worden ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückzugewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 30 % und die Beklagte zu 70 % zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung, den vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruch und hilfsweise einen Wiedereinstellungsanspruch.

Der Kläger war seit dem 23. Mai 2005 bei der Beklagten als Mitarbeiter Einbau gegen ein Bruttomonatsentgelt von zuletzt 2.648,06 € beschäftigt. Arbeitsvertraglich war geregelt, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, dem Kläger bei unveränderten Bezügen auch mit anderen, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechenden Tätigkeiten zu betrauen, und dies auch für eine Tätigkeit an einem anderen Ort sowie bei einer anderen Beteiligungsgesellschaft im Inland der S. Sch. Industrie AG gilt.

Die Beklagte fertigte und montierte Stahlrohrtürme für Windkraftanlagen und beschäftigte zuletzt ca. 160 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Am 1. Juli 2012 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet. Am 25. März 2013 teilte die Beklagte ihrer alleinigen Gesellschafterin mit, dass die Geschäftsführung die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, den Geschäftsbetrieb zum 30. Juni 2013 einzustellen. Mit Schreiben vom 5. April 2013 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigte Betriebsstilllegung. Am 12. April 2013 fand eine erste Besprechung hierzu statt, wobei die Beklagte die Ergebnisse im Schreiben vom 17. April 2013 zusammenfasste. Darin heißt es u. a., dass aus insolvenzrechtlichen Gründen die Betriebsstilllegung zum 30. Juni 2013 geplant sei. Frau K. habe über den Stand der Verhandlungen mit potenziellen Investoren berichtet. Es hätten sich bisher acht Interessenten gemeldet. Zu deren Information sei ein Datenraum eingerichtet worden. In den nächsten Tagen würden die Unterlagen durch die Interessenten im Rahmen einer Due Diligence geprüft.

Mit Schreiben vom 22. April 2013 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Am 25. April 2013 erklärte der Betriebsrat, er werde keine Stellungnahme abgeben.

Unter dem 24. April 2013 erstellte eine Unternehmensberatungsfirma gegenüber der Beklagten eine Rechnung in Höhe von 29.750,-- € für noch zu erbringende Leistungen im Mai 2013. Dies betreffe „Leistungen der Unterstützung des M&A-Prozesses“, insbesondere das Führen von Investorengesprächen vor Ort, das Einholen von Angeboten sowie die Unterstützung bei Verkaufsverhandlungen.

Am 26. April 2013 unterzeichneten die Beklagte und der Betriebsrat einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan. In der Präambel zu dem Interessenausgleich heißt es, dass der Arbeitgeber sich bemühen werde, die Verkaufsverhandlungen mit Interessenten fortzusetzen und zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen. In § 2 ist ferner geregelt, dass die Beklagte sich um neue Aufträge bemühen werde.

Mit Schreiben vom 29. April 2013 erstattete die Beklagte bei der Agentur für Arbeit in Cottbus eine Massenentlassungsanzeige und fügte u. a. das Informationsschreiben an den Betriebsrat vom 5. April 2013, 17. April 2013 sowie den unterschriebenen Interessenausgleich und Sozialplan in Kopie bei. Mit Schreiben vom 6. Juni 2013 bestätigte die Agentur für Arbeit den Eingang der Anzeige am 29. April 2013 und teilte mit, die Sperrfrist nach § 18 Abs. 1 KSchG beginne am 30. April 2013 und ende am 29. Mai 2013.

Unter dem 29. April 2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Juli 2013. Dieses Schreiben erhielt der Kläger am nächsten Tag. Gleichzeitig stellte sie ihn ab dem 1. Juli 2013 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung widerruflich frei. Zeitgleich kündigte die Beklagte allen übrigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, soweit diese nicht ohnehin nur befristet beschäftigt waren oder Sonderkündigungsschutz genossen.

Die beauftragte Unternehmensberatungsfirma organisierte noch in den Monaten Mai und Juni 2013 Betriebsbesichtigungen für potenzielle Investoren. Ein Mitarbeiter der Beklagten führte unabhängig hiervon am 30. April 2013 eine Betriebsbesichtigung mit Vertreter der M. B. Bauservice GmbH & Co. KG durch. Eine weitere Besichtigung mit einem nicht bekannten Investor fand am 6. Mai 2013 statt. Am 17. Mai 2013 besichtigten Vertreter der A. GmbH den Betrieb der Beklagten. Vertreter der indischen Firma P. besichtigten am 31. Mai 2013 den Betrieb.

Am 10. Mai 2013 zeigte der Sachwalter beim Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit an. Mit Schreiben vom 26. Juni 2013 teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, man habe die Zustimmung der Hauptgläubigerin für den so genannten „Plan C“ erhalten. Dieser sehe die Aufhebung des Insolvenzverfahrens vor. Eine neue Produktion solle nach Finsterwalde verlagert werden. In einem ersten Schritt könnten 50 bis 65 Mitarbeiter weiter dort beschäftigt werden. Am 31. Juli 2013 wies das Konto der Beklagten ein Guthaben in Höhe von 9,8 Mio. € aus. Ende Juli 2013 informierten sowohl die IGM Süd-Brandenburg als auch die Bundesanstalt für Arbeit ehemalige Arbeitnehmer der Beklagten darüber, dass die S. T. & T. GmbH (STT) in Leipzig kurzfristig ca. 50 bis 60 Mitarbeiter benötige. Seit dem 1. August 2013 werden auf dem Betriebsgelände der Beklagten in Massen keine Tätigkeiten mehr ausgeführt. Im Herbst 2013 veräußerte die Beklagte die größere von zwei Brennschneideanlagen an die STT.

Mit der rechtzeitig beim Arbeitsgericht Cottbus (Kammern Senftenberg) eingegangenen Klage hat sich der Kläger u. a. gegen die Kündigung vom 29. April 2013 gewandt. Er hat die Ansicht vertreten, dass Kündigungsgründe nicht vorgelegen haben. Die Kündigung könne nicht mit Auftragsmängeln begründet werden, da die Aufträge nach Leipzig verlagert worden seien. Eine unternehmerische Entscheidung zur Betriebsschließung zum 30. Juni 2013 sei nicht umgesetzt worden, denn die Beklagte habe mit potentiellen Investoren weiterhin verhandelt. Auch der im Schreiben vom 26. Juni 2013 gegenüber dem Betriebsrat erwähnte „Plan C“ spreche gegen eine Betriebsschließung. Gleiches ergebe sich aus dem Internetauftritt des damaligen Geschäftsführers. Die Sozialauswahl sei fehlerhaft, weil eine konzernweite Versetzungsmöglichkeit bestanden habe. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß zu der beabsichtigten Kündigung gehört worden, denn tatsächlich hätte es Aufträge gegeben, die jedoch nach Leipzig verlagert worden seien. Die Massenentlassungsanzeige sei ebenfalls fehlerhaft. Ihm stünde jedenfalls auch ein Wiedereinstellungsanspruch zu. Dies ergebe sich daraus, dass die STT einen Bedarf von 50 bis 60 Arbeitnehmern ab dem 1. August 2013 gehabt habe, und er wegen der arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel dort hätte beschäftigt werden können.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sei durch die schriftliche Kündigung der beklagten Partei vom 29.04.2013 nicht aufgelöst worden;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endete, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.07.2013 hinaus fortbesteht;

3. die beklagte Partei zu verurteilen, die klägerische Partei für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziff. 1. zu den im Arbeitsvertrag vom 30.09.2009 geregelten Arbeitsbedingungen als Mitarbeiter Einbau in Massen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen;

4. hilfsweise die beklagte Partei zu verurteilen, das Angebot der klägerischen Partei auf Wiedereinstellung ab 01.08.2013 zu den Arbeitsbedingungen des bisherigen Arbeitsvertrages vom 30.09.2009 anzunehmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die unternehmerische Entscheidung zur Betriebsstilllegung letztendlich umgesetzt worden sei. Es habe keine ernsthaften Gespräche mit Investoren gegeben. Die Kündigung sei wegen der beabsichtigten Betriebsstilllegung wirksam.

Mit Urteil vom 10. Oktober 2013 hat das Arbeitsgericht Cottbus die Klage insgesamt abgewiesen. Die Kündigung sei wirksam. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte den ernsthaften Entschluss gefasst habe, den Betrieb stillzulegen. Dieser Entschluss habe zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs auch bereits greifbare Formen angenommen. So habe die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass sie keine neuen Aufträge mehr habe annehmen wollen. Soweit sich die Abwicklungsarbeiten noch in den Juli 2013 hingezogen hätten, sei dies mit unvorhergesehenen Ereignissen nachvollziehbar erklärt worden. Eine Sozialauswahl sei entbehrlich gewesen. Die Beteiligung des Betriebsrates sei nicht fehlerhaft gewesen. Gleiches gelte für die Massenentlassungsanzeige. Ein Wiedereinstellungsanspruch habe nicht bestanden.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Er ist weiterhin der Ansicht, dass ein Kündigungsgrund nicht vorliege. Die Kündigung könne nicht mit Auftragsmangel begründet werden, da der Hauptauftrag nach Leipzig vergeben worden sei. Eine unternehmerische Entscheidung zur Betriebsschließung zum 30. Juni 2013 sei nicht erfolgt, denn die Beklagte habe weiterhin mit potenziellen Investoren verhandelt. Auch der im Schreiben vom 26. Juni 2013 gegenüber dem Betriebsrat angeführte „ Plan C “ spreche gegen einen Beschluss zur Betriebsstilllegung. Gleiches gelte für den Internetauftritt des damaligen Geschäftsführers. Die Sozialauswahl sei fehlerhaft, da eine konzernweite Versetzungsmöglichkeit nicht berücksichtigt worden sei. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Massenentlassungsanzeige sei fehlerhaft. Hilfsweise sei ein Wiedereinstellungsanspruch gegeben. Dies ergebe sich daraus, dass das Unternehmen STT einen Bedarf für ca. 50 bis 60 Arbeitnehmer gehabt habe und er arbeitsvertraglich nach Leipzig hätte versetzt werden können.

Nach Rücknahme des allgemeinen Feststellungsantrages beantragt der Kläger zuletzt sinngemäß,

das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus – Kammern Senftenberg – vom 10.10.2013 – 12 Ca 10313/13 abzuändern und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.04. 2013 nicht aufgelöst worden ist;

2. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.) die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den im Arbeitsvertrag vom 30.09. 2009 geregelten Arbeitsbedingungen unter Ausspruch einer Versetzung zur S. T. & T. GmbH in Leipzig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen;

3. hilfsweise zum Antrag zu 1.) die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Wiedereinstellung ab dem 1.8. 2013 zu den Arbeitsbedingungen des bisherigen Arbeitsvertrages vom 30.09. 2009 anzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Betriebsschließung sei notwendig gewesen, da monatlich Kosten in Höhe von 860.500,-- € entstanden seien, ohne dass weiterhin Aufträge vorhanden gewesen seien. Die Investoren auf der Liste ab der Nr. 8 hätten mitgeteilt, dass sie kein Interesse an dem Erwerb des Betriebes gehabt hätten. Verbindliche Verhandlungen hätte es nicht gegeben, ebenso wenig ein „Letter of Intent“. In der Insolvenz seien prinzipiell Übernahmeverhandlungen zu führen. Der „Plan C“ sei nicht umgesetzt worden. Aus den geführten Gesprächen ergebe sich nicht, dass eine Fortführung des Betriebes beabsichtigt gewesen sei. Es liege keine Vorratskündigung vor. Es seien keine freien Arbeitsplätze vorhanden gewesen. Im Rahmen der Insolvenz hätte die Konzernstruktur nicht mehr bestanden. STT hätte keine Bereitschaft zur Übernahme von ehemaligen Beschäftigten angezeigt. Die Beklagte habe auch keinen Einfluss auf STT gehabt. Der geänderte Weiterbeschäftigungsantrag sei unzulässig. Im Übrigen richte er sich auf eine unmögliche Handlung.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist daher zulässig.

Dies gilt auch für den abgeänderten Weiterbeschäftigungsantrag. Soweit die Beklagte der Ansicht ist, die Klageänderung sei nicht sachdienlich und stütze sich im Übrigen auf neue Tatsachen, kann dem nicht gefolgt werden. Eine Klageänderung (§ 263 ZPO) liegt nicht vor. Gem. § 264 Nr. 3 ZPO ist es nicht als Änderung der Klage anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird. So verhält es sich hier. Nachdem am Standort in Massen keinerlei betriebliche Aktivitäten nach dem 31.07. 2013 erfolgten, hat der Kläger wegen dieser Veränderung und unter Berufung auf die Versetzungsklausel eine Weiterbeschäftigung in Leipzig begehrt. Der Klagegrund (die nach Ansicht des Klägers unwirksame Kündigung) ist gleich geblieben.

II.

Die Berufung hat nur hinsichtlich des Kündigungsschutzantrages Erfolg. Insofern war das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern. Bezüglich des Weiterbeschäftigungsantrages ist ein Anspruch des Klägers nicht gegeben. In diesem Umfang war die Berufung zurückzuweisen.

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 29. April 2013 nicht aufgelöst worden. Die Kündigung ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen, bedingt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KschG). Es fehlt an einer endgültigen Betriebsstilllegungsabsicht der Beklagten zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.

1.1 Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung ist der des Kündigungszugangs. Der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers muss zu diesem Zeitpunkt vorliegen. Eine vollendete Betriebsstilllegung und aus Gründen der Praktikabilität auch schon eine beabsichtigte Betriebsstilllegung sind als Kündigungsgrund anerkannt, wenn die für den künftigen Wegfall der Beschäftigung des Arbeitnehmers maßgeblichen Entwicklungen bereits zum Kündigungszeitpunkt feststehen (BAG 13.02. 2008 – 2 AZR 75/06 Rdnr. 20f).

Eine Betriebsstilllegung setzt den ernstlichen und endgültigen Entschluss des Unternehmers voraus, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufzuheben. Eine beabsichtigte Betriebsstilllegung muss schon „ greifbare Formen“ angenommen haben. An einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung fehlt es, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes steht und gleichwohl wegen Betriebsstilllegung kündigt (BAG 29.9.2005 – 8 AZR 647/04 Rdnr. 24). Ist andererseits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Betriebsstilllegung endgültig geplant und bereits eingeleitet, behält sich der Arbeitgeber aber eine Betriebsveräußerung vor, falls sich eine Chance bietet und gelingt dann später doch noch eine Betriebsveräußerung, bleibt es bei der sozialen Rechtfertigung der Kündigung (BAG ebd.). Betriebsstilllegung und Betriebsveräußerung schließen sich systematisch aus (BAG 16.02. 2012 – 8 AZR 693/10 Rdnr. 39).

Finden zum Zeitpunkt der Kündigung keine Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes statt, wird eine Kündigung für wirksam gehalten, auch wenn der Arbeitgeber sich nach Zugang der Kündigung weiter um Interessenten für eine Fortführung des Betriebes bemüht (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg 03.06. 2010 – 26 Sa 263/10 Rdnr. 36; BAG 19.06.1991 – 2 AZR 127/91 Rdnr. 21). Die Rechtsprechung geht jedoch von der Unwirksamkeit einer Kündigung aus, wenn zum Kündigungszeitpunkt noch Verhandlungen über eine Betriebsübernahme (BAG 29.9.2005 – 8 AZR 600 740/04 Rdnr. 25; LAG Hamm 06.10. 2010 – 6 Sa 430/10 Rdnr. 44; LAG Köln 7.8.2012 – 12 Sa 521/11 Rdnr. 56; LAG Berlin-Brandenburg 17.12.2013 – 7 Sa 1522/13 Rdnr. 32 in einem Parallelverfahren) oder über eine Auffanglösung (LAG Köln 22.3.2011 – 12 Sa 886/10 – juris) geführt werden.

1.2 Bei Anwendung dieser Grundsätze kann ein Grund für eine betriebsbedingte Kündigung nicht festgestellt werden.

Betriebsstilllegung und Betriebsveräußerung schließen sich systematisch aus. Gleiches gilt daher auch für geplante Maßnahmen. An dem erforderlichen endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung fehlt es, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes steht. Gleiches gilt, wenn für derartige Verhandlungen noch ein Unternehmensberater engagiert wird und potenzielle Investoren noch durch den Betrieb geführt werden.

So verhält es sich hier. Noch unter dem 17. April 2013 hatte die Beklagte dem Betriebsrat mitgeteilt, dass acht potenzielle Investoren sich gemeldet hätten. In den nächsten Tagen würden diese die Unterlagen prüfen. Hierzu ist es dann auch tatsächlich gekommen. Sowohl am Tag des Zugangs der Kündigung als auch danach sind potenzielle Investoren durch den Betrieb geführt worden. Für sie war speziell ein Datenraum eingerichtet worden. Jedenfalls sowohl am 17. Mai 2013 als auch am 31. Mai 2013 haben jeweils Investoren den Betrieb der Beklagten aufgesucht, die nach Angabe der Beklagten nicht nur an einzelnen Gegenständen interessiert waren, da sie auf der Investorenliste unter den ersten sieben Nummern aufgeführt waren.

Soweit in der Rechtsprechung statt Verhandlungen (BAG 29.09.2005 – 8 AZR 647/04 Rdnr. 24) „ernsthafte“ Verhandlungen (BAG 13.02. 2008 – 2 AZR 543/06 Rdnr. 23) über die Veräußerung des Betriebes verlangt werden, kann offen bleiben, ob hierdurch vom 2. Senat erhöhte Anforderungen gestellt werden. Vorliegend kann nicht angenommen werden, dass die Verhandlungen nur zum Spaß oder zum Schein geführt wurden. In einem solchen Fall wäre es nicht notwendig gewesen, für fast 30.000,-- € eine Unternehmensberatungsfirma zu engagieren, die die Beklagte noch im Mai 2013 bei Verkaufsgesprächen unterstützen sollte. In der Rechnung vom 24. April 2013 wird die Unterstützung des M&A-Prozesses (Mergers & Acquisitions) angesprochen. Insofern handelt es sich um einen Sammelbegriff für Transaktionen im Unternehmensbereich wie Fusionen, Unternehmenskäufe oder auch Betriebsübergänge. Selbst wenn die Beklagte den Betrieb nicht mehr weiterführen wollte, so war eine Fortsetzung durch ein anderes Unternehmen durchaus möglich. Soweit die Beklagte einwendet, es sei zu keinerlei verbindlichen Verhandlungen oder Übernahmeangeboten gekommen, mag dies sein, ist rechtlich aber unerheblich. Am 30. April 2013 war jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Kontaktaufnahme mit den Investoren zu diesen Ergebnissen hätte führen können. Damit blieb letztendlich offen, ob es nicht zu einer Betriebsübernahme hätte kommen können.

Soweit die Beklagte darauf verweist, dass die Betriebsstilllegung sich letztlich realisiert hat, kann dies ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung führen. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass der tatsächlichen Eintritt der prognostizierten Entwicklung Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit und Plausibilität der Prognose zulässt (BAG 16.02.2012 – 8 AZR 693/10 Rdnr. 40). Dies ist vorliegend deswegen nicht relevant, weil aufgrund der geführten Vertragsverhandlungen hinreichend deutlich geworden ist, dass die Beklagte zum Kündigungszeitpunkt sich sowohl den Weg zur Betriebsstilllegung als auch zur Betriebsveräußerung offen gehalten hat. Eine sichere Prognose zur beabsichtigten Betriebsstilllegung war damit (wohl) frühestens erst Ende Juni 2013 möglich, nachdem keine weiteren Verhandlungen mit Investoren mehr stattfanden. Damit stellt sich die Kündigung schon im April 2013 als unzulässige Vorratskündigung (BAG 13.02.2008 – 2 AZR 543/06 Rdnr. 24; LAG Berlin-Brandenburg 29.09.2010 – 15 Sa 654/10 Rdnr. 16) dar. Die Beklagte ist in dieser Situation genauso zu behandeln wie ein Arbeitgeber, der wegen Auftragsmangels kündigen möchte, der sich aber weiter um Aufträge bemüht (BAG 12.04.2002 – 2 AZR 256/01 Rdnr. 25).

Insolvenzrechtliche Notwendigkeiten führen zu keiner anderen Beurteilung. Die Verpflichtung, das betroffene Unternehmen möglichst günstig zu verwerten, mag dazu führen, dass während des gesamten Insolvenzverfahrens Gespräche mit potenziellen Investoren zu führen sind. Die Interessenlage ist somit jedoch nicht anders als in einem Unternehmen, das nicht unter Insolvenzverwaltung steht. Auch in diesem Fall hat ein Unternehmer ein Interesse daran, im Falle einer beabsichtigten Betriebsstilllegung den Betrieb möglichst günstig zu verwerten. Insofern wird auch er Gespräche mit potenziellen Investoren führen.

1.3 Es kann offen bleiben, ob die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger freie Arbeitsplätze bei der STT anzubieten mit der Folge, dass auch deswegen die Kündigung unwirksam wäre (so LAG Berlin-Brandenburg 17.12.2013 – 7 Sa 1592/13 Rdnr. 38). Ferner muss nicht entschieden werden, ob die Kündigung auch deswegen unwirksam ist, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört oder das Massenentlassungsverfahren fehlerhaft durchgeführt worden ist. Angesichts der eingereichten Unterlagen geht die Kammer jedoch davon aus, dass bezogen auf diese beiden Konstellationen ein Unwirksamkeitsgrund nicht vorliegt.

2. Die Klage war abzuweisen, soweit der Kläger die vorläufige Weiterbeschäftigung unter Ausspruch einer Versetzung zur STT in Leipzig begehrt. Ein derartiger Anspruch auf Versetzung besteht nicht.

Zwar war im Arbeitsvertrag eine konzernweite Versetzung vorgesehen, doch besteht deswegen keine Verpflichtung der Beklagten, diese durchzuführen. Daher kann der Kläger auch nicht verlangen, von der Beklagten nach Leipzig zu einem anderen Unternehmen versetzt zu werden.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich nicht verpflichtet ist, den Arbeitnehmer in einem Betrieb eines anderen Unternehmens unterzubringen. Ausnahmsweise ist dies jedoch dann der Fall, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat oder wenn sich eine solche Verpflichtung aus einer vertraglichen Absprache oder einer in der Vergangenheit geübten Praxis ergibt. Weitere Voraussetzung ist dann jedoch, dass der Vertragsarbeitgeber auf die Versetzung einen bestimmenden Einfluss hat. Die Entscheidung hierüber darf grundsätzlich nicht dem zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten bleiben (BAG 22.11.2002 - 2 AZR 674/11 Rdnr. 39; enger Bayreuther NZA 2006, 819). Ein Insolvenzverwalter übt ein ihm vom Gesetz übertragenes Amt aus. Er ist Rechtsnachfolger des Schuldners. Allein deswegen ist nicht ersichtlich, wie er auf eine Versetzung einen bestimmenden gesellschaftsrechtlichen Einfluss nehmen könnte (BAG 18.10.2012 – 6 AZR 41/11 Rdnr. 59).

Dies gilt auch hier. Der Kläger hat schon nicht vorgetragen, dass die Beklagte zu früheren Zeiten einen bestimmenden Einfluss innerhalb des Konzerns ausgeübt hätte. Auch aktuell lässt sich dies nicht feststellen. Die STT hat sich erkennbar das Recht vorbehalten, über Einstellungen auch von ehemaligen Arbeitnehmern der Beklagten selbst zu entscheiden. Auch nach dem vom Kläger eingereichten Artikel der Leipziger Volkszeitung hat die STT nur 17 ehemalige Arbeitnehmer der Beklagten übernommen. Insofern kann ein bestimmender Einfluss der Beklagten auf mögliche Versetzungen nicht angenommen werden.

3. Über den Wiedereinstellungsanspruch ist nicht zu entscheiden, da dieser nur für den Fall des Unterliegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellt wurde.

III.

Die Parteien haben die Kosten des Rechtstreits anteilig zu ihrem Obsiegen und Unterliegen zu tragen (§ 92 ZPO). Soweit der Kläger im Berufungstermin den allgemeinen Feststellungsantrag zurückgenommen hat, muss er auch hierfür die Kosten tragen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Die Entscheidungskriterien sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Es liegt eine Einzelfallentscheidung vor. Soweit eine Abweichung zu der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 13. Februar 2014 (21 Sa 1584/13) gegeben ist, liegt dies am unterschiedlichen Vortrag des dortigen Klägers (Vgl. II 1a, bb (2) der dortigen Gründe). Daher ist gegen die hiesige Entscheidung ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.