Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Therapiehinweis - Gemeinsamer Bundesausschuss - Feststellungsinteresse...

Therapiehinweis - Gemeinsamer Bundesausschuss - Feststellungsinteresse - Vorgreiflichkeit des Arzneimittelrechts - Begriff des (krankenversicherungsrechtlichen) Nutzens - staatliche Informationstätigkeit


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 07.06.2013
Aktenzeichen L 7 KA 164/09 KL ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 11a AMG, § 21 AMG, Art 6 EWGRL 105/89, Art 7 EWGRL 105/89, Art 12 GG, § 12 SGB 5, § 92 SGB 5, § 55 SGG

Leitsatz

1. Zu den Anforderungen an einen Therapiehinweis des Gemeinsamen Bundesausschusses (hier: zum Wirkstoff Strontiumranelat)

2. Qualität, Wirksamkeit und medizinische Unbedenklichkeit eines zugelassenen Arzneimittels darf der Gemeinsame Bundesausschuss im Rahmen der ihm durch § 92 SGB V übertragenen Aufgaben nicht erneut prüfen.

3. In der gesetzlichen Krankenversicherung beschreibt der (Zusatz-) Nutzen eines Arzneimittels den therapeutischen Vorteil gegenüber Therapiealternativen.

4. Soweit der Gemeinsame Bundesausschuss über den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in Medizin und Pharmakologie informiert, ist er wie jedes andere staatliche Organ den Geboten der inhaltlichen Richtigkeit und der Sachlichkeit verpflichtet.

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Therapiehinweis zum Wirkstoff „Strontiumranelat (z. B. Protelos, Osseor)“ in Anlage 4 nach Nr. 14 der bis zum 31. März 2009 geltenden Arzneimittel-Richtlinien bzw. in Anlage IV zum Abschnitt H der ab dem 1. April 2009 geltenden Arzneimittel-Richtlinie rechtswidrig ist, soweit er folgende Aussagen enthält:

„Bisphosphonate gelten weiterhin als Therapie der ersten Wahl.“ (Abschnitt: Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise).

In den Sätzen „Die schwerwiegendsten Nebenwirkungen der Behandlung mit Strontiumranelat sind thrombembolische Ereignisse, die mit einer jährlichen Inzidenz von zirka 0,7 % auftreten. Im Vergleich liegt diese bei dem SERM Raloxifen bei 0,8 %.“ die Passage: „die mit einer jährlichen Inzidenz von zirka 0,7 % auftreten. Im Vergleich liegt diese bei dem SERM Raloxifen bei 0,8 %.“

(Abschnitt: Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise).

„Zu extravertebralen Frakturen von klinischer Relevanz wird das Ergebnis einer gepoolten Metaanalyse beider Studien von der Zulassungsbehörde als nicht überzeugend gewertet. Erst Post-hoc-Analysen von kleinen Subgruppen in gepoolten Auswertungen, die in biometrischer Hinsicht nicht ausreichend belastbar sind, zeigen zu Hüftfrakturen nach Ansicht der Behörde ebenfalls Effekte in einer zu Bisphosphonaten vergleichbaren Größenordnung.“

(Abschnitt: Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise).

Im Satz „In Zusammenschau mit den beschriebenen Risiken und Unklarheiten ist eine Umstellung der Behandlung auf Strontiumranelat allenfalls nach mindestens zwei Frakturen in den letzten zwölf Monaten unter adäquater Vorbehandlung mit Bisphosphonaten bei Abwägung therapeutischer Alternativen (Parathormon/SERM) in Erwägung zu ziehen.“ die Passage: „bei Abwägung therapeutischer Alternativen (Parathormon/SERM)“

(Abschnitt: Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise).

„Die europäische Zulassungsbehörde sieht einen klaren Einfluss von Strontiumranelat auf die Muskelzellintegrität, deren klinische Wertigkeit unklar ist und in Pharmakovigilanzbeobachtungen geklärt werden soll.“

(Abschnitt: Risiken – ggf. Vorsichtsmaßnahmen).

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Therapiehinweises.

Die Europäische Kommission erteilte der Klägerin am 21. September 2004 die Genehmigung, das von ihr hergestellte und vertriebene Arzneimittel Protelos innerhalb der Europäischen Union in Verkehr zu bringen. Wirkstoffe des verschreibungspflichtigen Arzneimittels sind Ranelicsäure und Distrontiumsalz. Die Salze der Ranelicsäure, die lediglich als Transportwege für das Distrontium dienen und keinen Einfluss auf den Knochenmetabolismus haben, werden als Ranelate bezeichnet. Anwendungsgebiet von Protelos war zunächst - ausweislich der Fachinformation - die „Behandlung der postmenopausalen Osteoporose zur Reduktion des Risikos von Wirbelsäulen- und Hüftfrakturen“.

Am 4. November 2009 verlängerte die Kommission diese Genehmigung für weitere fünf Jahre. Die in der Folgezeit veröffentlichten Fachinformationen nannten als Anwendungsgebiet „Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen zur Reduktion des Risikos von Wirbelsäulen- und Hüftfrakturen“, verbunden mit einem Hinweis auf Abschnitt 5.1 der jeweiligen Fachinformation.

Seit Mai 2012 enthält die Fachinformation neben der bisher einzigen Gegenanzeige („Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile“) folgende weitere Gegenanzeigen:

„Akute venöse Thromboembolien (VTE) oder VTE in der Vorgeschichte, einschließlich tiefer Venenthrombose und Lungenembolie.

Vorübergehende oder dauerhafte Immobilisierung aufgrund von z.B. postoperativer oder sonstiger längerer Bettruhe.“

Am 27. Juni 2012 erweiterte die Kommission die Genehmigung um das Anwendungsgebiet „Behandlung der Osteoporose bei Männern mit erhöhtem Frakturrisiko“ (Zitat Fachinformation <Stand: Juni 2012>, wiederum verbunden mit einem Hinweis auf deren jeweiligen Abschnitt 5.1).

Aufgrund einer Empfehlung des Ausschusses für Humanarzneimittel (Committee for Medicinal Products for Human Use - CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency - EMA) vom 26. April 2013 veröffentlichte die Klägerin am 13. Mai 2013 einen sog. Rote-Hand-Brief, in dem u.a. folgende (jeweils unterstrichenen) Änderungen der Fachinformation angekündigt wurden:

4.1 Anwendungsgebiete

Behandlung der schweren Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit hohem Frakturrisiko zur Reduktion des Risikos von Wirbelsäulen- und Hüftfrakturen (siehe Abschnitt 5.1).

Behandlung der schweren Osteoporose bei erwachsenen Männern mit erhöhtem Frakturrisiko (siehe Abschnitt 5.1).

Bei einer Entscheidung Strontiumranelat zu verschreiben sollte das individuelle Patientenrisiko berücksichtigt werden (siehe Abschnitte 4.3 und 4.4).

4.2 Dosierung und Art. der Anwendung

[…]

Die Behandlung sollte nur von Ärzten mit Erfahrung in der Osteoporosetherapie begonnen werden.

4.3 Gegenanzeigen

[…]

Klinisch gesicherte, aktuell bestehende oder vorausgegangene ischämische Herzkrankheit, periphere arterielle Verschlusskrankheit und/oder cerebrovaskuläre Erkrankung.

Unkontrollierte Hypertonie.

4.4 Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung

[…]

Kardiale ischämische Ereignisse

In einer gepoolten Analyse randomisierter placebokontrollierter Studien an postmenopausalen Patientinnen, wurde bei mit PROTELOS behandelten Patientinnen im Vergleich zu Placebo eine signifikant höhere Anzahl an Myokardinfarkten beobachtet (siehe Abschnitt 4.8).

Patienten sollten vor Behandlungsbeginn und in regelmäßigen Abständen im Hinblick auf ihr kardiovaskuläres Risiko beurteilt werden.

Patienten mit signifikanten Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse (z.B. Hypertonie, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus, Rauchen) sollten nur nach sorgfältiger Abwägung mit Strontiumranelat behandelt werden (siehe Abschnitte 4.3 und 4.8). Die Behandlung sollte abgebrochen werden, wenn der Patient eine ischämische Herzkrankheit, periphere arterielle Verschlusskrankheit oder cerebrovaskuläre Erkrankung entwickelt bzw. die Hypertonie unkontrolliert ist (siehe Abschnitt 4.3).“

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 teilte der beklagte Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) der Klägerin mit, das Stellungnahmeverfahren zu den Therapiehinweisen nach Nr. 14 der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) für den Wirkstoff „Strontiumranelat“ eingeleitet zu haben, und fügte einen Entwurf der geplanten Entscheidung bei. In seiner Sitzung vom 15. Mai 2008 beschloss der Beklagte, Anlage 4 nach Nr. 14 der AM-RL um einen Therapiehinweis bezüglich des Wirkstoffes Strontiumranelat zu ergänzen. Kern des Therapiehinweises ist die Feststellung, dass „eine Umstellung der Behandlung auf Strontiumranelat allenfalls nach mindestens zwei Frakturen in den letzten zwölf Monate unter adäquater Vorbehandlung mit Bisphosphonaten bei Abwägung therapeutischer Alternativen (Parathormon / SERM) in Erwägung zu ziehen“ sei. Aufgrund eines Einwandes des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) ersetzte der Beklagte mit Beschluss vom 18. September 2008 (veröffentlicht im Bundesanzeiger am 05. Dezember 2008, S. 4349) die Zahl zwölf durch die Zahl 18.

Ein am 10. Februar 2009 von der Klägerin eingeleitetes Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes blieb erfolglos (unveröffentlichter Beschluss des Senats vom 7. Mai 2010, Az.: L 7 KA 37/09 KL ER).

Mit ihrer am 4. Dezember 2009 erhobenen Klage bringt die Klägerin vor, der Beschluss des Beklagten vom 15. Mai 2008 / 18. September 2008 sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten.

Zunächst leide das Beschlussverfahren unter gravierenden Verfahrensfehlern, weil der Beklagte bereits vor Einleitung des Stellungnahmeverfahrens festgelegt gewesen sei - wie der o.g. Entscheidungsentwurf belege -, und ihre Stellungnahme vom 22. November 2007 nicht ausreichend in die abschließende Entscheidungsfindung einbezogen worden sei. Bereits die gesetzliche Ausgestaltung der Beteiligungsrechte der betroffenen Unternehmen sei wegen mangelhafter Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verfassungsgemäß. Während nämlich im verfassungskonformen Verfahren vor dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) nach § 35b Abs. 1 Satz 6, § 139a Abs. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) bereits in einem früheren Verfahrenstadium Stellungnahmen der Arzneimittelhersteller ermöglicht würden, bestünden bei Verfahren vor dem Beklagten Beteiligungsrechte erst in einer sehr späten Phase, wenn der Therapiehinweis bereits erstellt worden sei, und auch dies nur auf Verbandsebene. Dies sei aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich. Die Beteiligung des Verbandes sei nicht ausreichend, denn dieser könne nicht gleichsam stellvertretend die Grundrechte des Herstellers nach Art. 12 Grundgesetz (GG) wahrnehmen. Die vom Beklagten regelmäßig auf nur 4 Wochen beschränkte Anhörungsfrist sei zu kurz. Das Fehlen von Beteiligungsrechten der Klägerin verstoße zudem gegen die Anforderungen des Art. 7 der Richtlinie 89/105/EWG betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme (Transparenz-RL).

Obwohl die arzneimittelrechtliche Zulassungsentscheidung den Beklagten - wie dies auch in § 7 seiner Verfahrensordnung (VerfO-GBA) zum Ausdruck komme - binde, sei er u.a. in Bezug auf extravertebrale Frakturen hiervon abgewichen. Die Sozialgerichte seien befugt, die Entscheidungen des GBA inhaltlich voll zu überprüfen und insbesondere nicht daran gehindert, die Feststellung medizinischer und pharmakologischer Standards ohne Einschränkung nachzuprüfen. Mit seiner Bewertung des Wirkstoffes Strontiumranelat habe der Beklagte die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten. Denn er habe die maßgeblichen Auffassungen der medizinischen Wissenschaft zur pharmakologischen Wirkstoffbewertung unvollständig ermittelt und die vorhandenen relevanten Studien und neuesten Ergebnisse unzureichend mit in seine Bewertung einbezogen. In folgenden Punkten habe der Beklagte nicht im Einklang mit dem wissenschaftlichen Standard entschieden:

α) Bisphosphonate könnten nicht generell als Therapie der ersten Wahl angesehen werden. Aktuelle Änderungen in der allgemeinen Bewertung von Bisphosphonaten habe der Beklagte nicht in seine Bewertung einbezogen. Sie - die Klägerin - nehme für Protelos zwar keinen therapeutischen Vorteil im Vergleich zu anderen Arzneimittel, insbesondere Bisphosphonaten, wohl aber eine Gleichwertigkeit mit letzteren in Anspruch.

β) Die Einstufung von Strontiumranelat als Second-Line-Alternative stehe in völligem Widerspruch zur Einschätzung der EMA und der S3-Leitlinie des Dachverbandes der deutschsprachigen wissenschaftlichen ostoleogischen Gesellschaften e.V. - DVO - („Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei Frauen ab der Menopause, bei Männern ab dem 60. Lebensjahr“ aus dem Jahre 2006), wonach Strontiumranelat zur Behandlung der postmenopausalen Osteoporose zur Reduktion des Risikos von Wirbelsäulen- und Hüftfrakturen als First-Line-Therapie einzuordnen sei. Die DVO-Leitlinie stelle mit ihrer A-Klassifizierung Strontiumranelat gleichwertig neben die Bisphosphonate Alendronat, Risedronat und Zoledronat. Raloxifen (Handelsname: Evista) und Teriparatid besäßen eine solche Klassifizierung hingegen nicht. Auch die Arzneiverordnungsreporte 2005 bis 2007 bewerteten Strontiumranelat A-klassifiziert und betonten die Wirtschaftlichkeit dieser Therapie.

γ) Der wegen unterschiedlicher Studienpopulationen unzulässige Vergleich mit dem SERM Raloxifen erwecke fälschlicherweise den Eindruck, es bestünde bei der Therapie mit Protelos dieselbe Gefahr für VTE, wie dies für Raloxifen bekannt sei.

δ) Der Hinweis, für andere Präparate würden die bei Strontiumranelat beobachteten zentralnervösen Nebenwirkungen nicht beschrieben, vermittle ein negatives Bild ohne wertige Vergleichsgrundlage.

ε) Entgegen der Aussage im Therapiehinweis, die Knochendichtemessung sei zur Verlaufsbeurteilung einer Behandlung mit Strontiumranelat nicht geeignet, lasse sich gerade unter dieser Therapie anhand der gemessenen Knochendichte-Werte schnell und effektiv eine Veränderung der Knocheneigenschaften darstellen. Denn Strontiumranelat belege erstmals in der Osteoporosetherapie eine Korrelation der gemessenen Knochendichtezunahme mit der Abnahme des Frakturrisikos vertebral und an der Hüfte, wie auch der aktualisierten Version der DVO-Leitlinie zu entnehmen sei.

ζ) Der Zusatznutzen von Strontiumranelat im Vergleich zu anderen Osteoporosetherapeutika bestehe in der umfassenden und langfristig belegten Evidenz hinsichtlich klinisch relevanter Frakturreduktionen in allen typischen Lokalisationen, nachgewiesen über 5 Jahre mit dem Endpunkt Frakturen. Zu diesem Ergebnis gelange die Europäische Leitlinie, die die einzelnen Präparate auf der Grundlage placebokontrollierter Studien mit Endpunkt Frakturreduktion vergliche habe, weil direkte Vergleiche zwischen den Präparaten aus biometrischen Gründen, d.h. wegen der dafür nötigen Patientenzahlen, nicht valide durchführbar seien. Gleichwohl existierten vergleichende Studien, die einen Zusatznutzen von Protelos belegten.

η) Hinsichtlich der Aussage „Zu extravertebralen Frakturen von klinischer Relevanz wird das Ergebnis einer gepoolten Metaanalyse beider Studien von der Zulassungsbehörde als nicht überzeugend gewertet“ habe der Beklagte einzelne Zitate aus der Scientific Discussion der EMA ungenau übersetzt und aus dem Zusammenhang genommen, was einer unkorrekten und einseitigen Wertung entspreche.

θ) Soweit sich der Therapiehinweis mit post-hoc-Analysen zu kleinen Subgruppen befasse, sei der Europäische Öffentliche Beurteilungsbericht (European Public Assessment Report - EPAR) der EMA nicht korrekt übersetzt worden, was zu einer eindeutig abwertenden Formulierung geführt habe. Auch wenn Subgruppenanalysen im Allgemeinen als weniger aussagekräftig eingestuft würden, sei bei der hier in Frage stehenden zu beachten, dass sie von der EMA gefordert und vom CHMP validiert worden sei und aufgrund der von der EMA angesetzten strengen Analysekriterien valide Ergebnisse liefere. Erst diese weitere Studienauswertung habe zur Zulassung von Protelos geführt.

ι) Klinische Studien zur sequentiellen Therapie mit anderen Antiosteoporotika existierten zwar nicht. Aufgrund einer klinischen Beobachtung gebe es jedoch Hinweis für positive Effekte einer sequentiellen Therapie mit Strontiumranelat.

κ) Dass die EMA „Bedenken in Hinsicht auf den langfristigen Einfluss von Strontiumranelat auf das Skelett“ habe, sei zwar weitgehend richtig zitiert. Zwischenzeitlich lägen nach der Zulassung 2004 gewonnene Erkenntnisse aus Biopsieuntersuchungen vor, die die Knochensicherheit unter einer Strontiumranelat-Therapie auch langfristig über einen Zeitraum von bis zu 8 Jahren belegten.

λ) Zweifel an der Aussagekraft einer Knochendichtemessung unter einer Strontiumranelat-Therapie zu formulieren, sei wissenschaftlich wenig sinnvoll, da Knochendichtenmessungen unter verschiedenen Antiosteoporotika grundsätzlich nicht verglichen werden könnten.

μ) Eine sinnverzerrte und einseitig wertende, weil unkorrekte Übersetzung liege darin, dass die EMA (laut EPAR, S. 23) einen klaren Einfluss von Strontiumranelat auf die Muskelzellintegrität sehe, deren klinische Wertigkeit indes als „minor“ einstufe, somit „gering“, und nicht - wie im Therapiehinweis - als „unklar“.

ν) Die Therapie mit Protelos sei pharmaökonomisch gesehen kosteneffektiv. In der Therapie der postmenopausalen Osteoporose sei (auch) aus rein wirtschaftlichen Erwägungen den Bisphosphonaten keine Vorrangstellung einzuräumen, da zumindest die Originalpräparate nicht günstiger seien als Protelos.

ξ) Es sei ethisch nicht vertretbar, dass eine Patientin unter Bisphosphonat-Therapie erst zwei Frakturen innerhalb von 18 Monaten erleiden müsse, bevor sie überhaupt mit Strontiumranelat behandelt werden dürfe, und dies, obwohl erwiesen sei, dass das Risiko für eine weitere Fraktur nach der ersten bzw. neuen Wirbelkörperfraktur dramatisch ansteige. Wirbelfrakturen seien eine schwerwiegende Folge der Osteoporose und führten zu akuten oder auch chronischen Rückenschmerzen, Wirbelsäulendeformität, verminderter Lebensqualität sowie einem erhöhten Mortalitätsrisiko. Hüftfrakturen stellten die schwerwiegendste Manifestation der Osteoporose dar und seien mit einer beträchtlichen Morbidität und Mortalität verbunden. Eine Hüftfraktur könne insbesondere bei älteren Menschen lebensbedrohlich sein und die Mobilität von Menschen jeden Alters gefährden. Nur etwa 50 % der Patienten könnten anschließend weiterhin ein normales Leben führen.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass der Therapiehinweis zum Wirkstoff „Strontiumranelat (z. B. Protelos, Osseor)“ in Anlage 4 nach Nr. 14 der bis zum 31. März 2009 geltenden Arzneimittel-Richtlinie bzw. in Anlage IV zum Abschnitt H der ab dem 1. April 2009 geltenden Arzneimittel-Richtlinie rechtswidrig ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält den angegriffenen Beschluss vom 15. Mai 2008 / 18. September 2008 für rechtmäßig. Auch die EMA gehe in ihrer eigenen Arbeitsweise davon aus, dass exploratorische Subgruppenanalysen - anders als konfirmatorische - mit Vorsicht interpretiert werden müssten. Ein Bericht des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) lasse vermuten, dass das Vorgehen der Klägerin bei der nachträglichen Subgruppenanalyse zum einen nicht der von der EMA geforderten Zielpopulation entspreche und zum anderen unterschiedliche „age-cut-offs“ untersucht wurden, die letztlich auf eine Altersgrenze von 74 Jahren hinführten, weil die Differenz der Rate an Hüftfrakturen bei Frauen über und unter 74 Jahren am größten gewesen sei.

Soweit der Therapiehinweis den Einsatz von Strontiumranelat „allenfalls nach mindestens zwei Frakturen in den letzten 18 Monaten“ empfehle, seien die vom BSG entwickelten Maßstäbe für Schwellenwertbestimmungen bei Mindestmengen nicht übertragbar. Denn während der Festlegung von Mindestfallzahlen selbst nach Auffassung des BSG ein Eingriffscharakter beizumessen sei, setze der angefochtene Therapiehinweis lediglich die unmittelbare Bindung des Vertragsarztes an das Wirtschaftlichkeitsgebot um und operationalisiere dieses in genereller Weise. Aber auch bei Anwendung der vom BSG entwickelten Maßstäbe für Schwellenwertbestimmungen bei Mindestmengen sei die o.g. Empfehlung wegen des von ihm - dem Beklagten - angewandten Algorithmus vertretbar. Dabei beschreibe der Zeitraum von 18 Monaten die äußeren Grenze des Zeitraums, in dem neue Frakturen unter der Ersttherapie auftreten könnten, um hinreichend konkret auf ein Therapieversagen eben jener Ersttherapie hinzuweisen. Hierbei sei zu beachten, dass Frakturen auch allgemein unter der Therapie der Osteoporose auftreten könnten und daher nicht per se gleichzusetzen seien mit einem Therapieversagen. Es gehe also nicht darum, eine Therapieumstellung für einen Zeitraum von mindestens 18 Monaten zu verhindern. Weil hinreichende Erkenntnisse zum sequentiellen Einsatz der Wirkstoffe fehlten, gebe es keine anerkannte Definition des Therapieversagens. Nach der DVO-Leitlinie sei ein Therapieversagen zu vermuten bei „einem Abfall der Knochendichte im Verlauf über die populationsbezogene Messfehlergrenze hinaus“ und einer „Frakturrate, die in Abhängigkeit von der absoluten Frakturrate deutlich über der zu erwartenden Senkung der Frakturrate unter eine Therapie“ liege. Eine erneute Fraktur unter Therapie sei kein Nachweis eines Therapieversagens. Inzidente Frakturen unter Therapie sollten allerdings Anlass sein, Indikation, Compliance, zugrunde liegende Störungen und das Gesamt-Therapiekonzept zu überprüfen. Ausgehend hiervon habe er - der Beklagte - bei der Konkretisierung des Zeitraums abgewogen zwischen einem längeren Zeitraum, der dazu führe, dass mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auch Nicht-Therapieversager umgestellt würden, und sie nicht die am besten evaluierte Behandlung bekämen, und einer hohen Frakturdichte, d.h. einem kürzeren Zeitraum, der mit hoher Wahrscheinlichkeit für ein Versagen der Behandlung spreche. Eine hohe Frakturdichte erfasse auch schwere Verläufe.

In der Aussage „Bisphosphonate gelten weiterhin als Therapie der ersten Wahl“ liege eine Empfehlung zur wirtschaftlichen Verordnungsweise, die auf einem wissenschaftlichen Konsens basiere, demzufolge Strontiumranelat keinen therapeutischen Zusatznutzen gegenüber anderen Antiosteoporotika habe, weshalb den preisgünstigeren Bisphosphonaten der Vorzug zu geben sei.

Seiner Verpflichtung, auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren, sei er - der Beklagte - nachgekommen, indem er unmittelbar nach Kenntnis von der Zulassungserweiterung von Protelos in die Beratungen zur Aktualisierung des Therapiehinweises eingetreten sei. Allein die weitergehenden Änderungen am Zulassungsstatus von Protelos im folgendem Zeitverlauf machten es für den Beklagten erforderlich, auch diese Erkenntnisse in den aktuellen Bewertungsprozess einzubeziehen, um den Therapiehinweis insgesamt auf den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu aktualisieren und diese Aktualisierung zum Gegenstand eines Stellungnahmeverfahrens zu machen.

Der Beklagte hat in Reaktion auf die mündliche Verhandlung am 7. Juni 2013 und seine dortigen Prozesserklärungen in seiner Sitzung vom 20. Juni 2013 Änderungen des streitgegenständlichen Therapiehinweises beschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Normsetzungsdokumentation des Beklagten Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen hat.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.

A. Die Klage ist zulässig.

Statthafte Klageart ist die Feststellungsklage gemäß § 55 Abs 1 Nr. 1 SGG ("Bestehen eines Rechtsverhältnisses"). Denn aufgrund der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) kann mit einer fachgerichtlichen Feststellungsklage nach §§ 29 Abs. 4 Nr. 3, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG u.a. die Unwirksamkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm geltend gemacht werden (Bundessozialgericht - BSG -, Urteile vom 14. Dezember 2011, Az.: B 6 KA 29/10 R - „Monapax“ -, und vom 31. Mai 2006, Az.: B 6 KA 13/05 R - „Clopidogrel“ -, jeweils Juris).

1) Beim streitgegenständlichen Therapiehinweis, dessen Anwendbarkeit hier umstritten ist, handelt es sich um eine untergesetzliche Rechtsnorm, denn er ist Teil der auf § 92 Abs 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V beruhenden AM-RL (§ 92 Abs. 2 Sätze 1, 6 bis 8 SGB V), die für die Trägerorganisationen des Beklagten - die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und den Spitzenverband Bund der Krankenkassen -, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich sind (§ 91 Abs. 6 SGB V).

2) Das Feststellungsinteresse der Klägerin als Arzneimittelherstellerin fehlt nicht deshalb, weil sie nicht Adressatin der Therapiehinweise ist. Die Hinweise richten sich an die Vertragsärzte, indem sie diese über den wirtschaftlichen Einsatz des Wirkstoffs Strontiumranelat informieren. Die Therapiehinweise betreffen im Sinne berufsregelnder Tendenz die Marktposition des von der Klägerin hergestellten Arzneimittels Protelos. Zwar steht nicht die Verordnungsfähigkeit von Protelos zu Lasten der Krankenkassen insgesamt und damit der Zugang zum Markt der GKV-Versicherten im Streit. Der Hinweis soll aber bewirken, dass der Wirkstoff Strontiumranelat zur Behandlung der Osteoporose nur verordnet wird, wenn kostengünstigere Antiosteoporotika zu diesem therapeutischen Zweck nicht eingesetzt werden können. Durch die nur unter erheblichen Einschränkungen angestrebte Verordnung von Protelos sollen erhebliche Kosten zu Lasten des mit diesem Arzneimittel erzielten Umsatzes eingespart werden. In dieser Situation greifen die Therapiehinweise in die grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit des Herstellers eines Fertigarzneimittels mit dem Wirkstoff Strontiumranelat ein, weil sie - auch - eine objektiv berufsregelnde Tendenz entfalten (vgl. BSG, Urteil vom 31. Mai 2006, a.a.O.).

Dem Feststellungsinteresse der Klägerin kann nicht entgegengehalten werden, die Therapiehinweise bewirkten keine strikte Bindung der Vertragsärzte beim Einsatz von Strontiumranelat. Wie stark die Klägerin vom streitgegenständlichen Therapiehinweis betroffen ist, hängt wesentlich davon ab, wie die Vertragsärzte auf ihn reagieren. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, die Klägerin werde durch die Hinweise allenfalls mittelbar und allein abhängig vom künftigen Verordnungsverhalten der Ärzte beeinträchtigt. Denn der Beklagte will das Verordnungsverhalten der Vertragsärzte bezüglich Protelos steuern. Die Hinweise binden die Vertragsärzte zumindest durch die Vorgabe eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Diese Vorgabe kann durch Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V) durchgesetzt werden (vgl. BSG a.a.O.).

Das Feststellungsinteresse kann auch nicht deshalb verneint werden, weil die Hersteller von Arzneimitteln keine aus Art. 12 Abs. 1 GG abzuleitende Rechtsposition innehaben, kraft derer sie zur gerichtlichen Prüfung stellen könnten, ob die Ausgestaltung des Leistungsumfangs der GKV rechtmäßig ist (BVerfGE 106, 275 - „Arzneimittelfestbetrag“ -). Vielmehr geht es vorliegend um einen Eingriff in die wettbewerbliche Situation eines in der GKV prinzipiell verordnungsfähigen Arzneimittels. Das BVerfG sieht den Gewährleistungsbereich der Berufsausübungsfreiheit als beeinträchtigt an, wenn ein Träger von Staatsgewalt marktrelevante Informationen verbreitet, die sich im Nachhinein als unrichtig erweisen und dennoch weiterverbreitet bzw. nicht korrigiert werden (BVerfGE 105, 252 - „Glykolwarnung“ -). Daher kann der pharmazeutische Unternehmer gerichtlichen Rechtsschutz gegen solche staatlichen Maßnahmen beanspruchen, die den Wettbewerb mit ihren Konkurrenten verfälschen. Wird eine Versorgungsalternative infolge unzutreffender medizinisch-pharmakologischer Bewertung zu Unrecht als gleich- oder gar minderwertig im Verhältnis zu anderen Therapieoptionen eingestuft, so bedeutet das nicht nur eine Fehlinformation des Arztes und eine Benachteiligung des Versicherten, der ein für ihn geeignetes Arzneimittel deshalb nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erhält. Es beinhaltet auch eine Benachteiligung des betroffenen Arzneimittelherstellers im Wettbewerb, wenn die besondere therapeutische Qualität seines Arzneimittels durch Gleichbewertung mit andersartigen Konkurrenzprodukten verneint wird und dieses Arzneimittel als durch andere gleichwertig ersetzbar erscheint (BSG, a.a.O.).

B. Die Klage ist nur teilweise begründet.

I) Im Rahmen der auf Ergänzung einer Norm gerichteten Feststellungsklage hat der Senat grundsätzlich einen engen Prüfungsmaßstab anzulegen und Zurückhaltung zu üben gegenüber der Normsetzungskompetenz des Beklagten. Andererseits ist der Maßstab für eine Überprüfung administrativer Normsetzung strenger als bei derjenigen von Parlamentsgesetzen durch die Verfassungsgerichtsbarkeit. Die Zurückhaltung etwa des Bundesverfassungsgerichts gegenüber dem parlamentarischen Gesetzgeber muss eine andere sein als diejenige der Fachgerichtsbarkeit bei der Kontrolle von Rechtsnormen der Verwaltung. Die im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Richtlinien des Beklagten sind damit gerichtlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (vgl. BSG, Urteile vom 3. Juli 2012, Az.: B 1 KR 23/11 R - „Gepan Instill“ -, vom 6. März 2012, Az.: B 1 KR 24/10 R - „Linola“ - und vom 1. März 2011, Az.: B 1 KR 7/10 R, B 1 KR 10/10 R - „Sortis“ -, jeweils Juris; Gerhardt/Bier in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 47, Rd. 140).

Hiervon ausgehend ist die vom Beklagten bewirkte Normsetzung darauf zu überprüfen, ob sich die untergesetzliche Norm auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann (unten II.), ob die spezifischen Verfahrens- und Formvorschriften eingehalten sind (unten III.), ob die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsnorm erfüllt sind (unten IV.) und ob die Grenzen eines gegebenenfalls bestehenden und zu respektierenden Gestaltungsspielraums - etwa in Bezug auf höherrangiges Recht - eingehalten sind (vgl. BSG, Urteile vom 31. Mai 2006 und vom 3. Juli 2012, a.a.O.; so auch schon Senat, Urteil vom 21. Dezember 2011, L 7 KA 77/10 KL - „Mindestmenge Perinatalzentren“ -,Juris).

II) Die Rechtsgrundlage für den angegriffenen Beschluss des Beklagten findet sich in § 92 SGB V.

1) Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 6 SGB V in der seit 1989 weitgehend unverändert fortgeltenden Fassung beschließt der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bzw. - seit dem 1. Januar 2004 - der GBA die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten bei der Verordnung von Arzneimitteln. Nähere Vorgaben für den GBA zur Umsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 2, 12, 72 SGB V) - auch im Hinblick auf Therapiehinweise - sah und sieht § 92 Abs. 2 SGB V vor. So hatten die o.g. Richtlinien Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Festbeträge (bis zum 31. Dezember 2010) bzw. der Bewertungen nach § 35a und § 35b SGB V (seit dem 1. Januar 2011) nach bestimmten Kriterien (zunächst Preisvergleich und Verordnungsmenge, später Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit) zusammenzustellen (vgl. § 92 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Dass der GBA auch außerhalb der (zum 1. Januar 2011 abgeschafften) Preisvergleichslisten nach § 92 Abs. 2 Satz 1 SGB V Therapiehinweise erlassen durfte, stellte der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Mai 2006 durch Einfügung von § 92 Abs. 2 Satz 7, 1. Halbsatz SGB V klar (BT-Drs. 16/691, S. 17). Aus dem Verweis im zweiten Halbsatz dieser Vorschrift auf § 92 Abs. 1 Satz 1, 3. Halbsatz, und Abs. 2 Sätze 3 und 4, § 73 Abs. 8 Sätze 5 bis 8 SGB V erschließt sich, dass der GBA

- die Verordnung von Arzneimitteln ausschließen oder einschränken darf,

- zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen hat, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zum jeweiligen Apothekenabgabepreis und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt,

- für die einzelnen Indikationsgebiete Arzneimittel in bestimmten Gruppen zusammenfassen darf,

- Handelsbezeichnung, Indikationen und Preise sowie weitere für die Verordnung von Arzneimitteln bedeutsame Angaben in einer Weise anzugeben hat, die unmittelbar einen Vergleich ermöglichen.

Weitere das Regelungsinstrument Therapiehinweis konkretisierende Vorgaben finden sich in dem zum 1. Januar 2011 eingeführten Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (AMNOG), u.a. in § 92 Abs. 2 Sätze 8 bis 12 SGB V.

2) Diese gesetzlichen Vorgaben verdeutlichen den doppelten Zweck von Therapiehinweisen (vgl. auch Wolff/Christopeit, PharmaR 09, 596ff): Einerseits enthalten sie allgemeine Informationen zum aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in Medizin und Pharmakologie sowie Bewertungen im Hinblick auf mögliche Therapiealternativen (zum inform[ation]ellen Charakter von Therapiehinweisen: Arend Becker, MedR 2010, 218ff; Gassner A & R 2008, 3ff). Dies verbindet sie - andererseits - mit insbesondere an den Vertragsarzt gerichtete Vorgaben zum wirtschaftlichen Einsatz z.B. eines Wirkstoffs, typischerweise in Form eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses (BSG, Urteil vom 31. Mai 2006, a.a.O.), und konkretisieren damit das Wirtschaftlichkeitsgebot der GKV (Hauck GesR 2011, 69ff), insbesondere hinsichtlich der Verpflichtung, von mehreren gleichartig wirkenden bzw. gleich wirksamen Arzneimitteln das Günstigere zu verordnen. Im Verhältnis zu (vollständigen oder teilweisen) Verordnungsausschlüssen - die ebenfalls Ausformungen des Wirtschaftlichkeitsgebots sein können - ist der Anwendungsbefehl eines Therapiehinweises indes weniger strikt (BT-Drs. 17/2413, S. 28; Arend Becker a.a.O.; Gassner a.a.O.). Während Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse eine unmittelbar bindende Wirkung für den verordnenden Arzt in jedem Einzelfall haben, ist der GBA bei der Erstellung von Therapiehinweisen lediglich befugt, das Nähere zu den Modalitäten einer wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln durch den Vertragsarzt vorzugeben, d.h. er regelt lediglich das „Wie“, nicht aber das „Ob“ der Arzneimittelversorgung (BT-Drs. 17/2413, S. 28). Diese herabgesetzte Verbindlichkeit - der Gesetzgeber des AMNOG spricht von „Empfehlungen“ (a.a.O.) - stellt „empfehlungswidrige“ Arzneimittelverordnungen allerdings nicht von einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V frei (BSG a.a.O.). Der Senat kann an dieser Stelle offen lassen, welche (ggf. erhöhten) Anforderungen im Rahmen eines solchen Einzelverordnungsregresses zu beachten wären (vgl. hierzu Arend Becker a.a.O.). Der informatorisch-wertende Teil eines Therapiehinweises jedenfalls wird zumindest insoweit Verbindlichkeit für sich in Anspruch nehmen dürfen, als er dem Vertragsarzt die Argumentation abschneidet, er habe den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse anders als der GBA beurteilt. Mit anderen Worten: der Therapiehinweis macht den Vertragsarzt hinsichtlich der darin enthaltenen Informationen und Bewertungen „bösgläubig“.

III) In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist der angefochtene Therapiehinweis nicht zu beanstanden.

1) Sieht das Gesetz für den Erlass einer Norm ein Anhörungserfordernis vor, so zielt es darauf, dass das Ergebnis der Anhörung als informatorische Grundlage in die Abwägungsentscheidung des Normgebers einfließt. Dem Anhörungserfordernis wird daher nicht ordnungsgemäß entsprochen, wenn die Anhörung nur pro forma durchgeführt wird, ohne dass noch die Möglichkeit oder Bereitschaft bestünde, das Ergebnis in der Abwägungsentscheidung des Normgebers zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 2010, Az.: 2 BvF 1/07 - „Legehennenhaltung“, Juris, m.w.N.). Entsprechendes muss für Normsetzungsverfahren gelten, die ein Stellungnahmeverfahren vorsehen. Fehlende Beratungsoffenheit kann allerdings nicht aufgrund bloßer Spekulationen unterstellt, sondern nur aufgrund greifbarer Tatsachen angenommen werden (BVerfG, a.a.O.).

Für eine fehlende Offenheit des Beklagten, Stellungnahmen der insoweit Berechtigten zu berücksichtigen, gibt es im vorliegenden Fall keine Anzeichen. Er war insbesondere nicht dadurch vorab festgelegt, dass er bei der Einleitung des Stellungnahmeverfahrens den Inhalt des beabsichtigten Therapiehinweises den Stellungnahmeberechtigten bekanntgab. Ein solches Vorgehen wahrt vielmehr die Rechte der Stellungnahmeberechtigten und missachtet sie nicht. Denn je detaillierter der Beklagte bei der Einleitung des Stellungnahmeverfahrens den von ihm avisierten Therapiehinweis darstellt, um größer sind die Möglichkeiten der Stellungnahmeberechtigten, ihre Einwände gegen den Therapiehinweis als solchen oder gegen einzelne Textpassagen oder Aussagen vorzubringen. Es liegt auf der Hand, dass demgegenüber mit einer bloßen Ankündigung des Beklagten, er wolle einen Therapiehinweis zu einem bestimmten Wirkstoff oder Arzneimittel beschließen, könne aber zu dessen Inhalt noch keine Angaben machen, die Berechtigung zur Stellungnahme weitgehend leer laufen ließe.

Eine fehlende Beratungsoffenheit i.S. einer Vorabfestlegung ist grundsätzlich auch nicht daran zu messen, ob ein Normgeber die untergesetzliche Regelung aufgrund der im Stellungnahmeverfahren erhobenen Einwände einer inhaltlichen Änderung unterzieht. Seine Verpflichtung erstreckt sich nur auf die Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen. Hält er die erhobenen Einwände allesamt für unbegründet, ist der Erlass der Norm mit dem bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens mitgeteilten Wortlaut formellrechtlich nicht zu beanstanden. Ob er die Einwände zu Recht für unbegründet hielt, ist keine verfahrens-, sondern eine materiell-rechtliche Frage. Im vorliegenden Fall findet die Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen durch den Beklagten ihren Niederschlag in Ziffer 4 („Würdigung der Stellungnahmen“) der „Tragenden Gründe“ zum Beschluss vom 15. Mai / 18. September 2008: dort hat der Beklagte sich sehr ausführlich mit den einzelnen Einwänden der Stellungnahmeberechtigten auseinandergesetzt und im einzelnen dargelegt, warum er den Einwänden nicht folgt. Mehr kann vom Beklagten insoweit nicht verlangt werden.

2) Die gesetzliche Ausgestaltung des Stellungnahmeverfahrens ist verfassungsgemäß.

Allerdings erscheint es aus der Sicht der klagenden pharmazeutischen Unternehmerin nachvollziehbar, dass sie sich eine eigene Stellungnahmeberechtigung für sämtliche Verfahren vor dem Beklagten auch schon für die Zeit vor dem 1. Januar 2009 wünschte. Denn bis zum 31. Dezember 2008 war für die Arzneimittelhersteller eine solche Berechtigung nur für das Verfahren vor dem IQWiG (§ 139a Abs. 5 SGB V) und für Verfahren vor dem Beklagten, die einen Therapiehinweis im Rahmen einer Zusammenstellung nach § 92 Abs. 2 Satz 1 SGB V zum Gegenstand hatten (§ 92 Abs. 2 Satz 5 SGB V), vorgesehen, nicht aber bei Verfahren zu Therapiehinweisen nach § 92 Abs. 2 Satz 7 SGB V. Hierfür galt die allgemeine Regelung nach § 92 Abs. 3a SGB V, die nur den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer eine Stellungnahmeberechtigung einräumte. Diese Schieflage hat der Gesetzgeber erkannt (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-OrgWG>, BT-Drs. 16/10609, S. 68f) und durch die Neufassung des § 92 Abs. 3a SGB V nunmehr eine einheitliche Regelung zur Stellungnahmeberechtigung geschaffen.

Die bis zum 31. Dezember 2008 bestehende Regelung verletzt indes kein Verfassungsrecht, insbesondere nicht die von der Klägerin in Anspruch genommene Berufsfreiheit nach Art. 12 GG. Dass dem stellungnahmeberechtigten Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) eine angemessene Äußerung aufgrund fehlender Kompetenz nicht möglich gewesen sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Hierfür hätte es substantiierten Vortrags der Klägerin bedurft, welche Einwände im Einzelnen der BPI im Stellungnahmeverfahren aus welchen kompetentiellen Gründen nicht vorbringen konnte. Es mangelt jedoch nicht nur an derartigem Vortrag der Klägerin. Vielmehr hat sich der BPI mit seiner am 26. November 2007 beim Beklagten eingegangenen Stellungnahme sehr ausführlich zum beabsichtigten Therapiehinweis geäußert, was u.a. an der Würdigung dieses Vorbringens durch den Beklagten in Ziffer 4 seiner o.g. „Tragenden Gründe“ abzulesen ist.

3) Europarechtliche Vorgaben, insbesondere die Transparenz-RL, wurden gleichfalls nicht verletzt.

Diese Richtlinie soll das Funktionieren des gemeinsamen Marktes für Arzneimittel sicherstellen (Präambel, Absatz 4). Alle Betroffenen sollen überprüfen können, ob die den Arzneimittelmarkt betreffenden Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen möglicherweise mengenmäßige Beschränkungen für die Ein- oder Ausfuhr darstellen oder einen solchen Effekt haben (Präambel, Absatz 6). Die einzelnen Regelungen der Richtlinie beziehen sich auf die Genehmigung von Abgabepreisen für Arzneimittel als Voraussetzung für deren Inverkehrbringen (Art. 2), auf die Genehmigungspflicht von Preiserhöhungen (Art. 3), auf die Anordnung eines Preisstopps für Arzneimittel (Art. 4), auf die Kontrolle der Gewinne von Arzneimittel importierenden Personen (Art. 5) sowie auf die Einführung von Positivlisten (Art. 6) und Negativlisten (Art. 7). Geregelt sind jeweils Grundsätze des einzuhaltenden Verwaltungsverfahrens einschließlich einer Begründungspflicht für die einzelnen staatlichen Maßnahmen zur Herstellung der Transparenz (BSG, Urteil vom 24. November 2004, Az.: B 3 KR 23/04 R - „Festbetragsfestsetzung Nifedipin“ - Juris).

Entgegen der Ansicht der Klägerin fallen Therapiehinweise des Beklagten nicht in deren Anwendungsbereich, weil den Arzneimittelherstellern keine Höchstpreise vorgeschrieben werden, die sie bei der Bildung der Verkaufspreise (Apothekenabgabepreise) zu beachten haben (vgl. Art. 2, 3, 4 der RL). Auch die Regelung über Negativlisten (Art. 7 der RL) ist nicht einschlägig, weil durch einen Therapiehinweis nicht die Abgabefähigkeit der preislich darüber liegenden Medikamente zu Lasten der GKV insgesamt ausgeschlossen wird.

Auch das von der Klägerseite zitierte Urteil des EuGH vom 27. November 2001 - Az.: C-424/99 - spricht nicht für die Anwendung der Transparenz-RL. In dieser Entscheidung hat der EuGH die Regelung, nach der in Österreich die Kostenübernahme für ein Arzneimittel grundsätzlich (aber nicht ausnahmslos) von dessen Aufnahme in ein vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger herausgegebenes Verzeichnis abhängig ist, wobei die Hersteller im Gegenzug für die Aufnahme eines Arzneimittels in das Verzeichnis in der Regel eine Preissenkung gewähren müssen, ebenfalls an Art. 6 der RL gemessen und dabei dieses österreichische Arzneimittelverzeichnis einer Positivliste gleichgestellt. Um eine so "erzwungene" Preissenkung geht es im vorliegenden Fall nicht; ein Therapiehinweis löst keinen rechtlichen Zwang zur Preissenkung aus.

Selbst wenn der streitbefangene Therapiehinweis die in Art. 7 Nr. 3 Transparenz-RL genannten Voraussetzungen (eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung, Mitteilung an die zuständige Person unter Belehrung über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen) nicht einhalten sollte, läge darin kein Verstoß gegen höherrangiges Recht. Insoweit kann offen bleiben, ob der Beschluss des Beklagten überhaupt als Entscheidung nach Art. 7 Nr. 1 Transparenz-RL anzusehen ist, dessen Voraussetzungen hier durch seine Veröffentlichung im Bundesanzeiger und der tragenden Gründe im Internet beachtet wären. Von der ihm durch § 92 Abs. 2 SGB V eingeräumten Ermächtigung darf der Beklagte nämlich nur im Wege der Normsetzung und nicht durch Verwaltungsakt Gebrauch machen. Die von ihm getroffene abstrakt-generelle Entscheidung richtet sich nicht an eine „zuständige Person“, sondern an eine Vielzahl von Adressaten aus dem Kreis der Versicherten, der Krankenkassen und der Leistungserbringer, während Art. 7 Nr. 3 der Transparenz-RL auf Entscheidungen von Behörden im Einzelfall, also durch Verwaltungsakt, zugeschnitten ist. Selbst wenn die Entscheidung des Antragsgegners an Art. 7 Nr. 3 Transparenz-RL zu messen wäre, würde die Nichteinhaltung der Voraussetzungen dieser Vorschrift noch nicht zur Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit des streitbefangenen Beschlusses führen. Da die Transparenz-RL keine Regelungen über die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen ihre Bestimmungen enthält, sondern insoweit auf das nationale Recht verweist (Art. 11 und 12 Transparenz-RL), beurteilt sich diese Frage nach deutschem Prozessrecht. Danach (§ 66 SGG) führt der fehlende Hinweis auf Rechtsbehelfe/ Rechtsmittel nicht zur Rechtwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung, sondern nur zu einer Verlängerung der Rechtsbehelfs-/Rechtsmittelfristen, die bei einer Feststellungsklage gegen eine Norm ohnehin keine Rolle spielen, weil hierfür keine Fristen laufen (so bereits Senat, Beschluss vom 27. Februar 2008, Az.: L 7 B 112/07 KA ER - „Acomplia“ -, Juris). Eine nach Art. 7 Nr. 3 Transparenz-RL erforderliche Begründung hat der Beklagte in Form der o.g.“Tragenden Gründe“ für jedermann zugänglich veröffentlicht. Hiervon hat die Klägerin offensichtlich auch zeitnah Kenntnis genommen. Somit verfügt die Klägerin über keine geringeren Rechtsschutzmöglichkeiten, als wenn ihr der Therapiehinweis per Verwaltungsakt bekannt gegeben worden wäre. Der o.g. Zweck der Transparenz-RL wird im vorliegenden Fall also nicht verfehlt, denn die Klägerin kann überprüfen (lassen), ob die den Arzneimittelmarkt betreffenden Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen möglicherweise mengenmäßige Beschränkungen für die Ein- oder Ausfuhr darstellen oder einen solchen Effekt haben (Präambel, Absatz 6).

IV) Die in § 92 SGB V für Therapiehinweise normierten Tatbestandsvoraussetzungen sind, insbesondere soweit sie den Stand der medizinisch-pharmakologischen Erkenntnisse zu den Wirkungen bestimmter Wirkstoffe oder Arzneimittel betreffen, vom Senat vollständig überprüfbar; der Gesetzgeber belässt dem Beklagten bei der Entscheidung über diese Voraussetzungen keinen Gestaltungsspielraum. Weder seine fachkundige noch seine interessenpluralistische Zusammensetzung bieten eine hinreichende Grundlage für die Annahme, der Gesetzgeber habe dem GBA bei der Ermittlung des Standes der medizinisch-pharmakologischen Wissenschaft eine besondere Sachkunde zugebilligt, die eine Begrenzung der gerichtlichen Kontrolle rechtfertigen könnte. Art. 19 Abs. 4 GG erlaubt und gebietet zugleich eine vollständige gerichtliche Überprüfung (vgl. BSG, Urteile., vom 18. Dezember 2012, Az.: B 1 KR 34/12 R - „Mindestmenge Perinatalzentren“ -, und vom 12. September 2012, Az.: B 3 KR 10/12 KL - „Mindestmenge Knie-TEP“ -, jeweils Juris, sowie vom 6. März 2012, vom 1. März 2011 und vom 31. Mai 2006, a.a.O.).

1) Gegenstand der gerichtlichen Sachaufklärung auf der hier betroffenen generellen Ebene ist die Frage, ob der GBA die maßgeblichen Auffassungen in der medizinischen Wissenschaft zur pharmakologischen Wirkstoffbewertung vollständig ermittelt und die vorhandenen relevanten Studien ausgewertet hat. Weiterhin ist von Bedeutung, ob die vorgenommene Würdigung der Studien, z.B. wegen der geringen Zahl an Probanden, der fehlenden Akzeptanz des Studiendesigns oder der Abhängigkeit einer Studie von finanziellen Mitteln Dritter wie der interessierten Arzneimittelhersteller nachvollziehbar ist, ob auch aussagekräftige ausländische Studien in die Entscheidungsfindung einbezogen worden sind oder ob die Gründe, aus denen der GBA ggf. von der Einbeziehung solcher Studien gerade abgesehen hat, nachvollziehbar sind. Die Frage, wie ein vom Gericht bestellter Sachverständiger aus seiner Sicht die in Rede stehenden Wirkstoffe bewertet und in welchen Fällen er dem einen oder anderen Wirkstoff den Vorzug geben würde, ist dagegen ohne Bedeutung. Es geht nämlich nicht um die sachverständige Beurteilung eines einzelnen Behandlungsfalles, sondern um eine auf genereller Ebene angesiedelte Beurteilung (BSG, Urteil vom 31. Mai 2006, a.a.O.).

2) Im Rahmen der Bewertung von Arzneimitteln an Hand der in der GKV geltenden Maßstäbe ist allerdings - im Unterschied zur Methodenanerkennung nach § 135 SGB V - die arzneimittelrechtliche Zulassung eines Wirkstoffs zu beachten, bei der gemäß § 21 Abs. 2 AMG Qualität, Wirksamkeit und medizinische Unbedenklichkeit des Wirkstoffs für die vorgesehenen Indikationen geprüft und abschließend bewertet werden. Diese Kriterien darf der GBA, auch nicht unter dem Aspekt des "medizinischen Nutzens" eines Arzneimittels oder Wirkstoffs, abweichend von der Beurteilung der für die Zulassung nach dem AMG zuständigen Behörde bewerten (BSG, Urteile vom 1. März 2011 und 31. Mai 2006, a.a.O.). Diese positive Vorgreiflichkeit tritt neben die negative, wonach die Ablehnung eines Zulassungs- oder Verlängerungsantrags zwangsläufig die Verordnungsfähigkeit in der GKV ausschließt (BSG, Urteile vom 1. März 2011, a.a.O.). Dem Kriterium der (medizinischen) Notwendigkeit (vgl. § 2 Abs. 4, § 12 Abs. 1, § 70 Abs. 1 Satz 2, § 92 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB V) kommt bei der Bewertung von zugelassenen Wirkstoffen und Fertigarzneimitteln regelmäßig ebenfalls keine eigenständige Bedeutung zu. Die Prüfung einer neuen Behandlungsmethode an Hand dieses auch in § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V aufgeführten Kriteriums zielt auf die Relevanz der zu behandelnden Gesundheitsstörungen (Ausschluss bei reinen Befindlichkeitsstörungen) und die Wahrscheinlichkeit eines Abklingens der Symptome ohne Intervention. Diese Gesichtspunkte sind jedenfalls bei verschreibungspflichtigen Medikamenten, die nach dem AMG zur Behandlung gravierender Gesundheitsstörungen zugelassen sind, regelmäßig ohne Belang (BSG, Urteil vom 31. Mai 2006, a.a.O., m.w.N.).

a) Dies hat u.a. zur Konsequenz, dass der GBA bei der Darstellung von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels oder Wirkstoffs an die Feststellungen der arzneimittelrechtlichen Zulassungsentscheidung, die ihren Niederschlag in der Fachinformation nach § 11a AMG bzw. in der - gemäß § 11a Abs. 1 Satz 2 AMG übereinstimmenden - Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels („Summary of Products Characteristics <SPC>) gem. Art. 11 der Richtlinie 2001/83/EG vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel finden, gebunden ist. Zwar wird er schon aus pragmatischen Gründen nicht alle in der Fachinformation bzw. der SPC enthaltenen Fakten in den Therapiehinweis aufnehmen (zumal deren Kenntnis ohnehin bei jedem Vertragsarzt vorausgesetzt wird). Eine sinnwidrig verkürzende oder abwertende Wiedergabe der in der Fachinformation bzw. SPC enthaltenen Fakten muss ein pharmazeutischer Unternehmer hingegen nicht hinnehmen, weil schon fehlerhaft dargestellte Tatsachen sich wettbewerbsverzerrend auswirken können.

b) Änderungen der danach an der arzneimittelrechtlichen Zulassung ausgerichteten Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der GKV können sich indes mit Blick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) ergeben. Dies erwächst daraus, dass eine Diskrepanz bestehen kann zwischen der Aussagekraft der für die Zulassung durchgeführten klinischen Studien und den in der Praxis auftretenden Anforderungen an ein Arzneimittel, insbesondere beim Fehlen klinischer Studien zu patientenrelevanten Endpunkten. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt u.a. den sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) ergebenden Einschränkungen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot kann weitergehende Einschränkungen der generellen Verordnungsfähigkeit zugelassener Arzneimittel im Rahmen der GKV fordern, etwa weil eine neuere Studienlage Therapiehinweise rechtfertigt, da Indikationsbereiche eines Arzneimittels oder von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen als unwirtschaftlich erscheinen (BSG, Urteile vom 1. März 2011, a.a.O., m.w.N.).

c) Die Sperrwirkung des Arzneimittelrechts entfällt hingegen bei der Prüfung des therapeutischen, spezifisch krankenversicherungsrechtlichen (Zusatz-)Nutzens eines Arzneimittels. Allerdings existiert für den Begriff des (therapeutischen bzw. medizinischen) Nutzens, trotz häufiger Verwendung innerhalb des SGB V (vgl. §§ 31 Abs. 2a Sätze 7 und 8, 34 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1, 35 Abs. 1b Sätze 1, 3 und 9, 35b Abs. 1 Sätze 1, 3, 4 und 8, 35c Satz 1, 73 Abs. 8 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 3, 116b Abs. 4 Satz 2, 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 138, 139 Abs. 4, 139a Abs. 3 Nr. 5 und Abs. 4 Satz 1 SGB V, jeweils in der im September 2008 geltenden, hier maßgeblichen Fassung), keine Legaldefinition (zum Nutzenbegriff im SGB V: Roters, NZS 2010, 612). Der hiesige Rechtsstreit bietet keine Veranlassung, diesen Begriff einer leistungsbereichs-übergreifenden Definition zuzuführen. Soweit der Begriff des therapeutischen oder Zusatz-Nutzens innerhalb des SGB V im Hinblick auf die Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln verwandt wird, entnimmt der Senat dem jeweiligen Kontext jedenfalls den Willen des Gesetzgebers, mit dem Nutzen einen therapeutischen Vorteil eines Wirkstoffs oder Arzneimittels im Vergleich zu anderen Therapiealternativen zum Ausdruck zu bringen (so auch BSG, Urteil vom 06. März 2012, a.a.O.). Dieser therapeutische Vorteil erlangt im System der GKV vor dem Hintergrund des allumfassend geltenden Wirtschaftlichkeitsgebots besondere Bedeutung: Stehen nämlich zur Behandlung einer Krankheit mehrere medikamentöse Therapiealternativen zur Verfügung und lösen diese unterschiedlich hohe Kosten für die Krankenkasse aus, so besteht im Interesse der Beitragszahler ein gewichtiges Bedürfnis, höhere Kosten nur dann in Kauf zu nehmen, wenn sie mit einem größerem Behandlungserfolg verbunden sind. Dem Nutzenbegriff des SGB V ist somit zumindest im Bereich der Arzneimittelversorgung ein vorangegangener Vergleich mehrerer (zugelassener) Pharmakotherapien immanent (vgl. auch § 6 Abs. 1 des 4. Kapitels der VerfO-GBA). Hierin wird zugleich der entscheidende Unterschied zum Arzneimittelrecht deutlich: Diesem ist der Begriff des Nutzens zwar nicht fremd, denn unbedenklich i.S.v. § 1 AMG und somit zulassungsfähig (§ 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG) ist ein Arzneimittel nur bei günstigem Nutzen-Risiko-Verhältnis (§ 4 Abs. 28 AMG), d.h. wenn die positiven therapeutischen Wirkungen eines Arzneimittels (= Nutzen) die mit seinem Einsatz verbundenen Risiken überwiegen. Lediglich für den - vorliegend nicht betroffenen - generischen Bereich kennt auch das Arzneimittelrecht den durch Vergleich zweier zugelassener Therapiealternativen ermittelten (klinischen) Nutzen (§ 24b Abs. 1 Satz 3 AMG). Während allerdings die vom soeben beschriebenen Nutzen zu trennende Wirksamkeit im arzneimittelrechtlichen Sinne schon dann zu bejahen ist, wenn ein Arzneimittel bessere Behandlungsergebnisse erzielt als die Gabe von Placebos, ist der dem Arzneimittelrecht fremde unmittelbare Vergleich zwischen zumindest zwei für dasselbe Anwendungsgebiet zugelassenen Arzneimitteln Wesensmerkmal des krankenversicherungsrechtlichen Nutzenbegriffs.

d) Im Hinblick auf die Schlussfolgerungen, die der GBA aus dem von ihm zutreffend ermittelten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in Medizin und Pharmakologie zieht, steht ihm, wie jedem anderen Normgeber, indes ein nicht unerheblicher Gestaltungsspielraum zu, der von den Gerichten im Wesentlichen nur noch daraufhin zu überprüfen ist, ob die Grenzen des Ge-staltungsspielraums eingehalten sind, etwa weil die Bewertung ersichtlich fehlerhaft ist oder auf eine Verkennung der gesetzlich vorgegebenen Bewertungsmaßstäbe hindeutet (BSG, Urteil vom 31. Mai 2006, a.a.O.; vgl. auch BSG, Urteile vom 1. März 2011 und vom 3. Juli 2012, jeweils a.a.O.).

3) Diesen Anforderungen wird der angegriffene Therapiehinweis nicht in jeder Hinsicht gerecht:

a) Den Kern des Therapiehinweises - die Empfehlung, die Behandlung mit Strontiumranelat allenfalls nach mindestens zwei Frakturen in den letzten 18 Monaten unter adäquater Vorbehandlung mit Bisphosphonaten unter Abwägung therapeutischer Alternativen (Parathormone/SERM) in Erwägung zu ziehen - hat der Beklagte in im Wesentlichen nicht zu beanstandender Weise formuliert.

aa) Zutreffend ist er hierbei davon ausgegangen, dass Strontiumranelat unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots generell nur bei Patienten mit Kontraindikationen bzw. Unverträglichkeiten gegenüber anderen Antiosteoporotika verordnet werden darf. Dies folgt einerseits aus dem fehlenden krankenversicherungsrechtlichen Nutzen (s.o.) und andererseits aus den vom Beklagten für den streitigen Therapiehinweis ermittelten, im Regelfall höheren Therapiekosten dieses Wirkstoffs gegenüber Bisphosphonaten und SERM (Raloxifen). Ist somit als unmittelbarem Ausfluss aus dem Wirtschaftlichkeitsgebots für Strontiumranelat nur ein schmales Anwendungsfeld in der GKV eröffnet, begegnet es keinen grundsätzlichen Bedenken, wenn der Beklagte gleichwohl dieses Anwendungsfeld behutsam erweitert, indem er unter steter Beachtung des Standes der medizinisch-pharmakologischen Wissenschaft Annahmen für ein Therapieversagen unter Bisphosphonaten beschreibt. Auch insoweit ist sein Ausgangspunkt, es gebe keine allgemein anerkannte Definition für ein Therapieversagen bei Osteoporose-Präparaten, nicht angreifbar. Dies wird von der Klägerseite im Übrigen ebenso wenig in Frage gestellt wie die Feststellung, dass auch eine Fraktur während einer medikamentösen Behandlung kein Nachweis eines Therapieversagens ist (ebenso: DVO-Leitlinie, S. 352, 353). Vor diesem Hintergrund kann der Senat zugunsten der Klägerin unterstellen, dass ihre Behauptung, das Risiko einer weiteren Fraktur steige nach einer ersten Fraktur stark an, dem Stand der medizinisch-pharmakologischen Erkenntnisse entspricht (ebenso: DVO-Leitlinie, S. 342). Weil jedoch zugleich die Wahrscheinlichkeit, eine Fraktur zu erleiden, weniger von der medikamentösen Therapie als vielmehr vom allgemeinen Frakturrisiko abhängt (DVO-Leitlinie, S. 353), ist die Forderung nach einer weiteren Fraktur nicht unethisch.

Die Überlegungen, die der Beklagte zur Ermittlung des insoweit maßgeblichen Zeitraums angestellt hat, lassen keine Denk- oder Beurteilungsfehler erkennen. Hierbei ist handelt es sich um eine Schlussfolgerung aus dem insoweit fehlerfrei ermittelten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in Medizin und Pharmakologie, sodass der Beklagte über einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Entscheidungsspielraum verfügt.

bb) Dies gilt aber nicht, soweit der Beklagte die Verordnung von Strontiumranelat mit dem Gebot verknüpft, als therapeutische Alternativen neben den etwas kostengünstigeren selektiven Östrogenrezeptormodulatoren (SERM) auch die 10-fach teureren Parathormone (einziger zugelassener Wirkstoff dieser Hormonklasse ist Teriparatid <Handelsname: Forsteo>) in Erwägung zu ziehen. Denn es ist grundsätzlich widersprüchlich und mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot unvereinbar, wenn der Vertragsarzt beim Übergang auf ein teureres Arzneimittel - hier: von (generischen) Bisphosphonaten auf Protelos - auch prüfen soll, ob er stattdessen den Versicherten auf ein noch sehr viel teureres Präparat umstellt. Dies wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Verordnung von Protelos medizinische Gründe, z.B. Unverträglichkeiten, entgegen stünden. Diese Selbstverständlichkeit, die jedem Vertragsarzt bekannt und bewusst ist, bedarf generell keines besonderen Hinweises. Die Vorgabe an den Vertragsarzt, er möge vor dem Einsatz von Protelos auch Parathormone in Erwägung ziehen, stellt diesen angesichts des Umstands, dass der Therapiehinweis des Beklagten zu Teriparatid (Beschluss vom 21. November 2006, BAnz. Nr. 58 (S. 3121) vom 23. März 2007) keine Abwägung mit Strontiumranelat vorsieht, vor eine eigentümliche Situation: Verordnet er Protelos, ohne Parathormone in Erwägung gezogen zu haben, setzt er sich der Gefahr eines Einzelverordnungsregresses aus, weil er die Vorgaben des Therapiehinweises zu Strontiumranelat nicht berücksichtigt habe. Verordnet er hingegen nach der Abwägung mit Strontiumranelat das Parathormon Teriparatid und beachtet hierbei die Einschränkungen des hierzu ergangenen Therapiehinweises, verhält er sich zwar unwirtschaftlich, weil er 10-fach höhere Kosten verursacht hat, kann sich jedoch in einem möglichen Regressverfahren zumindest darauf berufen, er habe sich entsprechend beider o.g. Therapiehinweise verhalten. Welches konkrete Ziel im Rahmen der ihm obliegenden Verhaltenssteuerung der Beklagte hiermit erreichen wollte, vermochte er während des gesamten Verfahrens nicht darzulegen.

b) Die Feststellungen des Beklagten im Abschnitt „Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise“, Absatz 7, Sätze 2 und 3 („Zu extravertebralen Frakturen von klinischer Relevanz wird das Ergebnis einer gepoolten Metaanalyse beider Studien von der Zulassungsbehörde als nicht überzeugend gewertet. Erst Post-hoc-Analysen von kleinen Subgruppen in gepoolten Auswertungen, die in biometrischer Hinsicht nicht ausreichend belastbar sind, zeigen zu Hüftfrakturen nach Ansicht der Behörde ebenfalls Effekte in einer zu Bisphosphonaten vergleichbaren Größenordnung.“) verstoßen gegen den o.g. Grundsatz der positiven Vorgreiflichkeit.

aa) Umstritten sind insoweit nur die Aussagen zur Reduktion extravertebraler (d.h. Hüft-) Frakturen. Die Fachinformation (Ziffer 5.1) enthält hierzu folgende Darstellung:

„Mit einer Untergruppe von Patientinnen aus der TROPOS Studie von besonderem medizinischen Interesse und hohem Frakturrisiko [definiert als Schenkelhals-BMD T-Score ≤– 3 SD (Herstellerbereich, der einer SD – 2,4 NHANES III entspricht) und einem Alter von ≥74 Jahren (n=1977, d.h. 40% der TROPOS Population)] wurde eine a posteriori Analyse durchgeführt.

In dieser Gruppe reduzierte PROTELOS über den dreijährigen Behandlungszeitraum das Risiko für Hüftfrakturen um 36% im Vergleich zur Placebogruppe (Tabelle 2).“

Diese Feststellungen genügten der Zulassungsbehörde offensichtlich, um eine Wirksamkeit von Protelos auch hinsichtlich einer Reduktion von Hüftfrakturen anzunehmen und dementsprechend das Anwendungsgebiet auch auf dieses Behandlungsziel zu erstrecken. Angesichts dieses Befundes ist der Beklagte rechtlich an jeglicher einschränkender oder abwertender Äußerung hierzu gehindert. Denn diese Feststellungen nehmen an der Bindungswirkung der Zulassungsentscheidung bezüglich der Kategorie „Wirksamkeit“ teil und sind einer abweichenden Beurteilung durch den GBA entzogen. Auf die Qualität der zugrunde liegenden wissenschaftlichen Aussage oder Evidenz kommt es nicht mehr an. Selbst wenn die europäische Zulassungsbehörde eine vom pharmazeutischen Unternehmer eingereichten Studie fehlerhaft ausgewertet und deshalb zu unrichtigen Ergebnissen gelangt sein sollte, hat der GBA dies wegen der Bindungswirkung der Zulassung hinzunehmen.

bb) Dies nimmt dem Beklagten allerdings nicht die Möglichkeit, die aus seiner Sicht unzureichende Studienlage im Rahmen der Nutzenbewertung im o.g. Sinne, d.h. im Zusammenhang mit einem unmittelbaren Vergleich zweier oder mehrerer für die gleiche Indikation zugelassener Arzneimittel, zu verwerten. Einen solchen unmittelbaren Vergleich hat der Beklagte hier nicht vorgenommen. Hätte er die Aussagen der Fachinformation zur Rate extravertebraler Frakturen unter Strontiumranelat entsprechenden Ergebnissen bei anderen Antiosteoporotika gegenüber gestellt und wäre hierbei zum Ergebnis gelangt, die Ergebnisse für Strontiumranelat seien weniger aussagekräftig, weil sie auf einer post-hoc-Subgruppenanalyse beruhten - die geringere Aussagekraft solcher Analysen wird von der Klägerseite nicht generell angezweifelt -, wäre diese Form der Nutzenbewertung wohl nicht zu beanstanden.

c) Im Abschnitt „Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise“, Absatz 7, Sätze 1 und 2 („Die schwerwiegendsten Nebenwirkungen der Behandlung mit Strontiumranelat sind thrombembolische Ereignisse, die mit einer jährlichen Inzidenz von zirka 0,7 % auftreten. Im Vergleich liegt diese bei dem SERM Raloxifen bei 0,8 %.“) ist die Passage „die mit einer jährlichen Inzidenz von zirka 0,7 % auftreten. Im Vergleich liegt diese bei dem SERM Raloxifen bei 0,8 %“ unzutreffend und daher rechtswidrig.

aa) Art. 12 Abs. 1 GG schützt nicht vor der Verbreitung von inhaltlich zutreffenden und unter Beachtung des Gebots der Sachlichkeit sowie mit angemessener Zurückhaltung formulierten Informationen durch einen Träger von Staatsgewalt. Die inhaltliche Richtigkeit einer Information ist grundsätzlich Voraussetzung dafür, dass sie die Transparenz am Markt und damit dessen Funktionsfähigkeit fördert. Informationen unterliegen hierbei wie jedes Staatshandeln dem Sachlichkeitsgebot. Bei marktbezogenen Informationen richten sich die Anforderungen auch nach den Funktionserfordernissen des Wettbewerbs. Wertungen dürfen nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen. Die Information darf auch bei zutreffendem Inhalt in der Form weder unsachlich noch herabsetzend formuliert sein. Im Übrigen ist die Verbreitung von Informationen unter Berücksichtigung möglicher nachteiliger Wirkungen für betroffene Wettbewerber auf das zur Informationsgewährung Erforderliche zu beschränken (BVerfGE 105, 252). Diese Grundsätze, die für die informelle, d.h. nicht normativ vorgeprägte Informationstätigkeit staatlicher Organe entwickelt wurden, müssen erst recht gelten, wenn ein Parlamentsgesetz einen Normgeber (hier: den Beklagten durch § 92 Abs. 2 Satz 7, 1. Halbsatz SGB V) zu Informationen in der Gestalt untergesetzlichen Rechts ausdrücklich ermächtigt.

bb) Diesen Anforderungen wird die Darstellung des Beklagten zu den Inzidenzraten thrombembolischer Ereignisse unter Strontiumranelat einerseits und Raloxifen andererseits nicht gerecht. Zwar stimmen die Inzidenzraten von 0,7 % und 0,8 % mit den Angaben in den jeweiligen Fachinformationen überein. Nicht erwähnt wird im Therapiehinweis indes, dass im Rahmen der Zulassungsstudie für Raloxifen - abweichend zu der für Strontiumranelat - aus der Studienpopulation Frauen ausgeschlossen waren, die in letzten 10 Jahren an thrombembolischen Erkrankungen gelitten hatten (Ettinger e.a., JAMA 1999, 637ff). Es liegt auf der Hand, dass angesichts dieser gravierenden Abweichung in der Studienpopulation die Gegenüberstellung beider Inzidenzraten ohne Hinweis auf diese Abweichung einen unzulässigen, weil verfälschenden und somit unzutreffenden Vergleich darstellt. Dies gilt selbst vor dem Hintergrund, dass nach der Darstellung im Therapiehinweis die Nebenwirkungsrate von Raloxifen sogar geringfügig höher und somit ungünstiger ist als die von Strontiumranelat. Denn die geringe Abweichung beider Inzidenzraten legt fälschlicherweise eine insoweit bestehende Gleichwertigkeit beider Wirkstoffe nahe, sodass bei Vertragsärzten der Eindruck entstehen kann, wegen des geringfügigen Preisvorteils von Evista sei dieses Arzneimittel grundsätzlich vorzugswürdig.

An der insoweit bestehenden Rechtswidrigkeit des Therapiehinweises ändert sich auch dadurch nichts, dass VTE nach dem oben Gesagten Mitte 2012 von einem Warnhinweis (Ziffer 4.4 der Fachinformation) in eine Gegenanzeige (Ziffer 4.3) „hochgestuft“ wurden. Denn die Fehlerhaftigkeit besteht im unzulässigen Vergleich von Nebenwirkungsraten zweier Antiosteoporotika. Dass der Einsatz von Protelos bei Patientinnen mit erhöhtem Risiko von VTE nur mit Vorsicht erfolgen sollte, ergibt sich für jeden Vertragsarzt unzweideutig schon aus der Fachinformation.

d) Vergleichbares gilt für die Aussage „Bisphosphonate gelten weiterhin als Therapie der ersten Wahl“ im Abschnitt „Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise“ (Absatz 3, Satz 2).

aa) Der unter c) aa) genannte verfassungsrechtliche Ausgangspunkt bedarf insoweit allerdings einer Modifizierung. Denn der Träger der Staatsgewalt kann zur Verbreitung von Informationen unter besonderen Voraussetzungen auch dann berechtigt sein, wenn ihre Richtigkeit noch nicht abschließend geklärt ist. In solchen Fällen hängt die Rechtmäßigkeit der staatlichen Informationstätigkeit davon ab, ob der Sachverhalt vor seiner Verbreitung im Rahmen des Möglichen sorgsam und unter Nutzung verfügbarer Informationsquellen, gegebenenfalls auch unter Anhörung Betroffener, sowie in dem Bemühen um die nach den Umständen erreichbare Verlässlichkeit aufgeklärt worden ist. Verbleiben dennoch Unsicherheiten in tatsächlicher Hinsicht, ist der Staat an der Verbreitung der Informationen gleichwohl jedenfalls dann nicht gehindert, wenn es im öffentlichen Interesse liegt, dass die Marktteilnehmer über einen für ihr Verhalten wichtigen Umstand, etwa ein Verbraucherrisiko, aufgeklärt werden. In solchen Fällen wird es angezeigt sein, die Marktteilnehmer auf verbleibende Unsicherheiten über die Richtigkeit der Information hinzuweisen, um sie in die Lage zu versetzen, selbst zu entscheiden, wie sie mit der Ungewissheit umgehen wollen.

Darüber hinaus wird der Gewährleistungsbereich des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG durch die staatliche Informationstätigkeit auch dann beeinträchtigt, wenn sie sich nicht darauf beschränkt, den Marktteilnehmern marktrelevante Informationen bereitzustellen, auf deren Grundlage diese eigenbestimmte, an ihren Interessen ausgerichtete Entscheidungen über ihr Marktverhalten treffen können. Insbesondere kann die staatliche Informationstätigkeit eine Beeinträchtigung im Gewährleistungsbereich des Grundrechts sein, wenn sie in der Zielsetzung und ihren Wirkungen Ersatz für eine staatliche Maßnahme ist, die als Grundrechtseingriff zu qualifizieren wäre. Durch die Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs können die besonderen Bindungen der Rechtsordnung nicht umgangen werden; vielmehr müssen die für Grundrechtseingriffe maßgebenden rechtlichen Anforderungen erfüllt sein (BVerfG a.a.O.).

bb) Nach Auffassung des Senats ist die o.g. Aussage auch im Hinblick auf diesen weniger strengen Maßstab sachwidrig und daher unzulässig.

(1) Mit der Formulierung „Bisphosphonate gelten weiterhin als Therapie der ersten Wahl“, insbesondere durch das vielfältigen Interpretationen zugängliche Verb „gelten“, bringt der Beklagte nicht eine von ihm oder anderweitig festgestellte (unstrittige) Tatsache zum Ausdruck, sondern referiert lediglich, dass Bisphosphonate als Therapie der ersten Wahl „eingeschätzt“ bzw. „angesehen“ werden (Duden - Das Bedeutungswörterbuch, 3.A., 2002, S. 410). Ob diese Arzneimittel tatsächlich die First-Line-Therapie bilden, lässt der Therapiehinweis offen, ohne dass erkennbar ist, auf welchem Grund die missverständliche Formulierung beruht. Dies wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht.

Geht man mit dem Senat davon aus, dass der unter aa) beschriebene gelockerte Maßstab nicht nur für die informelle staatliche Informationstätigkeit gilt, sondern auch für die auf spezialgesetzlicher Ermächtigung beruhende, hat der Beklagte gleichwohl die sich daraus ergebenden Vorgaben verkannt. Er wäre danach zwar möglicherweise nicht gehindert gewesen, die Information „Bisphosphonate sind die Therapie der ersten Wahl“ trotz bestehender Zweifel an deren Richtigkeit in den Therapiehinweis aufzunehmen. Dass solche Zweifel vorhanden waren, ist indes weder den „Tragenden Gründen“ (veröffentlich unter http://www.g-ba.de/downloads/40-268-720/2008-05-15-AMR4-Strontiumranelat_TrG.pdf) noch dem Vorbringen des Beklagten im Prozess zu entnehmen. Vielmehr hat er den Sachverhalt „im Rahmen des Möglichen sorgsam und unter Nutzung verfügbarer Informationsquellen“ aufgeklärt. Die missverständliche Formulierung lässt sich auch nicht im Hinblick auf mögliche Verbraucherrisiken, konkret etwaige nicht bereits anderweitig zum Ausdruck gebrachte gesundheitliche Risiken für die Versicherten, rechtfertigen. Denn solche Risiken wurden vom Beklagten nicht behauptet und sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.

Unabhängig hiervon bringt die Verwendung des Verbs „gelten“ die beim Beklagten möglicherweise bestehende Unsicherheit nicht mit der erforderlichen Klarheit zum Ausdruck. Die gewählte Formulierung lässt vielmehr offen, nach wessen Einschätzung Bisphosphonate als Therapie der ersten Wahl „gelten“ und somit im Vergleich zu Strontiumranelat vorzugswürdig sein sollen. Hierdurch werden Zweifel an der medizinischen Gleichwertigkeit beider Therapiealternativen gesät, ohne dass gleichzeitig der Grund für eine eventuelle Unsicherheit über die Richtigkeit der Information mitgeteilt wird.

(2) Die vom Beklagten vorgebrachte Begründung für die o.g. Feststellung trägt nicht. Dass Strontiumranelat einen therapeutischen Vorteil gegenüber anderen Antiosteoporotika hat, nimmt nicht einmal die Klägerin für ihr Arzneimittel in Anspruch. Sie hat aber zuletzt auch nicht in Abrede gestellt, dass angesichts therapeutischer Gleichwertigkeit die kostengünstigeren Bisphosphonate aus ebendiesem Grund vorzugswürdig seien. Dieser Standpunkt weicht somit nicht von dem ab, was der Beklagte - nach seinem Vorbringen - mit der o.g. Aussage zum Ausdruck bringen wollte. Allerdings spiegelt die o.g. Feststellung diese Absicht des Beklagten nur in verzerrter, missverständlicher und daher unzulässiger Weise wider. Zum einen fehlt jeglicher Hinweis, dass die Vorzugswürdigkeit der Bisphosphonate gerade auf wirtschaftlichen Überlegungen beruht. Zum anderen beinhaltet - wie bereits dargelegt - die Bedeutung des Verbs „gelten“ ein Element der Unsicherheit, welche tatsächlich nicht besteht. Der Beklagte hat im Übrigen auch nicht darlegen können, aus welchen Gründen er sich nicht in der Lage sah, die o.g. Aussage durch die vom Senat im Erörterungstermin vorgeschlagene, auch von der Klägerseite akzeptierte Alternativformulierung „Bisphosphonate sind unter wirtschaftlichen Gesichtspunkte die Therapie der ersten Wahl“ zu ersetzen.

e) Unzutreffend ist ferner die Aussage „Die europäische Zulassungsbehörde sieht einen klaren Einfluss von Strontiumranelat auf die Muskelzellintegrität, deren klinische Wertigkeit unklar ist und in Pharmakovigilanzbeobachtungen geklärt werden soll“ (Abschnitt „Risiken - ggf. Vorsichtsmaßnahmen“, letzter Satz).

Der Therapiehinweis gibt insoweit zusammenfassend folgenden Passus aus dem EPAR (Seite 22, im Abschnitt „Discussion on clinical safety“) wieder:

“There is clear impact of treatment with Sr ranelate on skeletal muscle cell integrity, as expressed by circulating levels of CK. The clinical importance of this may be minor, but surveillance will be needed, as described within the pharmakovigilance plan post-marketing.”

Hierbei wurde fälschlicherweise „minor” mit „unklar” übersetzt. Für das englische Adjektiv „minor“ stehen in der deutschen Sprache Begriffe wie „klein“, „unbedeutend“, „geringfügig“ oder „untergeordnet“, nicht aber „unklar“ zur Verfügung (Langenscheidt Handwörterbuch Englisch, Teil I, 2005, S. 378). Dies hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2013 auch nicht bestritten. Er hält den Bedeutungsunterschied jedoch für unbeachtlich. Diese Ansicht teilt der Senat nicht.

Für eine pharmazeutische Unternehmerin wie die Klägerin kann es durchaus einen Unterschied machen, ob die klinische Wertigkeit eines Umstands „unklar“ oder „geringfügig“ ist. Ist die Wertigkeit „geringfügig“, steht zwar fest, dass sie nicht groß ist, sie fehlt aber auch nicht vollständig. Letzteres ist bei einer „unklaren“ Wertigkeit nicht auszuschließen. Diese könnte sich
- nach den empfohlenen weiteren Beobachtungen - sogar als erheblich erweisen. In diesem Zusammenhang hat der Senat nicht zu beurteilen, ob eine - und ggf. welche - der beiden Formulierungen für die Klägerin objektiv günstiger ist. Angesichts des Bedeutungsunterschieds, insbesondere aber im Hinblick auf die grundrechtlichen Gewährleistungen entspringende Pflicht staatlicher Organe, nur zutreffende Informationen zu verbreiten (BVerfG, a.a.O.), ist ein Grundsrechtsverstoß schon dann zu bejahen, wenn die Grundrechtsträgerin (hier: die Klägerin) eine unzutreffende Übersetzung aus einer Fremdsprache aus nachvollziehbaren Gründen als beeinträchtigend ansieht.

4) Der Therapiehinweis ist nicht zu beanstanden, soweit er die folgenden - unberechtigten - Einwände betrifft:

a) Schon im Ansatz verfehlt ist nach dem oben unter IV) 2) Gesagten die Behauptung der Klägerin, der Therapiehinweis widerspreche dem arzneimittelrechtlich festgestellten Nutzen. Diese Auffassung verkennt den oben dargelegten grundsätzlichen Unterschied zwischen der arzneimittelrechtlichen Wirksamkeit und dem krankenversicherungsrechtlichen Nutzen. Da weder nach deutschem - von der o.g. Ausnahme in § 24b Abs. 1 Satz 3 AMG abgesehen - noch nach europäischem Arzneimittelrecht ein unmittelbarer Vergleich zwischen zugelassenen Pharmakotherapien vorgesehen ist, können den von der Klägerseite zitierten Unterlagen der EMA bzw. der Kommission keinerlei Aussagen hinsichtlich der Überlegenheit einzelner Arzneimittel oder ein Rangverhältnis zwischen mehreren Arzneimitteln entnommen werden. Sollten im Einzelfall dennoch diesbezüglich Aussagen durch EU-Behörden getroffen worden sein, wären sie jedenfalls für das Recht des SGB V nicht maßgeblich, da sie von der Bindungswirkung der arzneimittelrechtlichen Zulassung gerade nicht umfasst werden. Durch wen auch immer geäußerte Einstufungen von Protelos als sog. A-Klassifikation sind irrelevant, weil hierdurch kein therapeutischer Nutzen im o.g. Sinne nachgewiesen werden kann.

b) Der Therapiehinweis zu Strontiumranelat ist aber auch nicht zu beanstanden, soweit er davon ausgeht, dass ein therapeutischer Vorteil dieses Wirkstoffs gegenüber anderen Antiosteoporotika nicht belegt ist.

Hierbei hat der Beklagte zu Recht darauf abgestellt, dass - was die Klägerin nicht grundsätzlich in Frage stellt - keine Studien existieren, die einen direkten Vergleich zwischen Strontiumranelat bzw. Protelos und anderen zur Behandlung der Osteoporose zugelassenen Wirkstoffen bzw. Arzneimitteln zum Gegenstand haben. Dieses Vorgehen basiert auf den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin, deren generelle Anwendbarkeit im System der GKV der Gesetzgeber schon zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im September 2008 angeordnet hatte (vgl. §§ 31 Abs. 2a Satz 8, 35 Abs. 1b Satz 4, 35b Abs. 1 Satz 5, 73b Abs. 2 Nr. 2, 137f Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB V, jeweils in der im September 2008 geltenden, hier maßgeblichen Fassung). Die herausragende Bedeutung direkt vergleichender Studien hat er außerdem durch § 35 Abs. 1b Satz 5 SGB V zum Ausdruck gebracht. Entgegen der klägerischen Auffassung ist die Durchführung direkt vergleichender Studien für Antiosteoporotika nicht aus biometrischen Gründen ausgeschlossen. Aus welchen Gründen solche Studien nur mit „einigen zehntausend Patienten“ durchführbar sein sollen, erschließt sich dem Senat schon deshalb nicht, weil ausweislich der Fachinformation zu Protelos (Ziffer 5.1) für die der Zulassung maßgeblich zugrunde liegenden Studien (SOTI und TROPOS) „nur“ 7.740 Patientinnen als offensichtlich ausreichend angesehen wurden.

Die von der Klägerin ins Feld geführten „direkt vergleichenden Studien von Protelos mit anderen Osteoporose-Präparaten“ sind nicht geeignet, einen therapeutischen Vorteil von Protelos zu belegen, weil sie

- nicht vollständig, sondern nur als Zusammenfassung, sog. „Abstract“, (Rizzoli e.a., Osteoporos Int 2009, 163ff; Marquis, P. e.a., Osteoporos Int 2005, 54; Marquis, P., Roux, C. e.a., Osteoporos Int 2007, 296; Ringe, Osteologie 2008, Kongress-Abstract, Poster 1 und 2; Ringe, Z Gerontol Geriat 2008, 111f bzw. 112) oder ohne Angaben zur den Autoren (die unter clinicalstudyresult.org zugängliche Studie) veröffentlicht sind;

- sich (wie Recker e.a., JMBR 2009, 1358ff) nicht auf patientenrelevante Endpunkte, sondern generell ungeeignete (BSG, Urteile vom 1. März 2011, a.a.O.; Schickert, PharmaR 2010, 452) Surrogatparameter beziehen;

- keine Studie, sondern lediglich einen Konsensus (National Institute of Health, JAMA 2001) oder eine Meinungsäußerung (Meunier e.a., JBMR 2009, online, Dokument 10.1359/JBMR. 090903) darstellen.

c) Der Beklagte durfte auch darauf hinweisen, dass Studien zur sequentiellen Therapie fehlten. Die von der Klägerin angeführten klinischen Beobachtungen musste der Beklagte nicht berücksichtigen, da diese regelmäßig der untersten Evidenzstufe des von ihm zu Recht angewandten Evidenzklassensystem (vgl. § 11 Absätze 2 und 3 des 2. Kapitels VerfO-GBA, § 7 Abs. 4 des 4. Kapitels VerfO-GBA) zuzuordnen sind. Zwar trifft es zu, dass bei Fehlen höherrangiger Studien auf andere aussage- und beweiskräftige Studien ausgewichen werden kann. Keiner Beanstandung unterliegt indes die Verfahrensweise des GBA, nach § 7 Abs. 5 Sätze 2 und 3 des 4. Kapitels VerfO-GBA im Allgemeinen („sollen“) Unterlagen der Evidenzstufe I mit patientenrelevanten Endpunkten, vorrangig randomisierte, kontrollierte, klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln oder Behandlungsformen, zu fordern. Liegen solche Unterlagen nicht vor, darf der GBA ohne Rechtsverstoß von einem fehlenden therapeutischen Nutzen (hier: für die sequentielle Behandlung der Osteoporose u.a. mit Strontiumranelat) ausgehen, wenn die vorgelegten Belege niederer Evidenz im konkreten Bewertungsfall unter Beweisgesichtspunkten nicht als ausreichend erscheinen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Juli 2012, a.a.O., zur parallelen Problematik bei der ausnahmsweisen Aufnahme von Medizinprodukten in die AM-RL) Bei der Klassifizierung der Evidenzstufen ist im Hinblick auf die "höchstmögliche Evidenz" auf § 7 Abs. 4 des 4. Kapitels VerfO-GBA zurückzugreifen, wo die einzelnen Evidenzstufen näher erläutert sind. Danach bedarf es grundsätzlich eines Beleges durch Unterlagen der Evidenzstufe I (Ia: Systematische Übersichtsarbeiten von Studien der Evidenzstufe Ib, Ib: Randomisierte klinische Studien). Die von Seiten der Klägerin angesprochenen Veröffentlichungen (Busse, JBMR 2007, S. 484f; Ringe, a.a.O.) genügen diesen Anforderungen nicht, weil sie nicht vollständig, sondern nur als Zusammenfassung veröffentlicht sind.

d) Auch die Beanstandungen der Klägerin, die die Darstellung der Nebenwirkungen von Strontiumranelat auf das Nervensystem betreffen, gehen fehl. Die Klägerin stört sich hierbei insbesondere daran, dass nur im Abschnitt „Risiken - ggf. Vorsichtsmaßnahmen“ (dort im 16. Absatz) die Daten zu den Nebenwirkungen der Fachinformation für Protelos entsprächen, nicht hingegen im Zusammenhang mit der Aussage „Unter Parathormonen und SERM sind die bei Strontiumranelat beobachteten zentralnervösen Nebenwirkungen nicht beschrieben“ (Abschnitt „Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise“, 5. Absatz). Zwar wird durch den Therapiehinweis an dieser Stelle in der Tat ein negatives Bild von Strontiumranelat gezeichnet. Dies ist allerdings berechtigt, da weder nach dem Vorbringen der Klägerin noch anderweitig ersichtlich ist, bei welchem anderen Antiosteoporotikum derartige Nebenwirkungen auch auftreten.

e) Zutreffend hat der Beklagte im Therapiehinweis - in Übereinstimmung mit ähnlich formulierten Zweifeln in der Fachinformation (Ziffer 5.1) - darauf hingewiesen, dass wegen einer höheren Absorption von Röntgenstrahlen die Knochendichtemessung zur Verlaufsbeurteilung bei der Behandlung mit Strontiumranelat bereits aus diesem Grund nicht geeignet ist. Die Einwände der Klägerin hiergegen betreffen in der Sache nicht die Aussagekraft der Knochendichtemessung (BMD) - in Form einer dualen Photonenröntgenabsorptiometrie (DXA) - zur Beurteilung eines Behandlungserfolgs unter Strontiumranelat, sondern setzen eine solche Aussagekraft voraus und betonen die aus ihrer Sicht guten Knochendichte-Werte bei der Therapie mit Protelos.

Sofern der Beklagte an anderer Stelle den Wert der Knochendichtemessung für das Therapiemonitoring unter Strontiumranelat-Behandlung wegen fehlender Vergleichbarkeit mit anderen medikamentösen Behandlungen als unklar bezeichnet, weicht die Klägerin hiervon nicht ab, wenn sie eine solche Aussage wegen der insoweit grundsätzlich fehlenden Vergleichbarkeit für wissenschaftlich wenig sinnvoll hält.

f) Zu pharmaökonomischen Überlegungen ist der Beklagte von Rechts wegen nicht verpflichtet.

g) Der Beklagte durfte auch die Bedenken der EMA „in Hinsicht auf den langfristigen Einfluss von Strontiumranelat auf das Skelett“ wiedergeben. Dieses Zitat aus der o.g. Scientific Discussion lautet im Original: „There is some remaining concern regarding any long-term consequences of skeletal accretion of Sr.“

Der Senat kann an dieser Stelle offen lassen, ob die von der Klägerin in Anspruch genommene Änderung des Stands der wissenschaftlichen Erkenntnisse seit der Zulassung von Protelos im Jahre 2004 zu den pharmakokinetischen Eigenschaften zählt, die von den Fachkreisen nur dann zu beachten sind, wenn sie auch Eingang in die Fachinformation gefunden haben. Denn jedenfalls verfügen die von der Klägerseite angeführten Publikationen zu den langfristigen Auswirkungen von Strontiumranelat auf das menschliche Skelett nicht über die erforderliche hohe Evidenz, weil sie

- nicht vollständig, sondern allenfalls als Zusammenfassung, sog. „Abstract“, (Meunier e.a., Osteoporos Int 2006, S. 114; Busse, JBMR 2007, S. 484f) veröffentlicht sind;

- präklinische (hier: Tiere betreffende) Untersuchungen, retrospektive Subgruppenanalysen (Arlot e.a., JBMR 2008, S. 215ff) oder Einzelfallberichte darstellen (Ammann e.a., JBMR 2004, S. 2012ff; Shen e.a. ASBMR 24th Annual Meeting, S. 376; Frieling e.a., Osteologie 2007, Suppl. 1; Farlay e.a., JBMR 2005, S. 1569ff);

- als prospektive Studien das Auftreten von Frakturen unter einer Strontiumranelat-Therapie, nicht aber die Veränderungen der Knochensubstanz als primären Endpunkt ausweisen (Reginster e.a., Arthritis and Rheum 2008, S. 1687ff);

- keine langfristigen, d.h. über 5 Jahre hinausreichenden Effekte auf das Skelett zum Gegen-stand haben (Boivin, Osteoporos Int 2009, published online 14. Juli 2009);

- bei Erstellung des EPAR bereits vorlagen (Reginster e.a., Drugs Today 2003, S. 89ff).

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.