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Türke; sofort vollziehbare Ausweisung; zwingende Ausweisung; Regelausweisung; besonderer Ausweisungsschutz; Niederlassungserlaubnis; Handel mit Betäubungsmitteln; Mehrfachtäter; Wiederholungsgefahr; Generalprävention; maßgeblicher Zeitpunkt; ARB 1/80; Art. 8 EMRK; Art. 3 ENA; vorläufiger Rechtsschutz


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat Entscheidungsdatum 27.01.2012
Aktenzeichen OVG 11 S 2.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 51 Abs 1 Nr 5 AufenthG, § 53 Nr 2 AufenthG, § 56 Abs 1 S 1 Nr 1 AufenthG, § 56 Abs 1 S 2 AufenthG, § 56 Abs 1 S 3 AufenthG, § 56 Abs 1 S 4 AufenthG, § 58 AufenthG, § 59 AufenthG, § 84 Abs 2 AufenthG, § 80 Abs 3 VwGO, § 80 Abs 5 VwGO, § 146 Abs 4 VwGO

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der 1968 geborene türkische Antragsteller reiste erstmals Ende 1990 mit einem Touristenvisum ins Bundesgebiet ein und erhielt nach Eheschließung mit einer 1947 geborenen deutschen Staatsangehörigen im März 1991 eine Aufenthaltserlaubnis für die Dauer von drei Jahren. Im März 1994 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die später als Niederlassungserlaubnis fortgalt. Die kinderlose Ehe wurde jedenfalls vor dem 9. März 2001 geschieden.

Der Antragsteller ist mehrfach rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden, u.a. wegen Körperverletzungsdelikten in den Jahren 1992 (zu einer Geldstrafe) und in Verbindung mit anderen Delikten in den Jahren 2001 sowie 2002 (jeweils zu einem Jahr Freiheitsstrafe). Ferner wurde er - jeweils tatmehrheitlich begangen - im April 2002 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Btm) in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Btm und im Juni 2002 wegen gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Btm und unerlaubtem Erwerb von Btm jeweils zu Freiheitsstrafen verurteilt. Unter Einbeziehung der Vorstrafen befand er sich vom 18. August 2003 bis zum 22. Mai 2006 in Untersuchungs- bzw. anschließend Strafhaft. Während diese Betäubungsmitteldelikte ausschließlich Haschisch bzw. Marihuana betrafen, wurde er durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 22. Mai 2008 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Heroin in nicht geringer Menge (ca. 2 kg) zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 11 Monaten verurteilt, deren Verbüßung bis Ende Februar 2011 andauerte.

Durch Bescheid des Antragsgegners vom 2. Februar 2011 wurde der Antragsteller unter Anordnung sofortiger Vollziehung ausgewiesen und seine Abschiebung in die Türkei unmittelbar aus der Strafhaft angeordnet, hilfsweise seine Abschiebung dorthin angedroht. Die am 21. Februar 2011 erhobene Klage VG 19 K 43.11 ist beim Verwaltungsgericht anhängig. Den Antrag auf Wiederherstellung ihrer aufschiebenden Wirkung hat dieses durch Beschluss vom 19. Mai 2011 im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, das vom Antragsgegner dargelegte besondere Vollzugsinteresse zur Vermeidung weiterer schwerer Straftaten überwiege angesichts der nicht tiefgreifenden Bindungen des Antragstellers im Bundesgebiet sein (vorläufiges) Verbleibinteresse. Zwar sei die nach § 53 Nr. 2 AufenthG zwingende Ausweisung durch den besonderen Ausweisungsschutz infolge seines langjährigen Aufenthalts und des Besitzes einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu einer Regelausweisung herabgestuft und könne er nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden, solche lägen hier aber angesichts seiner Straftaten und ungeachtet des Beginns einer Drogentherapie vor. Dass der Bescheid teilweise falsche Angaben enthalte (Handel mit 13 kg Kokain und 8 kg Haschisch, Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft, hier lebende Familienangehörige), sei für die hiesige Entscheidung, ob ein atypischer Fall vorliege, unerheblich. Im Übrigen wäre ein etwaiges Ermessen vorliegend aber auch ohnehin auf Ausweisung reduziert. Das Vorliegen von Ansprüchen aus Art. 6 ARB 1/80 sei nicht ersichtlich, zudem die Ausweisung aber auch aus spezialpräventiven Gründen zulässig. Nichts anderes gelte für Art. 8 EMRK und Art. 3 Abs. 3 des Europäischen Niederlassungsankommens vom 13. Dezember 1955 (ENA). Auch die Abschiebungsandrohung sei offensichtlich rechtmäßig.

II.

Die rechtzeitig erhobene und begründete Beschwerde des Antragstellers gegen diesen Beschluss hat auf der Grundlage des nach § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO allein maßgeblichen Beschwerdevorbringens keinen Erfolg.

Zunächst macht der Antragsteller geltend, der Sofortvollzug sei entgegen der verwaltungsgerichtlichen Annahme nicht in „formell ordnungsgemäßer Weise angeordnet“ worden, da „die sofortige Vollziehung gesondert und schriftlich auf den Einzelfall bezogen ein besonderes Vollzugsinteresse“ darzulegen habe. So werde werde in der Anordnung zu Unrecht von dem Rechtsbehelf des „Widerspruchs“ anstatt der „Klage“ gesprochen. Unzutreffend sei angesichts des zeitlichen Abstands der Begehung der letzten Btm-Delikte von sieben Jahren auch die dortige Annahme, er habe „mehrfach innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne“ gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen. Auch ansonsten werde diese Anordnung „erkennbar an einen falschen Sachverhalt geknüpft“ bzw. lasse der Bescheid selbst eine falsche Tatsachengrundlage erkennen. Zudem lasse sich der Anordnung sofortiger Vollziehung nicht entnehmen, dass wesentliche Gesichtspunkte, die gegen eine Wiederholungsgefahr sprächen, berücksichtigt worden seien. Schließlich beinhalte auch der dortige Hinweis, dass die durch den Handel und Konsum von Btm entstehenden gesellschaftlichen Schäden seine sofortige Ausreise zwecks effektiver Abschreckung Dritter erforderlich mache, einen eklatanten Rechtsverstoß. Denn zum einen mache das Strafurteil des Landgerichts Berlin vom 22. Mai 2008 deutlich, dass aufgrund polizeilicher Observation zu keinem Zeitpunkt die Gefahr bestanden habe, dass Btm in Umlauf kämen, und seien seine strafbaren Handlungen durch die Polizei veranlasst gewesen. Zudem sei er nach diesem Urteil drogenabhängig gewesen, habe sich erfolgreich um einen Therapieplatz bemüht und sei von der Drogenberatung „Vista“ betreut worden. Zum anderen seien generalpräventive Aspekte bei der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung angesichts seines langjährigen Aufenthalts und Besitzes einer Niederlassungserlaubnis sowie der sich aus seiner langjährigen Berufstätigkeit ergebenden und durch den vorgelegten Rentenversicherungsverlauf vom 8. Dezember 2006 belegten Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. November 2007 zum Geschäftszeichen 1 C 45/06, auf das beispielhaft verwiesen werde, nicht zulässig.

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Begründung der Vollziehungsanordnung ein formelles Erfordernis darstellt und die behördliche Begründung im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht materiell auf ihre Rechtmäßigkeit, insbesondere nicht auf sachgerechte Ermessensausübung überprüft wird, sondern dass das Verwaltungsgericht aufgrund eigener (meist auch umfassenderer) Abwägung darüber entscheidet, ob und inwieweit es die aufschiebende Wirkung wiederherstellt. Damit ist es nicht vereinbar, zusätzlich inhaltliche Anforderungen an die behördliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu stellen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass schriftlich mit dem nötigen Einzelfallbezug - und über eine lediglich floskelhafte Wiederholung der gesetzlichen Anforderung hinaus - zum Ausdruck gebracht wird, dass mit der Vollziehung des Bescheids nicht bis zur Klärung seiner Rechtmäßigkeit abgewartet werden kann (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. Oktober 2008 - 1 S 155.08 - und vom 13. Oktober 2011 - 11 S 67.10 -, jeweils in juris zu Rz. 11).

Diesen Anforderungen wird die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung im streitgegenständlichen Bescheid vom 2. Februar 2011 gerecht. Denn sie stellt - unabhängig davon, ob die angestellten Erwägungen zutreffend sind oder gar überzeugen können - mit dem Hinweis auf mehrfache Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, die Prognose weiterer vergleichbarer Straftaten und das zusätzliche Abstellen auf eine effektive Abschreckung anderer Ausländer, denen gegenüber die privaten Interessen des Antragstellers, insbesondere auch aus seinem langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt, an einem vorläufigen Verbleib zurückstehen müssten, hinreichend auf den Einzelfall ab und wiederholt nicht etwa floskelhaft bloß die gesetzlichen Anforderungen.

Die genannten Einwände des Antragstellers gegen die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung stellen - über die formellen Anforderungen im Rahmen des § 80 Abs. 3 VwGO hinaus - aber auch das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Vollzugsinteresses an der Ausweisung nicht in Frage:

Soweit zu Recht gerügt wird, dort sei als Rechtsbehelf gegen den Bescheid der „Widerspruch“ genannt, handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit. Dies belegt schon die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids, die als Rechtsbehelf zutreffend (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 AGVwGO) die „Klage“ benennt.

Dass der Antragsgegner von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgeht, weil es im Bescheid heißt, der Antragsteller habe „bereits mehrfach innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen“, vermag der Senat nicht festzustellen. Soweit der Antragsteller zur Begründung darauf verweist, zwischen der dem Strafgerichtsurteil vom 18. Juni 2002 zugrunde liegenden (letzten) Tat vom 27. November 2000 und der dem Urteil vom 22. Mai 2008 zugrunde liegenden (letzten) Tat vom 3. Dezember 2007 liege eine Zeitspanne von sieben Jahren, verkennt das schon die genannte Begründung. Diese stellt schon nicht auf die Zeitspanne zwischen den letzten Btm-Verstößen ab. Vielmehr wird nur berücksichtigt, dass er mehrere derartige Verstöße innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne begangen habe. Das bezieht, mag dort die (letzte) Tat auch vom 27. September 1999 datieren, auch die strafgerichtliche Verurteilung vom 11. April 2002 wegen Btm-Verstößen ein. Berücksichtigt man noch, dass der Antragsteller von diesem ca. achtjährigen Zeitraum knapp drei Jahre inhaftiert war und die Verwendung des Zusatzes „relativ“ ein wertendes Element enthält, kann schon von einer unzutreffenden Sachverhaltsfeststellung nicht ausgegangen werden. Jedenfalls aber ist bei dieser Sachlage die maßgebliche Annahme eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung einer Ausweisung nicht verfehlt.

Soweit der Antragsteller vorträgt, aus seinem Schriftsatz vom 1. März 2011 ergebe sich, dass der Sachbearbeiter des Bescheids von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgehe, und er dies zum Gegenstand des Beschwerdevorbringens machen will, fehlt schon jede weitere Erläuterung und damit die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO notwendige Darlegung der Gründe für eine Abänderung oder Aufhebung der Entscheidung. Nichts anderes gilt für das wörtliche Zitat von Teilen der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids, bezüglich derer - ebenfalls ohne nähere Erläuterung - ausgeführt wird: „Damit wird die Anordnung der sofortigen Vollziehung erkennbar an einen falschen Sachverhalt angeknüpft“.

Schon zu Unrecht hält der Antragsteller dem Antragsgegner auch vor - und deshalb vermag dies das sofortige Vollzugsinteressse nicht in Frage zu stellen -, der Anordnung der sofortigen Vollziehung lasse sich gerade nicht entnehmen, dass folgende wesentliche Gesichtspunkte, die gegen eine Wiederholungsgefahr sprächen, berücksichtigt worden seien:

- Dass die erwähnte Zeitspanne zwischen den letzten Btm-Straftaten von sieben Jahren die Wahrscheinlichkeit erneuter derartiger Delikte in relevantem Umfang herabsetzen soll, vermag der Senat gerade auch unter Berücksichtigung des Umstandes nicht zu erkennen, dass der Antragsteller zwischenzeitlich knapp drei Jahre in Haft saß, mithin solche Straftaten kaum begehen konnte, und selbst diese Inhaftierung ihn nicht vom erneuten Handeltreiben mit Btm, und zwar nunmehr sogar mit Heroin in großer Menge (ca. 2 kg), abhalten konnte.

- Die Behauptung, die letzte Tat stamme vom 12. November 2000, ist schon unrichtig. Vielmehr datiert diese vom 3. Dezember 2007. Auch wurde der Antragsteller erst Ende Februar 2011 aus der Haft entlassen, d.h. nach Bescheiderlass. Eine Berücksichtigung hierin war folglich gar nicht möglich.

- Dass den Antragsteller ausweislich des Landgerichtsurteils vom 22. Mai 2008 eine Vertrauensperson und zwar wiederholt auf die Lieferung größerer Mengen Heroin angesprochen und das Heroingeschäft „initiiert“ hatte, stellt die erneute Begehung von Btm-Delikten durch den Antragsteller schon nicht in Frage.

- Gleiches gilt für den Umstand, dass durch die seinerzeitige umfangreiche polizeiliche Observation die Gefahr, dass das Heroin tatsächlich in die Hand von Konsumenten gelangen konnte, nicht bestand.

- Dass das Tatgeständnis des Antragstellers in diesem Verfahren die Wiederholungsgefahr herabsetzt, ist nicht nachvollziehbar.

- Schon unrichtig ist die Behauptung, ausweislich des landgerichtlichen Urteils sei diese Straftat aufgrund Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden. Vielmehr wird in den Strafzumessungsgründen lediglich ausgeführt, dieser sei „zur gelegentlichen Stimmungsaufhellung Konsument von Kokain“ gewesen, „ohne dass allerdings von einem schuldmindernden Hang zum Kokainkonsum i. S. d. § 21 StGB gesprochen werden könnte“, d.h. verminderter Schuldfähigkeit.

- Dass im genannten Strafurteil vom 22. Mai 2008 festgestellt wird, der Antragsteller habe ab Januar 2008 die Drogenberatung „Vista“ besucht, stellt die Gefahr erneuter Btm-Delikte durch diesen ersichtlich noch nicht in Frage. Nichts anderes gilt für den im Urteil erwähnten Besuch eines Lehrgangs für Bürokommunikation durch den Antragsteller vor seiner Inhaftierung.

Zu Unrecht beanstandet der Antragsteller schließlich, der Antragsgegner habe die Anordnung sofortiger Vollziehung nicht darauf stützen dürfen, dass seine sofortige Ausreise angesichts der durch den Handel und Konsum von Btm entstehenden Schäden für die Gesellschaft bzw. Allgemeinheit „ferner“ erforderlich sei, um eine effektive abschreckende Wirkung auf andere Ausländer zu erreichen:

- Soweit er das damit begründet, aufgrund der polizeilichen Observation der dem landgerichtlichen Urteil zugrunde liegenden Straftat habe keine Gefahr bestanden, dass das Heroin in Umlauf gelange und infolgedessen auch zu Begleitkriminalität führe, stellt das weder die Allgemeinschädlichkeit des Drogenhandels, insbesondere mit Heroin, noch die Abschreckungswirkung einer sofort vollziehbaren Ausweisung für andere ausländische Drogenhändler in Frage. Im Übrigen betrifft dieser Einwand auch nur das diesem Urteil zugrunde liegende Drogendelikt. Dass es, wie der Antragsteller meint, die Initiierung des Heroingeschäfts durch einen polizeilichen Vertrauensmann verbiete, auf generalpräventive Zwecke der abschreckenden Wirkung einer sofort vollziehbaren Ausweisung für andere ausländische Drogenhändler abzustellen, überzeugt den Senat ebenfalls nicht. Wieso die angeblich vom Landgericht festgestellte Drogenabhängigkeit des Antragstellers, der Besuch einer Drogenberatung und das erfolgreiche Bemühen um einen Therapieplatz - dass diese Therapie seinerzeit durchgeführt wurde, behauptet er selbst nicht - generalpräventive Erwägungen ausschließen soll, wird nicht dargelegt und erschließt sich dem Senat auch nicht.

- Soweit er ferner ausführt, es sei nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. November 2007 zum Geschäftszeichen 1 C 45/06, auf das beispielhaft verwiesen werde, unzulässig, ihm angesichts seines langjährigen Aufenthalts und Besitzes einer Niederlassungserlaubnis sowie seiner Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 generalpräventive Aspekte in der Anordnung der sofortigen Vollziehung vorzuhalten, ist das schon deshalb verfehlt, weil es darauf für das lediglich formelle Erfordernis einer einzelfallbezogenen Begründung dieser Anordnung in § 80 Abs. 3 VwGO nach den obigen Ausführungen nicht ankommt. Darüber hinaus vermag diese Rüge des Antragstellers das sofortige Vollzugsinteresse an seiner Ausweisung vorliegend auch materiell nicht in Frage zu stellen. Dies schon deshalb, weil bereits die spezialpräventiven Gründe, auf die der Antragsgegner im streitgegenständlichen Bescheid in erster Linie abstellt, nämlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit weiterer schwerer Betäubungsmittelstraftaten, das Bestehen eines sofortigen Vollzugsinteresses rechtfertigen. Im Übrigen schließt das genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts keineswegs die Berücksichtigung auch generalpräventiver Erwägungen für eine Ausweisung aus. Vielmehr wird dort ausgeführt, im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das (neuere) Gemeinschaftsrecht sei zumindest auch für Drittstaatsangehörige, wenn ihnen die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten verliehen worden sei, stets „eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit“ zu fordern; darüber hinaus sei maßgeblich „die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts“ (juris Rz. 14 ff.).

Zwar setzt die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 voraus, dass vom persönlichen Verhalten des Betroffenen eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, so dass eine solche Maßnahme nicht automatisch auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung zum Zweck der Generalprävention angeordnet werden kann (ständige Rechtsprechung des EuGH; vgl. etwa Urteil vom 4. Oktober 2007 - C-349706 -, NVwZ 2008, 59, 61 m.w.N., und Urteil vom 22. Dezember 2010 - C-303/08 -, juris Ziff. 57 ff.). Dass dem Antragsteller ein assoziationsrechtlicher Aufenthaltsanspruch zusteht, ist jedoch auch mit der Beschwerdebegründung zumindest nicht substantiiert dargelegt worden. Vielmehr wird hierin zur Begründung eines Anspruchs nach Art. 6 ARB 1/80 erneut - neben dem völlig unsubstantiierten Hinweis auf dessen Tätigkeit als Servicekraft bei der F… bzw. dem genannten Lehrgang- nur auf die Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 7. Dezember 2007 nebst Aufstellung vom 8. Dezember 2006 verwiesen. Letztere weist lediglich von der Bundesanstalt für Arbeit gemeldete Zeiten nach dem AFG über Pflichtbeiträge für den Zeitraum 1. Mai 2003 bis 7. Januar 2004 und 1. Juni bis 31. Juli 2006 auf. Ein assoziationsrechtlicher Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 ist damit ebenso wenig dargelegt wie mit der allgemeinen Renteninformation vom 7. Dezember 2007 über eine Rentenanwartschaft. Im Übrigen ist die Ausweisung des Antragstellers auch keineswegs nur auf eine strafrechtliche Verurteilung zum Zwecke der Generalprävention im Sinne der o.g. Rechtsprechung des EuGH gestützt, sondern zu Recht auch auf die von ihm weiterhin ausgehende Gefahr erneuter Begehung von Btm-Straftaten und damit Gründe im Sinne des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80.

Soweit sich der Antragsteller darauf beruft, er habe nach seiner Haftentlassung nunmehr eine Drogentherapie begonnen, schließt das auch derzeit eine Wiederholungsgefahr nicht aus. Im Übrigen hat er diesbezüglich lediglich eine Bescheinigung des Drogentherapie-Zentrums Berlin e.V. vom 10. Mai 2011 über eine an diesem Tage begonnene ambulante Therapie vorgelegt, die gerade einmal einen einmaligen Besuch dort belegt.

Auch die behauptete Arbeitsaufnahme nach seiner Haftentlassung ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Dass im erstinstanzlichen Verfahren ein Arbeitsvertrag vom 14. März 2011 mit „Dienstantritt“ als Koch an diesem Tage vorgelegt wurde, belegt schon eine tatsächliche berufliche Tätigkeit nicht. Weitere Angaben insoweit hat der Antragsteller nicht gemacht und schon gar nicht, etwa durch Gehaltsnachweise, glaubhaft gemacht.

Dass eine sofort vollziehbare Ausweisung unzulässig in das Recht des Antragstellers auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK eingreift, ist nicht dargelegt. Dieser macht mit der Beschwerdebegründung zwar geltend, hiernach seien nicht nur familiäre Bindungen geschützt - über solche verfügt er unstreitig nicht -, sondern auch sein sonstiges Privatleben. Insoweit sei vor allem auf seinen jahrzehntelangen rechtmäßigen Aufenthalt und den Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis bzw. nunmehr Niederlassungserlaubnis als Ausdruck seiner Integration zu verweisen. Abgesehen davon, dass der Antragsteller weder eine wirtschaftliche noch eine soziale Integration dargelegt und glaubhaft gemacht hat und die Vielzahl begangener Straftaten zumindest gegen seine soziale Integration spricht, ist ein Eingriff jedenfalls aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen gerechtfertigt.

Soweit der Antragsteller in Bezug auf die Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgericht zu Art. 3 Abs. 3 ENA geltend macht, die dort angenommene Wiederholungsgefahr bestehe nicht, ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen.

Vermag sich der mit 22 Jahren, d.h. als Erwachsener, erstmals aus seiner Heimat ins Bundesgebiet eingereiste Antragsteller nach alledem im Wesentlichen nur auf seinen langjährigen Aufenthalt mit unbefristeter Aufenthalts- bzw. Niederlassungserlaubnis zu stützen und ist - auch mangels hinreichender Integration - nichts dafür ersichtlich, ihn als „faktischen Inländer“ zu betrachten, bestehen keine Bedenken gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass hier kein von der Regelausweisung abweichender atypischer Fall vorliegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem besonderen Ausweisungsschutz wegen des Besitzes einer Niederlassungserlaubnis und des mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG bereits dadurch Rechnung getragen ist, dass die vorliegende zwingende Ausweisung nach § 53 Nr. 2 AufenthG zu einer Regelausweisung herabgestuft wird (§ 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Ein Ausnahmefall, in dem bereits höherrangiges Recht oder die Vorschriften der EMRK oder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Ermessensausweisung gebieten (BVerwG, Urteil vom 23. Dezember 2007 - 1 C 10/07 -, juris Rz. 23 ff., und Urteil vom 15. November 2007 - 1 C 45/06 -, juris Rz. 16 ff.; BVerfG, Beschluss vom 10. August 2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300, 1301, und vom 1. März 2000 - 2 BvR 2120/99 -, juris Rz. 10 und 12), liegt hier nicht vor. Dann jedoch verweist das Verwaltungsgericht zu Recht darauf, dass es auf teilweise unrichtige Sachverhaltsangaben im streitgegenständlichen Bescheid, nämlich die Annahme des bandenmäßigen Handels mit 13 kg Kokain und 8 kg Haschisch statt des Handels mit 2 kg Heroin am 3. Dezember 2007, nicht ankommt. Hinsichtlich der unrichtigen Annahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft und hier lebender Familienangehöriger des Antragstellers gilt schon deshalb nichts anderes, weil dieser durch eine solche Annahme zu seinen Gunsten nicht beschwert wäre.

Verfehlt ist schließlich auch die Darstellung des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe mit seinen Ausführungen zu seinen Vorstrafen und seiner übrigen Vorgeschichte sowie der Schlussfolgerung hieraus, dass er derartige Straftaten wieder begehen würde, offensichtlich eigene Ermessenserwägungen angestellt und nicht die des Antragsgegners geprüft. Denn das Verwaltungsgericht hat insoweit lediglich die für das sofortige Vollzugsinteresse maßgebliche und auch im Bescheid zugrunde gelegte Wiederholungsgefahr festgestellt.

Ist mithin die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausweisung nicht wiederherzustellen und durch die Ausweisung die Niederlassungserlaubnis des Antragstellers erloschen (vgl. §§ 84 Abs. 2 und 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), ist auch die Abschiebungsandrohung nach §§ 58 und 59 AufenthG nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).