Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2003 ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat – wie das Sozialgericht schon zutreffend festgestellt hat - keinen Anspruch auf Feststellung einer BK 2108, da eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, bei ihm nicht vorliegt. Darüber hinaus ist der Kläger auch mit seinem Hilfsantrag nach § 9 Abs. 4 SGB VII nicht erfolgreich, denn eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung i. S. d. BK 2108 liegt bei ihm nicht vor.
Die Klage im Hauptantrag ist als Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässig. Streitgegenstand ist allein die Anerkennung einer BK 2108, denn in dem angefochtenen Bescheid vom 24. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2003 ist die Anerkennung einer BK 2108 abgelehnt, ein Anspruch auf Verletztenrente ist im Einzelnen jedoch nicht geprüft worden. Auch wenn der Antrag auf Gewährung von Verletztenrente bereits vor dem SG gestellt worden ist, kann der Senat über ein solches Begehren zulässigerweise nicht entscheiden, denn die Ablehnung einer Verletztenrente ist mit dem angefochtenen Bescheid nicht erfolgt. Die Beklagte hat vielmehr lediglich unbestimmte Entschädigungsleistungen abgelehnt.
Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R – in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a. a. O.).
Von Nr. 2108 der Anlage zur BKV werden „bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können“, erfasst.
Nach dem Tatbestand der BK 2108 muss also der Versicherte auf Grund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK Nr. 2108 nicht vor (vgl BSG, Urteile vom 30. Oktober 2007 - B 2 U 4/06 R – in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 sowie vom 18. November 2008 - B 2 U 14/07 R – und – B 2 U 14/08 R – jeweils zitiert nach Juris) und ist nicht anzuerkennen.
Der Anspruch des Klägers scheitert hier nicht daran, dass die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen, d. h. die im Sinne der BK 2108 erforderlichen Einwirkungen durch langjähriges schweres Heben und Tragen bzw. Arbeit in Rumpfbeugehaltung, nicht gegeben wären. Dies ergibt sich aus den vorliegenden Berechnungen des TAD der Beklagten zum Ausmaß der mechanischen Belastung nach dem MDD (vgl. dazu die grundlegende Veröffentlichung von Jäger u. a., ASUMed 1999, 101 ff, 112 ff). Die Beklagte hat im gesamten Verfahrensverlauf drei detaillierte Berechnungen nach dem MDD durch ihren TAD vorgelegt. Daraus ergeben sich folgende Gesamtdosen:
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15. April 2003 |
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6,58 x 10 6 Nh (=MNh) |
25. Juli 2003 |
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4,45 x 10 6 Nh (=MNh) |
23. Dezember 2008 |
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20,0 x 10 6 Nh (=MNh). |
Zwar ist danach die nach dem MDD vorgegebene Gesamtdosis von 25 x 10 6 Nh unterschritten. Dennoch sind die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt, denn das MDD legt selber für die Belastung durch Heben und Tragen keine Mindestwerte fest, die erreicht werden müssen, damit von einem erhöhten Risiko von Bandscheibenschäden durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die auf Grund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis, sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen. Von diesem Verständnis geht auch das aktuelle Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur BK 2108 aus, das für eine zusammenfassende Bewertung der Wirbelsäulenbelastung auf das MDD verweist (BArbBl 2006, Heft 10 S. 30 ff) Danach sind zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 2108 zu bejahen, wenn die Richtwerte im Einzelfall erreicht oder überschritten werden; umgekehrt schließt aber ein Unterschreiten dieser Werte das Vorliegen der BK nicht von vornherein aus (vgl. BSG Urteile vom 30. Oktober 2007 a. a. O. sowie vom 18. November 2008 a. a. O.).
Orientierungswerte sind andererseits keine unverbindlichen Größen, die beliebig unterschritten werden können. Ihre Funktion besteht in dem hier interessierenden Zusammenhang darin, zumindest die Größenordnung festzulegen, ab der die Wirbelsäule belastende Tätigkeiten als potentiell gesundheitsschädlich einzustufen sind. Die Mindestbelastungswerte müssen naturgemäß niedriger angesetzt werden, weil sie ihrer Funktion als Ausschlusskriterium auch noch in besonders gelagerten Fällen, etwa beim Zusammenwirken des Hebens und Tragens mit anderen schädlichen Einwirkungen, gerecht werden müssen. Werden die Orientierungswerte jedoch so deutlich unterschritten, dass das Gefährdungsniveau nicht annähernd erreicht wird, so ist das Vorliegen einer BK 2108 zu verneinen, ohne dass es weiterer Feststellungen zum Krankheitsbild und zum medizinischen Kausalzusammenhang im Einzelfall bedarf (vgl. BSG Urteile vom 30. Oktober 2007 a. a. O. sowie vom 18. November 2008 a. a. O.).
Das BSG hat daher in seinen Entscheidungen vom 30. November 2008 – B 2 U 14/07 R und B 2 U 14/08 R - Modifizierungen zur Anwendung des MDD für notwendig erachtet. Danach ist die dem MDD zu Grunde liegende Mindestdruckkraft pro Arbeitsvorgang bei Männern nurmehr mit dem Wert 2.700 N pro Arbeitsvorgang anzusetzen. Auf eine Mindesttagesdosis ist nach dem Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie zu verzichten. Alle Hebe- und Tragebelastungen, die die aufgezeigte Mindestbelastung von 2.700 N bei Männern erreichen, sind entsprechend dem quadratischen Ansatz (Kraft mal Kraft mal Zeit) zu berechnen und aufzuaddieren. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, ist auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 x 10 6 Nh, also auf 12,5 x 10 6 Nh, herabzusetzen.
Berücksichtigt man dies – so wie es der TAD in seiner letzten Stellungnahme vom 23. Dezember 2008 getan hat -, ist der maßgebliche Orientierungswert von 12,5 x 10 6 Nh allein mit den vom TAD als nachvollziehbar zugrunde gelegten Gewichten und Wegen hier mit 20,0 MNh für den Zeitraum bis zum 22. Juli 2003, d. h. ohne Berücksichtigung der ja zumindest bis zum 30. September 2008 (mit Unterbrechungen) fortgeführten beruflichen Tätigkeit, in jedem Fall erfüllt. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte die Zeit des Wehrdienstes bei der NVA von Mai 1980 bis April 1983 nicht aus der Berechnung herausgenommen, sondern zugunsten des Klägers tatsächlich eine fortdauernde berufliche Belastung auch in diesem Zeitraum (d. h. für 36 Monate) angenommen hat (vgl. Seite 5 der Stellungnahme des TAD vom 23. Dezember 2008). Darüber hinaus hat die Beklagte – wiederum zugunsten des Klägers - weder Arbeitsunfähigkeits- noch Urlaubszeiten herausgerechnet. Insoweit ist die weitere Kritik des Klägers an den von der Beklagten ihrer Berechnung zugrunde gelegten Gewichten und Wegstrecken (vgl. den Schriftsatz vom 10. März 2009), die einer worst-case-Betrachtung entsprechen, nicht von Gewicht. Dies gilt auch deshalb, weil die Angaben des Klägers, wie der TAD in seinen Stellungnahmen vom 28. Dezember 2004, 08. August 2007 und 22. Januar 2008 zu Recht ausgeführt hat, nicht plausibel sind.
Der Anspruch scheitert jedoch an den arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für eine BK 2108.
In der medizinischen Wissenschaft ist anerkannt, dass Bandscheibenschäden und Bandscheibenvorfälle insbesondere der unteren LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind von multifaktorieller Ätiologie. Da diese Bandscheibenerkrankungen ebenso in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, genauso wie in solchen, die wie der Kläger auch schwere körperliche Arbeiten geleistet haben, kann allein die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des MDD die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhanges nicht begründen (vgl. Merkblatt zu der BK 2108 der Anlage zur BKV, BArbBl. 2006, Heft 10 S. 30 ff. ). Im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Beurteilung des Ursachenzusammenhanges bei der BK 2108 war die medizinische Wissenschaft gezwungen, weitere Kriterien zu erarbeiten, die zumindest in ihrer Gesamtschau für oder gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Diese sind niedergelegt in den medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS, die als Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe anzusehen sind (vgl. Trauma und Berufskrankheit Heft 3/2005, Springer Medizin Verlag, S. 211 ff). Weder der Sachverständige Dr. W-R noch der vom Kläger benannte Sachverständige Dr. M haben einen neueren, von den Konsensempfehlungen abweichenden Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule aufgezeigt. Es ist daher davon auszugehen, dass diese nach wie vor den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von Lendenwirbelsäulenerkrankungen durch körperliche berufliche Belastungen darstellen (vgl. auch BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009 – B 2 U 16/08 R -, zitiert nach Juris, und Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 13/05 R – in SozR 4-2700 § 9 Nr. 9). Zur Gewährleistung einer im Geltungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung gleichen und gerechten Behandlung aller Versicherten begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die befassten Gutachter und die Sozialgerichtsbarkeit diese Konsensempfehlungen anwenden.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen der BK 2108 nicht gegeben. Das Vorliegen einer durch die berufliche Tätigkeit verursachten bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS ist nicht nachgewiesen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen des gesamten Gerichtsverfahrens, insbesondere dem am neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft und Forschung ausgerichteten Gutachten des Sachverständigen Dr. W-R vom 19. Mai 2008 nebst ergänzender Stellungnahme vom 16. Juni 2008.
Zwar können die bei dem Kläger durch Dr. W-R festgestellten Veränderungen der Wirbelsäule eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne der BK 2108 darstellen. Zu der Frage, was unter einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS zu verstehen sein soll, hat der Verordnungsgeber in der Begründung zur zweiten Änderungsverordnung (2. ÄndVO), durch welche die BK 2108 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden ist (BR-Druck 773/92 S.8), eingehende Ausführungen gemacht. Danach sind unter bandscheibenbedingten Erkrankungen zu verstehen: Bandscheibendegeneration (Diskose), Instabilität im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den vorderen seitlichen Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose), degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige Befunde bedingten Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule. Erforderlich ist ein Krankheitsbild, das über einen längeren Zeitraum andauert, also chronisch oder zumindest chronisch wiederkehrend ist, und das zu Funktionseinschränkungen führt, die eben eine Fortsetzung der genannten Tätigkeit unmöglich machen. Erforderlich sind daher ein bestimmtes radiologisches Bild sowie ein damit korrelierendes klinisches Bild (vgl. das aktuelle Merkblatt zur BK 2108 sowie die Konsensempfehlungen Punkt 1.3).
Heranzuziehen wären die der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zeitlich nächstliegenden Röntgenbilder (vgl. auch Punkt 1.2 der Konsensempfehlungen). Allerdings ist dieser Zeitpunkt hier nicht klar bestimmbar, denn der Kläger hat noch bis zum Dezember 2004 als Maurer/Trockenbauer/Fliesenleger bei Firma des Zeugen A W gearbeitet und erneut ab einem unbekannten Zeitpunkt im Jahr 2006 bis zum 30. September 2008 als Maurermeister (so die Gutachten des Dr. W-R und des Dr. M) bei der Firma Akustik & Trockenbau A W. Nach den Ausführungen des Dr. E und des Dr. W-R stellen sich im Falle des Klägers (siehe Gutachten von Dr. E vom 17. Oktober 2004 und von Dr. W-R vom 19. Mai 2008) bereits vor der Aufgabe sämtlicher wirbelsäulenbelastender Tätigkeiten spätestens im September 2008 im November 2001 morphologisch Bandscheibenschäden der LWS dar, nämlich zwei Bandscheibenvorfälle bei L4/5 und L5/S1 (MRT vom 28. November 2001). Diese sind entsprechend Punkt 1.2 A der Konsensempfehlungen als altersuntypisch zu bewerten (vgl. das Gutachten von Dr. W-R). Die mit spinalem CT vom 17. Mai 1995 nachgewiesene Bandscheibenvorwölbung bei L4/5 war bei dem 35jährigen Kläger ebenfalls altersuntypisch (vgl. Punkt 1.2 A der Konsensempfehlungen). Aus den am 06. Oktober 2004 im Auftrag des Gutachters Dr. E erstellten Röntgenbildern ergibt sich des Weiteren eine bei einem 44jährigen Mann altersuntypische Chondrose Grad II (Höhenminderung um 30 bis 50%) bei L4/5 sowie eine altersuntypische Sklerose Grad I (optisch wahrnehmbare vermehrte Sklerosierung) bei L 5 sowie S1 nebst chondrotischer Höhenminderung (vgl. das Gutachten von Dr. W-R). Die außerdem bei dem Kläger festgestellte spinale Enge ist keine bandscheibenbedingte Erkrankung, sondern Resultat eines primären und anlagebedingten knöchernen Prozesses (vgl. das Gutachten des Dr. W-R).
Für die Feststellung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS ist neben dem morphologischen Bild der Nachweis eines mit diesem korrelierenden chronischen klinischen Beschwerdebildes nebst Funktionseinschränkungen erforderlich. Dabei kann es sich nach dem derzeit geltenden Merkblatt zur BK 2108 um folgende Krankheitsbilder handeln: ein lokales Lumbalsyndrom (chronisch rezidivierende Beschwerden in der Kreuz-Lendengegend mit möglicher pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung in die Oberschenkelmuskulatur), mono- und polyradikuläre Wurzelreizsyndrome (ein- oder beidseitig segmental ins Bein ausstrahlende, dem Verlauf des Ischiasnervs folgende Schmerzen, meist in Verbindung mit Zeichen eines lokalen Lumbalsyndroms) oder ein Kaudasyndrom (Sonderform der polyradikulären lumbalen Wurzelreizsyndrome).
Ein solches (chronisches) klinisches Beschwerdebild, welches einer Chondrose Grad II bei L4/5, einer Sklerose Grad I bei L5/S1 bzw. Bandscheibenvorfällen in den Segmenten L4/5 und L5/S1 und nicht anderen Veränderungen an der Wirbelsäule - insbesondere der absoluten Spinalkanalenge bei L4/5 - oder einem Trainingsmangel der Muskulatur entsprechen müsste, ist vorliegend fraglich. Hierauf weist auch der Sachverständige Dr. W-R in seinem Gutachten vom 19. Mai 2008 hin. Wie dieser in seinem Gutachten hervorhebt, konnte zu keinem Zeitpunkt das klassische Krankheitsbild einer Bandscheibenerkrankung aufgedeckt werden. So fehlt es insbesondere an segmentbezogenen neurologischen Störungen. Weder Dr. E noch Dr. W-R oder Dr. M haben etwa Sensibilitätsstörungen oder auch nur ein positives Lasègue-Zeichen feststellen können. Gleiches gilt für den Abschlussbericht der RehaTagesklinik im F P vom 30. Januar 2002. Auch aus den vorliegenden Berichten der behandelnden Ärzte Dr. N vom 21. Oktober 2002, Dr. M vom 11. November 2002 und Dr. S vom 08. November 2002 gehen derartige Störungen bzw. Zeichen nicht hervor. Der Kläger selber schildert sie ebenfalls nicht (vgl. die jeweiligen Anamnesen in den Gutachten von Dr. E, Dr. W-R und Dr. M). Dr. W-R weist in seinem Gutachten allerdings darauf hin, dass ein Bandscheibenvorfall nicht immer ein nach außen erfassbares eindeutiges Erscheinungsbild biete, weshalb die Literatur sich mit dem Nachweis von segmentbezogenen Bewegungsstörungen, reaktiven Umgebungsmyogelosen und auf den betroffenen Wirbelsäulenabschnitt lokalisierten Schmerzen begnüge. Solche Veränderungen sind von dem Sachverständigen Dr. W-R letztlich bejaht worden, wenngleich dies als großzügige Auslegung erscheint. Denn sowohl bei dem Gutachter Dr. E als auch bei den Gutachtern Dr. W-R und Dr. M war die Funktion der Lendenwirbelsäule altersgemäß. Auch die Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule war physiologisch (Zeichen nach Schober und Ott), der Finger-Boden-Abstand war bei guter Entfaltbarkeit gering (bei Dr. E 5 cm, bei Dr. W-R wenige Zentimeter, bei Dr. M 8 cm), Bewegungsschmerzen wurden nicht geäußert. Laut den klägerischen Angaben bei Dr. W-R im Jahr 2008 sei seit Jahren wegen der Lendenwirbelsäulenbeschwerden keine Therapie mehr erforderlich gewesen. Bei Dr. W-R berichtete er lediglich von einem tieflumbalen Druckgefühl, bei Dr. M gab er in der Vergangenheit ausstrahlende Schmerzen in den Hodenbereich an. Im Jahr 2004 stellte Dr. E deutliche lumbale Muskelverspannungen fest, eine Klopf- und Druckempfindlichkeit im Wirbelsäulenbereich fand sich jedoch – wie auch in den späteren Gutachten – nicht.
Selbst wenn man hier ein dem morphologischen Befund entsprechendes klinisches Beschwerdebild bejahen würde, d. h. eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS als erwiesen ansehen würde, so wäre deren berufliche Verursachung nicht hinreichend wahrscheinlich.
Denn unter Zugrundelegung der Konsensempfehlungen (Punkt 1.4) handelt es sich im Falle des Klägers bei einer ausreichenden beruflichen Belastung (Exposition) nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W-R in seinem Gutachten vom 19. Mai 2008 um die Konstellation B3, d. h.
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es liegt eine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor, |
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es besteht eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung (z. B. ausreichende Exposition muss der Erkrankung vorausgehen; Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs nimmt mit der Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung ab), |
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die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft L5/S1 und/oder L4/5, |
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Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall, |
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wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren (wie z. B. eine relevante Skoliose) liegen nicht vor, |
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eine Begleitspondylose liegt nicht vor. |
Als Begleitspondylose wird nach den Konsensempfehlungen Punkt 1.4 definiert eine Spondylose in/im nicht von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en) bzw. in/im von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en), die nachgewiesenermaßen vor dem Eintritt der bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne einer Chondrose oder eines Vorfalls aufgetreten ist. Um eine positive Indizwirkung für eine berufsbedingte Verursachung zu haben, muss die Begleitspondylose über das Altersmaß (s. Punkt 1.2 der Konsensempfehlungen) hinausgehen und mindestens zwei Segmente betreffen. Bei dem Kläger sind nach der Beurteilung des Dr. W-R in seinem Gutachten vom 19. Mai 2008 keine Begleitspondylosen in den über L4/5 gelegenen Segmenten der LWS und BWS nachgewiesen. Dies steht auch in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Dr. E. Die von Dr. E in den Röntgenaufnahmen vom 06. Oktober 2004 in den Segmenten L4/5 und L5/S1 festgestellten beginnenden Randzackenanbauten an den Wirbelkörpern (Spondylosen) stellen keine Begleitspondylosen i. S. d. Konsensempfehlungen dar, denn diese sind nicht nachweisbar vor dem Eintritt der bandscheibenbedingten Erkrankung in diesen Segmenten aufgetreten. So waren derartige Erscheinungen beispielsweise in den Röntgenbildern vom 24. März 1994 laut den Feststellungen des Sachverständigen Dr. W-R noch nicht nachweisbar. Auf welcher Grundlage der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. M ohne jegliche Auseinandersetzung mit dem Vorgutachten des Dr. W-R zu der Behauptung gelangt ist, Begleitspondylosen lägen hier vor, ist nicht nachvollziehbar.
Für die Fallkonstellation B3 hat die interdisziplinäre Arbeitsgruppe keinen Konsens erzielt. Die Frage, ob Begleitspondylosen erforderlich sind, ist in der Wissenschaft ganz offensichtlich umstritten (vgl. J. Schürmann in Ludolph, Lehmann, Schürmann, Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, 11. Erg-Lieferung 9/08, III-2.13.2108 S. 13; Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, Lfg. 2/07, M 2108 6.2.4; Konsensempfehlungen, Anmerkungen zu den nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen, Anhänge 1 und 2).
Hinweise für das Vorliegen der Fallkonstellation B2 bestehen nicht. Diese Fallkonstellation ist (die ausreichende Exposition abermals unterstellt) wie folgt definiert:
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gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule, |
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es besteht eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung (z. B. ausreichende Exposition muss der Erkrankung vorausgehen; Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs nimmt mit der Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung ab), |
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die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft L5/S1 und/oder L4/5, |
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Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall, |
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keine wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren, |
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keine Begleitspondylose sowie |
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zusätzlich mindestens eines der folgenden Kriterien, |
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Höhenminderung und/oder Vorfall an mehreren Bandscheiben oder „black disc“ im MRT an mindestens zwei angrenzenden Segmenten, |
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besonders intensive Belastung, |
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besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen. |
Hinweise auf eine so genannte „black disc“ liegen nicht vor.
Von einer besonders intensiven Belastung kann nur bei Erreichen des Lebensrichtwertes der Gesamtbelastungsdosis in weniger als 10 Jahren beruflicher Belastung ausgegangen werden (vgl. Punkt 1.4 der Konsensempfehlungen zu B2 ). Hierbei kann nicht von dem nach der Rechtsprechung des BSG modifizierten Lebensrichtwert von 12,5 MNh ausgegangen werden, denn Grundlage des Konsenses war das nicht modifizierte MDD mit einem Lebensrichtwert von 25 MNh. Nur auf dieser Basis ist hier zu B2 ein wissenschaftlicher Konsens erzielt worden. Eine Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh wird im vorliegenden Fall aber auch unter Anwendung des nach der BSG-Rechtsprechung modifizierten MDD, bei dem insbesondere auch geringere Gewichte bei der Berechnung berücksichtigt werden, bezogen auf eine Belastungsdauer von circa 26 Jahren nicht erreicht, und erst recht nicht bezogen auf eine Belastungsdauer von weniger als 10 Jahren. Es ist zudem nicht erkennbar, dass eine Berechnung der Gesamtbelastungsdosis allein anhand der Angaben des Klägers zu den von ihm bewegten Gewichten und den zurückgelegten Wegstrecken auf der Grundlage des nicht modifizierten MDD zum Erreichen der Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh innerhalb eines Zeitraums von weniger als 10 Jahren führen könnte.
Anhaltspunkte für ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen, d. h. das Erreichen mindestens der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen, die bei Männern ab 6.000 N gesehen werden (vgl. Punkt 1.4 der Konsensempfehlungen zu B2 ), sind ebenfalls nicht erkennbar. Auch der Vortrag des Klägers gibt keine Anhaltspunkte für derartige Belastungsspitzen, denn es wird nicht geltend gemacht, alleine Gewichte von 60 kg und mehr bewegt zu haben. Hierzu hat auch der TAD in seiner Stellungnahme vom 23. Dezember 2008 explizit Stellung genommen.
Der allgemeine beweisrechtliche Grundsatz, dass die Beurteilung medizinischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand aufbauen muss (vgl. BSG in SozR 3850 § 51 Nr. 9; BSG in SozR 1500 § 128 Nr. 31; BSG in SozR 3-3850 § 52 Nr. 1; Rauschelbach, MedSach 2001, 97; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2009, Kapitel 3.3.4.3), erfordert nach dem BSG, dass es zu jedem Ursachenzusammenhang statistisch-epidemiologische Forschungen geben muss, weil dies nur eine Methode zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist und sie im Übrigen nicht auf alle denkbaren Ursachenzusammenhänge angewandt werden kann und braucht. Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann daher in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006, - B 2 U 1/05 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 m. w. N.).
Hiernach kann auf das Zusatzkriterium einer Begleitspondylose bei der Fallkonstellation B3 zur Überzeugung des Senats nicht verzichtet werden. Die Konstellation B3 entspricht der häufigsten Manifestationsform eigenständiger Bandscheibenerkrankungen innerer Ursache an der LWS (vgl. V. Grosser und F. Schröter im Anhang 1 der Anmerkungen zu den nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen der Konsensempfehlungen). Betroffen sind bei dieser Konstellation lediglich die Segmente L4/5 und/oder L5/S1. Bandscheibenschäden in den übrigen LWS-Segmenten liegen bei dieser Konstellation definitionsgemäß nicht vor. Selbst geringgradige Bandscheibendegenerationen im Sinne einer nur magnetresonanztomographisch nachweisbaren so genannten „black disc“ sind bei dieser Konstellation in keinem der oberhalb L4/5 gelegenen Segmente nachweisbar. Auch eine Begleitspondylose als positives Indiz für eine Auswirkung der beruflichen Belastungen liegt nicht vor. Biomechanische Besonderheiten der beruflichen Einwirkung, welche das Fehlen von Spuren der beruflichen Belastung in den Segmenten der mittleren und oberen LWS plausibel machen könnten, sind bei der Konstellation B3 nicht gegeben. Da sich die biologisch-anatomische Schadensentwicklung zwingend durch dokumentierbare (radiologische) Belege nachweisen lassen muss, fehlt es hier überhaupt am belastungstypischen Schadensbild, da ein altersuntypischer Befund nicht vorliegt (vgl. J. Schürmann in Ludolph, Lehmann, Schürmann, Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, 11. Erg-Lieferung 9/08, III-2.13.2108 S. 13). Epidemiologische Arbeiten, welche nachweisen, dass bei Schadensbildern, die der Konstellation B3 entsprechen, bei beruflich Exponierten im Vergleich zur Normalbevölkerung statistisch eine relevante Risikoerhöhung besteht, existieren nicht (vgl. V. Grosser und F. Schröter a. a. O.). Ein derartiger Nachweis wird gemäß den Ausführungen von V. Grosser und F. Schröter auch durch die Fallkontrollstudie von Seidler et al. nicht geführt. Sie räumten ein, dass in ihrer Studie Patienten mit Chondrose und Spondylose ein höheres berufliches Erkrankungsrisiko aufwiesen als Patienten mit Chondrose ohne zusätzliche Spondylose. Sie machten aber geltend, dass ihre Studie dennoch eine relevante Risikoerhöhung auch für Schadensbilder, welche der Konstellation B3 entsprechen, nachweise. Dies hält einer kritischen methodischen Überprüfung jedoch nicht Stand. Die beruflichen Belastungen wurden in der Studie lediglich durch eine Befragung der Probanden ermittelt. Die in der Studie verwendeten medizinischen Einschlusskriterien erlauben keine Differenzierung, ob die errechneten Erkrankungsrisiken tatsächlich durch eine berufsbedingte Häufung von Bandscheibenschäden verursacht sind oder ob sie lediglich eine höhere Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung aufgrund einer berufsbedingten Beschwerdeauslösung bei berufsunabhängigentstandenen Bandscheibenschäden widerspiegeln. Im Ergebnis führt dies zu einer erheblichen Überschätzung des Risikos, berufsbedingt Bandscheibenschäden zu entwickeln. In der Studie wird bei Erreichen der Richtdosis nach dem MDD (berechnet ohne Schwellenwert auf der Basis der Befragung der Probanden) eine Erhöhung des Erkrankungsrisikos auf etwa das 10fache errechnet, wenn man die belastete Gruppe insgesamt betrachtet. Nach den methodisch aussagekräftigsten epidemiologischen Arbeiten ist das relative Risiko, berufsbedingt Bandscheibenschäden zu entwickeln, bei vergleichbaren bzw. eher höheren Belastungen jedoch nur auf etwa das 2fache erhöht.
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die interdisziplinäre Arbeitsgruppe hinsichtlich der Grundvoraussetzung „ausreichende berufliche Belastung“ (vgl. Punkt 1.4 der Konsensempfehlungen) von den Maßgaben des – nicht modifizierten – MDD ausgegangen ist. Schon unter Zugrundelegung eines Orientierungswertes zur Gesamtbelastungsdosis von 25 x 10 6 Nh für Männer bzw. 17 x 10 6 Nh für Frauen und einer Mindestdruckkraft von 3.200 N für Männer bzw. 2.500 N für Frauen ist in der interdisziplinären Arbeitsgruppe kein Konsens erzielt worden. Bei nunmehr weiter herunter geschraubten Anforderungen, die eine Verschiebung der Lastgewichte weg von „schweren“ Gewichten hin in die Region alltäglicher Gewichte zur Folge hat (vgl. hierzu z. B. das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 25. September 2008 a. a. O., Römer/Brandenburg/Woltjen, a. a. O., S. 192 ff), kann erst recht nicht von einem gesicherten aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Konsens zur vorliegenden Konstellation ausgegangen werden.
Darüber hinaus dürfte hier fraglich sein, ob die bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Der bei der hier umstrittenen BK 2108 geforderte Unterlassungszwang setzt laut dem BSG in der Regel voraus, dass die Tätigkeiten, die zu der Erkrankung geführt haben, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden sollen und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (ständige Rspr. vgl. Urteil des BSG vom 19. August 2003 – B 2 U 27/02 R -, zitiert nach Juris; BSG in SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N). Eine bloße Verminderung der Gefährdung genügt nicht (BSG a. a. O.; BSG in SozR 5670 Anl. 1 Nr. 4301 Nr. 2). Hier muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger zwar bis zum 30. September 2008 als Meister nur noch geringere Gewichte bewegt hat, aber auch die von ihm zuletzt bei der Begutachtung bei Dr. M angegebenen Lasten von bis zu 15 kg sind nach dem modifizierten MDD als Lendenwirbelsäulenbelastungen zu würdigen. Eine Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten hat vor dem 30. September 2008 also nicht stattgefunden. Ob eine Unterlassung nunmehr angenommen werden kann, da der Kläger als Steinmetzgehilfe tätig ist, dürfte fraglich sein.
Letztlich kann der Kläger auch mit seinem Hilfsantrag nicht durchdringen. Gemäß § 9 Abs. 4 SGB VII ist, sofern die Anerkennung einer Krankheit als BK – wie hier - die Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten voraussetzt, vor Unterlassung einer noch verrichteten gefährdenden Tätigkeit darüber zu entscheiden, ob die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK erfüllt sind. Wie bereits ausgeführt, liegt bei dem Kläger jedoch unabhängig vom Unterlassungszwang keine beruflich bedingte bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule i. S. d. BK 2108 vor.
Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, zur Feststellung des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen ein Sachverständigengutachten einzuholen, musste der Senat nicht nachkommen, denn es handelt sich nicht um einen zulässigen Beweisantrag i. S. d. § 403 Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 118 Abs. 1 SGG. Ein zulässiger Beweisantrag muss in prozessordnungsgerechter Weise formuliert sein, sich regelmäßig auf ein Beweismittel der ZPO beziehen, das Beweisthema möglichst konkret angeben und insoweit auch wenigstens umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben soll (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl., Randnr. 18 a zu § 160 m. w. N.). Der Kläger hat kein Beweisthema bekannt gegeben, denn hierzu ist die Bezeichnung der zu beweisenden Tatsachen erforderlich. Bei den „arbeitstechnischen Voraussetzungen“ handelt es nicht um klar umrissene Tatsachen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.