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Elass von Kindergeldrückforderung bei vorheriger Anrechnung auf Sozialleistungen


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 12.12.2018
Aktenzeichen 3 K 3168/18 ECLI ECLI:DE:FGBEBB:2018:1212.3K3168.18.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 227 AO, § 31 EStG, § 70 EStG

Leitsatz

Eine Rückforderung von Kindergeld, das der Berechtigten in ihrer Bedarfsgemeinschaft vom Jobcenter in Abzug gebracht worden war, ist zu erlassen, auch wenn ein Verstoß der Berechtigten gegen Mitwirkungspflichten vorliegt (gegen FG Düsseldorf und FG Bremen, wie Sächsisches FG).

Tenor

Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 28.02.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.07.2018 wird die Beklagte verpflichtet, den Kindergeldrückforderungsanspruch in Höhe von 11.113,50 € zu erlassen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Erlass einer Rückforderung von Kindergeld, das der Klägerin in ihrer Bedarfsgemeinschaft vom Jobcenter in Abzug gebracht worden war.

I.1.

Die 1984 geborene, bangladeschische, in C… wohnhafte Klägerin erhielt aufgrund Bewilligungsbescheid der Familienkasse B… vom 29.09.2015 Kindergeld für ihre Kinder D…, geboren 2002, E…, geboren 2003, und F…, geboren 2006, ab September 2015 (FG-A Bl. 36) mit der Begründung, sie halte sich seit mindesten drei Jahren rechtmäßig oder geduldet in Deutschland auf und sei seit dem Monat September 2015 erwerbstätig.

2.

Die Klägerin verlor ihren Arbeitsplatz, ohne der Familienkasse Mitteilung zu machen.

3.

Mit Bescheid vom 09.11.2017 wurde die Festsetzung des Kindergelds ab Februar 2016 aufgehoben mit der Begründung, die Voraussetzungen lägen nicht vor (FG-Bl. 43). Zugleich wurde das Kindergeld für Februar 2016 bis September 2017 zurückgefordert, in der Summe 11.574 €.

4.

Im Rückforderungszeitraum bezog die Klägerin für sich, ihre Kinder und den ebenfalls in der Bedarfsgemeinschaft lebenden G…, Jahrgang 1977, Leistungen nach dem SGB II (sog. Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld) vom Jobcenter C…, bei denen der Kindergeldanspruch mindernd berücksichtigt worden war. Aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit veränderte sich die Höhe der Leistungen, das Kindergeld wurde jedoch weiter angerechnet. Am 12.01.2018 beantragte sie die Überprüfung der Leistungshöhe vor dem Hintergrund der Kindergeldrückforderung. Mit zwei Bescheiden vom 22.01.2018 lehnte das Jobcenter eine nachträgliche Erhöhung und Nachzahlung seiner Leistungen ab. Für den Zeitraum bis 31.12.2016 sei der Antrag ohne Sach- und Rechtsprüfung abzulehnen, weil eine Rücknahme und Nachzahlung gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i. V. m. § 44 Abs. 4 SGB X nur möglich sei für einen Zeitraum von einem Jahr, gerechnet ab Beginn des Jahres des Rücknahmeantrages. Für das Jahr 2017 seien die Bewilligungsbescheide bei ihrem Erlass rechtmäßig gewesen. Die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung des Kindergeldes habe keine Auswirkungen auf die Höhe des ALG-II-Anspruchs für den von der Aufhebung betroffenen Zeitraum. Das Kindergeld sei tatsächlich zugeflossen, daher sei es gemäß § 11 Abs. 2 SGB II für die Monate des Zuflusses als Einkommen zu berücksichtigen (Zuflussprinzip). § 44 Abs. 1 SGB X sei nicht einschlägig, da zum Zeitpunkt des Erlasses der Bewilligungsbescheide weder das Recht unrichtig angewendet noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich nachträglich als unrichtig erwiesen habe (Erlass-A Bl. 19).

5.

In den Leistungsbewilligungsbescheiden des Jobcenters ist jeweils ausgeführt (Erlass-A Bl. 51, 56, 61, 66, 70, 81): „Anzurechnendes Einkommen deckt zunächst die Bedarfe zur Sicherung des Lebensunterhalts. Das nach dieser Anrechnung verbleibende Einkommen deckt die Bedarfe für Unterkunft und Heizung.“ Da der Regelbedarf für Kinder etwas höher ist als das Kindergeld, kommt es allein wegen des Kindergeldes nicht zu einer Kürzung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung, allenfalls dann, wenn zusätzlich die erwachsenen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigendes Einkommen haben, das teilweise den Kindern zugerechnet wird.

6.

Auch nach dem Rückforderungszeitraum bezog die Klägerin weiterhin Leistungen zum Lebensunterhalt für ihre Familie (Erlass-A Bl. 95, 106).

II.1.

Den Antrag auf Erlass der Kindergeldrückforderung lehnte die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit H…, Inkassoservice, mit Bescheid vom 28.02.2016 im Wesentlichen ab (Erlass-A Bl. 116 = FG-A Bl. 10: Teilerlass in Höhe von 576,00 €, Ablehnung in Höhe von 11.113,50 €, Gesamtforderung 11.689,50, davon 11.574,00 € Kindergeldforderung und 115,50 € Säumniszuschläge) und führte aus, die Überzahlung beruhe auf einer Verletzung von Mitteilungspflichten (Nichtmitteilung der Beendigung der Erwerbstätigkeit), weswegen ein Erlass nicht in Betracht komme. Der gewährte Teilerlass betreffe das Kindergeld für den ersten Monat des Rückforderungszeitraums für alle drei Kinder, denn auch bei rechtzeitiger Mitwirkung sei eine Überzahlung für den ersten Monat unvermeidbar gewesen.

2.

Der Einspruch vom 05.04.2018 wurde mit Einspruchsentscheidung vom 18.07.2018 als unbegründet zurückgewiesen (Erlass-A Bl. 140 = FG-A Bl. 12). Das Datum der Aufgabe der Einspruchsentscheidung zur Post ergibt sich aus der Erlassakte nicht. Die Einspruchsentscheidung ging am 24.07.2018 bei der Klägervertreterin ein (FG-A Bl. 12).

III.

Mit der am 24.08.2018 erhobenen Klage führt die Klägerin aus: Sie stelle nicht in Abrede, dass sie ihre Mitwirkungspflichten gegenüber der Familienkasse verletzt habe, indem sie diese nicht darüber informiert habe, keiner Erwerbstätigkeit mehr nachzugehen. Allerdings habe sie ihre diesbezüglichen Pflichten aus sprachlichen Gründen nicht richtig erfassen können. Auch sei sie durch das Jobcenter, welches den Sachverhalt gekannt habe, nicht darauf hingewiesen worden. Im Übrigen entstünde der Nachteil letztlich den Kindern.

Die Klägerin beantragt (FG-A Bl. 29),

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 28.02.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.07.2018 die Beklagte zu verpflichten, den Rückforderungsbetrag in Höhe von 11.661,00 € zu erlassen,

hilfsweise,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 28.02.2018 in Gestalt der Einspruchs-entscheidung vom 18.07.2018 die Beklagte zu verpflichten, über den Erlassantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung der Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt (FG-A Bl. 56),

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Gründe des Ablehnungsbescheids und der Einspruchsentscheidung.

IV.1.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (Kl.: FG-A Bl. 48, Bekl.: FG-A Bl. 57).

2.

Der Ausdruck der elektronisch geführten Erlassakte (bis Bl. 151) lag vor.

Entscheidungsgründe

Soweit der Klageantrag über die Ablehnung hinausgeht, ist die Klage unzulässig (547,50 €, Ablehnung: 11.113,50 €, Klageantrag: 11.661,00 €). Die Klägerin ist insoweit durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert (§ 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.

Die Ablehnung des Erlasses (§ 227 AO) ist rechtswidrig (§ 101 Satz 1 FGO). Nur die Gewährung des Erlasses ist ermessensgemäß (§ 102 FGO).

In den Fällen der „Doppelkürzung“ des Kindergeldes sowohl bei den Sozialleistungen als auch beim Kindergeld durch dessen Rückforderung liegt eine vom Gesetzgeber nicht vorgesehene und daher unbillige Rechtsfolge vor, die den Erlass gebietet. Auf eine Mitwirkungspflichtverletzung kommt es nach Auffassung des Senats grundsätzlich nicht an.

I.1.

Die Frage, ob ein Erlass der Kindergeldrückforderung nur zu gewähren ist, wenn kein Verstoß der Erlassantragstellerin gegen Mitwirkungspflichten vorliegt, wenn also die Erlassantragstellerin kein Verschulden an der Überzahlung trifft, ist zwischen den Finanzgerichten umstritten (bejahend: FG Düsseldorf 16. Senat, Urteil vom 06.03.2014 16 K 3046/13 AO, EFG 2014, 977, Juris; FG Bremen 3. Senat, Urteil vom 28.08.2014 3 K 9/14 (1), EFG 2014, 1944, Juris; FG Düsseldorf 16. Senat, Urteil vom 07.04.2016 16 K 377/16 AO, Juris, die hierzu zunächst anhängige Revision BFH V R 22/16 wurde zurückgenommen; FG Düsseldorf 9. Senat, Urteil vom 11.01.2018 9 K 1625/17 AO, Juris; verneinend: Sächsisches FG, Urteil vom 07.11.2017 3 K 69/17 (Kg), Juris Rn. 39, hierzu Revision anhängig, BFH III R 31/17).

2.

Der erkennende Senat schließt sich dem Sächsischen FG an und bejaht einen Erlass unabhängig von einer Mitwirkungspflichtverletzung. Leitend dafür ist die Struktur und die konzeptionelle Wechselwirkung der beiderseitigen Leistungen:

a)

ALG II (für den Elternteil) und Sozialgeld (für die Kinder) sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, also des Existenzminimums. Dabei ist Kostenträger die Agentur für Arbeit, also der Bund, für den Regelbedarf einschließlich Mehrbedarfe und die Kommune hinsichtlich der Kosten der Unterkunft, die Leistungen für Bildung und Teilhabe und die einmaligen Leistungen, auch deren Anteil wird jedoch vom Bund bezuschusst (§ 46 i. V. m. § 6 SGB II). Außerdem wird anzurechnendes Einkommen zunächst auf die Bedarfe zur Sicherung des Lebensunterhalts angerechnet und nur nachrangig auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Anzurechnende Einnahmen, wie etwa das Kindergeld, verringern damit vorrangig die Zahlungen des Bundes.

Kindergeld dient vorrangig ebenfalls zur Sicherung des Existenzminimums des Kindes (§ 31 Satz 1 EStG). Es kann ggf. darüber hinaus der Förderung der Familie dienen, was jedoch in den Fällen, in denen Eltern und Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, fern liegt. Das Kindergeld wird in der Regel (Ausnahme: kindergeldberechtigter Elternteil im öffentlichen Dienst) durch die Familienkassen ebenfalls der Agentur für Arbeit gewährt, Kostenträger ist also beim Kindergeld in der Regel ebenfalls der Bund.

b)

Da beide Leistungen (Sozialgeld für die Kinder, ausgezahlt an den Haushaltsvorstand der Bedarfsgemeinschaft, einerseits und Kindergeld, ausgezahlt an einen Elternteil, andererseits) dieselbe Zielrichtung haben, nämlich die Absicherung des Existenzminimums des Kindes, findet eine Anrechnung statt, und zwar wird nach der gesetzlichen Regelung das Sozialgeld des Haushaltsvorstands für das Kind um den Kindergeldanspruch des Elternteils für das Kind gekürzt. Dies ist schlüssig.

c)

Fällt der Kindergeldanspruch nachträglich weg, kann aber nach den sozialrechtlichen Verfahrensregelungen das Sozialgeld für das Kind nicht mehr erhöht werden. Durch den Rückzahlungsanspruch wird damit den Eltern finanziell nachträglich der Betrag für das Existenzminimum des Kindes wieder genommen. Dies ist unschlüssig. Die Bundeskasse, die das Sozialgeld genauso wie das Kindergeld aufbringt, erspart sich so im Ergebnis die Beträge für das Existenzminimum des Kindes und treibt mindestens einen Elternteil regelmäßig in die Insolvenz. Grund dafür ist lediglich, dass die festsetzende und auszahlende Stelle für beide Leistungen organisatorisch getrennt und der Informationsfluss zwischen beiden Stellen nicht vorgesehen ist. Der Verweis auf einen Verstoß gegen Mitwirkungspflichten des Elternteils erscheint im Verhältnis zum gesetzgeberischen Mangel der Konzeption rein formalistisch.

Die Versagung der Absicherung des Existenzminimums des Kindes dürfte im Übrigen verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sein.

Der konzeptionelle gesetzliche Mangel ist – auch zu Vermeidung eines verfassungswidrigen Ergebnisses – in solchen Fällen zwingend durch einen Billigkeitserlass zu kompensieren.

Der Bundeskasse erwächst dadurch im Ergebnis keine vom Gesetz nicht vorgesehene Belastung. Die Jobcenter als gemeinsame Einrichtungen gemäß § 44b i. V. m. § 6d SGB II bewirtschaften die Haushaltsmittel des Bundes für die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 44f Abs. 1 SGB II. An der Trägerschaft der Bundesagentur für Arbeit und der Finanzierung aus Bundesmitteln gemäß §§ 6, 46 SGB II ändert sich dadurch nichts. Damit handelt es sich sowohl beim Kindergeld als auch bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Kinder (letzteres jedenfalls ganz überwiegend, ggf. abzüglich eines Anteils für Unterkunft und Heizung, der für die Kinder jedoch anteilig eher gering sein wird und für den teilweise der kommunale Träger aufkommen muss, bei einkommenslosen Erwachsenen in der Bedarfsgemeinschaft aber ausschließlich) um Mittel nicht nur des Bundes, sondern sogar derselben Behörde, nämlich der Bundesagentur für Arbeit, die dort lediglich in unterschiedlichen Haushaltstiteln verwaltet werden. Wird also infolge der Mitwirkungspflichtverletzung statt mehr Sozialgeld infolge der wegfallenden Anrechnung des Kindergeldes betragsmäßig korrespondierend fälschlich Kindergeld gezahlt, bewirkt dies im Ergebnis nicht mehr als die Verbuchung des entsprechenden Betrages in einem falschen Haushaltstitel der Bundesagentur für Arbeit.

Das Sozialstaatsprinzip erfordert, dass die Gemeinschaft das Existenzminimum ihrer Mitglieder, der Erwachsenen wie der Kinder, sicherstellt, wenn diese nicht selbst für ihr Existenzminimum sorgen können. Dabei wollte der Gesetzgeber ausschließen, dass das Existenzminimum von Kindern doppelt abgedeckt wird, mithin durch zweifache Zuwendung (beim Sozialgeld und beim Kindergeld) der Familie „Luxus“ beschert wird. Dass der Gesetzgeber mit den Anrechnungsvorschriften auch bezweckt hat, dass einfache Mitwirkungspflichtverstöße, von denen die Leistungsempfänger in der Summe keinen Vorteil gezogen haben und die Kasse des Bundes in der Summe keinen Nachteil erlitten hat, mit dem nachträglichen Entzug der Zuwendung zur Abdeckung des Existenzminimums der Kinder und bei fortdauernder Bedürftigkeit der in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen regelmäßig mit der Insolvenz eines Elternteils geahndet werden sollen, liegt nach der Überzeugung des Senats fern.

d)

Die Argumente der Gegenansicht hält der Senat nicht für überzeugend. Sie geht davon aus, dass der Träger der Sozialleistungen einerseits und die Familienkasse andererseits quasi fremde Dritte seien. So hat das FG Düsseldorf (Urteil vom 06.03.2014 16 K 3046/13 AO, EFG 2014, 977, Juris Rn. 22) ausgeführt: „Die Familienkasse braucht sich nicht in jedem Falle die „Ersparnis“ des Sozialleistungsträgers vorhalten zu lassen, sie ist nicht generell daran gehindert, den durch die rechtsgrundlose Überzahlung des Kindergeldes eingetretenen eigenen Vermögensnachteil geltend zu machen.“ Ähnlich FG Bremen (Urteil vom 28.08.2014 3 K 9/14 (1), EFG 2014, 1944, Juris Rn. 67): „Die Familienkasse braucht sich nicht die „Ersparnis“ des Sozialleistungsträgers bei der Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an die Ehefrau des Klägers bzw. an die zu ihrer Bedarfsgemeinschaft gehörenden Personen vorhalten zu lassen. Nur weil die Ehefrau bzw. die Bedarfsgemeinschaft gegenüber dem Jobcenter C... einen entsprechend höheren Leistungsanspruch gehabt hätte, braucht die Familienkasse nicht auf die Rückforderung unberechtigt gezahlten Kindergeldes gegenüber dem Kläger zu verzichten.“ Wie zuvor dargelegt, handelt es sich aber nur um organisatorisch verselbständigte Stellen derselben Behörde, die Mittel desselben Rechtsträgers verwalten. In Bedürftigkeitsfällen korrespondiert aufgrund der Anrechnungsvorschriften die Minderung des Sozialgeldes mit dem Kindergeldanspruch bzw. die Erhöhung des Sozialgeldes mit dem wegfallenden Kindergeldanspruch. Es handelt sich bei den Anrechnungsvorschriften daher aus Sicht der Bundesagentur für Arbeit lediglich um die Anwendung des Prinzips „linke Tasche, rechte Tasche“.

II.1.

Die Revision wird sowohl wegen grundsätzlicher Bedeutung als auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alt 2. FGO). Fälle der Rückforderung von Kindergeld von Personen, denen das nämliche Kindergeld zuvor bei ihren Leistungen zum Lebensunterhalt gekürzt wurde, sind, wie der Senat aus langjähriger Erfahrung weiß, sehr häufig. Die Frage, nach welchen Rechtsgrundsätzen der Rückforderungsanspruch in solchen Konstellationen zu erlassen ist, ist daher klärungsbedürftig. Außerdem weicht der Senat von den oben (I.1.) genannten Entscheidungen des FG Düsseldorf und des FG Bremen ab.

2.a)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 und § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

b)

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

3.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung aufgrund des Verzichts der Beteiligten (§ 90 Abs. 2 FGO).