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GdB


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat Entscheidungsdatum 18.04.2013
Aktenzeichen L 13 SB 11/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 69 SGB 9, VersMedV

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 29. Oktober 2009 aufgehoben.

Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 26. November 2004 in der Fassung des Bescheides vom 01. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2005 verpflichtet, bei dem Kläger ab 04. August 2004 einen Grand der Behinderung von 50 festzustellen.

Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens zu ¾ zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) vom 50 statt anerkannter 30.

Der 1959 geborene Kläger ist gelernter Landwirt und war zuletzt von 1992 bis zum 14. Februar 2004 als selbständiger Landschaftsgärtner tätig. Am 15. Februar 2004 erlitt der Kläger einen Myokardinfarkt, bei dem zunächst eine Koronarintervention mittels Stent-Implantation durchgeführt wurde. Im Rahmen einer am 28. April 2004 durchgeführten Bypass-Operation wurden ihm vier Bypässe gelegt. Der Kläger ist seit dem 15. Februar 2004 arbeitsunfähig krankgeschrieben.

Am 04. August 2004 beantragte der Kläger unter Hinweis auf die Herzerkrankung sowie ein bestehendes Wirbelsäulenleiden die Feststellung des GdB. Im Rahmen des Antragsverfahrens zog der Beklagte medizinische Befundunterlagen des Unfallkrankenhauses B, eine Epikrise der Klinik R vom 7. September 2004 bezüglich einer durchgeführten stationären Reha-Maßnahme vom 21. Juli bis zum 11. August 2004 sowie eine ärztliche Auskunft der Fachärztin für Allgemeinmedizin M vom 10. September 2004 bei. Mit Bescheid vom 26. November 2004 stellte der Beklagte der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. K vom 08. November 2004 folgend aufgrund der Behinderung

abgelaufener Herzinfarkt, Bypass, Bluthochdruck

einen GdB von 20 fest.

Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 17. Dezember 2004 zog der Beklagte weitere ärztliche Auskünfte der behandelnden Ärzte, des Facharztes für Orthopädie vom 28. Februar 2005, der Fachärztin für Innere und Angiologie Frau Dr. W vom 09. März 2005 bei und stellte mit Änderungsbescheid vom 01. April 2005 der gutachtlichen Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. K vom 30. März 2005 folgend einen GdB von 30 ab Antragstellung aufgrund folgender Funktionsbehinderungen fest:

Herzleistungsminderung, Bypass (Einzel-GdB 30)

periphere arterielle Verschlusskrankheit (paVK) beider Beine (Einzel-GdB 20)

Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 10).

Im Übrigen wies er den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2005 zurück.

Der Kläger hat am 20. September 2005 Klage vor dem Sozialgericht Cottbus erhoben, mit der er einen GdB von 60 begehrt hat. Das Sozialgericht hat den Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, Chefarzt des C--Klinikum C, Dr. K- mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser gelangte nach ambulanter Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten vom 04. Oktober 2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 07. Februar 2007 zu der Einschätzung, dass der Gesamt-GdB ab Antragstellung mit 50 aufgrund folgender Funktionsbeeinträchtigungen zu bewerten sei:

-koronare Herzerkrankung mit Dreigefäßbeteiligung und Zustand nach Bypassoperation (Einzel-GdB 30),
-paVK beider Beine (Einzel-GdB 30),
-Lumbago mit kleinem Bandscheibenvorfall (Einzel-GdB 20).

Nachdem der Kläger weitere medizinische Unterlagen, so den Herzkatheterbefund des S Herzzentrums C vom 10. April 2007, den ärztlichen Bericht der Fachärztin für Innere Medizin Dr. W vom 16. April 2007, den Arztbrief der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. M vom 27. Juli 2007 und den Kurzbrief der Fachärzte für Allgemeinmedizin und Nephrologie Dipl.-Med. Z und Dr. R vom 21. Mai 2007 vorgelegt hat, hat das Sozialgericht den Facharzt für Innere Medizin Dr. B mit der Erstattung eines weiteren Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser gelangte nach durchgeführter ambulanter Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten vom 05. April 2008 nebst ergänzender Stellungnahme vom 22. November 2008 ebenfalls zu der Einschätzung, dass der Gesamt-GdB mit 50 ab Antragstellung zu bewerten sei. Er hat folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde gelegt:

koronare Herzkrankheit nach Myocardinfarkt bei Zustand nach Mehrfach-Bypass mit symptomatischer Belastungs-Angina-pectoris und Herzrhythmusstörungen bei Hypertonus (Einzel-GdB 40),

generalisierte arterielle Arteriosklerose mit Hyperlipidämie (Einzel-GdB 10),

paVK beidseits im Stadium II a bis II b (Einzel-GdB 20),

Lumboischialgien mit Bandscheibenvorfall und degenerativen Wirbelsäulenveränderungen (Einzel-GdB 20),

Ulcus ventriculi et duodeni (Einzel-GdB 10) April 2007.

Das Sozialgericht hat ferner das in den rentenrechtlichem Verfahren vor dem Sozialgericht Cottbus (Az.: S 8 LW 2/06) zur Frage der Erwerbsfähigkeit des Klägers eingeholte Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. S vom 17. Dezember 2007 beigezogen.

Zu den eingeholten Befunden und Gutachten hat der Beklagte mit gutachtlichen Stellungnahmen der Versorgungsärztin Dr. W vom 2. Mai 2006, 13. November 2006, 28. März 2007, 31. Mai 2007, 09. Oktober 2007, 28. Mai 2008 und 06. Februar 2009 sowie der Versorgungsärztin, der Fachärztin für Chirurgie, Dr. W vom 22. Juli 2009 Stellung genommen.

Das Sozialgericht hat sodann mit Urteil vom 29. Oktober 2009 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger unter Berücksichtigung der versorgungsmedizinischen Grundsätze nach Maßgabe der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) bzw. der seit dem 01. Januar 2009 geltenden Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als von 30 habe. In Anwendung dieser Grundsätze sei die koronare Herzkrankheit mit Herzleistungsminderung in Übereinstimmung mit den Feststellungen des Sachverständigen Dr. K- zu Recht mit einem GdB von 30 angesichts der von diesem durchgeführten Ergometrie bewertet worden. Die im Übrigen eingeholten medizinischen Befunde gäben keinen Anlass zu einer Höherbewertung. Dem Sachverständigen Dr. B, der insoweit einen Einzel-GdB von 40 für angemessen hält, sei nicht zu folgen, weil die erhobenen Funktionswerte keinen Anhalt für eine Höherbewertung ergeben hätten. In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. B sei die paVK mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Der Einschätzung des Sachverständigen Dr. K- der insoweit einen Einzel-GdB von 30 für gerechtfertigt hält, sei nicht zu folgen, weil diese allein auf den anamnetischen Angaben des Klägers zu der schmerzfrei zu Fuß zurücklegbaren Wegstrecke von unter 500 m beruhe. Die von dem Sachverständigen Dr. B beruhende Einschätzung bestätige sich letztlich durch die von dem Sachverständigen Dr. S erhobenen Befunde. Entgegen der Einschätzung der Sachverständigen Dr. K- und Dr. B sei das Lendenwirbelsäulenleiden lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten, weil die von den Sachverständigen erfolgten Feststellungen allenfalls den Schluss auf geringfügige funktionelle Auswirkungen zulassen würden. Neurologische Ausfallerscheinungen seien weder festgestellt noch mitgeteilt worden. Allein die Darstellung eines Bandscheibenvorfalls in der Computertomografie rechtfertige nicht die Vergabe eines GdB von 20. Denn für die Bewertung von Wirbelsäulenschäden sei allein das Ausmaß der Bewegungseinschränkungen maßgeblich. Der Gesamt-GdB sei mit 30 festzustellen, weil die Verschlusskrankheit der unteren Extremitäten sowie die Funktionsstörung der Wirbelsäule nicht geeignet seien, sich erhöhend auf den höchsten Einzel-GdB auszuwirken. Den Sachverständigen Dr. K und Dr. B hinsichtlich eines festzustellenden Gesamt-GdB könne insoweit nicht gefolgt werden, weil nach vorgenannten Ausführungen die jeweils festzustellenden Einzel-GdB niedriger zu bewerten seien.

Gegen das ihm am 21. Dezember 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. Januar 2010 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren auf Feststellung eines GdB von 60 weiterverfolgt.

Nach Durchführung des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 18. August 2011 hat der Senat die im anhängigen Rentenstreitverfahren vor dem 22. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Az: L 22 LW 6/08) gefertigten Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin und Diplompsychologen vom 7. Februar 2007 nebst ergänzender Stellungnahmen vom 2. Juni und 2. August 2010 und des Facharztes für Innere Medizin und Kardiologie Prof. Dr. vom 5. Juli 2011 sowie die ergänzende Stellungnahme des Arztes für Innere Medizin Dr. vom 10. März 2010 beigezogen.

Zur Begründung seiner Berufung nimmt der Kläger Bezug auf die Ausführungen der Sachverständigen Dr. K- und Dr. B. Diese bestätigten die bestehenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen, die mindestens die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft rechtfertigen würden. Auch belege das im Rentenstreitverfahren von Prof. Dr. F eingeholte Gutachten mit durchgeführter Laufbahnuntersuchung, dass für die paVK mindestens die Vergabe eines Einzel-GdB von 30 gerechtfertigt sei. Nach der Laufbahnuntersuchung könne der Kläger nur noch eine absolute Gehstrecke von 134 Metern zurücklegen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18. April 2013 hat der Kläger sein Begehren auf einen GdB von 50 beschränkt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 29. Oktober 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 26. November 2004 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 01. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2005 zu verurteilen, bei ihm einen Grad der Behinderung von 50 ab dem 04. August 2004 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten des Beklagten, die im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie hat im hier noch aufrecht erhaltenen Umfang auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht der jetzt noch geltend gemachte Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 ab dem 4. August 2004 zu.

Nach § 69 Absatz 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Neuntes Buch (SGB IX) stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird gemäß § 69 Absatz 3 Satz 1 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Einzelheiten hierzu sind unter A 3 der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) geregelt.

Nach A 3 d) Anlage zur VersMedV ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird. Gemäß A 3 d) ee) führen von Ausnahmefällen abgesehen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 30 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Nach diesen Grundsätzen ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zur Überzeugung des Senats (vgl. § 128 Absatz 1 Satz 1 SGG) bei dem Kläger ab Antragstellung ein GdB von jedenfalls 50 gegeben. Führendes Leiden ist das Herzleiden des Klägers, das nach insoweit einhelliger Feststellung der im Gerichtsverfahren befragten Sachverständigen zumindest mit einem GdB von 30 zu bewerten ist. Hinzu treten eine arterielle Verschlusskrankheit, die ebenfalls insoweit übereinstimmend zumindest mit einem GdB von 20 zu bewerten ist, und das Wirbelsäulen ebenfalls mit einem GdB von 20. Dies hat zur Folge, dass das mit einem Wert von 30 belegte führende Leiden insgesamt zweimal um 10 zu erhöhen ist, weil sowohl die arterielle Verschlusskrankheit als auch das Wirbelsäulenleiden jeweils erhöhend wirken. Der Senat hat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens keine Zweifel daran, dass sowohl die Verschlusskrankheit als auch das Wirbelsäulenleiden jeweils verstärkend wirken, Überschneidungen finden fast gar nicht statt. Im Übrigen haben beide Sachverständige, die im Verlauf des Gerichtsverfahrens gehört wurden, sich für einen GdB von 50 ausgesprochen.

Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Erörterung, ob das Herzleiden des Klägers sogar mit einem GdB von 40 (statt 30) zu bewerten ist, wie der Sachverständige meint, und ob die arterielle Verschlusskrankheit mit einem GdB von 30 (statt 20) zu bewerten ist, wie es der Sachverständige einschätzt, denn selbst bei Ansatz eines GdB von lediglich 30 für das Herzleiden und von lediglich 20 für die Verschlusskrankheit ergibt sich, wie vorstehend ausgeführt, der vom Kläger begehrte GdB von insgesamt 50 ab Antragstellung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausmaß des wechselseitigen Unterliegens im gesamten Verfahren.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach §160 Absatz 2 SGG nicht vorliegen.