Gericht | FG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 07.05.2013 | |
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Aktenzeichen | 11 K 11138/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Kläger schloss am 23. August 2006 mit der Arbeitsgemeinschaft B., die ihren Sitz (Baubüro) in C., D.-Straße hat, einen Arbeitsvertrag. Nach diesem Arbeitsvertrag sollte der Kläger befristet für die Zeit vom 14. August 2006 bis 30. Juni 2008 bei der B. beschäftigt werden. Als Dienstort wurde die Baustelle E. in C. vereinbart. Auf den Inhalt des Arbeitsvertrags wird im Übrigen Bezug genommen.
Nachdem das Arbeitsverhältnis in der Folgezeit bis zum 31. Dezember 2008 verlängert worden war, vereinbarten der Kläger und die B. im November 2008 die unbefristete Fortführung des Arbeitsverhältnisses über den 1. Januar 2009 hinaus bis zum Ende der Betonarbeiten des Bauvorhabens E..
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2008 und 2009 machte der Kläger bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit unter anderem für die Fahrten zwischen seiner Wohnung in F. und der Baustelle in C. Fahrtkosten im Rahmen einer Auswärtstätigkeit geltend, weil eine regelmäßige Arbeitsstätte nicht vorhanden sei. Dementsprechend machte er die tatsächlichen Fahrtkosten mit € 0,30 pro gefahrenen Kilometer als Werbungskosten geltend, und zwar für 48 Fahrten von F. nach C. (Entfernung = 200 km) und für 230 Fahrten von der Baustellenunterkunft in C. zur Baustelle (Entfernung = 18 km).
Der Beklagte folgte den Steuererklärungen insoweit nicht und berücksichtigte lediglich die Entfernungspauschale als Werbungskosten.
Zur Begründung seines Einspruchs trug der Kläger vor, er arbeite an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten. Insoweit mache es steuerlich keinen Unterschied, wenn er im Rahmen des Arbeitsvertrags projektbezogen tätig sei und nach Abschluss des Projekts und Beendigung des Arbeitsvertrags die Tätigkeitsstelle wechsele oder im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nach Abschluss der einzelnen Projekte die Tätigkeitsstätte wechsele. Zudem stelle eine Baustelle keine regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – dar (Urteil vom 18. Dezember 2008 – VI R 39/07, Sammlung der amtlich veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 224, 111, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2009, 475).
Der Beklagte wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Baustelle sei die regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers. Dies ergebe sich bereits aus dem Arbeitsvertrag. Es komme daher auch nicht darauf an, ob die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit im Allgemeinen nur an wechselnden Tätigkeitsstätten ausgeübt werde, weil der Kläger nur an einer, nämlich der regelmäßigen Arbeitsstätte tätig geworden sei. Der Einsatzort des Klägers sei gleich geblieben.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger weiter vor, auch eine Großbaustelle stelle keine regelmäßige Arbeitsstätte dar. Er, der Kläger, könne sich nicht auf die notwendigen Fahrten zu der Baustelle einstellen; er müsse beweglich bleiben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid über Einkommensteuer 2008 vom 20. August 2009, in der Fassung des Änderungsbescheids vom 26. Februar 2010, und den Bescheid über Einkommensteuer 2009 vom 14. Juni 2010, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Juni 2011 dahingehend zu ändern, dass bei den Veranlagungen weitere Werbungskosten in Höhe von jeweils € 3 501,- berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, der Kläger sei im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses nur an einer Baustelle tätig geworden. Diese Baustelle stelle die regelmäßige Arbeitsstätte dar. An dieser Einschätzung ändere auch der Umstand, dass sich der Ort der Tätigkeit durch den Tunnelvortrieb verändere, nichts. Denn regelmäßige Arbeitsstätte sei die gesamte Baustelle.
Der Senat hat mit Beschluss vom 18. April 2013 den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Steuerbescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat die streitigen Fahrten zutreffend als Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte eingeordnet.
Entgegen der Auffassung des Klägers stellen seine Fahrten von F… bzw. von der Unterkunft in C. Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte dar und sind danach nur eingeschränkt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Gesetzes zur Fortführung der Gesetzeslage 2006 bei der Entfernungspauschale (Bundesgesetzblatt I 2009, 774, Bundessteuerblatt – BStBl. – I 2009, 536) – EStG – als Werbungskosten abziehbar.
Nach der vorstehenden Vorschrift gehören zu den Werbungskosten auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Dabei ist zur Abgeltung dieser Aufwendungen für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die regelmäßige Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte von € 0,30 anzusetzen, höchstens jedoch € 4 500,- im Kalenderjahr. Benutzt der Arbeitnehmer ein eigenes oder ihm zur Nutzung überlassenes Kraftfahrzeug, ist ein höherer Betrag als € 4 500,- anzusetzen.
Regelmäßige Arbeitsstätte ist (nur) der (ortsgebundene) Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers und damit der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen hat. Dies ist im Regelfall der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht (vergleiche: BFH, Urteil vom 9. Juni 2011 – VI R 55/10, BFHE 234, 164, BStBl. II 2012, 38, m.w.N.).
Eine regelmäßige Arbeitsstätte ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten etwa durch die Bildung von Fahrgemeinschaften, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und ggf. sogar durch die entsprechende Wohnsitznahme hinwirken kann. Für diesen Fall erweist sich die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip (siehe: BFH, Urteil vom 17. Juni 2010 – VI R 35/08, BFHE 230, 147, BStBl. II 2010, 852).
Auf Grundlage der gesetzlich angelegten und in der vorgenannten Weise gerechtfertigten Zweiteilung der Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen unterscheiden sich die Tätigkeit an einer regelmäßigen Arbeitsstätte von der Auswärtstätigkeit nicht danach, ob der Arbeitnehmer aus einer ex post-Betrachtung tatsächlich an einem bestimmten Ort für längere Zeit tätig gewesen war, sondern danach, ob sich der Arbeitnehmer zu Beginn der jeweiligen Tätigkeit ("ex ante") darauf hatte einrichten können, dort dauerhaft tätig zu sein (vergleiche: BFH, Urteil vom 17. Juni 2010 – VI R 35/08, BFHE 230, 147, BStBl. II 2010, 852).
In diesem vorgenannten Sinne stellt auch ein größeres, räumlich geschlossenes Gebiet eine regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG dar, wenn es sich um ein zusammenhängendes Gelände des Arbeitgebers handelt, auf dem der Arbeitnehmer auf Dauer und mit einer gewissen Nachhaltigkeit tätig wird. Unter diesen Voraussetzungen kann auch ein Werksgelände, ein Waldgebiet oder eine Tätigkeit unter Tage eine großräumige (regelmäßige) Arbeitsstätte darstellen (siehe: BFH, Urteil vom 18. Juni 2009 – VI R 61/06, BFHE 226, 59, BStBl. II 2010, 564).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund stellt die Baustelle des Arbeitsgebers in C. eine regelmäßige Arbeitsstätte dar. Denn hierbei handelt es sich um den Betrieb des Arbeitsgebers, an dem dieser auch seine Betriebsstätte unterhält. Insoweit kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf § 2a Gewerbesteuergesetz berufen. Denn bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine gewerbesteuerliche Vereinfachungsvorschrift (siehe hierzu nur. Schumann/Salevic in Deloitte, Gewerbesteuergesetz, 2009, § 2a Randnummer 1), aus der sich für die Frage, ob es sich bei der Baustelle in C. um eine regelmäßige Arbeitsstätte handelt, keine Schlüsse ziehen lassen. Vielmehr folgt aus dem Umstand, dass die B… der Arbeitgeber des Klägers ist, dass es für die Beurteilung der Tätigkeit des Klägers auf die konkreten Umstände in Bezug auf diesen Arbeitgeber und den mit diesem Arbeitgeber abgeschlossen Arbeitsvertrag ankommt.
Weiterhin handelt es sich bei der Baustelle auch um eine großräumige regelmäßige Arbeitsstätte. Denn der Kläger war im Rahmen des Tunnelvortriebs immer nur am jeweils neu zu erstellenden Tunnelteil tätig. Insoweit ist die Tätigkeit des Klägers räumlich enger eingegrenzt, als die Tätigkeit eines Fahrers im Untertagebergbau, der innerhalb dieses Bergbaus mit seinem Fahrzeug unterwegs ist, und dessen Tätigkeitsort als regelmäßige Arbeitsstätte einzuordnen ist (siehe auch: BFH, Urteil vom 18. Juni 2009 – VI R 61/06, BFHE 226, 59, BStBl. II 2010, 564).
Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er sei an ständig wechselnden Tätigkeitsstellen tätig. Denn tatsächlich ist er nur an einer Baustelle tätig. Insofern ist es auch unbeachtlich, ob er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses an einem anderen Arbeitsort tätig wird. Denn im Rahmen des konkreten Arbeitsverhältnisses mit der B. wurde der Kläger nur an einer Baustelle – und damit seiner regelmäßigen Arbeitsstätte – tätig.
Dementsprechend ist auch das BMF-Schreiben vom 21. Dezember 2009 – IV C 5 – S 2353/08/10010, 2009/0829172, BStBl. I 2010, 21, im Falle des Klägers nicht anwendbar. Denn der Kläger wurde nicht außerhalb einer betrieblichen Einrichtung seines Arbeitsgebers im Rahmen einer Auswärtstätigkeit, sondern in der einzigen betrieblichen Einrichtung seines Arbeitsgebers tätig.
Schließlich geht auch der Hinweis des Klägers, er könne sich nicht auf die immer gleichen Wege einstellen und so (etwa durch Fahrgemeinschaften, öffentliche Verkehrsmittel oder eine zielgerichtete Wohnsitznahme in der Nähe der regelmäßigen Arbeitsstätte) auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken, fehl. Vielmehr konnte sich der Kläger auf der Grundlage seines Arbeitsvertrags auf eine konkrete Fahrsituation schon deshalb einstellen, weil der Arbeitsort des Klägers konkret bestimmt war, und es sich um nur einen Arbeitsort handelte. Daher kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf das Urteil des BFH vom 18. Dezember 2008 – VI R 39/07, a.a.O., berufen. Denn in diesem Urteilsfall war der Arbeitnehmer an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten tätig. Hingegen war der Kläger nicht auf ein Kraftfahrzeug angewiesen, weil die Tätigkeitsstätte ständig wechselte und die Entfernung der sich laufend ändernden Tätigkeitsstätten vom Wohnort oft stark schwankte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.