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Entscheidung VK 26/10


Metadaten

Gericht Vergabekammer Potsdam Entscheidungsdatum 09.06.2010
Aktenzeichen VK 26/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Auftraggeberin wird aufgegeben, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen.

2. Die Auftraggeberin und die Beigeladene haben die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) als Gesamtschuldner sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin je zur Hälfte zu tragen.

3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

4. Die Gebühr wird auf X.XXX,XX EUR festgesetzt.

5. Der von der Antragstellerin eingezahlte Kostenvorschuss i.H.v. 2.500,00 EUR wird an sie nach Bestandskraft des Beschlusses zurückgezahlt.

Gründe

I.

Die A… wurde am … 1991 in … gegründet. Gegenstand des Unternehmens sind die Planung und Baudurchführung (Bauvorbereitung und Bauüberwachung) von Bundesfernstraßen oder wesentlichen Teilen davon im Rahmen der Auftragsverwaltung gemäß Artikel 90 Grundgesetz. Am Stammkapital der A… sind der … zu XX,XX % und je zu X,XX % die Bundesländer … beteiligt.

Die A… schrieb im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom … 2009 die Vergabe des verfahrensgegenständlichen Auftrages im Offenen Verfahren aus. Varianten/Alternativangebote waren zugelassen, Ziffer II.1.9) der Bekanntmachung. Nach Ziffer IV.2.1) der Vergabebekanntmachung sollte der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Kriterien, die in den Verdingungs-/Ausschreibungsunterlagen, der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder zur Verhandlung bzw. in der Beschreibung zum wettbewerblichen Dialog aufgeführt sind, erteilt werden. In den Verdingungsunterlagen, Ziff. 12.1 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes, benannte die Auftraggeberin als alleiniges Zuschlagskriterium den Preis.

In der EG-Aufforderung zur Angebotsabgabe verwies die Auftraggeberin hinsichtlich der Mindestanforderungen für Nebenangebote auf die Baubeschreibung Abschnitt 1.5 sowie die einschlägigen Regelwerke gemäß anliegendem Vordruck StB-Mindestanforderungen. Der Anhang Mindestanforderungen für Nebenangebote enthält unter Ziffer 5 – Asphaltstraßen – die Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt (ZTV Asphalt-StB 07) sowie die Technischen Lieferbedingungen für Asphaltmischgut für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen, Ausgabe 2007 (TL Asphalt-StB 07). Die Brandenburgischen Technischen Richtlinien für die Verwertung von RecyclingBaustoffen im Straßenbau; Herstellung, Prüfung, Auslieferung und Einbau, Ausgabe 2004 (BTR RC-StB 04) sind nicht aufgeführt.

Gemäß Ziffer A 5.2 der EG-Bewerbungsbedingungen müssen Nebenangebote, soweit sie zugelassen sind, die geforderten Mindestanforderungen erfüllen. Nach Ziffer 5.5 werden Nebenangebote, die den Ziffern … 5.2 bis 5.4 nicht entsprechen, von der Wertung ausgeschlossen. Nach Ziffer B Ergänzung für den Straßen- und Brückenbau (März 2009) zu 5 – Nebenangebote, Ziffer 2, der EG-Bewerbungsbedingungen sind Nebenangebote über eine kostengünstigere oder umweltverträglichere Vermeidung, Wiederverwendung, Wiederverwertung oder Beseitigung von Abfällen gemäß Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ausdrücklich erwünscht.

Nach Ziffer 1.1.4.5 – b) Asphalttragschichten – der Baubeschreibung ist die Verwendung von Asphaltgranulat unter Beachtung der Qualitätsanforderungen gemäß Leistungstext gestattet. In Ziffer 3.7.30 des Leistungsverzeichnisses wird der Anteil Asphaltgranulat abweichend von der BTR RC-StB 04 auf 10 M-% festgelegt.

Nach Ziffer 1.1.4.5 – c) Asphaltbinderschichten – der Baubeschreibung ist die Verwendung von Asphaltgranulat ausgeschlossen.

Die Antragstellerin gab mit Schreiben vom … 2010 ein Angebot ab.

Die Beigeladene reichte ein Hauptangebot und sieben Nebenangebote ein. Die Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 enthielten alternative Asphaltbindermaterialien (Nebenangebot Nr. 1) bzw. Asphalttragschichten (Nebenangebot Nr. 2).

Der Submissionstermin fand am … 2010 statt. Nach dessen Ergebnis lag die Beigeladene mit ihrem Hauptangebot an zweiter Rangstelle hinter der Antragstellerin.

Über die Absicht, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen, informierte die Auftraggeberin die Beigeladene mit Telefaxschreiben vom … 2010. Sie – die Beigeladene – habe nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben. Ihre Nebenangebote 1 - 3 und 7 habe sie nicht berücksichtigt.

Hiergegen wandte sich die Beigeladene zunächst an die Auftraggeberin und sodann mit einem Nachprüfungsantrag vom … 2010 an die Vergabekammer des Landes Brandenburg.

Anlässlich des Nachprüfungsantrages hat die Auftraggeberin den Wertungsvorgang überprüft und die Wertung bezüglich der Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 der Beigeladenen korrigiert.

Mit der Antragstellerin am … 2010 zugegangenem Telefaxschreiben teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin mit, dass sie aufgrund der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens durch die Beigeladene deren Nebenangebote überprüft und in deren Ergebnis auch die Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 gewertet habe. Für das Angebot der Beigeladenen ergebe sich daher eine neue Wertungssumme, die zu einer Änderung der Bieterreihenfolge führe. Es sei daher beabsichtigt, nach Ablauf der Informationsfrist von 10 Kalendertagen den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

Mit Schreiben vom … 2010 rügte die Antragstellerin die Entscheidung der Auftraggeberin, die Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 der Beigeladenen zu werten und den Zuschlag nicht - wie zunächst angekündigt - auf ihr Angebot, sondern auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, als vergaberechtswidrig. So würden die von der Beigeladenen vorgelegten Nebenangebote nicht den formalen Anforderungen, die die Auftraggeberin in den Vergabeunterlagen an die Wertbarkeit von Nebenangeboten geknüpft habe, entsprechen. Sie seien nicht auf besonderer Anlage gemacht und nicht als solche gekennzeichnet. Ihre Anzahl sei weder an der im Angebotsschreiben bezeichneten Stelle aufgeführt noch erfüllten sie die Mindestanforderungen, die sich aus dem „Anhang-Mindestanforderungen“ und aus Ziffer 3.12.1 der Baubeschreibung ergeben. Die Beigeladene habe die in den Nebenangeboten enthaltenen Leistungen nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben; die Gliederung des Leistungsverzeichnisses sei nicht beibehalten worden; sie erfassten nicht alle Leistungen, die zu einer einwandfreien Ausführung der Bauleistung erforderlich seien. Da die angebotene alternative Ausführung nicht in Allgemeinen technischen Vertragsbedingungen oder in den Vergabeunterlagen geregelt sei, hätte die Beigeladene im Angebot entsprechende Angaben über Ausführung und Beschaffenheit dieser Leistung machen müssen. Solche Angaben fehlten. Die Nebenangebote würden nicht sämtliche Teilleistungen (Positionen) des Leistungsverzeichnisses aufzeigen, die sie beeinflussen; es fehlte eine vollständige Aufgliederung der beeinflussten Teilleistungen nach Mengenansätzen und Preisen. Die in Ziffer 3.12.1 der Baubeschreibung geforderten Beschreibungen, Mengennachweise, Geräteeinsätze, Bauabläufe usw. seien nicht enthalten. Die technischen und preislichen Auswirkungen seien nicht in ihrer Gesamtheit prüfbar dargestellt. Die Nebenangebote Nr.1 und Nr. 2 genügten nicht den in der Baubeschreibung zusammengestellten Bedingungen, insbesondere nicht den zusammengestellten Belastungsannahmen und Bemessungsgrundsätzen sowie den in der Baubeschreibung enthaltenen Änderungen und Ergänzungen zu den technischen Vorschriften. Soweit die Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 die Gründungsart gegenüber dem Behördenentwurf ändern, fehle ihnen eine Ergänzung zum vorhandenen Bodengutachten der Auftraggeberin bzw. ein neues Bodengutachten, in dem besonders die Gründungssituation des Nebenangebotes erläutert sei. Im Übrigen fehle eine Angabe, welche aufzuwendenden Kosten und welche aus der geänderten Gründungsart herzuleitenden Folgeleistungen angeboten bzw. eingerechnet werden. Die Nebenangebote würden zudem nicht dem letzten Absatz der Ziffer 3.12.1 der Baubeschreibung/Strecke entsprechen. Danach sei der Ersatz von Parallel- durch Schrägflügel nicht erlaubt. Auch sei den Vorgaben nicht genügt, dass erdberührte Teile so auszubilden seien, dass deren Hinterfüllung einwandfrei eingebracht und verdichtet werden könne und dass die Brückenausstattung des Bauwerkes der des Verwaltungsentwurfes gleichwertig sei.

Die Auftraggeberin wies die Rüge mit Schreiben vom … 2010 als unzulässig zurück. Sie enthalte eine bloße Auflistung der formellen und inhaltlichen Anforderungen der Nebenangebote aus den Verdingungsunterlagen mit der pauschalen Behauptung, dass die Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 diese nicht vollumfänglich erfüllen würden. Diese Behauptungen seien unsubstantiiert und würden keinerlei Bezug zu den Nebenangeboten Nr. 1 und Nr. 2 der Beigeladenen enthalten. Die völlig vagen und pauschalen Behauptungen stellten keine konkrete Rüge einer Vergaberechtsverletzung dar. Abgesehen von der Unzulässigkeit der Rüge genügten die Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 der Beigeladenen den formellen und inhaltlichen Anforderungen der Verdingungsunterlagen vollständig.

Am … 2010 hat die Auftraggeberin bei der Vergabekammer eine Schutzschrift hinterlegt, um der Zustellung eines etwaigen Nachprüfungsantrages entgegen zu wirken. Der mögliche Nachprüfungsantrag sei mangels ordnungsgemäßer Rüge offensichtlich unzulässig.

Die Antragstellerin hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom … 2010 einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg gestellt.

Ihr Antrag auf Nachprüfung sei zulässig und begründet. Die Rüge stelle den aus der Sicht der Antragstellerin begangenen Vergaberechtsverstoß konkret dar und verlange Abhilfe. Die Auftraggeberin verkenne, dass an die Substantiierungspflicht keine übertriebenen Anforderungen zu stellen seien und eine Rüge auch dann ausreichend substantiiert sei, wenn konkrete Umstände benannt würden, aus denen sich der Verdacht eines Vergaberechtsverstoßes ergebe. Jede andere Auffassung würde einen effektiven Rechtsschutz verhindern, zumal die Auftraggeberin eine im Detail nachprüfbare Darstellung der Hintergründe für die Änderung der Wertungsentscheidung nicht bekannt gegeben habe. Die Auftraggeberin habe durch ihre Bewerbungsbedingungen und durch ergänzende Bedingungen für Nebenangebote in der Baubeschreibung Anforderungen aufgestellt, die aus technischer und formaler Sicht nicht zu erfüllen seien. Insbesondere die Einhaltung der Mindestbedingungen aus der entsprechenden Anlage und der Baubeschreibung, die Pflicht des Bieters zur eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung des Nebenangebotes mit der Angebotsabgabe, die vollständige Erfassung aller erforderlichen Leistungen im Nebenangebot, das Führen des Gleichwertigkeitsnachweises, die Darstellung der Auswirkung des Nebenangebotes durch den Bieter auf alle beeinflussten Leistungen seien nicht zu erfüllen und seien auch nicht erfüllt. Der Umstand, dass die Auftraggeberin selbst die Nebenangebote der Beigeladenen zunächst nicht gewertet habe, spreche dafür, dass die Anforderungen gerade nicht erfüllt seien. Die Auftraggeberin verfüge über vergaberechtlich und technisch versierte Mitarbeiter, die – davon sei auszugehen – die eingehenden Angebote gerade auch mit Blick auf die Einhaltung der strengen formalen Voraussetzungen genau prüfen. Nebenangebote würden dabei einer besonderen Prüfung immer dann unterzogen, wenn die Wertung zu einer Änderung der Bieterreihenfolge führe.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die Auftraggeberin zu verpflichten, den Zuschlag nicht auf das Angebot der C… zu erteilen und festzustellen, dass die Antragstellerin durch die Entscheidung der Auftraggeberin, das Angebot der C… unter Berücksichtigung von Nebenangeboten zu werten, in ihren Rechten verletzt ist,
2. der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren,
3. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären,
4. der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens einschließlich die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.

Die Auftraggeberin beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,
2. der Antragstellerin die Akteneinsicht vollständig zu versagen,
3. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Auftraggeberin aufzuerlegen,
4. festzustellen, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Auftraggeberin notwendig war.

Der Nachprüfungsantrag sei mangels Rüge unzulässig. Die Antragstellerin trage vor, dass die Anforderungen an Nebenangebote nicht erfüllbar seien und daher Nebenangebote generell nicht hätten gewertet werden können. Dies habe die Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Auftraggeberin gerügt. Das Rügeschreiben vom … 2010 stelle keine ordnungsgemäße Rüge dar. Mittels bloßer Behauptungen und Vermutungen könne nicht in zulässiger Weise ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet werden. Die Antragstellerin habe keinerlei Anhaltspunkte für Vergaberechtsverstöße. Die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens würde allein dem Zweck dienen, über eine mögliche Akteneinsicht und im Wege der Amtsermittlung den Sachverhalt auszuforschen, um überhaupt erst Anknüpfungspunkte an eventuelle Vergaberechtsverstöße zu finden.

Darüber hinaus sei das Angebot der Antragstellerin wegen unzulässiger Änderung an den Verdingungsunterlagen zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen. Die Antragstellerin habe zu Position 3.3.50 einen auffallend niedrigen Preis angegeben. Hierzu habe die Antragstellerin lediglich erläutert, dass aufgrund eines „Eingabefehlers“ der Materialpreis des Kalk-/Zementgemisches preislich nicht vollständig korrekt erfasst worden sei.

Die Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 der Beigeladenen würden die formalen und technischen Anforderungen der Vergabeunterlagen erfüllen und damit die Erfüllbarkeit der gestellten Anforderungen belegen. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die von der Antragstellerin aufgeführten Punkte.

Mit weiterem Schriftsatz vom … 2010 ergänzt die Antragstellerin ihren Vortrag. Es sei nicht ersichtlich, dass sie kein Material hätte anbieten wollen. Entscheidend sei insoweit das Angebot. Hier sei die Leistungsposition eindeutig beschrieben, die Antragstellerin habe auch einen Preis angegeben. An diesem Preis für die beschriebene Leistung habe sie ersichtlich festgehalten. Sie habe allein das Zustandekommen des Preises erläutert. Selbst wenn die Antragstellerin kein Material kalkuliert hätte, hätte sie sich gleichwohl mit dem Angebot verpflichtet, dieses zu liefern. Auch über eine Erhöhung des Anteiles des Asphaltgranulates an der Asphalttragschicht oder an der Asphaltbinderschicht begründete Nebenangebote seinen nicht wertbar. Die Asphalttragschicht sei hinsichtlich ihrer Zusammensetzung abschließend definiert. Bei der Lieferung der Asphaltbinderschicht sei die Zugabe von Asphaltgranulat überhaupt nicht gestattet. Damit seien in Bezug auf die Materialien aus der Sicht eines fachkundigen Bieters Mindestbedingungen festgelegt, die durch ein Nebenangebot nicht abgeändert werden können. Ein solches Material sei nicht gleichwertig mit dem im Amtsentwurf ausgeschriebenen, weil sich die Qualität von Asphaltmaterial mit der Steigerung der Zugabe von Asphaltgranulat verändere. Durch die Zugabe eines höheren Anteiles an Asphaltgranulat ändere sich das Tieftemperaturverhalten. Durch diesen Umstand könnten vermehrt Risse während des Alterungsprozesses auftreten.

Die Beigeladene beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,
2. der Antragstellerin die Akteneinsicht vollständig zu versagen,
3. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Beigeladenen aufzuerlegen.

Der Nachprüfungsantrag sei bereits offenkundig unzulässig. Die Antragstellerin habe keinen konkreten Vergaberechtsverstoß gerügt. Vielmehr habe sie eine Verdachtsrüge ins Blaue hinein getätigt. Die Antragstellerin habe weder im Rahmen der Rüge noch im Rahmen des Nachprüfungsantrages Anhaltspunkte für einen konkreten Vergaberechtsverstoß der Auftraggeberin vortragen können.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin sei auch unbegründet. Die Auftraggeberin habe zutreffend die Nebenangebote Nr. 1, 2, 4, 5 und 6 der Beigeladenen gewertet. Die Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 der Beigeladenen seien bei der Wertung zu berücksichtigen, die von der Auftraggeberin zunächst angenommenen bautechnischen Bedenken könnten objektiv nicht verfangen. Die Nebenangebote könnten nicht vergaberechtskonform von der Wertung ausgeschlossen werden.

Mit Schriftsätzen vom ... 2010 haben die Verfahrensbeteiligten ihren Vortrag vertieft.

Durch Verfügung des Vorsitzenden der Kammer vom … 2010 wurde die Entscheidungsfrist nach § 113 Abs. 1 GWB bis zum … 2010 verlängert.

In der mündlichen Verhandlung am 8. Juni 2010 hatten die Beteiligten Gelegenheit, ihre Standpunkte darzulegen. Die Auftraggeberin hat ergänzend zu ihren schriftsätzlichen Ausführungen darauf hingewiesen, dass die Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 der Beigeladenen der ZTV Asphalt-StB 07 entsprechen würden.

Die Auftraggeberin beantragt insoweit,

ihr einen Schriftsatznachlass von einer Woche zu gewähren.

Die Beigeladene und die Antragstellerin beantragen ebenfalls die Gewährung eines Schriftsatznachlasses.

Auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen haben, sowie die eingereichten Schriftsätze der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

Die angerufene Vergabekammer ist für die Entscheidung im Nachprüfungsverfahren zuständig, da der ausgeschriebene Auftrag dem Land Brandenburg zuzurechnen ist (§ 104 Abs. 1 GWB).

Die Beteiligten streiten um eine Vergabemaßnahme des … und des Landes … die Gesellschafter der Auftraggeberin sind. Die Auftraggeberin ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 98 Nr. 2 GWB.

Der ausgeschriebene Auftrag wird als öffentlicher Bauauftrag i.S.d. § 99 Abs. 1 und 3 GWB mit einem geschätzten Gesamtauftragswert von über X,XX Mio. EUR vergeben (§§ 100 Abs. 1, 127 Nr. 1 GWB i.V.m. § 2 Nr. 4 VgV, zuletzt geändert durch Art. 2 der VO (EG) Nr. 1422/2007 vom 4. Dezember 2007).

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt. Antragsbefugt ist gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB jedes Unternehmen, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren geltend macht. Die Antragstellerin hat mit der fristgerechten Abgabe ihres Angebotes zu dem streitigen Bauvorhaben ihr Interesse an dem zu vergebenden Auftrag belegt. Sie macht die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften geltend, nämlich jeweils die vergaberechtswidrige Berücksichtigung der Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 der Beigeladenen durch die Auftraggeberin.

Die Antragstellerin hat auch dargelegt, dass durch die behauptete Rechtsverletzung ein Schadenseintritt nicht ausgeschlossen ist (§ 107 Abs. 2 Satz 2 GWB). Die Antragstellerin hat ausweislich der Submission in dem verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahren mit ihrem Hauptangebot preislich den ersten Rang belegt. Bei dieser Sachlage liegt es auf der Hand, dass bei Nichtberücksichtigung der Nebenangebote der Beigeladenen, sie eine Chance auf den Zuschlag hätte.

Ohne Bedeutung für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages ist die Antwort auf die Frage, ob das Angebot der Antragstellerin wegen angeblich unzulässiger Änderung der Verdingungsunterlagen zwingend auszuschließen ist. Diese Frage muss bei der Prüfung der Begründetheit des Nachprüfungsantrages beantwortet werden. Es würde dem Vergaberechtsschutz zuwider laufen, wenn in der Zulässigkeitsprüfung die Begründetheit vorweggenommen und dem Bieter der Zugang zum Verfahren mit der fehlenden Begründetheit seines Rechtsschutzbegehrens verweigert würde.

Die Antragstellerin ist ihrer Rügeverpflichtung nach § 107 Abs. 3 S. 1 GWB rechtzeitig nachgekommen.

Das Schreiben vom … 2010 ist als Rüge gemäß § 107 Abs. 3 GWB bezeichnet; zudem wurde eine Frist zur Beseitigung der Vergabeverstöße gesetzt. Schon aus diesen beiden Umständen war für die Auftraggeberin deutlich erkennbar, dass die Antragstellerin eine Rüge erheben wollte (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. März 2007 – 11 Verg 15/06). Auch die Auftraggeberin hat das Schreiben als Rüge verstanden, da sie in ihrem Antwortschreiben vom … 2010 ausdrücklich formuliert, dass der Rüge nicht abgeholfen werden könne.

Die Rüge ist auch ausreichend substantiiert. Damit der öffentliche Auftraggeber in die Lage versetzt wird, die gerügten Mängel abzustellen, muss der Rüge eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung zu entnehmen sein. Die Vergabestelle muss erkennen können, um welchen Verstoß es sich handelt. Nur so kann sie Abhilfe schaffen. Deshalb sind Rügen unzulässig, die pauschal die Fehlerhaftigkeit des Vergabeverfahrens angreifen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. April 2003 – Verg 66/02) oder die ohne Substanz auf bloßen Verdacht hin ins Blaue erhoben werden (OLG Jena, Beschluss vom 6. Februar 2006 – 9 Verg 8/06). Auf der anderen Seite sind an die Formulierung von Rügen nicht zu hohe Anforderungen zu stellen, damit auch ein Laie ohne anwaltliche Hilfe in der Lage ist, eine Rüge zu erheben.

Nach diesen Grundsätzen ist die Rüge der Antragstellerin als ausreichend substantiiert einzustufen. Das Schreiben vom … 2010 enthält nicht lediglich ins Blaue hinein erhobene Vorwürfe, denen keinerlei konkrete Anhaltspunkte für einen möglichen Vergaberechtsverstoß zugrunde liegen. Als konkreten Anhaltspunkt für einen Vergaberechtsverstoß trägt die Antragstellerin vor, die Auftraggeberin habe sie mit Schreiben vom … 2010 darüber unterrichtet, dass beabsichtigt sei, ihr den Zuschlag zu erteilen und zwar auf das Angebot mit einer Wertungssumme in Höhe von X.XXX.XXX,XX EUR brutto. Mit Schreiben der Auftraggeberin vom … 2010 habe sie dann eine Absage nach § 101 a GWB dahingehend erhalten, dass sie nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Eine nochmalige Überprüfung des Angebotes der Beigeladenen habe dazu geführt, dass deren Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 gewertet worden seien. Danach sei das Angebot der Beigeladenen mit einer Wertungssumme von X.XXX.XXX,XX EUR brutto das wirtschaftlichste. Aus der konkreten Tatsache der nachträglichen Wertung der Nebenangebote der Beigeladenen hat die Antragstellerin den Schluss gezogen, dass die Entscheidung der Auftraggeberin die Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 der Beigeladenen zu werten, vergaberechtswidrig ist. Das genügt für eine substantiierte Rüge.

Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin als außen Stehende Bieterin, welche keinen Einblick in die Vorgänge der Angebotswertung durch die Auftraggeberin hat, nicht dazu in der Lage ist, ganz konkret zu sagen, welche Voraussetzungen die Nebenangebote nicht erfüllen bzw. an welchen inhaltlichen Mängeln sie leiden. Dies kann sie wegen des fehlenden Einblickes nicht wissen und sie kann es auch nach der Information durch die Auftraggeberin nicht wissen, weil diese nur allgemeine Begründungen mitteilt, ohne auf die Angebote der Mitbieter im Einzelnen einzugehen.

Die Kammer schließt sich somit der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung an, nach der eine Rüge als ausreichend substantiiert anzusehen ist, wenn das rügende Unternehmen eine konkrete Tatsache benennt, aus welcher sich der Verdacht eines Vergaberechtsverstoßes ergibt (vgl. OLG München, Beschluss vom 26. Juni 2007 – Verg 6/07).

Auch wenn man das anwaltliche Schreiben der Antragstellerin vom … 2010 nur als einen Vortrag „ins Blaue“ hinein abqualifizieren wollte – wie Auftraggeberin und Beigeladene meinen -, hätte die Kammer von Amts wegen die Wertung der Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 der Beigeladenen aufgreifen können. Nach § 110 Abs. 1 S. 2 GWB kann sich die Vergabekammer bei der Erforschung des Sachverhaltes auf das beschränken, was von den Beteiligten vorgebracht wird oder ihnen sonst bekannt sein muss. Das sind konkrete und offensichtliche Anhaltspunkte für Vergabeverstöße, auf die die Mitglieder der Vergabekammer bei Durchsicht der Akten stoßen, wenn sie diese im Hinblick auf die gerügten Mängel durchsehen, oder sonstige allgemein bekannte Verdachtsmomente (OLG München, Beschluss vom 29. September 2009 – Verg 12/09). Ein solcher offensichtlicher Punkt, welcher sich ohne weiteres aus den der Kammer übermittelten Unterlagen ergibt, ist die Tatsache, dass nur eine der beiden Entscheidungen der Auftraggeberin bezüglich der Wertung der Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 der Beigeladenen vergaberechtlich richtig sein kann.

Der Nachprüfungsantrag ist begründet.

Die Antragstellerin ist im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Bewertung der Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 der Beigeladenen erweist sich - entgegen der Einschätzung der Auftraggeberin – als vergaberechtswidrig.

Die Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 der Beigeladenen waren nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) i.V.m. Nr. 5 VOB/A nicht zu werten, weil sie von verbindlichen Vorgaben der Baubeschreibung abweichen.

Die Auftraggeberin hat ausweislich Ziffer II.1.9) der Bekanntmachung Nebenangebote ausdrücklich zugelassen. Ziffer 11 der Aufforderung zur Angebotsabgabe enthält weitere Voraussetzungen für die Abgabe von Nebenangeboten, die angelehnt sind an die Vorschrift des § 10 a lit. f) VOB/A. Hinsichtlich der Mindestanforderungen für Nebenangebote wird auf Abschnitt 1.5 der Baubeschreibung sowie auf den Vordruck „StB-Mindestanforderungen“ verwiesen.

Nebenangebote dürfen zwar per Definition von den Festlegungen der Verdingungsunterlagen abweichen, müssen aber einem Hauptangebot qualitativ und quantitativ gleichwertig sein. Sie dürfen daher nicht von verbindlichen Festlegungen des Leistungsverzeichnisses, die für Haupt- und Nebenangebote gleichermaßen gelten, abweichen. Die Verbindlichkeit kann sich durch Auslegung der Verdingungsunterlagen oder aus allgemeinen Erwägungen ergeben (Kapellmann/Messerschmidt-Dähne, § 25 VOB/A Rdn. 100; Heiermann/Rusam, § 25 VOB/A Rdn. 87; OLG Naumburg, Beschluss vom 8. Februar 2005 – 1 Verg 20/04).

Unmissverständlich und mit einer die Ausschließlichkeit betonenden Diktion hat die Auftraggeberin unter Ziffer 1.1.4.5 der Baubeschreibung im Rahmen der Asphaltbauweise zum Ausdruck gebracht, dass bei Asphalttragschichten die Verwendung von Asphaltgranulat unter Beachtung der Qualitätsanforderungen gemäß Leistungstext gestattet ist. Deshalb heißt es in der Position 3.7.30 des Leistungsverzeichnisses: „Abweichend von der BTR RC-StB 04 wird der Anteil Asphaltgranulat auf 10 M-% festgelegt.“ Bei Asphaltbinderschichten ist die Verwendung von Asphaltgranulat sogar ausgeschlossen.

Diese Änderungen/Ergänzungen beziehen sich auf technische Vorschriften, die für die Herstellung von Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt Regelungen für den Fall der Verwendung von Asphaltgranulat enthalten. Nach den Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen zählen dazu die ZTV Asphalt-StB 07, die TL Asphalt-StB 07 und die BTR RC-StB 04. Die Auftraggeberin hat in diesem Zusammenhang in Ziffer 3.12.1 - Technische Bedingungen für Nebenangebote und Änderungsvorschläge – festgelegt, dass die in der Baubeschreibung zusammengestellten Bedingungen, insbesondere … Änderungen und Ergänzungen zu Technischen Vorschriften sinngemäß auch für Nebenangebote gelten. Auf diese Weise wird klargestellt, dass die Festlegungen unter Ziffer 1.1.4.5 der Baubeschreibung auch für Nebenangebote verbindlich sind.

Diese verbindlichen Festlegungen können auch nicht über die EG-Bewerbungs-bedingungen – B Ergänzung für den Straßen- und Brückenbau (März 2009) zu 5 – Nebenangebote, Ziffer 2 relativiert werden. Danach sind zwar Nebenangebote über eine kostengünstigere oder umweltverträglichere Vermeidung, Wiederverwendung, Wiederverwertung oder Beseitigung von Abfällen gemäß Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ausdrücklich erwünscht. Für derartige Nebenangebote müssten aber die BTR RC-StB 04 gelten. Zweck dieser Richtlinien ist die Regelung der Herstellung und Anwendung von mineralischen Recyclingbaustoffen (RC-Baustoffe), Ausbauasphalt und pechhaltigen Straßenbaustoffen unter Beachtung technischer und umweltrelevanter Anforderungen. Auftraggeberin und Beigeladene übersehen in ihrer Argumentation, dass die BTR RC-StB 04 in dem Vordruck der Auftraggeberin „StB-Mindestanforderungen“ (Mindestanforderungen für Nebenangebote) nicht aufgeführt sind; sie gelten deshalb nicht für Nebenangebote.

Zwar enthalten die ZTV Asphalt-StB 07 und die TL Asphalt-StB 07, die in den StB-Mindestanforderungen genannt werden, für die Herstellung von Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt Regelungen für den Fall der Verwendung von Asphaltgranulat, wie die Auftraggeberin zutreffend in der mündlichen Verhandlung am 8. Juni 2010 ausgeführt hat. Die Auftraggeberin hat aber ausdrücklich unter Ziffer 1.1.4.5 der Baubeschreibung die Verwendung von Asphaltgranulat bei Asphaltbinderschichten ausgeschlossen und bei Asphalttragschichten auf einen Anteil von 10 M-% beschränkt.

Danach kommt ein Ausschluss des Nebenangebotes Nr. 1 der Beigeladenen deswegen in Betracht, weil nach Ziffer 1.1.4.5 – Oberbau der Baubeschreibung bei Asphaltbinderschichten die Verwendung von Asphaltgranulat ausgeschlossen ist.

Auch das Nebenangebot Nr. 2 der Beigeladenen war wegen Abweichung von den Qualitätsanforderungen der Baubeschreibung für Asphalttragschichten auszuschließen. Denn die von der Beigeladenen angebotene Asphalttragschicht unter Zugabe von Asphaltgranulat entspricht nicht der Position 3.7.30 im Leistungsverzeichnis.

Das Angebot der Antragstellerin ist nicht wegen angeblicher Änderungen der Verdingungsunterlagen auszuschließen. Eine Änderung der Verdingungsunterlagen liegt immer dann vor, wenn inhaltliche Abweichungen zum Leistungssoll einschließlich der vorgegebenen Vergabebedingungen auftreten. Schon eine solche inhaltliche Abweichung liegt nicht vor bei der Angabe der Menge und des Einheitspreises für das Ausstreuen von Bindemitteln unter der Position 3.3.50 des Leistungsverzeichnisses.

Ein Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin könnte auch nicht darauf gestützt werden, dass Preisangaben im Angebot fehlen. Bei einem Angebotsverfahren hat der Bieter die Preise, die er für seine Leistungen fordert, in jeder Position des Leistungsverzeichnisses vollständig und so anzugeben, wie er sie tatsächlich für die betroffenen Leistung beansprucht, § 6 Nr. 1 VOB/A. Das Angebot der Antragstellerin erfüllt diese Voraussetzungen. Sie hat in jeder Position des Leistungsverzeichnisses den von ihr tatsächlich geforderten Einheitspreis genannt. Soweit sie in Position 3.3.50 einen besonders niedrigen Einheitspreis fordert, kann auch nicht auf eine unzulässige und zum Angebotsausschluss führende Mischkalkulation geschlossen werden. Die Preisgestaltung der Antragstellerin in der vorgenannten Position hat zu berechtigten Zweifeln der Auftraggeberin an der Korrektheit und Vollständigkeit der geforderten Preise geführt. Folgerichtig hat die Auftraggeberin von der Antragstellerin die Erläuterung des Einheitspreises verlangt unter Darlegung der Kalkulationsansätze (§ 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A). Dieser Verpflichtung ist die Antragstellerin nachgekommen. Sie hat in ihrem Schreiben vom … 2010 den ungewöhnlich niedrigen Einheitspreis erläutert. Bei der Kalkulation des Einheitspreises sei ein Eingabefehler aufgetreten, der dazu geführt habe, dass der Materialpreis des Kalk-/Zement-gemisches preislich nicht vollständig korrekt erfasst worden sei. Hinsichtlich dieser Erklärung ist eine hinreichende Erläuterung für den angesetzten Preis zu sehen. Ein etwaiger Verdacht unvollständiger Preise wegen Kostenverlagerung in andere Positionen ist damit ausgeräumt worden.

Die Kalkulation der Preise ist grundsätzlich Angelegenheit des Bieters. Nur wenn ein offenbares Missverhältnis zwischen dem Gesamtpreis des Angebotes und der Leistung besteht, kommt ein Ausschluss des Angebotes nach § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A in Betracht, ohne dass es dabei auf einen Vergleich einzelner Positionen des Leistungsverzeichnisses mit einem auskömmlichen Preis ankommt (OLG Rostock, Beschluss vom 15. September 2004 – 17 Verg 4/04). Diese Voraussetzungen sind in dem Verfahren nicht vorgetragen worden.

Auch liegt noch kein Missverhältnis zwischen Preis und Leistung vor, wenn ein Bieter für eine bestimmte Einzelleistung einen auffallend niedrigen Preis eingesetzt hat. Maßgeblich ist, ob sich aus der Prüfung einzelner Positionen die Besorgnis einer nicht einwandfreien Ausführung der ausgeschriebenen Leistung ergibt (Bay ObLG, Beschluss vom 18. September 2003 – Verg 12/03). Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor.

Durch die Nichtbewertung der Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 der Beigeladenen rückt die Antragstellerin mit ihrem Angebot auf den 1. Platz vor. Der Antragstellerin ist daher der Zuschlag zu erteilen.

Dem Begehren der Auftraggeberin auf Gewährung einer Schriftsatzfrist von einer Woche, dem sich die Beigeladene und die Antragstellerin angeschlossen haben, war nicht zu entsprechen, weil die aufgeworfene Rechtsfrage, ob die ZTV Asphalt-StB 07 für die Bewertung der Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 der Beigeladenen einschlägig ist, im Rahmen der vorliegenden Entscheidung berücksichtigt wurde.

III.

Im Hinblick auf die Ausführungen der Auftraggeberin in ihrer Schutzschrift vom … 2010 zum Ergebnis der Prüfung der Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 der Beigeladenen war eine Anordnung der Kammer zur Akteneinsicht durch die Antragstellerin entbehrlich, weil der vorgetragene Inhalt des Prüfungsergebnisses ausreicht, um den maßgeblichen Sachverhalt aufzuklären und rechtlich zu bewerten.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 3 S. 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter die Kosten zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt.

Die Antragstellerin hat mit ihrem Antrag, der auf die fehlerhafte Wertung ihres eigenen sowie des Angebotes der Beigeladenen gestützt war, in vollem Umfang Erfolg. Die Auftraggeberin und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen, da sie im Verfahren unterlegen sind (§ 128 Abs. 3 S. 1 und S. 2 GWB). Neben der Auftraggeberin ist auch die Beigeladene als unterliegende Beteiligte anzusehen, da sie einen eigenen Antrag zur Hauptsache gestellt hat, der keinen Erfolg hatte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 2004 – VII Verg 69/04).

Die Höhe der Gebühr bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen und personellen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes des Nachprüfungsverfahrens. Für die wirtschaftliche Bedeutung ist regelmäßig die geprüfte Summe (brutto) im Angebot des Bieters der maßgebliche Gesichtspunkt. Denn diese bildet die Gegenleistung, die der Auftraggeber im Fall des Zuschlages zu erbringen bereit wäre und für die der Bieter seiner objektiven Erklärung zufolge den Auftrag ausführen will (BayObLG, Beschluss vom 13. April 2004 – Verg 5/04). Entsprechend der Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes vom Dezember 2009, die zur Gewährleistung einer einheitlichen Handhabung und zur Sicherstellung von Transparenz anzuwenden ist, erscheint unter Berücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin eine Gebühr in Höhe von X.XXX,XX EUR als angemessen.

Die Gebühr in Höhe von X.XXX,XX EUR wird mit Bestandskraft des Beschlusses fällig und ist binnen eines Monats nach Zustellung unter Angabe des Aktenzeichens (VK 26/10) und des Verwendungszwecks … auf das Konto … zu überweisen.

Die Auftraggeberin und die Beigeladene haben zudem die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin zu tragen (§ 128 Abs. 4 S. 1 GWB i.V.m. § 80 VwVfG). Die Beigeladene kann dann an der Auslagenerstattung teilhaben, wenn dies der Billigkeit entspricht (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 analog; vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Mai 2004 – Verg 12/03). Die entsprechenden Voraussetzungen sind hier erfüllt:

Die Antragstellerin hat sich in einen ausdrücklichen, bewussten und gewollten Interessengegensatz zur Beigeladenen gestellt, indem sie die Wertung ihrer Nebenangebote in Zweifel gezogen hat. Die Beigeladene hat sich durch die Stellung von Anträgen und durch schriftsätzliche und mündliche Äußerungen aktiv am Verfahren beteiligt. Da eine gesamtschuldnerische Haftung insoweit mangels gesetzlicher Anordnung nicht in Betracht kommt, haften die Auftraggeberin und die Beigeladene für die zu erstattenden Kosten nach Kopfteilen, also je zur Hälfte (analog § 159 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO).

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig. In dem Nachprüfungsverfahren stellten sich im Zusammenhang mit den von der Antragstellerin erhobenen Beanstandungen Rechtsfragen, deren Komplexität und Schwierigkeiten anwaltliche Vertretung erforderlich gemacht haben, § 128 Abs. 4 Satz 1, 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, 3 VwVfG.

V.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht, Gertrud-Piter-Platz 11, 14770 Brandenburg, einzulegen.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 117 Abs. 3 GWB).

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 117 Abs. 4 GWB).

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern (§ 118 Abs. 1 GWB).

Gemäß § 6 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Vergabekammern des Landes Brandenburg vom 26. Mai 2009, Amtsblatt für Brandenburg S. 1225, ist die Unterzeichnung des Beschlusses durch den ehrenamtlichen Beisitzer nicht erforderlich.