Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 2. Senat | Entscheidungsdatum | 26.04.2012 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | L 2 U 224/07 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 8 SGB 7 |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 27. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Verfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines am 03. Mai 2001 im Rahmen des Schulsportes erlittenen Sturzes als Arbeitsunfall.
Vor dem hier streitigen Sturz hatte der 1987 geborene Kläger bereits am 27. Februar 2001 einen Unfall im Sportunterricht erlitten, als er beim Ballspielen umknickte, stürzte und eine erstmalige Kniescheibenluxation links bemerkte.
Am 03. Mai 2001 stürzte der Kläger vormittags im Schulunterricht als Schüler der 7. Klasse einer Gesamtschule bei trockenem, sonnigem, warmen Wetter beim Lauf im einleitenden Stundenteil auf einem nahe der Schule gelegenen Außengelände. Der herbeigerufene Rettungsdienst brachte den Kläger in das C-Klinikum C, wo er bis zum 11. Juni 2001 stationär behandelt wurde. Im Entlassungsbericht vom selben Tag sind folgende Diagnosen genannt:
- Hemiparese rechts, Facialisparese rechts, Hornersyndrom links durch
- Dissektion der linken A. carotis interna mit Raumeinengung im Bereich des Karotissiphons,
- Ischämien im Stammganglienbereich links unter Einschluss des Caput nuclei caudatus und Nucleus lentiformis und des vorderen Anteils der Capsula interna,
- corticale und subcorticale Ischämiezone im Mediastromgebiet links temporo-parietal,
- Schädigung des Sprachzentrums mit daraus resultierenden Störungen aller Sprachmodalitäten,
- Dandy-Walker-Variante,
- Vorhofseptumdefekt II.
Der Kläger habe in der Notaufnahme bei der Einlieferung tonisch-klonische Krampfanfälle, Zeichen einer kompletten Hemiparese rechts und einer Facialisparese rechts gezeigt. Aufgrund der Schwere der Schädigungen und des bisherigen Verlaufes müsse von einem schwierigen und langwierigen Rehabilitationsprozess mit der Gefahr einer Defektheilung vor allem im Bereich des Sprachverständnisses, des Sozialverhaltens, aber auch der Motorik ausgegangen werden. Bereits im Zwischenbericht vom 22. Mai 2001 hatte das C-Klinikum C u. a. mitgeteilt, dass offen bleibe, ob die Dissektion der A. carotis interna Unfallfolge oder Ursache (des Sturzes im Sportunterricht) für die intracerebrale Ischämie gewesen sei. Gleiches gelte für den Einfluss einer systematischen Chlamydieninfektion.
Es erfolgte die Verlegung in die Klinik B Z, wo bis zum 27. September 2001 eine stationäre neurologische Rehabilitationsbehandlung durchgeführt wurde. Im Entlassungsbericht vom 01. November 2001 sind als Diagnosen genannt:
- Hirninfarkt im Stammganglienbereich links (Caput nuclei caudati, Nucleus lentiformis, Capsula interna) und temporo-parietal links am 03. Mai 2001,
- dringender Verdacht auf Dissektion der linken A. carotis interna (wahrscheinlich traumatisch) am 03. Mai 2001.
Rehabilitationsdiagnosen seien:
- Hemiparese rechts und zentrale Facialisparese „rechts“,
- Wernicke-Aphasie,
- Orientierungs-, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen.
Empfohlen wurde die Umschulung auf den Lernbehindertenzweig einer anderen Schule.
Mit Bescheid vom 10. Juli 2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalles als Arbeitsunfall und eine Entschädigung für das Ereignis ab. Ein Unfall im Sinne des Gesetzes habe nicht vorgelegen. Denn es fehle ein zeitlich begrenztes von außen auf den Körper einwirkendes schädigendes Ereignis. Ein Ausdauerlauf bei Temperaturen von zirka 23 bis 24 Grad Celsius stelle für einen jugendlichen Körper keine außergewöhnliche Beanspruchung dar. Die von den medizinischen Sachverständigen angenommene traumatische Dissektion ersetze nicht den Beweis für das Vorliegen eines Unfallereignisses.
Im Widerspruchsverfahren befragte die Beklagte den Sportlehrer des Klägers Herrn K am 14. November 2003 über den Unfallhergang. Dieser gab ausweislich der Niederschrift des Gesprächs an, dass sich die Schüler beim Laufen auf einem Rundkurs befunden hätten. Er selbst habe erhöht, etwa in der Mitte des Rundkurses, gestanden und die laufenden Schüler beobachtet. Der Kläger sei nach rechts weggelaufen. Es hätte den Eindruck gehabt, dass der Kläger den laufstärkeren Schülern Platz machen wollte. Der Kläger sei dann halbseitig nach vorn getaumelt und seitlich zum Liegen gekommen. Äußere Verletzungsanzeichen habe er nicht wahrgenommen. Er habe auch nicht gesehen, dass der Kläger auf den Kopf gefallen sei. Der Zustand des Klägers bis zum Eintreffen des Notarztes sei konstant geblieben. Der am selben Tag ebenfalls befragte Mitschüler G gab an, dass der Kläger vor ihm gelaufen sei und geschwächelt habe. Er habe ihn nicht mehr aufzufangen vermocht, weil der Abstand zu ihm zu groß gewesen sei. Der Kläger sei dann auf die Körperseite nach rechts auf den Ellenbogen gefallen und liegen geblieben. Äußere Verletzungsanzeichen habe er nicht gesehen. Diese Schilderung bestätigte ausdrücklich sodann nochmals der Sportlehrer. Der Schüler G beschrieb sodann noch den Zustand des Klägers unmittelbar nach dem Sturz dahin, dass dieser sich schlecht gefühlt habe, aber ansprechbar gewesen sei. Er habe über Schmerzen im Bein geklagt, weshalb man gedacht habe, dass er sich wieder die Kniescheibe ausgerenkt gehabt hätte. Man habe ihn dann auf eine Bank gelegt und den Notarzt verständigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2003 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Denn für die sicher feststehende und die Gesundheitsschäden verursachende Dissektion der A. carotis interna seien weder der haftungsbegründende noch der haftungsausfüllende Kausalzusammenhang anzunehmen.
Das Gericht hat im anschließenden Klageverfahren zur Aufklärung des Sachverhaltes zunächst die Unterlagen des C-Klinikums C und der Klinik B Z beigezogen und Befundberichte der Fachärztin für Kinderkrankheiten Dr. H vom 10. Mai 2005, der Kinderärztin Dipl.-Med. M vom 13. Mai 2004 und der Dr. H/H, C-Klinikum C, vom 03. Juni 2004 angefordert.
Das Gericht hat sodann ein Gutachten des Dr. S, V-Klinikum, vom 09. Dezember 2004 eingeholt, der ausführte, dass beim Kläger u. a. ein Zustand nach Hirninfarkten links am 03. Mai 2001 mit Hemiparese rechts und Facialisparese, Wernicke-Aphasie, Orientierungs-, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung, Residuen: geringe Radialisparese und Fußhebeschwäche mit leichtem Spitzfuß rechts, versorgt mit einer dynamischen Orthese, gering- bis mäßiggradige Wortfindungs- und Konzentrationsstörung vorlägen. Diese Beeinträchtigungen seien kausal auf das Ereignis vom 03. Mai 2001 zurückzuführen. Der Kläger sei nach Aussage aller Beteiligten vor dem Ereignis während des Sportunterrichtes neurologisch asymptomatisch gewesen. Zirka 30 Minuten nach Beginn des Sportunterrichtes im Freien sei dann ein „Schwächeln“ des Klägers beobachtet worden, welches schlussendlich zu dem Sturzereignis geführt habe. Am 07. Mai 2001 habe mittels MR-Angio eine insgesamt diskrete Differenz im Flusssignal ohne Anhalt für pathologische Veränderungen oder umschriebene Stenosen der A. carotis interna links festgestellt werden können. Eine transcranielle Doppler-Sonografie habe eine Dissektion der A. carotis interna links gezeigt. Multiple Linkshirninfarkte mit sekundären Einflutungen seien als Folge der in der Bildgebung festgestellten dissezierenden A. carotis interna beobachtet worden.
Die Dissektion der A. carotis interna sei als Ausgangspunkt für die Hirninfarkte anzusehen. Im vorliegenden Falle sei mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ein sturzbedingtes Schleudertrauma als Ursache für die Dissektion zu werten. Körperliche Belastungen wie langsames Laufen zählten nicht zu den Sportarten, die ein erhöhtes Risiko für eine Dissektion einer gesunden Halsschlagader beinhalteten. Spontane Dissektionen der hirnversorgenden Arterien im Kindesalter seien selten. In aller Regel liege in diesen Fällen eine seltene pathologische Bindegewebsschwäche vor, die einen Einriss in das Arteriengewebe ermögliche. Ein Vorschaden der hirnversorgenden Arterien oder eine krankhafte Anlage des arteriellen Gefäßsystems sei im Falle des Klägers jedoch nicht bekannt und nicht anzunehmen. Gefäßmissbildungen seien beim Kläger nicht nachgewiesen worden, die Familienanamnese sei ebenfalls unauffällig. Es sei weiter davon auszugehen, dass eine Instabilität im Kniegelenk – die aufgrund des früheren Schulsportunfalls mit Verdrehtrauma und Luxation der Patella in einem der Kniegelenke anzunehmen sei - ein Stolpern im Laufen begünstigt habe. Die Dissektion der Halsschlagader sei Folge des Stolpersturzes und nicht Folge des „Laufens“. Das Sturzereignis habe genügt, um eine hinlängliche Überstreckung der Halswirbelsäule im Sinne eines Schleudertraumas zu bewirken. Durch das Trauma seien Lokalscherkräfte auf die Gefäßinnenwand der Halsschlagader freigesetzt worden. Diese Scherkräfte genügten, um einen zunächst lokal begrenzten Einriss der endothelialen Innenschicht der A. carotis interna zu verursachen. Im weiteren Verlauf sei es zu einer Einblutung in die Gefäßinnenwand mit intermittierender Verlegung der gesamten Gefäßstrombahn gekommen. Mit dem ins Stocken geratenden Blutfluss sei schließlich lokal gebildetes Gerinnselmaterial nach cranial transportiert worden und habe durch komplette Okklusion der distal gelegenen Gefäße zu Hirninfarkten geführt. Das vorbestehende Kniegelenksleiden sei durch die hirninfarktbedingte Hemiparese verschlimmert worden. Der Umfang sei als beträchtlich einzuschätzen, immerhin habe im Verlauf das Kniegelenk operativ fixiert bzw. versorgt werden müssen. Sollte das Gericht dem aufgezeigten Unfallmechanismus nicht folgen können, so müsse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der zutage getretene Körperschaden auch durch jede andere alltäglich vorkommende Belastung und damit durch ein beliebig austauschbares Ereignis zum gleichen Zeitpunkt oder in naher Zukunft auch spontan verursacht worden wäre. Dies sei aber, wie bereits erwähnt, ein äußerst seltenes Ereignis.
Das Gericht hat sodann den Sportlehrer des Klägers, Herrn K, und den Mitschüler M G als Zeugen vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27. Februar 2007 Bezug genommen. Der Sportlehrer sagte insbesondere aus, dass es bei dem Lauf keine Tempovorgabe gegeben habe, jeder sei sein Tempo gelaufen, es habe keine Leistungskontrollen gegeben. Der Kläger habe sein eigenes Programm gehabt, er habe nie eine Leistungskontrolle machen müssen. Er habe den Sturz gesehen und sich dann sofort zum Kläger begeben. Wie der Kläger genau gestürzt sei, könne er nicht sagen.
Mit Urteil vom 27. Februar 2007 hat das Sozialgericht Cottbus die Klage sodann abgewiesen. Es habe nicht im Vollbeweis festgestellt werden können, dass ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis zu einem Gesundheitsschaden geführt habe.
Gegen dieses ihm am 09. Juli 2007 zugegangene Urteil richtet sich die am 27. Juli 2007 eingegangene Berufung des Klägers. Der Kläger trägt vor, dass ein Unfallereignis auch vor dem Hintergrund der von der Rechtsprechung hierfür aufgestellten Anforderungen vorgelegen habe. Der Kläger verweist weiter auf die Ausführungen des Prof. Dr. H. Auch die haftungsbegründende Kausalität sei gegeben, da außer dem kausalen Anknüpfungspunkt des Sturzes keine anderen Tatsachen hätten festgestellt werden können, die als Konkurrenzursachen wirksam geworden sein könnten. Allein die Behauptung einer Instabilität im Kniegelenk reiche nicht aus, um eine Konkurrenzursache zu begründen. Er habe auch keineswegs an einer Instabilität in den Knien gelitten, sondern vor dem streitgegenständlichen Unfall lediglich einmal, und zwar im Februar 2001, im Sportunterricht eine Patellaluxation erlitten. Diese habe er im linken Knie erlitten, beim streitgegenständlichen Unfall sei er jedoch nach rechts gestürzt, so dass bereits deshalb hier kein Zusammenhang bestehen könnte. Am 03. Mai 2010 habe bei ihm auch keine Patellaluxation vorgelegen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass er sich durch die von hinten annähernden Schüler bedrängt gefühlt habe, ausweichen wollte und auf unebenem Grasuntergrund gestützt sei. Die später vom Gutachter vermutete Zeit zwischen dem Sturz und dem Eintreffen des Sportlehrers bei ihm von wahrscheinlich einer Minute sei in keiner Weise realistisch, da er sich 60 bis 70 m entfernt aufgehalten habe und man davon ausgehen müsse, dass es eine Weile gedauert habe, bis er den Sturz bemerkt habe und dann auch nicht gesprintet sein dürfteMit Schriftsatz vom 19. April 2012 wurde dies weiter dahin ergänzt, dass von einem Zeitaufwand von mindestens 29 Minuten bis zum Eintreffen des Notarztes auszugehen sei. Es könne auch nach Aussage des Gutachters P durchaus sein, dass zwischen einem Trauma und der dadurch ausgelösten Dissektion lediglich ein Zeitraum von einigen Minuten liege.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 27. Februar 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2003 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 03. Mai 2001 ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung war, welcher die folgenden Gesundheitsstörungen verursacht hat: Dissektion der Arteria carotis interna mit nachfolgenden Hirninfarkten;
Beweis zu erheben durch die Vernehmung des Zeugen RF, dass vom Zeitpunkt des Sturzes bis zur Feststellung von Bewusstseinstrübung ein deutlich längerer Zeitraum verstrichen sei als von bisher angenommenen wenigen Minuten, nämlich dass dieser Zeitraum mindestens 29 Minuten betragen habe,
sowie durch Sachverständigenbeweis zu ermitteln, wie schwer die Ausfallserscheinungen des Klägers beim Eintreffen des Notarztes gewesen sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das erstinstanzliche Urteil sei zutreffend. Ungeklärt geblieben sei, was dem Ereignis mit taumelhaften Bewegungen und Sturz auf die rechte Seite zeitlich vorausgegangen sei. Sicher feststehende Einwirkungen vor dem sturzbedingten Aufprall hätten anders als in der Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 26. Januar 2005, Az.: L 17 U 287/00) gerade nicht bestanden. Die Beklagte verweist ferner auf Urteile des Bundessozialgerichts vom 30. Januar 2007 (Az.: B 2 U 8/06 R, Rdnr. 15 ff.) und vom 27. Juni 1991 (Az. 2 RU 31/90) sowie auf die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie „Dissektion hirnversorgender aortaler Arterien“, wonach die klassische pathophysiologische Auffassung zur Entstehung der Dissektionen als einer Blutung, die durch eine Intimaverletzung in die Wand der Arterie eindringe, immer mehr an Überzeugungskraft verliere und nur eine verschwindend kleine Zahl von Patienten mit Gefäßdissektionen hirnversorgender Arterien (0,3 bis 0,9 %) unmittelbar zuvor ein schweres Kopftrauma erlitten habe.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht sodann ein Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. H, N, vom 08. September 2010 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die Dissektion der linken Arteria carotis interna mit nachfolgenden Hirninfarkten und Hemiparese rechts sowie Facialisparese links, Wernicke-Aphasie und Orientierungs-, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen sowie deutlichen motorischen Funktionsstörungen im rechten Fuß und in der rechten Hand im Sinne der erstmaligen Entstehung auf das Ereignis vom 03. Mai 2001 zurückzuführen seien. Unfallunabhängig bestehe eine anlagebedingt minderwertige Anlage der Kniescheibe und des Gleitlagers, diese hätten jedoch nicht ein Stolpern beim Laufen begünstigt bzw. ausgelöst. Denn eine Instabilität im eigentlichen Sinne habe nicht vorgelegen, die Kreuz- und Seitenbänder beider Kniegelenke seien völlig stabil gewesen. Weiter sei das rechte Kniegelenk bis zum Unfallereignis völlig symptomfrei gewesen, der Kläger sei aber nach rechts und nicht nach links gestürzt.
Das Gericht hat die Akte des Landgerichtes Cottbus (Az.: 3 O 259/02) zu einem Verfahren des Klägers gegen die A AG mit dem in diesem Verfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. H, Universitätsklinikum E, vom 13. März 2003 beigezogen. Dieser führte aus, dass beim Kläger zusammengefasst eine sensomotorische Hemiparese rechts, eine globale überwiegend sensorische Aphasie und Aufmerksamkeits- sowie Orientierungsstörungen vorlägen, die durch computer- und kernspintomografisch nachgewiesene Gehirninfarkte (keine Blutungen) bedingt seien. Ausgangspunkt dieser Infarkte sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Dissektion der A. carotis interna. Hierfür spreche der transcranielle dopplersonografische Befund vom 07. Mai 2001 mit höhergradigem Strömungshindernis und Regredienz dieser Lumeneinengung am 18. Mai 2001. Darüber hinaus hätte mehrfach kernspinangiografisch eine Flussminderung in den nachgeschalteten Segmenten A1, A2 und M2 links erkannt werden können. Die A. carotis interna sei zudem als kaliberschwach bezeichnet und eine zarte Wandverdickung gefunden worden. Im Verlauf habe ein MRT am 17. Mai 2001 kleinere (petechiale) Einblutungen gezeigt. Dies sei bei einem Infarkt der typische Verlauf. Das Verteilungsmuster der Infarkte sowie der im CCT am 04. Mai 2001 bildmorphologisch geäußerte Verdacht auf eine mehrzeitige Infarzierung sei in höchstem Maße typisch für eine Carotis-interna-Dissektion. Auch das beschriebene Horner-Syndrom entstehe durch eine Läsion des sympathischen Nervengeflechtes, welches um die A. carotis interna herum gelagert sei. Es könne in diesem Zusammenhang als pathognomonisch (beweisend) für das Vorliegen einer Carotis interna-Dissektion links eingeschätzt werden. Für eine Dissektion sprächen zum einen das Alter des Patienten, welches arteriosklerotische Veränderungen extrem unwahrscheinlich mache, sowie die unauffällige Eigen- und Familienanamnese. Kernspin- und computertomografisch hätten sich keinerlei Hinweise auf weitere Gefäßanomalien oder Entzündungen ergeben. Die beobachteten generalisierten tonisch-klonischen Anfälle müssten als akute symptomatische Epilepsie auf dem Boden der Hirninfarzierung interpretiert werden.
Die Genese der Dissektion der linken A. carotis interna müsse mit hoher Wahrscheinlichkeit als traumatisch angenommen werden. Denn es ergäben sich keine individuellen Gefäßrisikofaktoren, die Familienanamnese sowie die Vorgeschichte des Patienten sei vollkommen unauffällig. Bewiesen sei die traumatische Genese bei fehlender Beobachtung des Sturzes und Fehlens zusätzlicher Verletzungsmerkmale allerdings letztlich nicht. Spontane Dissektionen im Kindesalter seien eine absolute Rarität. Es gebe nur einen einzigen Bericht aus dem Jahre 2001, in dem von fünf Kindern unter 15 Jahren berichtet worden sei, die unter körperlicher Anstrengung eine Dissektion entweder der A. carotis interna oder der A. vertebralis erlitten hätten. Allerdings führe eine Dissekton der A. carotis interna nicht unmittelbar zu einem Bewusstseinsverlust, sondern am ehesten zur Halbseiten-Symptomatik und Horner-Syndrom ohne Bewusstseinstörung, so dass es auch in diesem Fall zu einem zusätzlichen Trauma, z. B. einer Gehirnerschütterung, gekommen sein müsse. Insgesamt handele es sich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit um eine traumatische Dissektion. Ein Zusammenhang insbesondere mit der Vorerkrankung Dandy-Walker-Variante sei abzulehnen, da der Kläger diesbezüglich zuvor nicht auffällig gewesen sei.
Das Gericht hat ferner ein neurologisches Gutachten des Dr. P, S-Klinik, vom 01. September 2011 eingeholt. Dieser führte aus, dass es bei einer Karotisdissektion wie der vorliegenden zu einer Einblutung in die Gefäßwand komme. Die Ursache der Einblutung sei in den meisten Fällen nicht bekannt. Diskutiert würden zwei Hypothesen: Entweder komme es durch eine Verletzung der inneren Gefäßwand (intima) zu einer Einblutung in die Gefäßwand von Seiten des Gefäßlumens oder es komme primär zu einer Einblutung in die Gefäßwand, wahrscheinlich durch eine Ruptur der Vasa vasorum (der kleinen Gefäße, die die größeren Arterien mit Blut versorgten), die sich dann ausweite und eventuell auch in das Gefäßlumen einbrechen könne. Nach wie vor nicht geklärt sei die Bedeutung vorbestehender Gefäßwandveränderungen. Die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen bezögen sich auf junge Erwachsene; bei Kindern seien arterielle Dissektionen ausgesprochen selten; sie kämen aber vor. Eingehend auf die von der Beklagten überreichten Leitlinie führte der Gutachter aus, dass es neben der Prädisposition immer auch weiterer Faktoren, die im Einzelnen noch nicht bekannt seien, bedürfe, um eine Dissektion auszulösen. In Beantwortung der Beweisfrage 5) zur herrschenden medizinischen Lehrmeinung führte der Gutachter erneut aus, dass von vielen Wissenschaftlern derzeit die Entstehung der Gefäßdissektion durch eine Blutung in der Gefäßwand selber präferiert werde, zumal bei bis zu 50 % der betroffenen Patienten Gefäßanomalien beschrieben worden seien. Es seien jedoch weitere Faktoren erforderlich, um eine Gefäßdissektion auszulösen und diese Faktoren seien bislang nur ganz ungenügend bekannt. Damit es tatsächlich zur Gefäßwanddissektion komme, bedürfe es also weiterer Trigger- bzw. Auslösefaktoren.
Schwere direkte Gewalteinwirkungen auf den Hals zählten dazu, vermutlich auch geringe traumatische Einwirkungen auf den Hals oder den Kopf wie bei HWS-Distorsionen. Dabei ergebe sich in der Literatur allerdings die Schwierigkeit, dass unter „traumatischen Gefäßdissektionen“ nur diejenigen verstanden würden, die nach einem schwereren Kopf- oder Halstrauma aufträten. Die Häufigkeit solcher „traumatischen“ Halsgefäßdissektionen im engeren Sinne liege wahrscheinlich unter 1 % aller Gefäßdissektionen. Die Grenze zwischen einer solchen schweren Gewalteinwirkung (z. B. im Rahmen eines Verkehrsunfalls, einer Strangulation oder eines direkten Schlages auf den Nacken) zu leichteren Traumata sei jedoch fließend und würde von unterschiedlichen Autoren unterschiedlich beschrieben. Soweit ein ursächlicher Zusammenhang von Bagatelltraumen mit nachfolgenden Gefäßdissektionen angenommen werde – hier würden Umstände wie starkes Husten, Erbrechen, Kopfdrehen beim Einparken, verschiedene Sportaktivitäten wie Golfen, Rennen und chiropraktische Maßnahmen genannt – ergebe sich automatisch die Schwierigkeit, dass selbst bei prädisponierten Personen im Lebenslauf unzählige Male vergleichbare Ereignisse aufträten, es jedoch nie oder eben nur einmal zu einer Gefäßdissektion komme, so dass es schwierig sei nachzuweisen, dass genau diese äußere Belastung zur Dissektion geführt oder zu ihr wesentlich beigetragen habe. Selbst bei schweren Traumen komme es auch bei entsprechend prädisponierten Personen nur außerordentlich selten zu einer Gefäßdissektion. Dennoch würden von den meisten Autoren eine trauma-bedingte Gefäßdissektion grundsätzlich als Möglichkeit akzeptiert und dann als gegeben angenommen, wenn ein adäquater Zeitraum zwischen dem Trauma oder dem als Trauma klassifizierten Ereignis und dem Eintritt der Gefäßdissektion bestehe.
Die Pathophysiologie der Gefäßdissektion bzw. der Entstehung eines Schlaganfalles durch die Dissektion lege nahe, dass zumindest ein minimaler Zeitraum zwischen der Einblutung in die Gefäßwand und dem Schlaganfall vergangen sein müsse (zur Ausbildung des Thrombus). Dieser Zeitraum könne sich über mehrere Tage bis hin zu wenigen Wochen ausdehnen und liege im Mittel bei einer Woche. In den wissenschaftlichen Publikationen sei der minimale Zeitraum zwischen Lokalsymptomen und der neurologischen Symptomatik einer Karotisdissektion im Minimum einige Minuten und gehe bis zu über zwei Monaten. Bei schweren Schlaganfällen, wie er im Falle des Klägers vorgelegen habe – betrage der minimale Zeitraum sogar mindestens zwei Stunden bis zu 16 Tagen. Aufgrund der anamnestischen Angaben durch den damals anwesenden Lehrer bzw. das Notarztprotokoll sei davon auszugehen, dass die Sprachstörung und die schwere Halbseitenlähmung beim Kläger unmittelbar nach dem Sturz bestanden hätten (spätestens wahrscheinlich eine Minute nach dem Sturz, solange, wie der Lehrer wohl benötigt habe, um zum Schüler zu eilen). Ferner sei festzustellen, dass der Kläger am Unfallort nicht bewusstlos, sondern nur bewusstseinsgetrübt gewesen sei. Zeichen für eine traumatische Hinschädigung über die Karotisdissektion und Hirninfarkte hinaus seien in der Folgezeit nicht gefunden worden. Es sei zwar möglich, dass der Kläger bei dem Sturz ein leichtes Kopftrauma oder eine Halswirbelsäulendistorsion erlitten habe. Der Zeitraum zwischen dem Sturz und der von Anfang an schweren neurologischen Ausfallsymptomatik sei jedoch so kurz (vermutlich unter einer Minute), so dass es sehr viel wahrscheinlicher sei, dass sich die Dissektion bereits vor dem Sturz ereignet habe, der Thrombus sich dann während des Laufens gelöst habe, was zum Schlaganfall und aufgrund der dadurch bedingten Halbseitenlähmung rechts zum Sturz geführt habe. Dafür spreche auch, dass der Kläger zumindest nach einer Zeugenaussage auf die rechte – gelähmte – Körperseite gestürzt sei. Auch die intrakranielle Lokalisation der Arteriendissektion spreche, zumindest bei Kindern und Jugendlichen, für eine spontane und gegen eine traumatische Ursache der Dissektion. Damit sei es sehr unwahrscheinlich, dass die Karotisdissektion ursächlich unfallbedingt gewesen sei.
Das Gericht hat sodann Prof. Dr. Hals Gutachter befragt. Dieser führte aus, dass die Befunde der Doppler-/Farbduplexsonographie vom 07. Mai 2001 dahin zu interpretieren seien, dass es zu einer hochgradigen Dissektion im Bereich der A. carotis interna und dann zu einer Verlegung wesentlicher Anteile der nachgeschalteten Arterien gekommen sei, was lediglich durch eine Thrombembolie (Abspülen der Blutklumpen in den nachgelagerten Arterien mit dem Blutfluss) erklärbar sei. Die Darstellung von Dr. Pzur Entstehung von Dissektionen und zur erfahrungsgemäß längeren Dauer der Ausbildung eines Schlaganfalls nach einer A. carotis interna Dissektion entspreche dem derzeitigen pathophysiologischen Verständnis der Genese von Dissektionen in einer Arterie bzw. in deren Wand. Allerdings komme es dabei auf das Ausmaß der Dissektion an. Bei einer kleineren Dissektion würde es Stunden bis Tage dauern, bis diese, wenn überhaupt, zu einer Verengung des Gefäßlumens führen würde. Bei einer größeren Dissektion könnte dieses innerhalb von wenigen Minuten (auch innerhalb von 3 Minuten) passieren. Bis zur Ausbildung von Koageln (Blutklumpen), die dann ausgeschwemmt werden könnten, würde es mindestens 5 Minuten dauern. Dies sei der normale Gerinnungsprozess an Gefäßwänden. Gerinnungsanomalien seien beim Kläger nicht bekannt.
Hieraus ergäben sich vorliegend drei mögliche Szenarien: Entweder es sei bereits vor dem Unfall spontan zu einer Dissektion der A. carotis interna gekommen, genauere Angaben zu einem möglichen Entstehungszeitpunkt seien nicht möglich. Auf der Basis der vorbestehenden Dissektion sei es unabhängig vom Sturz und allein im Rahmen der sportlichen Betätigung, die bekanntlich mit einem Blutdruckanstieg einhergehe, zu einer thrombembolischen Abwanderung und Verlegung der nachgeschalteten Arterien gekommen. Diese oder die Verlegung der A. carotis interna habe zur Schlaganfallsymptomatik geführt, dadurch bedingt sei der Kläger zu Boden gestürzt und hierdurch sei auch die leichte Bewusstseinstrübung oder Sprachstörung, die auch von Notfallärzten oft als leichte Bewusstseinsstörung verkannt werde, erklärbar. Als zweites Szenario sei denkbar, dass es (vor dem Sturz) zu einer spontanen Dissektion der A. carotis interna und zu einem Sturz aus mechanischen Gründen gekommen sei; die hierbei entstehende Distorsion des Halses führe dazu, dass die Koagel in die nachgeschalteten Arterien ausgeschwemmt würden und unmittelbar zur Schlaganfallsymptomatik führten. Spekulativ könne es auch zusätzlich zu einer Gehirnerschütterung gekommen sein. Bei diesem Szenario sei dann der Unfall im Sinne einer richtungsweisenden Verschlimmerung eines vorbestehenden unfallunabhängigen Leidens als wesentlich ursächlich zu werten. Im dritten Szenario sei es zu einem Sturz aus rein mechanischen Gründen gekommen. Hierbei habe sich der Kläger einen großen Riss in der Arterienwand mit starker Einblutung in die Gefäßwand zugezogen, wie dies später kernspintomograhisch imponiert habe. Somit könne es schon rasch, also innerhalb von 1 bis 5 Minuten zur Verlegung der Arterie gekommen sein, so dass sich innerhalb dieses Zeitraumes eine Hemiparese rechts und eine Sprachstörung entwickelt haben. In diesem Szenario sei der Unfall allein für die Ausprägung der Dissektion und der nachfolgenden Gefäßverschlüsse mit Schlaganfällen verantwortlich. Alle Szenarien seien möglich, eine eindeutige Gewissheit bestehe für keines der drei Szenarien. Eine Latenz von nur 1 bis 3 Minuten spreche nach seiner Erfahrung bei entsprechend großer Dissektion jedenfalls nicht gegen eine traumatische Genese einer Dissektion. Er halte es daher für mindestens genauso wahrscheinlich, dass ein Sturz während der sportlichen Betätigung zu einer richtungsgebenden Verschlimmerung einer vorbestehenden arteriellen Dissektion geführt habe.
Das Gericht hat hierzu eine Rückäußerung des Dr. P vom 09. Januar 2012 eingeholt. Dieser führte aus, dass auch Prof. Dr. H in den beiden ersten Szenarien von einer spontanen, bereits vor dem Sturz vorliegenden Dissektion ausgegangen sei. Diese Einschätzung decke sich mit seiner eigenen. Die 3 . Möglichkeit unterstelle einen fulminanten Verlauf der Karotisdissektion mit hochgradiger Einengung des Gefäßlumens innerhalb weniger Minuten, was nach Einschätzung des Prof. Dr. H aufgrund der Befunde so gewesen sein könne. Nachweisbar sei ein derartiger Verlauf anhand der Befunde jedoch nicht. Das von ihm beschriebene dritte Szenario sei auch pathophysiologisch nicht ganz klar, wenn einerseits davon ausgegangen werde, dass es innerhalb von 1 bis 5 Minuten zur Verlegung der Arterie gekommen sein könne, was die Hemiparese und die Sprachstörung erklären solle, was dann zur Ausschwemmung von Koageln geführt haben könne, die dann wiederum zu den später diagnostizierten Hirninfarkten geführt hätten; hier werde nicht deutlich, wann der Hirninfarkt als Ursache der neurologischen Symptomatik begonnen habe. Bezüglich der von Prof. H beispielhaft angeführten Ausbildung von neurologischen Symptomatiken innerhalb weniger Minuten nach einer chiropraktischen Behandlung habe gerade durch eine sehr sorgfältige Analyse aufgezeigt werden können, dass in den meisten dieser Fälle die Dissektion bereits vorher bestanden habe und dass in keinem der untersuchten Fälle eine Verursachung durch die Manipulationsbehandlung habe bestätigt werden können. Die wissenschaftliche Literatur spreche gegen die Möglichkeit, dass es innerhalb der ersten Minuten nach einer Karotisdissektion zu einem Schlaganfall kommen könne, wobei nicht definitiv auszuschließen sei, dass es sehr seltene Einzelfälle gebe, in denen dies anders sei. Die ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit spreche für ein Vorbestehen der Karotisdissektion.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten zu diesem Verfahren sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte zu diesem Verfahren, die beigezogenen Krankenakten des C-Klinikums C mit dem Notarzteinsatzprotokoll, in dem 11.19 Uhr als Alarmzeit und 11.23 Uhr als Eintreffen des Notarztes beim Patienten vermerkt ist, sowie den Inhalt des beigezogenen Verfahrens vor dem Landgericht Cottbus (Az.: 3 O 259/02) gegen die A AG mit dem in diesem Verfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. H, Universitätsklinikum E, vom 13. März 2003.
Die Berufung des Klägers, die auf die Anerkennung des Ereignisses vom 03. Mai 2001 als Arbeitsunfall gerichtet ist, ist zulässig, aber nicht begründet. Der die Anerkennung als Arbeitsunfall ablehnende Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2003 und das diese Entscheidung bestätigende Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 27. Februar 2007 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn das Ereignis vom 03. Mai 2001 war kein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung.
Rechtsgrundlage für die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall ist § 8 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII). Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente. Dabei müssen die Tatbestandsmerkmale „versicherte Tätigkeit“, „Unfallereignis“ und „Gesundheitsschaden“ im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst recht nicht die bloße Möglichkeit - ausreicht(ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, Az.: B 2 U 23/05 R, Urteil vom 17. Februar 2009, Az.: B 2 U 18/07 R, Urteil vom 31. Januar 2012, Az. B 2 U 2/11 R, zitiert jeweils nach juris.de, m.w.N.). Diese Voraussetzungen für die Feststellung eines Arbeitsunfalls sind vorliegend nicht erfüllt.
Der Kläger stand zwar im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Sturzes gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8 b SGB VII als Schüler unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Ein Unfallereignis im Sinne im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung lag ebenfalls vor. Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Das Erfordernis des Unfallereignisses dient der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen, wie z. B. Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw., wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen. Für ein Unfallereignis im Sinne des SGB VII ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Alltägliche Vorgänge wie Stolpern usw. genügen. Ein schlichter Sturz auf einem versicherten Weg genügt, es sei denn, der Unfall ist infolge einer nichtbetriebsbedingten krankhaften Erscheinung eingetreten und zur Schwere der Verletzung hat keine Gefahr mitgewirkt, der der Kläger auf dem Weg ausgesetzt war (BSG, Urteil vom 17. Februar 2009, Az.: B 2 U 18/07 R, zitiert nach juris.de, zum Aufschlagen auf den Boden). Das Aufschlagen des Körpers des Klägers auf den Boden war unter Zugrundelegung dieses weiten Unfallbegriffes insoweit also ein ausreichendes Ereignis.
Es fehlt vorliegend jedoch am notwendigen Zusammenhang zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis im Sinne der so genannten Unfallkausalität. Für diesen Zusammenhang gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung, nach der auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie aufbauend in einem zweiten wertenden Schritt als rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Typische Fallgestaltungen, in denen die Unfallkausalität näherer Erörterung bedarf, sind u. a. die Fälle einer möglichen inneren Ursache. Die Unfallkausalität zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis wird dabei vermutet, weil oft kein Grund zu erkennen ist, warum sich der Unfall gerade jetzt und so zugetragen hat, z. B. bei einem versicherten Weg und dem bekannten „Stolpern über die eigenen Füße“. Deshalb ist nach ständiger Rechtsprechung die für die Annahme eines Arbeitsunfalls erforderliche Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis stets gegeben, wenn außer dem kausalen Anknüpfungspunkt der versicherten Tätigkeit keine anderen Tatsachen festgestellt sind, die als konkurrierende Ursachen wirksam geworden sein könnten. Kann eine in Betracht zu ziehende Konkurrenzursache in ihrer Grundvoraussetzung nicht festgestellt werden, scheidet sie bereits im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne als Ursache aus (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, Az. B 2 U 8/06 R). Deshalb muss, wenn bei Ausübung einer Verrichtung, die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ein Unfallereignis eintritt, vom Vorliegen der Unfallkausalität ausgegangen werden, es sei denn, es ist eine konkurrierende Ursache wie z. B. eine innere Ursache feststellbar. Erst wenn das Vorliegen einer solchen konkurrierenden Ursache neben der versicherten Ursache als naturwissenschaftliche Bedingung für das Unfallereignis festgestellt wurde, ist in einem zweiten Prüfungsschritt wertend zu entscheiden, ob die versicherte Ursache wesentlich nach der Theorie der wesentlichen Bedingung ist (BSG, a. a. O.).
Vorliegend steht fest, dass der geltend gemachte Gesundheitserstschaden, also die Karotisdissektion mit dem folgenden Schlaganfall, nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den Sturz des Klägers im Sportunterricht zurückzuführen ist. Vielmehr steht nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen fest, dass der Sturz Folge einer inneren Ursache, nämlich der Karotisdissektion, war, dass also die beim Kläger festgestellte Karotisdissektion mit dem folgenden Schlaganfall bereits vor dem Sturzereignis bestand und dass der Sturz nur Folge der hierdurch ausgelösten Symptomatik war.
Dr. P, dessen sorgfältigen und umfassend begründeten Feststellungen sich das Gericht anschließt, hat unter Darlegung und Auswertung des wissenschaftlichen Meinungsstandes zu Karotisdissektionen ausgeführt, dass die Ursache von Einblutungen in die Gefäßwand in den meisten Fällen nicht bekannt sei, dass letztlich jedoch von den meisten Autoren eine trauma-bedingte Gefäßdissektion grundsätzlich als Möglichkeit akzeptiert werde. Zur notwendigen Eignung des Unfallereignisses, eine Karotisdissektion zu verursachen, hat Dr. P den diesbezüglichen Meinungsstand dahin wiedergegeben, dass schwere direkte Gewalteinwirkungen auf den Hals für ausreichend erachtet würden, dass aber „vermutlich“ auch geringe traumatische Einwirkungen auf den Hals oder den Kopf wie bei HWS-Distorsionen ausreichen könnten. Zunächst einmal kann den Ausführungen des Dr. P ein gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisstand dahingehend, dass geringere als schwere traumatische Gewalteinwirkungen auf den Hals überhaupt ausreichend sind, nicht entnommen werden. Abgesehen davon ist aber auch eine geringe Gewalteinwirkung auf den Hals oder Kopf des Klägers vorliegend nicht feststellbar. Der Sportlehrer des Klägers Herr K gab gegenüber der Beklagten am 14. November 2003 den Unfallhergang dahin wieder, dass der Kläger auf der neben dem Weg gelegenen Rasenfläche halbseitig nach vorn getaumelt und seitlich zum Liegen gekommen sei. Äußere Verletzungsanzeichen habe er nicht wahrgenommen. Er habe auch nicht gesehen, dass der Kläger auf den Kopf gefallen sei. Auch der ebenfalls von der Beklagten am selben Tag befragte Mitschüler G gab an, dass der Kläger vor ihm gelaufen sei und geschwächelt habe. Der Kläger sei dann auf die Körperseite nach rechts auf den Ellenbogen gefallen und liegen geblieben. Das Gericht hat keine Bedenken, diesen zeitnahen Angaben zu folgen, auch wenn den Zeugen derart detaillierte Angaben in der späteren gerichtlichen Vernehmung nicht mehr möglich waren. Zu Recht hat auch der Kläger im Berufungsverfahren – wenn auch in anderem Zusammenhang - auf diese Aussagen verwiesen und ausgeführt, dass davon auszugehen ist, dass die nur zwei Jahre nach dem Unfall gemachten Angaben das Geschehen wahrheitsgetreuer und detaillierter wiedergeben als die fast sechs Jahre nach dem Unfall vor dem erstinstanzlichen Gericht gemachten Angaben. Ein Sturz mit einer wie auch immer gearteten Gewalteinwirkung auf den Kopf oder den Hals ist damit nicht nachgewiesen. Das Unfallereignis als solches muss jedoch im Vollbeweis nachgewiesen sein und Vermutungen, für die angesichts des von den Zeugen geschilderten Hergangs nicht einmal eine Wahrscheinlichkeit spricht, reichen nicht aus. Prof. Dr. H hat sich mit der grundsätzlichen Frage, wann ein für eine Karotisdissektion geeignetes Trauma vorliegt, überhaupt nicht auseinandergesetzt. Er unterstellt lediglich in dem von ihm beschriebenen zweiten Szenario ein Aufschlagen mit dem Kopf und eine hierdurch entstehende Distorsion des Halses, also ebenfalls einen aus den dargelegten Gründen nicht nachgewiesenen Hergang. Dr. S führte diesbezüglich aus, dass nur bei Annahme einer hinlänglichen Überstreckung der Halswirbelsäule eine wesentliche Verursachung durch den Sturz anzunehmen sei. Auch eine solche hinlängliche Überstreckung der Halswirbelsäule konnte jedoch nicht festgestellt werden. Insgesamt ist damit bereits ein geeigneter Unfallhergang für eine Karotisdissektion nicht nachgewiesen.
Dr. P führt weiter zum medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand aus, dass von den meisten Autoren eine trauma-bedingte Gefäßdissektion dann grundsätzlich als Möglichkeit akzeptiert und als gegeben angenommen werde, wenn ein adäquater Zeitraum zwischen dem Trauma oder dem als Trauma klassifizierten Ereignis und dem Eintritt der Gefäßdissektion bestehe. Die Notwendigkeit eines gewissen Zeitablaufes hat der Gutachter nachvollziehbar mit der Pathophysiologie der Gefäßdissektion bzw. der Entstehung eines Schlaganfalles durch die Dissektion begründet, da zur Ausbildung des Thrombus zwischen der Einblutung in die Gefäßwand und dem Schlaganfall zumindest ein minimaler Zeitraum vergangen sein muss. Dieser Zeitraum kann sich nach Dr. P über mehrere Tage bis hin zu wenigen Wochen ausdehnen und liege im Mittel bei einer Woche. Bei schweren Schlaganfällen, wie er im Falle des Klägers vorgelegen habe – betrage der minimale Zeitraum mindestens zwei Stunden bis zu 16 Tagen. In den wissenschaftlichen Publikationen sei der minimale Zeitraum zwischen Lokalsymptomen und der neurologischen Symptomatik einer Karotisdissektion im Minimum einige Minuten und gehe bis zu über zwei Monaten. Prof. Dr. H hat dies im Grunde bestätigt, wobei er allerdings – wenn auch ohne Begründung unter Auswertung der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung - geringere Zeiträume grundsätzlich für ausreichend hält. Bei einer größeren Dissektion, wie er sie beim Kläger angenommen hat, könnte dieses innerhalb von wenigen Minuten (auch innerhalb von 3 Minuten) passieren. Bis zur Ausbildung von Koageln (Blutklumpen), die dann ausgeschwemmt werden könnten, würde es mindestens 5 Minuten dauern. Dies sei der normale Gerinnungsprozess an Gefäßwänden. Gerinnungsanomalien seien beim Kläger nicht bekannt.
Vorliegend steht fest, dass die schwere, auf den Schlaganfall rückführbare neurologische Ausfallsymptomatik beim Kläger bereits vor diesem von beiden Gutachtern als Minimalzeitraum genannten Zeitraum vorgelegen hat. Dabei kann letztlich dahinstehen, wann genau der Notarzt eingetroffen ist. Der Zeitraum zwischen dem Sturz und der Beobachtung der genannten schweren neurologischen Symptomatik betrug – wovon auch Dr. P ausgegangen ist – bis ca. eine Minute und war jedenfalls nicht deutlich länger. Dies steht fest aufgrund der Aussagen des Sportlehrers K vom 14. November 2003 im Verwaltungsverfahren und vom 27. Februar 2007 vor dem Sozialgericht. Dieser gab an, dass der von den Schülern belaufene Rundweg ungefähr 300 m betrage, er selbst sei im Zeitpunkt des Sturzes ca. 60 bis 70 m vom Kläger entfernt gewesen. Er habe den Sturz beobachtet und sei „sofort hin“. Der Zustand des Klägers bis zum Eintreffen des Notarztes sei konstant geblieben. Für das Zurücklegen einer Strecke von 60 bis 70 Metern reicht auch bei normaler Gangart eine Minute vollkommen aus. Der Kläger hat im Berufungsverfahren hier wesentlich längere Zeitläufe vermutet, da es eine Weile gedauert haben dürfte, bis der Sturz bemerkt worden sei und der Sportlehrer vermutlich nicht gesprintet sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Sportlehrer den Sturz nach eigenen Angaben gesehen hat, dass er sofort losgegangen ist und dass bei einem Sprint über diese kurze Strecke sogar von einem Zeitraum von lediglich 10 bis 15 Sekunden ausgegangen werden müsste, dass also mit der Annahme von einer Minute bereits einer gemäßigten Gangart Rechnung getragen wurde. Weshalb erstmals im Berufungsverfahren kurz vor dem zweiten Verhandlungstermin und über 5 Jahre nach der erstinstanzlichen gerichtlichen Vernehmung des Sportlehrers K - bei der im Übrigen der nunmehr als Zeuge benannte Vater des Klägers anwesend war - behauptet wurde, der Sportlehrer habe den Sturz nicht gesehen und sei erst mit beträchtlichem Zeitverzug zum Kläger gegangen, blieb, zumal eine Begründung für diese Vermutung nicht gegeben wurde, nicht nachvollziehbar. Damit steht insgesamt fest, dass die schwere Halbseitenlähmung und die Bewusstseinstrübung bzw. Sprachstörung spätestens eine Minute nach dem Sturz festgestellt worden ist. Dies hat der Gutachter Dr. P in Auswertung der Angaben des Sportlehrers K über den Zustand des Klägers bei seinem Eintreffen bei diesem, der sich bis zum Eintreffen des Notarztes danach nicht geändert hat, so festgestellt; dieser Feststellung schließt sich das Gericht an. Dieser Zeitraum ist nach sämtlichen von Dr. P dargestellten medizinisch-wissenschaftlichen Meinungen nicht ausreichend für die Entwicklung einer Schlaganfallsymptomatik nach einem Sturz mit traumatisch verursachter Karotisdissektion. Denn nach den Darlegungen des Dr. P beträgt der minimale Zeitraum auch bei schweren Schlaganfällen, wie er im Falle des Klägers vorgelegen hat, mindestens zwei Stunden bis zu 16 Tagen. Prof. Dr. H führte diesbezüglich an einer Stelle seines Gutachtens aus, dass die Ausbildung eines Schlaganfalles bei einer größeren Dissektion innerhalb von wenigen Minuten (auch innerhalb von 3 Minuten) passieren könne. Bis zur Ausbildung von Koageln (Blutklumpen), die dann ausgeschwemmt werden könnten, würde es mindestens 5 Minuten dauern. Dies sei der normale Gerinnungsprozess an Gefäßwänden, von dem auch für den Kläger, bei dem Gerinnungsanomalien nicht bekannt seien, auszugehen sei.
Soweit Dr. P darauf hingewiesen hat, dass nicht ausschließbar sei, dass es „sehr seltene Einzelfälle“ gebe, in denen dies anders sei, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Denn eine diesbezügliche medizinisch-wissenschaftliche Lehrmeinung hat keiner der Gutachter dargelegt. Damit ist im Hinblick auf den minimalen Zeitablauf, der zwischen einem Trauma und der Ausbildung einer Schlaganfallsymptomatik nach einer Karotisdissektion unter Auswertung sowohl des Gutachtens des Dr. Pals auch des Prof. Dr. H davon auszugehen, dass dieser mindestens fünf Minuten betragen muss. Die Ausführungen von Prof. Dr. H, bei entsprechend großer Dissektion selbsteine Latenz von nur 1 bis 3 Minuten für ausreichend zu halten, konnten hingegen nicht mehr nachvollzogen werden. Dies widersprach den eigenen Ausführungen des Gutachters an anderer Stelle, wonach die Ausbildung von Koageln aufgrund der Dauer des Gerinnungsprozesses mindestens fünf Minuten dauere. Dr. P hat in seiner Rückäußerung vom 09. Januar 2012 dementsprechend zu Recht darauf hingewiesen, dass dessen Ausführungen zu den zeitlichen Zusammenhängen nicht frei von Widersprüchen seien. Jedenfalls fehlt den Ausführungen des Prof. Dr. H die Prüfung und Darlegung des medizinisch-wissenschaftlichen Meinungsstandes, was die Einschätzung des Dr. P insgesamt vorzugswürdig macht. Der alleinige Hinweis des Prof. Dr. H auf eigene praktische Erfahrungen überzeugte angesichts des Umstandes, dass Karotisdissektionen ausgesprochen selten sind, dass auch Dr. P über langjährige Erfahrungen verfügt und weiter angesichts dessen, dass das einzige von Prof. Dr. H genannte Beispiel im Zusammenhang mit chiropraktischen Maßnahmen unter Hinweis auf wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema von Dr. P sofort wieder entkräftet wurde, nicht. Ferner hat Dr. P weitere Aspekte aufgezeigt, die für die Richtigkeit der Annahme einer vorbestehenden Dissektion sprechen, nämlich den Umstand, dass der Kläger zumindest nach einer Zeugenaussage auf die rechte – gelähmte – Körperseite gestürzt ist, auch hielt er die intrakranielle Lokalisation der Arteriendissektion jedenfalls für ein Indiz für eine spontane und gegen eine traumatische Ursache der Dissektion.
Den Beweisanträgen des Klägers brauchte (auch) in diesem Zusammenhang nicht nachgegangen zu werden. Soweit (erstmals 11 Jahre nach dem streitigen Ereignis und wenige Tage vor dem zweiten Termin im Berufungsverfahren) Beweis durch Vernehmung des Vaters des Klägers dafür angeboten wurde, dass der Notarzt erst mindestens 29 Minuten nach dem Sturz eingetroffen sei, handelt es sich hierbei zunächst um ein ungeeignetes Beweismittel. Denn der Vater war beim Sturz des Klägers nicht dabei, so dass ihm eine diesbezügliche Aussage nicht möglich ist. Dementsprechend handelt es bei einigen der im Schriftsatz vom 19. April 2012 bezeichneten Fragen, zu denen der Vater gehört werden soll, und in deren Ergebnis die Dauer von „mindestens 29 Minuten“ folgen soll, auch nur um Vermutungen, wie etwa zum Tempo, in dem sich der Sportlehrer zum Kläger bewegt haben soll und zur Dauer der sonstigen Wegstrecken. Unerheblich ist ferner, ob am Unfalltag Temperaturen von ca. 30 Grad geherrscht haben mit der Folge, dass der Sportlehrer entsprechend langsam gelaufen sei. Mit der Annahme einer Dauer von einer Minute für den vom Sportlehrer benötigten Weg von 60 bis 70 Metern ist bereits ein ausgesprochen langsames Fußgängertempo zugrunde gelegt worden, wie beispielhaft die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ zeigen (2000 m in 30 Minuten). Letztlich hatte der den Sturz beobachtende Sportlehrer, der unmittelbar danach beim Kläger eintraf, dessen Zustand beschrieben und mitgeteilt, dass sich dieser bis zum Eintreffen des Notarztes nicht mehr verändert hatte, so dass es auf diese Frage letztlich nicht ankam.
Auch dem Antrag, „durch Sachverständigenbeweis“ die Schwere der Ausfallserscheinungen beim Eintreffen des Notarztes zu ermitteln, brauchte nicht stattgegeben zu werden. Hinsichtlich der Frage, wie schwer die Ausfallserscheinungen des Klägers beim Eintreffen des Notarztes gewesen sind, ist Beweis erhoben worden durch Beiziehung des Notarztprotokolls. Darüber hinaus ist der Sachverständigenbeweis diesbezüglich ungeeignet, da hier tatsächliche Beobachtungen zum Beweis gestellt worden sind, die nur Zeugen möglich sind, während der Sachverständige lediglich Fachwissen zur Beurteilung von Tatsachen vermitteln soll. Zu den entsprechenden Tatsachen ist diesbezüglich bereits im Verwaltungsverfahren und erstinstanzlich der Sportlehrer K gehört worden; soweit der beantragte Sachverständigen-Beweis in diesem Zusammenhang in Betracht kam, ist er erhoben worden, nämlich durch Auswertung des Notarztprotokolls vom Sachverständigen Dr. P.
Insgesamt steht damit fest, dass jedenfalls die Karotisdissektion bereits vor dem streitgegenständlichen Unfall bestand, wodurch eine Ursache für die vom Kläger erlittenen Hirninfarkte gesetzt wurde. Auch Dr. P geht davon aus, dass sich der Thrombus wahrscheinlich während des Laufens gelöst hat, was zum Schlaganfall und aufgrund der dadurch bedingten Halbseitenlähmung rechts zum Sturz geführt habe. Die vorbestehende Karotisdissektion war hierbei im Sinne der Wesentlichkeitstheorie wesentliche Ursache für die nachfolgenden Hirninfarkte. Nach der im Unfallversicherungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit der Ursache ist maßgebend, dass es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben kann. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob es eine konkurrierende Ursache war, ist unerheblich. „Wesentlich“ ist nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Eine Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als wesentlich anzusehen ist und damit als Ursache ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als „Gelegenheitsursache“ oder „Auslöser“ bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Gesichtspunkte für die Beurteilung sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - wobei eine Ursache nicht deshalb wesentlich ist, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Auch allgemeine Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang sind zu berücksichtigen, was eine Prüfung einschließt, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang positiv festgestellt werden muss und dass es keine Beweisregel gibt, wonach bei fehlender Alternativursache die naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine rechtlich wesentliche Ursache ist. Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhanges genügt dann die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernsthafte Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (so insgesamt BSG, Urteil vom 09. Mai 2006, Az.: B 2 U 1/05 R). Unter Beachtung dieser Vorgaben steht fest, dass die vorbestehende Dissektion als Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte. Bei der Annahme einer vorbestehenden Dissektion, die im Zusammenhang mit dem Ausdauerlauf zu den Hirninfarkten geführt hat, handelt es sich um das erste der drei von Prof. Dr. Hdargelegten Szenarien, in dem es auf der Basis einer vorbestehenden Dissektion unabhängig vom Sturz und allein im Rahmen der sportlichen Betätigung, die bekanntlich mit einem Blutdruckanstieg einhergehe, zu den Hirninfarkten gekommen sei. Dem Zusammenhang der Darstellung des Gutachters ist zu entnehmen, dass er in diesem Falle – anders als in den beiden anderen von ihm für möglich gehaltenen Alternativen – nicht von einer wesentlichen Mitverursachung durch den Lauf ausging. Auch Dr. P, der diesbezüglich eine Abwägung nicht ausdrücklich vornahm, ging jedenfalls im Ergebnis in Kenntnis des Ausdauerlaufs auf diesen als mögliche Mitursache gar nicht erst ein. Dieser Einschätzung der Gutachter schließt sich insgesamt auch das Gericht an. Hierfür spricht auch, dass der Kläger nach der Aussage des Sportlehrers K vom 27. Februar 2007 bei dem Lauf sein eigenes Programm gehabt habe, er habe nie eine Leistungskontrolle machen müssen.
Aber selbst dann, wenn der Senat seine Feststellungen zum Hergang des streitigen Ereignisses nicht im Wesentlichen auf die Ausführungen des Dr. P zur Wahrscheinlichkeit einer traumatischen Dissektion und zum Zeitablauf zwischen Dissektion und neurologischen Ausfallserscheinungen stützte und stattdessen Prof. Dr. H folgte, ergäbe sich daraus für den Kläger nichts im Ergebnis Günstigeres. Denn Prof. Dr. H hat in seiner Stellungnahme vom 19. Dezember 2011 ausgeführt, unter Zugrundelegung des derzeitigen pathophysiologischen Verständnisses der Genese von Dissektionen einer Arterie ergäben sich drei mögliche Szenarien, alle seien gleich gut möglich und nach Klinik und Krankengeschichte nicht weiter zuzuordnen, so dass eine eindeutige Gewissheit für eines der Szenarien nicht bestehe. Zwar ist im Hinblick auf den Kausalverlauf nur die hinreichende Wahrscheinlichkeit erforderlich, dennoch muss ein Gesundheitserstschaden aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, also im Vollbeweis feststehen. Ein solcher Gesundheitserstschaden könnte zur Begründung des Kausalzusammenhangs nur in der Dissektion liegen, die ohne jeden Zweifel die Hirninfarkte ausgelöst hat.
Bestand diese (Spontan-) Dissektion aber vor dem angeschuldigten Unfallereignis – sei es der Lauf an sich oder der Sturz - so steht wieder ohne Zweifel fest, dass das versicherte Ereignis nicht zu dem Erstschaden der Dissektion geführt hat. Diese Konstellation ist in Szenario 1 beschrieben und rechtlich dahin zu werten, dass der Lauf in selbst bestimmtem Tempo nicht die wesentliche Ursache der Hirninfarkte war. Diese lag vielmehr in der vorbestehenden Dissektion, die früher oder später ohnehin zu den Hirninfarkten geführt hätte, wobei in dieser Fallgestaltung offen bleibt und nicht aufklärbar ist, wann die spontane Dissektion tatsächlich erfolgt ist. Wissenschaftlich möglich ist sogar eine Dissektion mehrere Wochen vor dem hier streitigen Ereignis. Ein Verletztenrentenanspruch besteht in dieser Variante ganz offensichtlich nicht. Schon damit scheidet ein Anspruch insgesamt aus, selbst wenn in Szenario 2 und 3 Unfallversicherungsschutz bestünde, was zumindest in Szenario 2 mehr als zweifelhaft ist. Denn bei in dieser Konstellation ebenfalls vorbestehender Spontandissektion dürfte sich der Sturz für die Ausschwemmung der Koagel, die sich ebenfalls schon vor dem Sturz aus mechanischer Ursache gebildet haben müssen, als Gelegenheitsursache darstellen. Denn der Sturz hat zu keinerlei sichtbaren äußeren Verletzungen geführt, war also für einen Jugendlichen im Alter des Klägers ein alltägliches Ereignis, dass sich bei allen möglichen Verrichtungen wie Fußball spielen oder Radfahren hätte ereignen können. Nur in Szenario 3 hat Prof. Dr. H einen traumatischen Arterienriss aufgrund des Sturzes angenommen, was zu Unfallversicherungsschutz und Rentengewährung führen würde. Besteht aber in zumindest einem von drei gleich gut möglichen Geschehensabläufen kein Verletztenrentenanspruch mangels Vorliegens der anspruchsbegründenden Voraussetzungen, kann kein Anspruch festgestellt werden, wenn, wie hier, keine weiteren Ermittlungsmöglichkeiten zum tatsächlichen Geschehensablauf bestehen. Denn die Feststellungslast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt der Kläger und diese lassen sich zumindest in einer der drei gleich gut möglich Konstellationen nicht feststellen.
Dem Beweisantrag zum zeitlichen Ablauf zwischen dem Sturz und dem Auftreten von neurologischen Ausfallserscheinungen war schon deshalb nicht nachzugehen, weil er für die Szenarien 1 und 2, die Fälle der vorbestehenden Spontandissektion, rechtlich bedeutungslos ist. Der Antrag wurde gestellt, um einen Kausalverlauf wahrscheinlich zu machen, in dem zwischen der sturzbedingten Dissektion und dem Auftreten neurologischer Ausfallserscheinungen als Zeichen beginnender Hirninfarkte wenigstens 29 Minuten liegen, weil ein solcher Ablauf nach medizinischen Erkenntnissen eher wahrscheinlich ist als das Auftreten solcher Erscheinungen bereits etwa 5 Minuten nach dem sturzbedingten Arterienriss. Hätte der Beweisantrag Erfolg und ließe sich der Zeitraum von 29 Minuten tatsächlich feststellen, bedeutete dies aber keinesfalls, dass deshalb der Riss beim Sturz aufgetreten ist. Denn einen medizinischen Erfahrungssatz, dass neurologische Ausfallserscheinungen etwa eine halbe Stunde nach einer Arteriendissektion auftreten, gibt es gerade nicht. Hier kommen Zeiträume von Minuten bis Wochen in Betracht, so dass selbst bei einem Beweis von 29 Minuten zwischen Sturz und Ausfallserscheinungen es zwanglos möglich bleibt, dass der Zeitraum von etwa einer halben Stunde der letzte Abschnitt eines größeren Zeitabschnitts von Tagen oder Wochen nach der Spontandissektion gewesen ist. Hier ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass Prof. Dr. H in zwei seiner Szenarien von einer vorbestehenden nicht traumatisch bedingten Spontandissektion ausgegangen ist. Dass eine solche Dissektion die Ursache der nachfolgenden Hirninfarkte ist, ist in der medizinischen Wissenschaft nicht umstritten. Dem Beweisantrag war daher wegen Unerheblichkeit nicht nachzukommen.
Auch dem Gutachten des Dr. S konnte nichts zu Gunsten des Klägers entnommen werden. Dessen Ausführungen blieben insgesamt im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit den schwierigen medizinischen Fragen in ihrer Argumentationshöhe ohnehin hinter den Ausführungen der beiden neurologischen Gutachter zurück. Auf die Fragen des geringen Zeitablaufs zwischen Sturz und neurologischer Symptomatik ging er nicht ein; ein geeignetes Unfallereignis unterstellte er ohne weitere Begründung und führte zugleich aus, bei Zugrundelegung eines anderen Hergangs ohne hinlängliche Überstreckung der Halswirbelsäule sei eine wesentliche Verursachung durch den Sturz zu verneinen. Da eine hinlängliche Überstreckung der Halswirbelsäule als geeigneter Unfallhergang nicht nachgewiesen ist, wäre damit auch unter Zugrundelegung der Ausführungen dieses Gutachters die Ursächlichkeit des Sturzes für den Erstschaden zu verneinen. Eine nachvollziehbare und überzeugende Begründung für eine traumatische Verursachung der Karotisdissektion und/oder der Hirninfarkte ist in diesen Ausführungen jedenfalls nicht zu finden.
Insgesamt konnte damit das Vorliegen eines Arbeitsunfalls im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung nicht festgestellt werden. Nach alledem war die Berufung des Klägers daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG lagen nicht vor.