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Beschwerde; Aufhebung und Zurückverweisung; Beitreibung von Gerichtskosten; Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Landesjustizkasse; Justizbeitreibungsordnung; Einwendung, die den beizutreibenden Anspruch selbst betrifft; Geltendmachung als Erinnerung gegen den Gerichtskostenansatz


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 21.12.2010
Aktenzeichen OVG 1 K 114.10, OVG 1 K 115.10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 66 GKG, § 1 Abs 1 Nr 2 JBeitrO, § 2 Abs 1 S 1 JBeitrO, § 6 Abs 1 Nr 1 JBeitrO, § 8 Abs 1 S 1 JBeitrO, Art 19 Abs 4 GG

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 1. Dezember 2009 wird - einschließlich des Kostenausspruchs sowie der Streitwertfestsetzung - aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Potsdam - dort zunächst an den Kostenbeamten der Geschäftsstelle - mit den nachstehenden Maßgaben zurückverwiesen.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde hat Erfolg.

Die Antragstellerin wendet sich gegen einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Antragsgegnerin vom 19. Juni 2009 über 1.687,10 Euro. Dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss liegt eine Reihe von Gerichtskostenrechnungen - überwiegend des Verwaltungsgerichts Potsdam - zugrunde. Am 3. Oktober 2009 hat die Antragstellerin bei dem Verwaltungsgericht im Wesentlichen beantragt, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss „für unzulässig erklärt“ werde. Der Beschluss sei rechtswidrig, u.a. weil sie die Gerichtsgebühren „ordnungsgemäß eingezahlt“ habe; dazu hat die Antragstellerin verschiedene Überweisungsbelege eingereicht. Das Verwaltungsgericht, das die Sache als Antragsverfahren auf Gewährung von Eilrechtsschutz angelegt hat, hat die Beteiligten zunächst darauf hingewiesen, dass Verweisung an das Amtsgericht als zuständiges Vollstreckungsgericht beabsichtigt sei; mit dem angefochtenen Beschluss vom 30. November 2009 hat es den Antrag sodann zurückgewiesen, weil die Antragstellerin keine ladungsfähige Anschrift benannt habe. Hiergegen richtet sich die Beschwerde. Am 19. November 2010 ist die Sache an den zuständigen 1. (Kosten-)Senat des Oberverwaltungsgerichts abgegeben worden.

Der angefochtene Beschluss war aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Offenbleiben kann dabei zunächst, ob das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin zu Recht deswegen abgelehnt hat, weil diese eine ladungsfähige Anschrift nicht benannt habe. Die Beschwerde, die sich nach § 66 des Gerichtskostengesetzes - GKG - richtet (dazu sogleich nachfolgend), hat jedenfalls deswegen Erfolg, weil der Antrag der Antragstellerin durch das Verwaltungsgericht weder in dem dafür vorgesehenen Kostenverfahren nach Maßgabe des Gerichtskostengesetzes noch unter Beteiligung des zuständigen Vertreters der Staatskasse - nämlich des Bezirksrevisors bei dem Verwaltungsgericht Potsdam - behandelt worden ist; eine entsprechende Sachbefassung in erster Instanz fehlt bisher und ist nachzuholen. Dazu im Einzelnen:

Die vorliegende Beitreibung der Gerichtskosten durch die Antragsgegnerin beruht auf §§ 1 Abs. 1 Nr. 4, 2 Abs. 1 Satz 1 der Justizbeitreibungsordnung (JBeitrO). Danach werden Gerichtskosten nach der genannten Beitreibungsordnung beigetrieben; die Beitreibung obliegt den Gerichtskassen als Vollstreckungsbehörden. Der gegen die Beitreibung erhobene Einwand der Antragstellerin geht im Kern dahin, dass sie die streitigen Gerichtskostenforderungen bezahlt, also erfüllt habe; hierüber haben die Beteiligten im Weiteren denn auch gestritten. Der Einwand der Erfüllung freilich ist eine solche Einwendung, die den beizutreibenden Anspruch selbst betrifft, und deswegen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 JBeitrO nach den Vorschriften über Erinnerungen gegen den Kostenansatz geltend zu machen ist. Das bedeutet, dass der Einwand der Erfüllung im Wege der Erinnerung gegen den Kostenansatz, mag er auch nur dessen Vollzug betreffen, geltend zu machen ist (vgl. BFH, Beschluss vom 25. Februar 2003 – VII K 1/03 -, Juris, Rdn. 3; Finanzgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. März 2010 – 4 KO 255/10 -, Juris, Rdn. 14; Meyer, Gerichtskosten der streitigen Gerichtsbarkeiten und des Familienverfahrens, 11. Aufl., § 66 GKG, Rdn. 14; Lappe/Steinbild, Justizbeitreibungsordnung, 1960, § 8, Anm. 3 und 7). Nach dem deswegen einschlägigen § 66 GKG ist über die als Erinnerung zu behandelnde Eingabe der Antragstellerin dasjenige Gericht zuständig, dessen Kostenbeamter der Geschäftsstelle den Kostenansatz aufgestellt hat, hier das Verwaltungsgericht Potsdam hinsichtlich der dort entstandenen Kostenrechnungen; bezüglich der beim Amtsgericht Rathenow und beim Landgericht Potsdam angesetzten Gerichtskosten muss die Antragstellerin den Erfüllungseinwand dort anbringen. An den genannten Gerichten hat zunächst der Kostenbeamte über die Erinnerung zu entscheiden und diese im Falle der Nichtabhilfe (als Kostensache) der Kammer vorzulegen; hiergegen ist, soweit es das Verwaltungsgericht Potsdam betrifft, sodann ggf. Kostenbeschwerde an den Senat zulässig. Zu beteiligen ist für den Antragsgegner - soweit für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von Interesse - der bei dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts Potsdam bestellte Bezirksrevisor (vgl. AV des Ministers der Justiz v. 14. Januar 2009, JMBl. S. 15, unter V.1.2. i.V.m. III.1.1. und IV.1.). In der Sache selbst obliegt es dem Kostenschuldner - hier der Antragstellerin -, die Zahlung bzw. Erfüllung der jeweiligen Gerichtskostenrechnung zu beweisen (vgl. Finanzgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. März 2010 – 4 KO 255/10 -, Juris, a.a.O.; Meyer, Gerichtskosten der streitigen Gerichtsbarkeiten und des Familienverfahrens, 11. Aufl., § 66 GKG, a.a.O.).

Hiernach war der Beschluss des Verwaltungsgerichts aufzuheben und zur dortigen Befassung mit dem fraglichen Anliegen - soweit es die durch das Verwaltungsgericht angesetzten Gerichtskosten angeht - zurückzuverweisen; § 66 Abs. 6 GKG, der insoweit abschließend ist, enthält keine einer solchen Zurückverweisung entgegenstehende Regelung (vgl. zur Zurückverweisung im Rahmen des Kostenbeschwerdeverfahrens auch OLG Koblenz, Beschluss vom 29. Januar 2007 – 14 W 37/07 -, Juris, Rdn. 16; allg. auch Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., § 66 GKG, Rdn. 46). Sie ist hier freilich geboten. Eine (Erst-)Entscheidung des Senats über das Anliegen der Antragstellerin kam mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht in Betracht, weil - abgesehen von der bisher fehlenden Beteiligung des Bezirksrevisors - dieser ansonsten zwei Instanzen verloren gehen würden. Bisher hat sich nämlich weder der zuvörderst zuständige Kostenbeamte die Sache ansehen können, noch hat die bisher befasst gewesene Kammer erkannt, dass die Angelegenheit als Kostensache zu behandeln war; letztere hat, wie ihrem Hinweis an die Beteiligten vom 29. Oktober 2009 zu entnehmen ist, sogar Verweisung an das Amtsgericht beabsichtigt, was verfehlt gewesen wäre, weil die Antragstellerin, wie ausgeführt, die Einstellung der Vollstreckung wegen Erfüllung erstrebt und sich nicht etwa gegen die Art und Weise der Vollstreckung wendet; nur in dem letztgenannten Fall käme Verweisung an das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht in Betracht (vgl. §§ 766, 764 ZPO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrO). Ob schließlich abschließend noch der Senat angerufen werden kann, ist nicht zuletzt davon abhängig, in welcher Höhe ein Eintritt der Erfüllung der - in der Verwaltungsgerichtsbarkeit entstandenen - Gerichtskosten überhaupt noch streitig ist (s. § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG). Dass eine weitere Vollstreckung bis zu einer abschließenden gerichtlichen Klärung unterbleibt, setzt der Senat voraus; ggf. kann dies auch durch vorläufige Entscheidung des jeweils angerufenen Gerichts gesichert werden.

Der erstinstanzliche Beschluss war ausdrücklich auch hinsichtlich seines Kostenausspruches und der - ebenfalls angefochtenen – Streitwertfestsetzung aufzuheben. Nach § 66 Abs. 8 GKG ist das Kostenerinnerungsverfahren gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet. Eine Streitwertfestsetzung hatte daher zu unterbleiben. Bei dem Verwaltungsgericht etwa bereits entstandene Gerichtskosten sind infolge fehlerhafter Sachbehandlung nicht zu erheben (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Die vorstehend ausgeworfene Kostenentscheidung beruht ebenfalls auf § 66 Abs. 8 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).