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Ukraine; Niederlassungserlaubnis; Feststellung des Nichterlöschens; Antrag auf Zulassung der Berufung; ernstliche Richtigkeitszweifel; besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten; grundsätzliche Bedeutung; Darlegungsanforderungen; Erlöschensgründe; Ausreise aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund; Ausreise für länger als sechs Monate; vorübergehender Aufenthalt in Deutschland zum Zwecke der Zahnbehandlung; Unterbrechung der Sechs-Monats-Frist; Ergebnisrichtigkeit der Entscheidung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 28.11.2014
Aktenzeichen OVG 6 N 64.14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 124a Abs 4 S 4 VwGO, § 51 Abs 1 Nr 6 AufenthG, § 51 Abs 1 Nr 7 AufenthG

Tenor

Die Anträge des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 28. Mai 2014 und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Berufungszulassungsverfahrens werden abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der auf die Zulassungsgründe ernstlicher Richtigkeitszweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, besonderer rechtlicher und tatsächlicher Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sowie grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

1. Ernstliche Richtigkeitszweifel liegen nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat die auf Feststellung des Nichterlöschens der Niederlassungserlaubnis des Klägers gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, diese sei gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erloschen, weil der Kläger sich vom 25. Dezember 2010 bis zum 7. Januar 2012, zumindest bis zum 5. November 2011, außerhalb des Bundesgebiets aufgehalten habe und eine abweichende Fristbestimmung der Ausländerbehörde fehle. Dass der Kläger sich in der Zeit vom 19. Juni bis zum 2. Juli 2011 zum Zweck der Zahnbehandlung in Deutschland aufgehalten habe, habe die Sechs-Monats-Frist des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG nicht unterbrochen. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG, wonach ein Aufenthaltstitel erlösche, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreise, komme es nicht an; § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG stelle neben § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG einen eigenständigen Tatbestand für das Erlöschen eines Aufenthaltstitels dar. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses dieser Entscheidung zeigt das insoweit allein maßgebliche (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Vorbringen des Klägers im Berufungszulassungsverfahren nicht auf. Dabei kann dahinstehen, ob dem Verwaltungsgericht darin zu folgen ist, dass vorliegend der Erlöschensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG gegeben ist. Die Entscheidung erweist sich jedenfalls aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig.

Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil spricht viel dafür, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG vorliegen. Nach dieser Vorschrift erlischt ein Aufenthaltstitel, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind im Hinblick auf diese Vorschrift lediglich solche Auslandsaufenthalte unschädlich, die nach ihrem Zweck typischerweise zeitlich begrenzt sind und die keine wesentliche Änderung der gewöhnlichen Lebensumstände in Deutschland mit sich bringen. Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, liegt ein seiner Natur nach nicht vorübergehender Grund vor. Neben der Dauer und dem Zweck des Auslandsaufenthalts sind alle objektiven Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, während es auf den inneren Willen des Ausländers - insbesondere auf seine Planung der späteren Rückkehr nach Deutschland - nicht allein ankommen kann. Als ihrer Natur nach vorübergehende Gründe für Auslandsaufenthalte können danach etwa Urlaubsreisen oder beruflich veranlasste Aufenthalte von ähnlicher Dauer anzusehen sein, ebenso Aufenthalte zur vorübergehenden Pflege von Angehörigen, zur Ableistung der Wehrpflicht oder Aufenthalte während der Schul- oder Berufsausbildung, die nur zeitlich begrenzte Ausbildungsabschnitte, nicht aber die Ausbildung insgesamt ins Ausland verlagern. Demgegenüber lässt sich eine feste Zeitspanne, bei deren Überschreitung stets von einem nicht mehr vorübergehenden Grund auszugehen wäre, nicht abstrakt benennen. Je weiter sich die Aufenthaltsdauer im Ausland über die Zeiten hinaus ausdehnt, die mit den o.g. begrenzten Aufenthaltszwecken typischerweise verbunden sind, desto eher liegt die Annahme eines nicht nur vorübergehenden Grundes im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG nahe. Jedenfalls erlischt der Aufenthaltstitel nach dieser Vorschrift, wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass der Betreffende seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlagert hat (Urteil vom 11. Dezember 2012 - 1 C 15/11 -, NVwZ-RR 2013, S. 338 ff., Rn. 16 bei juris).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe liegt die Annahme nahe, dass der Kläger aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Zweck ausgereist ist. Dass der Kläger angibt, er habe bezweckt, an einer Fachschule in Odessa eine vor seiner Übersiedlung nach Deutschland im Jahr 2005 begonnene Ausbildung zum Schweißer zu absolvieren, steht dieser Annahme nicht entgegen. Anders als der Kläger meint, lässt dieser Umstand für sich genommen nicht den Schluss zu, die Ausreise sei aus einem seiner Natur nach nur vorübergehenden Zweck erfolgt. Denkbar ist etwa ohne weiteres, dass er seine Ausbildung abschließen und sodann außerhalb Deutschlands in seinem Ausbildungsberuf arbeiten wollte. Die Auffassung des Klägers lässt zudem die insoweit maßgeblichen, nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts erkennbaren Gesamtumstände des Einzelfalles außer Betracht. Der Kläger müsste hierzu Umstände vortragen, aus denen sich folgern ließe, dass er von vornherein beabsichtigte, nach Abschluss der Ausbildung in der Ukraine nach Deutschland zurückzukehren. Daran fehlt es. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat der Kläger sich zum 29. Dezember 2010 beim für ihn zuständigen Jobcenter sowie bei der Meldestelle als „nach Odessa verzogen“ abgemeldet. Schon dies deutet darauf hin, dass er seinerzeit seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegen wollte. In dieselbe Richtung weist, dass der Kläger auch nicht unmittelbar nach Scheitern der Ausbildung in das Bundesgebiet zurückgekehrt, sondern längere Zeit im Ausland geblieben ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat er angegeben, dass ihm Anfang Juli 2011 nach einem Kurzaufenthalt in Deutschland von seinem Ausbilder in der Ukraine mitgeteilt worden sei, er könne die Ausbildung nicht beenden. Gleichwohl ist der Kläger nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts erst am 7. Januar 2012 bzw. frühestens am 5. November 2011 nach Deutschland zurückgekehrt. Wäre der Zweck seiner Ausreise allein der Abschluss seiner zuvor begonnenen Ausbildung gewesen, hätte es nahe gelegen, unmittelbar nach dem Scheitern dieser Ausbildung zurückzukehren. Dass der Kläger sich in der Zeit vom 19. Juni bis zum 2. Juli 2011 in Deutschland aufgehalten hat, rechtfertigt nicht den Schluss, er habe seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland beibehalten wollen, weil nach den von ihm nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts der Zweck seines Aufenthalts eine Zahnbehandlung gewesen ist.

Der Kläger hat auch Anlass gehabt, sich im Berufungszulassungsverfahren mit diesen Aspekten auseinanderzusetzen, weil es hierauf von seinem Rechtsstandpunkt aus entscheidend ankam. Er hat die von ihm geltend gemachten ernstlichen Richtigkeitszweifel des angefochtenen Urteils darauf gestützt, dass der Erlöschensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG nicht isoliert betrachtet werden könne, sondern einen Spezialfall des Erlöschensgrundes nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG darstelle. Der Erlöschensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG sei vor seiner Einführung lediglich als Verwaltungsvorschrift ausgestaltet gewesen. Er habe den Ausländerbehörden als bloße Orientierungshilfe dienen sollen, wann ein nicht nur vorübergehender Auslandsaufenthalt vorliege. Im Zweifel sei bei Überschreiten der Sechs-Monats-Frist von einem nicht nur vorübergehenden Auslandsaufenthalt auszugehen gewesen. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Urteil vom 30. Dezember 1988 - 1 B 135.88 - (InfAuslR 1989, S. 114) ausgeführt, dass auch ein länger als sechs Monate währender Auslandsaufenthalt nur vorübergehend sein könne. An dieser Systematik habe sich nichts dadurch geändert, dass die Sechs-Monats-Frist nun gesetzlich in § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG verankert sei. Daher unterbreche eine kurze Einreise in das Bundesgebiet während des Sechs-Monats-Zeitraums den Auslandsaufenthalt nur dann nicht, wenn dieser nicht nur vorübergehend sei. Die Anwendung dieser Vorschrift setze deswegen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG nicht vorlägen, einen ununterbrochenen Auslandsaufenthalt voraus.

Vom Rechtsstandpunkt des Klägers war demnach in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation im Rahmen des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG die Voraussetzung des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG inzident zu prüfen. Der Kläger hat dies auch erkannt, allerdings nur unzureichend vorgetragen, weil er der Fehlvorstellung erlegen ist, es genüge zum Beleg des Vorliegens des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG, wenn er geltend mache ausgereist zu sein, um seine Schweißerausbildung in der Ukraine zu beenden.

2. Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, die über das in Fällen vergleichbarer Art übliche Maß hinaus gingen und deshalb die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich machten, zeigt die Berufungszulassung nicht auf. Dabei kann dahinstehen, ob solche Schwierigkeiten aus Divergenzen in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte oder Oberverwaltungsgerichte oder aus wissenschaftlichen Kontroversen zu entscheidungserheblichen Fragen folgen können, wie der Kläger meint. Jedenfalls wären die von ihm insoweit angeführten Divergenzen des angefochtenen Urteils bei der Auslegung und Anwendung des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG zu anderen Entscheidungen nicht entscheidungserheblich, weil das Urteil sich aus den dargelegten anderen Gründen als richtig erweist.

3. Schließlich legt die Berufungszulassung auch keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, die zu ihrer Klärung der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf, dar.

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, „ob ein Aufenthaltstitel gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erlischt, obwohl der Ausländer nicht ununterbrochen länger als sechs Monate das Bundesgebiet verlassen hatte und der Aufenthaltszweck nur vorübergehender Natur war.“ Diese Frage ist im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).