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Entscheidung 7 Sa 1649/13


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 7. Kammer Entscheidungsdatum 10.12.2013
Aktenzeichen 7 Sa 1649/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen §§ 305ff BGB

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 29. Juli 2013 - 9 Ca 677/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten nach Beendigung eines seit dem 01.08.1975 bestehenden Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2011 über Urlaubabgeltung für nicht genommenen Urlaub aus dem Jahr 2011.

Die Klägerin war bei der Beklagten, die eine Warenhauskette betreibt, auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages als Verkäuferin zu einem Bruttomonatsverdienst von 1.590,72 EUR tätig. Im letzten Arbeitsvertrag vom 19.04.1999, bei dessen Abschluss die Beklagte Mitglied im Arbeitgeberverband für den Einzelhandel in Brandenburg war, heißt es unter Nr. 10: „Im Übrigen gelten die Tarifverträge für den Einzelhandel in Brandenburg, die Gesamtbetriebsvereinbarungen der Karstadt AG sowie die Betriebsvereinbarungen der oben genannten Betriebsstelle in ihrer jeweiligen Fassung.“ Für die weiteren Einzelheiten des Anstellungsvertrages wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift (Bl. 9 d. A.) nebst Zusatzvereinbarung (Bl. 224 d.A.) Bezug genommen.

Über das Vermögen der Beklagten wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. In einem im Frühjahr 2010 vorgelegten Insolvenzplan erklärten sich die Arbeitnehmer u. a. bereit bis zum 31.08.2010 auf ihre betrieblichen Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) sowie auf einen Teil ihrer außertariflichen Leistungen zu verzichten (Bl. 31 ff. d. A.). Unter dem Datum vom 30.11.2009 schloss der Insolvenzverwalter mit der Gewerkschaft ver.di einen Fortführungstarifvertrag (Bl. 175 ff. d. A.), der die Stundung tariflicher Sonderzuwendungen sowie des tariflichen Urlaubsgeldes bis zu bestimmten Zeitpunkten regelte. Für die Einzelheiten dieser Regelung wird auf § 5 und 6 des Fortführungstarifvertrages Bezug genommen.

Ende 2007 erkrankte die Klägerin und blieb bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2011 arbeitsunfähig. Im Mai 2011 ordnete das Amtsgericht Potsdam die Betreuung der Klägerin für die Bereiche Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung befristet zunächst bis zum 26.11.2011 später bis zum 30.05.2012 an (Bl. 225 f. d. A.). Im Dezember 2011 erhielt die Klägerin den Rentenbescheid über den unbefristeten Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Mit Schreiben vom 19.11.2012 (Bl. 41 ff. d. A.) hat die Klägerin gegenüber der Beklagten Urlaubsabgeltungsansprüche für die Jahre 2010, 2011 und bis Mitte 2012 geltend gemacht. Da die Beklagte eine Erfüllung der Forderung unter Hinweis auf die tariflichen Ausschlussfristen ablehnte, macht die Klägerin Urlaubsabgeltung nunmehr im Klageweg geltend.

Das Arbeitsgericht Potsdam hat mit Urteil vom 29.07.2013 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen – soweit für das Berufungsverfahren relevant – ausgeführt, Ansprüche der Klägerin auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2011 seien aufgrund der tariflichen Ausschlussfrist des § 18 Abs. 3 des MTV für den Einzelhandel im Land Brandenburg verfallen. Der Urlaubsabgeltungsanspruch werde von der tariflichen Ausschlussfrist erfasst. Diese Tarifbestimmung sei nicht gemäß § 307 Abs. 1 BGB einer Angemessenheitskontrolle zu unterziehen. Der Tarifvertrag sei im Arbeitsvertrag im Wege einer sogenannten Globalverweisung in Bezug genommen worden. Dass der Manteltarifvertrag der Klägerin nicht zur Kenntnis gegeben worden sei, stehe dessen Geltung nicht entgegen. Die Regelung in § 18 Abs. 3 des MTV sei nicht unzulässig kurz. Die Tarifvertragsparteien hätten hier eine besondere Regelung für Urlaubs- und Urlaubsgeldansprüche getroffen. Für diese sei für den Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig ohne Mühe nachvollziehbar, inwieweit er seinen Erholungsurlaub in Anspruch genommen habe und welche Ansprüche hier noch offen seien. Der Insolvenzplan berühre die Ausschlussfrist nicht. Dieser erfasse nur betriebliche Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie einen Teil der außertariflichen Leistungen. Umstände, die es ausnahmsweise als unbillig iSv. § 242 BGB erscheinen ließen, dass die Arbeitgeberin sich hier auf die Geltung der tariflichen Ausschlussfristen berufe, habe die Klägerin nicht dargetan.

Gegen dieses der Klägerin am 26. August 2013 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 23. September 2013 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht am 23. Oktober 2013 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin wendet sich im Wesentlichen mit Rechtsauführungen zur Auslegung der tariflichen Ausschlussfrist, ihrer Anwendbarkeit auf das Arbeitsverhältnis sowie ihrer Wirksamkeit gegen das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt weiterhin ergänzend vor, die Klägerin sei aufgrund mehrerer Operationen gehindert gewesen, ihre Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen, was sich auch in der Betreuungsanordnung zeige.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichtes Potsdam vom 29.07.2013, Aktenzeichen 9 Ca 677/13, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Urlaubsabgeltung für 2011 iHv. 2.496,72 EUR nebst Verzugszinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.04.2013 zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen mit Rechtsausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Vorbringen in den mündlichen Verhandlungsterminen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist von ihr fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG).

Die Berufung der Klägerin ist daher zulässig.

2. Die Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht ist mit zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass Ansprüche der Klägerin auf Urlaubsabgeltung für 2011 aufgrund der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen tariflichen Ausschlussfristen nach § 18 Abs. 3 MTV für den Einzelhandel im Land Brandenburg verfallen sind. Die Klägerin hat ihre Ansprüche nicht innerhalb einer Frist von einem Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend gemacht. Der Beklagten ist es auch nicht nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die tariflichen Ausschlussfristen zu berufen.

2.1 Die Ausschlussfrist in § 18 Abs. 3 MTV erfasst Urlaubsabgeltungsansprüche. Dies ergibt die Auslegung von § 18 Abs. 3 MTV.

Der Wortlaut der Regelung ist nicht eindeutig. § 18 Abs. 3 MTV erwähnt zunächst nur die Urlaubs- und Urlaubsgeldansprüchen, nicht ausdrücklich hingegen etwaige Urlaubsabgeltungsansprüchen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung folgt jedoch, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien mit dem Begriff Urlaubsanspruch der aus dem nicht gewährten Urlaub folgende Urlaubsabgeltungsanspruch gemeint ist. Die Tarifvertragsparteien haben nämlich in § 18 Abs. 3 MTV vorgesehen, dass Urlaubsansprüche spätestens einen Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend zu machen sind. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber keinen „Urlaub“, also die Freistellung von der Arbeitspflicht unter Fortzahlung der Vergütung, gewähren. Insofern können die Tarifvertragsparteien in diesem Zusammenhang mit dem Begriff Urlaubsanspruch nur Urlaubsabgeltungsanspruch gemeint haben. Dies entspricht der früheren Konzeption des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. 17. Januar 1995 - 9 AZR 263/92 – BAGE 79, 92-96) als Surrogat des Urlaubsanspruchs. Die Änderung der Rechtsprechung steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Denn unabhängig von den rechtlichen Konstruktionen des Urlaubsabgeltungsanspruchs können die Tarifvertragsparteien Ausschlussfristen diesbezüglich regeln, solange sich aus einer Auslegung der Ausschlussfrist der entsprechende Inhalt ergibt. Dies ist hier der Fall.

2.2 Die Regelungen des § 18 MTV für den Einzelhandel im Land Brandenburg finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

2.2.1 Die Parteien haben in Ziff. 10 ihres Arbeitsvertrages die Anwendung der Ausschlussfrist des Manteltarifvertrages vertraglich vereinbart. Es heißt dort ausdrücklich, dass „im Übrigen die Tarifverträge für den Einzelhandel in Brandenburg“ gelten sollen. Vorrangige vertragliche Regelungen, die den Ausschlussfristen des Tarifvertrages vorgehen würden, sind in dem Arbeitsvertrag nicht enthalten. Die fehlende Vorlage des Manteltarifvertrages bei Abschluss des Arbeitsvertrages steht einer Inbezugnahme der tariflichen Vorschriften nicht entgegen. § 305 Abs. 2 BGB findet auf Arbeitsverträge keine Anwendung (§ 310 Abs. 4 S. 2 am Ende BGB).

2.2.2 Die Bezugnahmeklausel in dem von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrag ist nicht gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Danach sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine solche unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird (BAG vom 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – Rd.-Nr. 14, BAGE 124, 259). Für die Annahme, eine Klausel verstoße gegen das Transparenzgebot reicht es deshalb nicht aus, dass der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Arbeitnehmer wegen unklar abgefasster allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht erkennen kann, ob und wie er seine Rechte wahrnehmen kann, liegt die für die Rechtsfolge der Unwirksamkeit erforderliche unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB (vgl. BAG vom 18.09.2012 – 9 AZR 1/11 – Rd.-Nr. 20 – NZA 2013, 216 – 220).

Dies ist hier nicht der Fall. Die Bezugnahme im Arbeitsvertrag ist ausreichend klar und verständlich. Der Tarifvertrag ist in der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel deutlich bezeichnet. Der Arbeitsvertrag enthält weder eine Regelung, die dem Regelungsbereich des § 18 MTV entspricht, noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Parteien die Geltung von Ausschlussfristen für ihr Arbeitsverhältnis ausschließen wollten. Es bestand daher keine Gefahr, dass die Klägerin in der Annahme, die tariflichen Verfallfristen nach § 18 MTV sollten nicht gelten, von einer Geltendmachung von Ansprüchen abgesehen hat. Dabei reicht es nach der Ausschlussklausel des Manteltarifvertrages aus, dass der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber Urlaubsansprüche geltend macht, um den Verfall seiner Ansprüche, hier also dem Verfall seiner Urlaubsabgeltungsansprüche entgegen zu wirken. Weitergehende Anforderung enthält die Ausschlussfrist nicht.

Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil die tarifliche Ausschlussfrist unklar wäre. Dies ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht der Fall. Wie oben ausgeführt, lässt sich nach Auslegung der Klausel feststellen, dass diese auf Urlaubsabgeltungsansprüche Anwendung findet.

2.2.3 Haben die Arbeitsvertragsparteien aber die Anwendung des Manteltarifvertrages arbeitsvertraglich vereinbart, kam es auf die Frage der Nachwirkung des bei Abschluss des Arbeitsvertrages allgemein verbindlich geltenden Tarifvertrages nicht an. Der Inhalt der Ausschlussfrist selbst ist im Übrigen bei den Veränderungen der Tarifverträge gleich geblieben, sodass es auch nicht darauf ankam, inwieweit es sich bei der Bezugnahmeklausel um eine dynamische Klausel handeln sollte, oder ob der damals geltende Tarifvertrag allein vereinbart wurde.

2.3 Die Parteien konnten die Geltung einer einmonatigen Ausschlussfrist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbaren.

2.3.1 Zunächst ist die Verfallfrist hinsichtlich ihrer Länge keiner Angemessenheitskontrolle gem. § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen. Die §§ 305 bis 310 BGB finden auf Tarifverträge keine Anwendung. Dies gilt nicht nur für Tarifverträge, die kraft Tarifbindung unmittelbar und zwingend geltend. Vielmehr spricht der gesetzliche Gesamtzusammenhang gegen eine Inhaltskontrolle einschlägiger tarifvertraglicher Regelungen, die im Arbeitsvertrag im Wege der Globalverweisung in Bezug genommen worden sind (BAG v. 18.09.2012 – 9 AZR 1/11 – NZA 2013 – 216 – 220).

Eine solche Globalverweisung auf den einschlägigen Tarifvertrag haben die Parteien hier vorgenommen. Nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrages sollten die jeweils gültigen Bestimmungen des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel in Brandenburg zur Anwendung kommen. Auf bestimmte Regelungsgegenstände wurde dabei im Vertrag nicht Bezug genommen. Insbesondere haben die Arbeitsvertragsparteien nicht etwa nur einzelne Bereiche des Tarifvertrages herausgenommen. Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt nicht allein aus der Formulierung „im Übrigen“, dass die Parteien nur eine Teilverweisung vereinbaren wollten. Der gesamte Arbeitsvertrag der Klägerin enthält keinerlei Abweichungen vom Tarifvertrag. Vielmehr enthält er nur Bestimmungen, mit denen die Tätigkeit der Klägerin konkretisiert und damit den Entgeltgruppen des Tarifvertrages zugeordnet und der Umfang der arbeitsvertraglichen Arbeitszeit festgelegt wird. Hinsichtlich der Kündigungsfristen wird ausdrücklich auf die tariflichen Fristen Bezug genommen. Keine Klausel des Arbeitsvertrages weicht zu Gunsten oder zu Lasten der Klägerin von den tariflichen Bestimmungen ab.

2.3.2 Weiterhin hat das Arbeitsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die tarifliche Ausschlussfrist in Einklang mit den Vorgaben der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl, EU L 299 vom 18. November 2003 Seite 9) steht. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 18.09.2012 (9 AZR 1/11 – NZA 2013, 216 – 220) zu einer sechswöchigen Ausschlussfrist ausgeführt, Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG gebiete es nicht, dass eine Ausschlussfrist für den Urlaubsabgeltungsanspruch die Dauer des Bezugszeitraums des Urlaubsanspruchs deutlich übersteige. Nach der Rechtsprechung des EUGH dürfen Verfahren, die den Schutz der den Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die Unionrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen sei grundsätzlich mit dem Erfordernis der Effektivität vereinbar, weil eine solche Festsetzung ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit sei.

Diesem Maßstab hält die tarifliche Ausschlussfrist von einem Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses stand. Dabei spricht zunächst nach nationalem Recht eine Vermutung dafür, dass diese Frist angemessen ist, weil sie als tarifliche Regelung keiner Angemessenheitskontrolle durch die Gerichte unterliegt (vgl. BAG vom 18.09.2012 – 9 AZR 1/11 – aaO.). Eine Frist von einem Monat ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses erscheint nicht so kurz, als dass es den Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis endet, nicht gelingen kann, die Frist zur Geltendmachung ihre Urlaubsansprüche zu wahren. Hier hat das Arbeitsgericht zu Recht darauf verwiesen, dass es sich dabei um leicht überschaubare und leicht berechenbare Ansprüche handelt, die die Klägerin anhand des Bundesurlaubsgesetzes bzw. der einschlägigen tariflichen Vorschriften selbst berechnen kann. Eine solche Ausschlussfrist dient der zügigen Abwicklung des beendeten Arbeitsverhältnisses und einer schnellen Klärung eines etwaigen Streits der Parteien darüber, ob und in welchem Umfang Urlaubsansprüche genommen oder noch offen sind.

2.4 Die Klägerin hat die Ausschlussfrist nicht eingehalten. Unstreitig hat sie ihre Ansprüche nicht innerhalb von einem Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, also bis zum 31.01.2012 schriftlich geltend gemacht. Entgegen der Auffassung der Klägerin wurde die Ausschlussfrist nicht etwa durch den Fortführungstarifvertrag gehemmt bzw. die Fälligkeit der Ansprüche hinausgeschoben. Der Fortführungstarifvertrag betrifft lediglich Sonderzuwendungen und Urlaubsgeldansprüche, für die er Stundungsregelungen enthält. Urlaubsabgeltungsansprüche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind dort ebenso wenig aufgeführt wie die Aufhebung etwaiger tariflicher Ansprüche auf die über das Gesetz hinausgehenden Urlaubsansprüche.

Die Ausschlussfrist war auch nicht deshalb gehemmt, weil die Klägerin bis zum 30.05.2012 unter Betreuung ihres Ehemannes stand. Sinn und Zweck der Betreuung ist es gerade, dass die Angelegenheiten des Betreuten wahrgenommen werden. Entsprechend vertritt der Betreuer den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich (§ 1902 BGB). Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil sich die vorliegende Betreuung nicht auf die Vermögensangelegenheiten der Klägerin erstreckt. Denn unabhängig von einer angeordneten Betreuung kann sich die Klägerin rechtsgeschäftlich von ihrem Ehemann vertreten lassen. Dass sie zur Erteilung etwaiger Vollmachten nicht in der Lage war, hat sie nicht dargetan. Dagegen spricht auch der Umfang des Betreuungsbeschlusses, der sich auf diese Angelegenheit gerade nicht erstreckt.

2.5 Der Beklagten ist es auch nicht nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die Einhaltung der Ausschlussfristen zu berufen.

2.5.1 Der Lauf der Ausschlussfrist kann nach § 242 BGB gehemmt sein, wenn der Anspruchsberechtigte seine Ansprüche nicht erheben kann. Dies liegt vor, wenn der Anspruchsschuldner keine Abrechnung erteilt oder diese verzögert und der Anspruchsberechtigte die Abrechnung benötigt, um seine Ansprüche berechnen zu können. Auch kann es dem Schuldner verwehrt sein, sich auf die Ausschlussfrist zu berufen, wenn er selbst durch sein Verhalten die Ursache dafür gesetzt hat, dass der Gläubiger den Anspruch nicht innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht hat. Das gilt insbesondere dann, wenn ein Arbeitnehmer auf Grund von Zusicherungen des Arbeitgebers darauf vertrauen durfte, dieser werde den Anspruch auch ohne fristgerechte Geltendmachung erfüllen (BAG v. 13.12.2007 – 6 AZR 222/07 – NZA 2008, 478 – 481) oder der Arbeitgeber durch ein sonstiges Verhalten von der fristgerechten Geltendmachung oder Klageerhebung abgehalten hat (vgl. BAG vom 13.12.2007 – 6 AZR 222/07 aaO.).

2.5.2 Keiner dieser Sachverhalte lag hier vor. Dass es der Klägerin aufgrund ihrer Operationen unmöglich war, einen Vertreter mit der Geltendmachung ihrer Ansprüche zu beauftragen, hat die Klägerin nicht ausreichend dargetan. Auf die obigen Ausführungen zur Betreuung wird Bezug genommen. Auch hat die Beklagte nicht etwa die unterbliebene Geltendmachung veranlasst. Vielmehr hat die Beklagte hier gar nichts getan, sondern das Arbeitsverhältnis – wie im Tarifvertrag vorgesehen – zum 31.12.2011 auf der Grundlage des Rentenbescheides sein Ende finden lassen. Zwar hat die Beklagte der Klägerin keine Endabrechnung erstellt, darauf war die Klägerin aber für die Geltendmachung ihrer Ansprüche nicht angewiesen. Allein der Umstand, dass die Klägerin möglicherweise – dies allerdings zu Recht – von ihrem Arbeitgeber erwartete, dass dieser das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß einschließlich der Urlaubsabgeltungsansprüche abrechnen würde, führt nicht bei einem entsprechenden Unterbleiben der Geltendmachung dazu, die Berufung auf die Ausschlussfristen als treuwidrig anzusehen.

3. Aus all diesen Gründen waren Ansprüche der Klägerin auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2011 verfallen. Die Berufung der Klägerin war zurückzuweisen mit der Folge, dass sie gem. § 97 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat.

4. Die Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.