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Entscheidung 7 U 175/12


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 7. Zivilsenat Entscheidungsdatum 29.01.2014
Aktenzeichen 7 U 175/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6. November 2012 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger € 104.400,00 zuzüglich Zinsen hieraus ab 23. März 2010 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von einer Nachhaftung auf den noch nicht erbrachten Teil der Kommanditeinlage in Höhe von € 81.000,00 der gezeichneten Beteiligung an der V… GmbH & Co. KG im Nennwert von insgesamt € 180.000,00 freizustellen.

3. Die Verurteilung zu 1. und 2. erfolgt Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots gegenüber der Beklagten auf Übertragung der vom Kläger am 13. Dezember 2002 gezeichneten Beteiligung an der V… GmbH & Co. KG im Nennwert von € 180.000,00 sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte.

4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebotes auf Übertragung der von ihm gezeichneten Beteiligung an der V… GmbH & Co. KG im Nennwert von € 180.000,00 sowie der Annahme der Abtretung der Rechte aus dieser Beteiligung in Verzug befindet.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/7, die Beklagte zu 6/7.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegner jeweils vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung einer Beteiligung an der V… GmbH & Co. KG (V…) in Anspruch.

Er ist Inhaber einer Druckerei und war Kunde der Beklagten in W…. In Zusammenhang mit seiner Beteiligung an dem V… erhielt er erstmals Kontakt zu der Filiale der Beklagten in N… und wurde dort von dem Zeugen M… S… beraten. Auf dessen Empfehlung zeichnete er am 20. Dezember 2002, zurückdatiert auf den 13. Dezember 2002, seinen Beitritt als Kommanditist der V… mit einer Kommanditeinlage von € 180.000,00 zuzüglich Agio in Höhe von 3 % (Bl. 24, 543 d.A.) und überwies sogleich den Gesamtbetrag von € 185.400,00 (K 1e).

In der Beitritterklärung über der Unterschrift ist ausgeführt:

„Ich nehme ausdrücklich zur Kenntnis, dass für meine Beteiligung an der Fondsgesellschaft ausschließlich der Inhalt des Beteiligungsangebotes, dieser Beteiligungserklärung und des Gesellschaftsvertrages maßgebend sind. Dies gilt auch im Verhältnis zum Prospektherausgeber, zu Vertriebsbeauftragten, Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern, Rechtsanwälten, Anlageberatern, sonstigen Beratern, Treuhändern oder Vermittlern oder sonstigen Dritten, die an der Erstellung des Beteiligungsangebotes und der Konzeption der Fondsgesellschaft mitgewirkt haben. Eventuelle Ansprüche gegenüber diesen Personen verjähren innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnis des Anspruchsgrundes, spätestens jedoch innerhalb von drei Jahren ab Wirksamkeit des Beitritts. Soweit für Wirtschaftsprüfer Steuerberater, Rechtsanwälte oder sonstige Berater gesetzliche Sonderregelungen zur Verjährung von Ansprüchen bestehen, bleiben diese unberührt. Eventuelle Ansprüche gegen diese Personen verjähren innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnis des Anspruchsgrundes.“

Streitig ist, wann der Kläger den Emissionsprospekt zu der V… erhalten hat, ob bei Unterschrift, so der Kläger (Bl. 17 d.A.), oder schon eine Woche vorher, so die Beklagte (Bl. 160 d.A.).

Der Emissionsprospekt (Bl. 26 d.A.) weist auf die Möglichkeit des Totalverlustes für das investierte Kapital hin (S. 13), zugleich aber auch auf ein Sicherheitskonzept (Bl. 26), eine Fertigstellungsgarantie (S. 8) sowie eine Absicherung von 80 % der budgetierten Produktionskosten, wodurch der Kapitalrückfluss gesichert werde (S. 8, 45, 57). Ferner verweist der Prospekt auf einen Vertrag zur Eigenkapitalbeschaffung, nach dem die V… Banken AG für die Eigenkapitalbeschaffung ein Agio von 3 % zuzüglich 8,9 % der Zeichnungssumme erhält und sie berechtigt ist, sich zur Kapitalbeschaffung Dritter zu bedienen (S. 35, 62).

Die Kommanditisten erbrachten lediglich 55 % der Zeichnungssumme in bar, 45 % wurden fremdfinanziert. Ausschüttungen sollten bis 2006 auf die noch offene Zeichnungssumme und 2007 auf die Einkommensteuer verrechnet werden. 2008 und 2009 sollten Ausschüttungen abzüglich Kosten und Tilgung an die Kommanditisten ausgekehrt werden. Da der Kläger zunächst die volle Zeichnungssumme überwiesen hatte, erhielt er Anfang 2003 € 81.000,00 zurückgezahlt. Außerdem wurde dem Kläger im ersten Jahr ein Verlust von 92 % der Zeichnungssumme = € 165.600,00 zugewiesen.

Die Beklagte erhielt auf Grund eines dreiseitigen Vertrages mit der V… und V… Banken AG vom 8. April 2002 (B1) für die Vermittlung von Kunden 8,25 % der Zeichnungssumme. Die Rückvergütung an die Beklagte ergibt sich weder aus dem Emissionsprospekt noch legte die Beklagte die Rückvergütung bei Vertragsschluss offen.

Zu Beginn der Verhandlungen des Klägers mit dem Zeugen S… war unbestimmt, ob der Kläger den V… noch würde zeichnen können oder dieser bereits geschlossen war. Vorsorglich unterzeichnete der Kläger deshalb im Dezember 2002 seinen Beitritt zu dem von der Beklagten aufgelegten Medienfonds A… (Flyer Bl. 490, Auszug aus Emissionsprospekt B 2). Bei diesem Fonds stand der Beklagten nach dem Emissionsprospekt eine Provision von 8,5 % des gezeichneten Kommanditkapitals zu (B 2).

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe ihn bei Vertragsschluss nicht ordnungsgemäß beraten. Er sei ein sicherheitsbewusster Anleger. Die Beklagte habe ihn nicht auf die Risiken der Kapitalanlage hingewiesen und außerdem nicht offenbart, dass sie durch die Rückvergütung ein eigenes wirtschaftliches Interesse an seinem Beitritt zu dem V… hatte. Bei richtiger Aufklärung wäre er dem V… nicht beigetreten. Im Wege des Schadensersatzes beanspruche er die Rückgängigmachung seines Beitritts, Freistellung von einer weiteren Inanspruchnahme in Bezug auf die noch offene Kommanditeinlage sowie entgangenen Gewinn von 4 %, da er seine finanziellen Mittel ansonsten anderweitig angelegt hätte. Steuerliche Vorteile müsse er sich über einen Vorteilsausgleich nicht anrechnen lassen. Im Hinblick auf § 15 EStG sei lediglich von einer Steuerverschiebung auszugehen.

Ob er den Emissionsprospekt zu dem Medienfonds A… erhalten habe, wisse er nicht mehr, jedenfalls habe er diesen nicht zur Kenntnis genommen.

Der Kläger hat beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen an ihn € 104.400,00 zuzüglich Zinsen hieraus vom 21. Dezember 2002 in Höhe von 4 % bis 22. März 2010 und ab 23. März 2010 hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bezahlten,

2.

die Beklagte zu verurteilen, ihn von einer Nachhaftung auf den noch nicht erbrachten Teil der Kommanditeinlage in Höhe von € 81.000,00 der gezeichneten Beteiligung an der V… GmbH & Co. KG im Nennwert von insgesamt € 180.000,00 freizustellen,

3.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die unmittelbar oder mittelbar aus der von ihm gezeichneten Beteiligung an der V… GmbH & Co. KG im Nennwert von insgesamt € 180.000,00 resultieren und die ohne Zeichnung dieses Fondsanteils nicht eingetreten wären.

4.

Die Verurteilung gemäß den Anträgen zu 1 bis 3 erfolgt Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots gegenüber der Beklagten auf Übertragung der von ihm am 13. Dezember 2002 gezeichneten Beteiligung an der V… GmbH & Co. KG im Nennwert von € 180.000,00 sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte.

Hilfsweise:

Die Verurteilung zu den Anträgen zu 1 bis 3 erfolgt Zug um Zug gegen Übertragung der vom Kläger gezeichneten Beteiligung an der V… GmbH & Co. KG im Nennwert von € 180.000,00 an die Beklagte.

5.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebotes auf Übertragung der von ihm gezeichneten Beteiligung an der V… GmbH & Co. KG im Nennwert von € 180.000,00 sowie der Annahme der Abtretung der Rechte aus dieser Beteiligung in Verzug befindet.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebotes auf Übertragung der von ihm gezeichneten Beteiligung an der V… GmbH & Co. KG im Nennwert von € 180.000,00 in Verzug befindet.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eingewandt, der Kläger sei ein erfahrener Anleger, der sich der Risiken einer Beteiligung an dem V… bewusst gewesen sei. Außerdem sei er durch einen Steuerberater beraten gewesen und habe sich im Internet informiert.

Über eine Vergütung von unter 15 % der Zeichnungssumme habe sie den Kläger nicht unterrichten müssen. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass er auch bei Kenntnis der Vergütung der Beklagten dem V… beigetreten wäre. Der Kläger habe den Prospekt des Medienfonds A… gründlich durchgelesen, so dass er gewusst habe, dass die Beklagte bei diesem Fonds eine Vergütung von 8,5 % erhält, was ihn nicht von der Zeichnung der Beitritterklärung abgehalten habe.

Im Falle einer Haftung der Beklagten müsse sich der Kläger bei der Schadenberechnung seine Steuervorteile anrechnen lassen. Der Steuervorteil betrage € 84.737,52 (Bl. 674 d.A.) bzw. € 93.299,98 abzüglich Gewinn € 20.298,60 = € 73.001,38 (Bl. 942 d.A.). Ein entgangener Gewinn von 4 % sei übersetzt, da mit einer sicheren Rendite in dieser Höhe nicht zu rechnen gewesen sei.

Ferner erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen M… S…, H… Ki… und K… R… (Bl. 492, 733 d.A.).

Im Ergebnis hat das Landgericht der Klage mit den Hauptanträgen stattgegeben mit der Begründung, die Beklagte habe ihre Aufklärungspflicht aus dem Beratungsvertrag verletzt. Sie habe den Kläger über die Rückvergütung unterrichten müssen. Der Kläger könne im Wege des Schadensersatzes Rückgängigmachung seines Beitritts zum V… verlangen. Steuervorteile müsse er sich bei der Schadenberechnung nicht anrechnen lassen.

Gegen das am 12. November 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. November 2012 Berufung eingelegt und diese am 11. Januar 2013 begründet.

Die Parteien vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. In zweiter Instanz konzentriert sich der Streit im Wesentlichen auf die Kausalität der fehlenden Aufklärung über die Rückvergütung für den Beitritt des Klägers zum V…, die Anrechnung von Steuervorteilen sowie die Verjährung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 6. November 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Klägers als Partei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Protokolle der Beweisaufnahme vom sowie das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nur teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.

Der Kläger kann von der Beklagten gemäß §§ 280 Abs. 1 S. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen schuldhafter Verletzung ihrer Beratungspflicht die Rückgängigmachung seines Beitritts zum V… verlangen.

Zwischen den Parteien ist ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Tritt ein Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen. Für den Abschluss des Beratungsvertrages ist ohne Bedeutung, ob der Kläger von sich aus bei der Geldanlage die Dienste und Erfahrungen der Beklagten in Anspruch nehmen wollte oder ob der Anlageberater der Beklagten den Kläger aufgefordert hat (vgl. BGH vom 06.07.1993, XI ZR 12/93, Rn. 11f., Bond).

Als Nebenpflicht aus dem Anlageberatungsvertrag war die Beklagte gehalten, von sich aus den Kläger über die an sie gezahlte Provision von 8,25 % der Zeichnungssumme zu unterrichten. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind - regelmäßig umsatzabhängige - Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen (vgl. BGH vom 08.05.2012, XI ZR 262/10, Rn. 17; 04.06.2013, XI ZR 188/11, Rn. 14).

Davon ist vorliegend auszugehen. Die von der Beklagten vereinnahmten Provisionen in Höhe von 8,25 % des Zeichnungskapitals waren nicht in den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Fondsobjekts versteckt, sondern flossen aus den offen ausgewiesenen Kosten der "Eigenkapitalvermittlung" und/oder dem Agio an die Beklagte, wobei es nicht entscheidend darauf ankommt, ob die Provision aus dem Agio oder der Provision für die Eigenkapitalbeschaffung entnommen wurde (vgl. BGH vom 08.05.2012, XI ZR 262/10, Rn. 17).

Der Zeuge S… hat den Kläger nicht über die Rückvergütung aufgeklärt (Bl. 504 d.A.). Eine solche ergibt sich auch nicht aus dem Emissionprospekt. Dort ist zwar zu Gunsten der V… Banken AG ein Agio von 3 % sowie eine Provision von 8,9 % der Zeichnungssumme dargestellt (S. 35, 62), nicht aber eine Rückvergütung an die Beklagte für deren Vermittlung.

Die Beklagte hat ihre Aufklärungspflicht schuldhaft verletzt, wobei leichte Fahrlässigkeit genügt. Das Verschulden des Anlageberaters wird vermutet, der Anlageberater kann sich entlasten (vgl. BGH vom 12.05.2009, XI ZR 586/07, Rn. 18). Dies ist der Beklagten nicht gelungen. Sie kann sich nicht – wie in erster Instanz – auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen. Seit den Entscheidungen des BGH vom 28. Februar 1989 (XI ZR 70/88) und vom 6. Februar 1990 (XI ZR 184/88) war für eine Bank erkennbar, dass im Verhältnis zu ihren Kunden bei der - allein in deren Interesse erfolgenden - Beratung über eine Kapitalanlage eine Aufklärungspflicht über solche Umstände besteht, die das Beratungsziel in Frage stellen und die Kundeninteressen gefährden (vgl. BGH vom 29.06.2010, XI ZR 308/09, Rn. 5; vom 08.05.2012, XI ZR 262/10, Rn. 25).

Die Beklagte hat nicht zu beweisen vermocht, dass der Kläger auch bei gehöriger Aufklärung dem V… beigetreten wäre. Die Beklagte trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, ist beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese sogenannte "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (BGH vom 08.05.2012, XI ZR 262/10, Rn. 27 ff.; vom 04.06.2013, XI ZR 188/11, Rn. 19).

Relevante Indizien für die fehlende Kausalität können sich sowohl aus dem vorangegangenen als auch aus dem nachfolgenden Anlageverhalten des Anlegers ergeben. Insbesondere die Kenntnis des Anlegers von Provisionen oder Rückvergütungen, die die beratende Bank bei vergleichbaren Anlagegeschäften erhalten hat, kann ein Indiz dafür sein, dass der Anleger die empfohlene Kapitalanlage auch in Kenntnis der Rückvergütung erworben hätte (BGH vom 08.05.2012, XI ZR 262/10, Rn. 27 ff.; vom 04.06.2013, XI ZR 188/11, Rn. 29).

Der Beklagten ist es nicht gelungen, die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens zu widerlegen.

Der Kläger hat in seiner Parteivernahme ausgesagt, er sei davon ausgegangen, die Beklagte erhalte einen Teils des Agios von 3 %, da in der Druckereibranche, in der er tätig ist, Provisionen von 3 % bis 4 % gezahlt werden. Eine Provision von 8,25 % wäre ihm verdächtig gewesen. In diesem Fall hätte er das Vertrauen in eine objektive anleger- und anlagegerechte Beratung der Beklagten verloren und wäre dem Fonds nicht beigetreten. Er hätte dann nicht mehr nicht mehr geglaubt, dass die empfohlene Anlage so eine „super Sache“ sei, wie sie ihm dargestellt wurde.

Dem steht nicht entgegen, dass der vom Kläger alternativ gezeichneten Medienfonds A… für die Vermittlung der Beklagte eine Provision von 8,5 % der Zeichnungssumme vorsah. Entgegen der Ansicht der Beklagten folgt daraus nicht, dass der Kläger auch eine Provision von 8,25 % bei dem V… akzeptiert hätte. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger den Emissionsprospekt zu dem Medienfonds A… erhalten und gelesen hat, denn die Dienstleistung der Beklagten bei den beiden Fonds ist ganz unterschiedlich.

Den Medienfonds A… hatte die Beklagte selbst aufgelegt und sicherte die Nominaleinlage durch Mindestgarantien (Bl. 490 d.A.). Für die Eigenkapitalvermittlung und Platzierungsgarantie erhielt sie eine Vergütung von 8,5 % des gezeichneten Kommanditkapitals (B 2). Bei dem streitgegenständlichen V… sollte die Beklagte für ein Beratungsgespräch innerhalb einer bestehenden Geschäftsbeziehung eine nahezu gleich hohe Provision von 8,25 % erhalten, ohne dass die Beklagte Sicherheiten für das investierte Kapital übernahm und für den Fonds als Initiatorin „gerade stand“. Das Preis-/Leistungsverhältnis der beiden Fonds ist in Bezug auf die Leistungen der Beklagten nicht vergleichbar. Die Beklagte konnte nicht davon ausgehen, dass der Kläger bei Kenntnis einer Provision von 8,25 % für die weit geringere Leistung der Beklagten den Beitritt zu dem V… in jedem Fall gezeichnet hätte. Abgesehen davon hat der Zeuge S… den Kläger auch bei dem Medienfonds A… nicht über die Provision aufgeklärt (Bl. 504 d.A.) und es ist streitig, zu welchem Zeitpunkt dem Kläger der Emissionsprospekt zu diesem Fonds vorlag. Allein aus dem Flyer (Bl. 490 d.A.) ergab sich die Provision der Beklagten nicht.

Als Schadensersatz kann der Kläger nach §§ 249 Abs. 1, 255 BGB im Wege der Naturalrestitution die Rückgängigmachung seines Beitritts zum V… beanspruchen, d.h. Ersatz seiner Kommanditeinlage und des Agios Zug um Zug gegen Übertragung des Kommanditanteils an der V… auf die Beklagte.

Im Wege des Vorteilsausgleichs muss sich der Kläger nicht steuerliche Vorteile auf die Kommanditeinlage nicht anrechnen lassen.

Eine Anrechnung von Steuervorteilen kommt grundsätzlich nicht in Betracht, wenn die Rückabwicklung des Erwerbs zu einer Besteuerung führt, die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder nimmt. Da das Gericht über die Höhe des Schadens unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach freier Überzeugung zu entscheiden hat (§ 287 Abs. 1 ZPO) und eine exakte Errechnung von Steuervorteilen unter Gegenüberstellung der tatsächlichen mit der hypothetischen Vermögenslage angesichts der vielfältigen Besonderheiten und Möglichkeiten der konkreten Besteuerung und ihrer unterschiedlichen Entwicklung in verschiedenen Besteuerungszeiträumen häufig einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert, müssen in der Regel keine Feststellungen dazu getroffen werden, in welcher genauen Höhe sich die Versteuerung der Schadensersatzleistung auswirkt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Schädiger Umstände darlegt, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung außergewöhnlich hohe Steuervorteile verbleiben oder er gar Verlustzuweisungen erhalten hat, die über seine Einlageleistungen hinausgehen (BGH vom 01.03.2011, XI ZR 96/09, Rn. 8 f.).

Solche außergewöhnliche Steuervorteile, insbesondere eine über die Einlage hinausgehende Verlustzuweisung, hat die Beklagte nicht dargetan. Die Verlustzuweisung von € 165,600,00 bleibt hinter der Zeichnungssumme von € 180.000,00 zurück. Als Maßstab für eine außergewöhnliche Verlustzuweisung ist auf die gezeichnete Kommanditeinlage und nicht auf die zu Beginn tatsächlich gezahlte Einlage abzustellen (vgl. BGH vom 01.03.2011, XI ZR 96/09, Rn. 9; vom 27.06.1984, IVa ZR 231/82, Juris Rn. 36). Der Kläger hat zwar zu Beginn im Ergebnis lediglich 55 % = € 99.000,00 eingezahlt. Allerdings haftet er den Gläubigern nach § 171 Abs. 1 HGB bis zur Höhe der gezeichneten Einlage. Außerdem sollten Gewinne bis einschließlich 2006 auf die Einlage verrechnet und nicht ausgezahlt werden. Aus der Übersicht in dem Quartalsbericht des V… vom 24. April 2009 (Bl. 718 d.A.) ergibt sich, dass in den Jahren 2002 und 2003 Verlustzuweisungen erfolgten, in den Folgejahren 2004 bis 2006 aber Gewinne erwirtschaftet wurden, die auf die noch offene Einlage angerechnet wurden, so dass der Kläger faktisch mehr auf die Kommanditeinlage erbracht hat als die Einmalzahlung von € 99.000,00. Wegen des noch offenen Betrages hat der V…, so der Kläger in seiner Parteivernahme, eine Inanspruchnahme in Aussicht gestellt. Maßstab für außergewöhnliche Verlustzuweisungen kann daher nur die gezeichnete Kommanditeinlage sein, für die der Kläger haftet, und nicht nur ein bereits gezahlter Anteil.

Abgesehen davon, hat der Kläger nicht nur steuerliche Vorteile in Anspruch genommen, sondern musste auf Grund seiner Kommanditbeteiligung auch steuerliche Nachteile tragen. Gewinnanteile aus einer Kommanditbeteiligung musste der Kläger als Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG versteuern. Gleiches gilt für die Schadensersatzleistung bei Rückabwicklung des Beitritts zur KG. Auch daraus können steuerliche Nachteile erwachsen. Für den Kommanditisten, der steuerrechtlich als Mitunternehmer des Betriebs der KG gilt, sind alle Zahlungen, die er im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der KG erhält, Betriebseinnahmen im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. Steht die Schadensersatzleistung - wie hier - in einem solchen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Kommanditbeteiligung, muss sie dem gewerblichen Bereich zugeordnet und als Betriebseinnahme nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG versteuert werden (vgl. BGH 15. 7. 2010, III ZR 336/08).

Entgangenen Gewinn in Höhe von 4 % p.a. kann der Kläger nicht beanspruchen. Grundsätzlich ist nach § 252 BGB als Teil des Schadensersatzes auch der entgangene Gewinn zu ersetzen. Dazu hätte der Kläger aber dartun müssen, in welcher Weise er die gezahlte Kommanditeinlage anderweitig angelegt und dabei einen Gewinn in dieser Höhe erzielt hätte. Nach den Angaben des Klägers in seiner Parteivernahme hätte er alternativ nicht in Inhaberschuldverschreibungen investiert, sondern seine finanziellen Mittel zunächst in Ansparabschreibungen und ein Jahr später in Maschinen für seinen Druckereibetrieb investiert. Zur Schätzung eines Gewinnverlustes kann deshalb nicht auf die von dem Kläger eingereichte Übersicht der Bundesbank für die Rendite aus Inhaberschuldverschreibungen (K 14) zurückgegriffen werden. Inwieweit der in seinem Betrieb durch die Investition in dem fraglichen Zeitraum einen zusätzlichen Gewinn von 4 % erwirtschaftet hätte, hat er nicht dargetan.

Ab Rechtshängigkeit ist der Zinsanspruch aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB begründet.

Für den Feststellungsantrag zu 2. – Freistellung von der Nachhaftung auf den noch nicht erbrachten Teil der Kommanditeinlage in Höhe von € 81.000,00 – besteht ein Feststellungsinteresse. Im Rahmen des Schadensersatzes hat die Beklagte den Kläger insoweit freizustellen. Diesen Anspruch kann der Kläger noch nicht beziffern, da ungewiss ist, in welcher Höhe Gewinne entsprechend § 172 Abs. 4 S. 2 HGB auf seine Kommanditeinlage angerechnet wurden und in welchem Umfang noch eine Haftung nach §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 S. 1 HGB für die noch offene Einlage fortbesteht.

Für den Klageantrag zu 3. – Freistellung von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen, die unmittelbar oder mittelbar aus der Kommanditbeteiligung entstehen – fehlt dagegen das Feststellungsinteresse. Steuerliche Nachteile aus der Kommanditbeteiligung, die aus der Einkommensbesteuerung der Ersatzleistung resultieren, wurden bereits abschließend im Rahmen der Bemessung der Ersatzleistung aufgrund pauschalisierender Betrachtungsweise der steuerlichen Vor- und Nachteile berücksichtigt (vgl. BGH vom 26.02.2013, XI ZR 240/10, Juris Rn. 34; vom 04.06.2013, XI ZR 188/11, Rn. 34). Weitergehende möglich wirtschaftliche und steuerliche Nachteile, die ein Feststellungsinteresse rechtfertigen, hat der Kläger nicht dargetan. Auch in seiner Parteivernahme konnte der Kläger keine weiteren denkbaren Nachteile angeben.

Für die Feststellungsklage zu 5. – Feststellung des Annahmeverzuges – ist im Hinblick auf § 765 Nr. 1 ZPO und die anschließende Vollstreckung eine Feststellungsinteresse gegeben.

Die Ansprüche des Klägers sind nicht verjährt. Seine Schadenersatzansprüche verjähren nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB in drei Jahren beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Kläger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Die klauselmäßige Verkürzung der Verjährung in der Beitrittserklärung auf sechs Monate ab Kenntnis und höchstens drei Jahre ab Beitritt ist nach § 134 BGB nichtig. Sie stellt insbesondere, da auch Ansprüche wegen vorsätzlicher Schädigungen erfasst werden, einen Verstoß gegen § 202 Abs. 1 BGB dar, wonach die Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus erleichtert werden darf. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind zudem nach § 309 Abs. 7 lit. b BGB unwirksam, wenn sie eine Haftung für grob fahrlässiges oder vorsätzliches Pflichtverletzungen begrenzen oder ausschließen. Die Verjährungsklausel in der Beitrittserklärung erfasst auch vorsätzliches Verhalten und zwar nicht nur im Verhältnis zum Prospektherausgeber, sondern darüber gegenüber allen dem Kläger bekannten oder unbekannten möglichen Beteiligten. Außerdem wird die Verjährungsfrist unangemessen verkürzt. Eine Verkürzung der kenntnisunabhängigen Verjährung von 10 Jahren aus § 199 Abs. 4 BGB auf unter fünf Jahre für Schadensersatzansprüche der Gesellschafter einer PublikumsKG wird wegen der gravierenden Abweichung vom gesetzlichen Leitbild in der Regel als unangemessen angesehen (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 202, Rn. 16). Dies gilt auch für die Geltendmachung innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnis (vgl. OLG Hamm vom 07.11.2011, 8 U 55/11, Rn. 93, für die Vereinbarung einer 6-monatige Ausschlussfrist).

Die Beklagte hat nicht dazulegen und zu beweisen vermocht, dass der Schadensersatzanspruch des Klägers verjährt ist. Als Schuldnerin trägt sie die Darlegungs- und Beweislast für Beginn und Ablauf der Verjährung und damit für die Kenntnis des Klägers bzw. dessen grob fahrlässige Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (vgl. BGH NJW 2007, 1584, Rn. 32; Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 199, Rn. 50). Von einer Kenntnis des Gläubigers ist nicht schon auszugehen, weil er – wie hier der Kläger – annimmt, die vermittelte Bank werde eine Provision erhalten, dies aber nicht sicher weiß (vgl. BGH vom 26.02.2013, XI ZR 498/11, Juris Rn. 26 ff., 33). Ebenso wenig ist von einer grob fahrlässigen Unkenntnis auszugehen, wenn kein Anlass für eine Nachfrage besteht. Abgesehen davon ist - wie bei der Kausalität (vgl. BGH vom 04.06.2013, XI ZR 188/11, Rn. 23) - nicht nur auf die Kenntnis darüber, ob überhaupt eine Rückvergütung fließt abzustellen, sondern auch auf die Kenntnis von deren Höhe. Über die Höhe einer Rückvergütung kann der Anleger das eigene Interesse der Bank an der Empfehlung für eine Kapitalanlage einschätzen. Dies ist für ihn gleichermaßen entscheidend dafür, ob er einen für ihn bedeutenden Pflichtenverstoß des Anlageberaters annimmt und diesen in Anspruch nehmen will. Der Kläger ging stillschweigend von einer für ihn üblichen Provision von 3 % aus und vertraute der Empfehlung der Beklagten. Bei einer Provision von 8,25 % wäre er dagegen misstrauisch gewesen und hätte die Angaben der Beklagten kritisch überprüft. Davon hat ihn die Beklagte durch ihre unterlassene Aufklärung abgehalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers hinsichtlich der Zinsen war mit rd. € 30.000,00 nicht verhältnismäßig geringfügig und daher bei der Kostenverteilung zu berücksichtigen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird für die Beklagte nach § 543 Abs. 2 ZPO insbesondere im Hinblick auf die Verjährungsfrage zugelassen.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze des Klägers vom 6. Januar 2014 und der Beklagten vom 19. Dezember 2013 geben keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird wie folgt festgesetzt:

Klageantrag zu 1. (Zahlung)

        

€       

104.400,00

Klageantrag zu 2. (Friststellung Nachhaftung)

        

€       

81.000,00

Klageantrag zu 3. (Freistellung von allen Nachteilen)

        

€       

    1.000,00

Insgesamt

        

€       

186.400,00

Die Klageanträge zu 4. (Verurteilung Zug um Zug) sowie 5. (Feststellung des Annahmeverzuges) wirken sich nicht streitwerterhöhend aus.