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Entscheidung 10 WF 101/15


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 10.09.2015
Aktenzeichen 10 WF 101/15 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 1748 Abs 4 BGB

Leitsatz

Zur Prüfung der Erfolgsaussicht bei Beantragung von Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag gemäß § 1748 Abs. 4 BGB, wonach in den Fällen des § 1626 Abs. 3 BGB, also wenn allein die Mutter die elterliche Sorge inne hat und die Eltern nicht miteinander verheiratet sind, das Familiengericht die Einwilligung des Vaters in die Annahme des Kindes zu ersetzen hat, wenn das Unterbleiben der Annahme dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde.

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Antragstellerin kann Verfahrenskostenhilfe nicht aus den vom Amtsgericht angeführten Gründen versagt werden.

1.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts bietet das Begehren der Antragstellerin, die Einwilligung ihres Vaters in ihre Annahme durch den Ehemann der Mutter, den Stiefvater, zu ersetzen, hinreichende Aussicht auf Erfolg, §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Gemäß § 1748 Abs. 4 BGB hat in den Fällen des § 1626 Abs. 3 BGB, also wenn - wie hier - allein die Mutter die elterliche Sorge inne hat und die Eltern nicht miteinander verheiratet sind, das Familiengericht die Einwilligung des Vaters in die Annahme des Kindes zu ersetzen, wenn das Unterbleiben der Annahme dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde. Beim unverhältnismäßigem Nachteil i.S.d. Vorschrift ist nicht auf ein bloßes Überwiegen der Kindesinteressen abzustellen, sondern die Adoption muss einen so erheblichen Vorteil für das Kind haben, dass ein sich verständig sorgender Elternteil auf der Erhaltung des Verwandtschaftsbands des leiblichen Vaters nicht bestehen würde (BGH, NJW 2005, 1781). Hiervon ist auch das Amtsgericht ausgegangen, hat aber bereits im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe, das nicht dazu dienen soll, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Verfahren der Verfahrenskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsorgeverfahrens treten zu lassen (BVerfG FamRZ 2009, 399, 400; Verfahrenshandbuch Familiensachen-FamVerf-/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rn. 167), eine noch nicht gebotene Abwägung zulasten der Antragstellerin vorgenommen.

Auch wenn es, wie ausgeführt, darauf ankommt, ob die Adaption einen so erheblichen Vorteil für das Kind bieten würde, dass ein sich verständig um sein Kind sorgender Elternteil auf der Erhaltung des Verwandtschaftsbands nicht bestehen würde, ist eine Interessenabwägung im Einzelfall geboten. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass es dem Wohl des Kindes in der Regel nicht dient, wenn die Adoption womöglich vorrangig darauf zielt, Umgangsmöglichkeiten des Vaters für die Zukunft völlig auszuschließen. Ebenso wird, worauf das Amtsgericht zu Recht hingewiesen hat, zu bedenken sein, dass sich bei einer Adoption durch den Ehemann der Mutter im Regelfall an der tatsächlichen Situation des Kindes wenig ändert, insbesondere dem Kind nicht erst durch die Adoption die Möglichkeit gegeben wird, in einer Familie aufzuwachsen, die ihm gute Chancen für seine Entwicklung bietet. Aufseiten des Vaters wird aber u. a. auch zu erwägen sein, ob und inwieweit ein gelebtes Vater-Kind-Verhältnis besteht oder bestanden hat oder welche Gründe den Vater am Aufbau oder an der Aufrechterhaltung eines solchen Verhältnisses gehindert haben (BGH, NJW 2005, 1781, 1783; s. auch OLG Hamm, Beschluss vom 19.1.2015 - II-4 UF 136/14, BeckRS 2015, 01563). Allerdings wird selbst dann, wenn ein gelebtes Vater-Kind-Verhältnis fehlt, eine Ersetzung der Einwilligung nach § 1748 Abs. 4 BGB regelmäßig nur dann in Betracht kommen, wenn der Vater selbst durch sein Verhalten das Scheitern eines solchen Verhältnisses zu verantworten hat (BVerfG, NJW 2006, 827; NJW 2006, 2470, 2471).

Zu dieser Frage hat die Antragstellerin vorgetragen, sie habe ihren Vater in den Herbstferien 2009 auf ihren eigenen Wunsch hin noch einmal gesehen. Man habe sich in Cuxhaven in einem Eiscafé getroffen und sei gemeinsam mit der Mutter am Strand spazieren gewesen. Bei dem Treffen habe der Vater sein Interesse am Umgang bekundet, seinen Worten seien aber keine Taten gefolgt. Seit nunmehr fast sechs Jahren habe sie vom Vater nichts mehr gehört. Seit der Trennung von ihrer Mutter habe der Vater auch nie Unterhalt für sie gezahlt.

Der Vater hat sich im vorliegenden Verfahren bislang nicht geäußert. Im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe ist daher von dem Vortrag der Antragstellerin auszugehen. Im Hauptsa-cheverfahren wird das Amtsgericht gemäß § 26 FamFG weitere Feststellungen treffen. Bei Beurteilung der Erfolgsaussicht im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe lässt sich aber nicht ausschließen, dass der Vater durch sein Verhalten das Scheitern eines Vater-Kind-Verhältnis-ses zu verantworten hat und dieses Abwägungskriterium möglicherweise dazu führt, dass seine Einwilligung in die Annahme des Kindes durch den Stiefvater zu ersetzen ist.

2.

Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen, §§ 76 Abs. 2, 572 Abs. 3 ZPO (vgl. auch FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 94). Denn das Amtsgericht hat noch keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Antragstellerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, die Kosten der Verfahrensführung selbst aufzubringen, §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 Satz 1, 115 ZPO.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.