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Entscheidung 3 UF 22/12


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 5. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 30.04.2013
Aktenzeichen 3 UF 22/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 27 VersAusglG

Leitsatz

Ein Teilausschluss des Versorgungsausgleichs kann gemäß § 27 VersAusglG wegen Getrenntlebens während fast der Hälfte der Ehezeit in Betracht kommen. Da eine Vorverlegung der Ehezeit nicht in Betracht kommt, bleibt auch in solchen Fällen das Ehezeitende gemäß § 3 Abs. 1 VersAusglG Bemessungsgrundlage der auszugleichenden Anrechte.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde (Spree) vom 5.1.2012 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung B…, Versicherungsnummer …, zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 5,5179 Entgeltpunkten (Ost) auf sein Versicherungskonto Nr. … bei der Deutschen Rentenversicherung …, bezogen auf den 31.1.2009, übertragen.

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung …, Versicherungsnummer …, zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 0,7332 Entgeltpunkten auf ihr Versicherungskonto Nr. … bei der Deutschen Rentenversicherung B…, bezogen auf den 31.1.2009, übertragen.

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung …, Versicherungsnummer …, zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 1,6335 Entgeltpunkten (Ost) auf ihr Versicherungskonto Nr. … bei der Deutschen Rentenversicherung B…, bezogen auf den 31.1.2009, übertragen.

Ein weitergehender Versorgungsausgleich findet nicht statt.

Es verbleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Gerichtsgebühren werden insoweit nicht erhoben.

Der Beschwerdewert wird auf 1.107,60 € festgesetzt. Der Wert für die erstinstanzliche Folgesache über den Versorgungsausgleich ist anderweitig ebenfalls auf 1.107,60 € festzusetzen.

Gründe

I.

Auf den am 19.2.2009 zugestellten Scheidungsantrag der Antragstellerin hat das Amtsgericht die am 8.8.1988 geschlossene Ehe durch Urteil vom 22.2.2010 geschieden; zugleich hat es das Verfahren über den Versorgungsausgleich ausgesetzt. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich nach Wiederaufnahme gemäß § 50 VersAusglGunter Ausgleich aller innerhalb der vom 1.8.1988 bis 31.1.2009 dauernden Ehezeit beiderseitig erworbenen Anrechte durchgeführt. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie macht mit näheren Ausführungen geltend, die Durchführung des Versorgungsausgleiches sei nach Maßgabe von § 27 VersAusglG aus Billigkeitsgründen auf die bis zum 31.12.1999 erworbenen beiderseitigen Anrechte der früheren Ehegatten zu beschränken, weil deren endgültige Trennung und wirtschaftliche Verselbständigung bereits am 1.1.2000 erfolgt sei. Der Antragsgegner ist dem Rechtsmittel nicht entgegengetreten.

Der Senat hat Neuauskünfte über die Versorgungsanwartschaften der früheren Ehegatten eingeholt und den Beteiligten bekanntgegeben. Diesen Auskünften liegt die fiktive Annahme zugrunde, die Ehegatten hätten nach dem 31.12.1999 keine Anrechte mehr erworben.

II.

Das gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Rechtsmittel der Antragstellerin ist begründet. Der Senat entscheidet nach Gewährung rechtlichen Gehörs ohne erneute Erörterung in einem Termin.

1. Das Amtsgericht ist zwar angesichts einer Eheschließung am 8.8.1988 und einer Zustellung des Scheidungsantrags am 19.2.2009 zutreffend von einer vom 1.8.1988 bis zum 31.1.2009 dauernden Ehezeit gemäß § 3 Abs. 1 VersAusglG ausgegangen. Für die Zeit nach dem 31.12.1999 findet jedoch fallbezogen ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, weil er grob unbillig wäre (§ 27 VersAusglG).

Der Versorgungsausgleich soll dem Gedanken Rechnung tragen, dass jede Ehe infolge der auf Lebenszeit angelegten Lebensgemeinschaft schon während der Erwerbstätigkeit der Ehegatten im Keim auch eine Versorgungsgemeinschaft ist. Aus diesem Grunde werden die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften gemäß dem ursprünglichen gemeinsamen Zweck der Alterssicherung aufgeteilt. Daher fehlt für den Versorgungsausgleich die eigentlich rechtfertigende Grundlage, solange die eheliche Lebensgemeinschaft durch Trennung der Eheleute aufgehoben ist (BGH NJW 2008, 296 ff; FamRZ 1985, 280 ff; KG FamRZ 1997, 31 f, m.w.N.). Zwar ist der Versorgungsausgleich nach der gesetzlichen Regelung nicht auf die Zeit der ehelichen Lebensgemeinschaft beschränkt, sondern grundsätzlich für die gesamte Ehezeit vorgeschrieben (§ 3 VersAusglG). Dies beruht jedoch in erster Linie auf Zweckmäßigkeitserwägungen. Insbesondere soll dem Ausgleichspflichtigen die Möglichkeit genommen werden, den Ausgleichsanspruch durch Trennung von dem Ehegatten zu manipulieren (BGHZ 75, 269 ff). Nach dem Grundgedanken des Versorgungsausgleiches als beiderseitiger Alterssicherung kann mithin eine lange Trennungszeit im Einzelfall – und bereits für sich genommen - einen zumindest teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleiches nach § 27 VersAusglG rechtfertigen (BGH NJW 2008, 296 ff; FamRZ 2005, 2052 ff; FamRZ 2004, 1181 ff; KG aaO; OLG Celle FamRZ 1993, 208 ff; OLG Brandenburg, 2. Senat f. Familiensachen, in: FamRZ 1998, 682 f; offengelassen von BGH FamRZ 2007, 1964 ff; ablehnend demgegenüber OLG Hamm FamRZ 2011, 901 f; OLG Bamberg FamRZ 2001, 1222). Für die Dauer der Trennung lässt sich dabei kein allgemeiner Maßstab anlegen. Sie führt aber umso eher zur Anwendung der Härteklausel, je länger sie im Verhältnis zum tatsächlichen Zusammenleben gewährt hat (BGH NJW 2008, 296 ff; bejahend bei 12jähriger Trennungszeit innerhalb 24jähriger Ehe: OLG Celle aaO; bei 8jähriger Trennungszeit innerhalb 32jähriger Ehe: OLG Hamm aaO).

Die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens haben 11 Jahre und 5 Monate zusammengelebt. Die Trennungszeit, während derer sie sich rasch wirtschaftlich verselbständigt haben, beträgt 9 Jahre und 1 Monat. Bezogen auf die gesamte Ehezeit von 20 Jahren und 6 Monaten stellt die Trennungszeit fast die Hälfte dar. Dies rechtfertigt es, die Zeit des Getrenntlebens jedenfalls fallbezogen als im Rechtssinne lang anzusehen, zumal die Erwerbsbiographie beider Ehepartner insoweit nicht durch Erziehungszeiten für gemeinsame Kinder unterbrochen worden ist.

2. Der danach gerechtfertigte teilweise Ausschluss des Versorgungsausgleiches für die Zeit des dauerhaften Getrenntlebens der früheren Ehegatten ist in der Weise vorzunehmen, dass lediglich die innerhalb der Zeit ihres Zusammenlebens erwachsenen Versorgungsanwartschaften dem Ausgleich unterliegen (OLG Celle aaO; in diese Richtung auch BGH FamRZ 2004, 1181 ff; vgl. im Übrigen OLG Brandenburg, 2. Senat f. Familiensachen, in: FamRZ 2002, 1190 ff m.w.N.). Da eine Vorverlegung der Ehezeit nicht in Betracht kommt (BGH FamRZ 2006, 769 ff; 2001, 1444 ff; OLG Saarbrücken FamRZ 2008, 1865), bleibt allerdings das Ehezeitende gemäß § 3 Abs. 1 VersAusglG Bemessungsgrundlage der auszugleichenden Anrechte. Hieran anknüpfend, ist zunächst der Versorgungsausgleich ohne Beachtung von § 27 VersAusglG durchzuführen und sind sodann diejenigen Anrechte abzuziehen, die in der Zeit vom Ende der Ehezeit bis zum Trennungszeitpunkt erworben wurden, wobei auch die allgemeinen Regeln der §§ 9 – 19 VersAusglG gelten (vgl. OLG Saarbrücken aaO; OLG Frankfurt a.M. FamRZ 2006, 348 ff; OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 1747 ff; OLG Brandenburg FamRZ 2002, 754 ff; Götsche in: Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, § 27 Vers-AusglG Rz. 78). Auf der Grundlage der vom Senat insoweit eingeholten ergänzenden Auskünfte ergeben sich vorliegend folgende Ausgleichswerte:

a. Die Antragstellerin hat bis zum 31.1.2009 lediglich Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Unter Abzug der nach dem 31.12.1999 begründeten Versorgungsanwartschaften ergeben sich entsprechend der Auskunft der weiteren Beteiligten zu 2. vom 13.3.2013 folgende Werte:

in der allgemeinen Rentenversicherung (Ost)

Ehezeitanteil

        

11,0357 Entgeltpunkte (Ost)

Ausgleichswert

        

 5,5179 Entgeltpunkte (Ost)

korrespondierender Kapitalwert

        

28.570,15 €.

b. Auch auf Seiten des Antragsgegners bestehen allein Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dabei ist entsprechend der Auskunft der weiteren Beteiligten zu 1. vom 14.3.2013 unter Abzug der nach dem 31.12.1999 begründeten Anwartschaften von folgenden Werten auszugehen:

in der allgemeinen Rentenversicherung

Ehezeitanteil

        

1,4664 Entgeltpunkte

Ausgleichswert

        

0,7332 Entgeltpunkte

korrespondierender Kapitalwert

        

4.505,46 €,

in der allgemeinen Rentenversicherung (Ost)

Ehezeitanteil

        

 3,2670 Entgeltpunkte (Ost)

Ausgleichswert

        

1,6335 Entgeltpunkte (Ost)

korrespondierender Kapitalwert

        

 8.457,81 €.

3. Sämtliche von den Ehegatten erworbenen Anrechte sind auch im Hinblick auf die Vorschrift des § 18 VersAusglG vollständig auszugleichen, da die Differenz der den Ausgleichswerten korrespondierenden Kapitalwerte der von den früheren Ehegatten in der allgemeinen Rentenversicherung (Ost) erworbenen Anrechte ebenso eindeutig den im Sinne des § 18 Abs. 3 VersAusglG maßgeblichen Betrag (vgl. Schürmann, Tabellen zum Familienrecht, 33. Aufl., S. 27) überschreitet wie der dem Ausgleichswert korrespondierende Kapitalwert der vom Antragsgegner in der allgemeinen Rentenversicherung erworbenen Anwartschaft.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 FamFG, die Wertfestsetzung auf § 50 Abs. 1 FamGKG.

Der Wert für das erstinstanzliche Verfahren ist gemäß § 55 Abs. 3 FamGKG abzuändern. Denn der Verfahrenswert sowohl erster als auch zweiter Instanz beläuft sich auf 1.107,60 €. Nach § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG beträgt der Verfahrenswert für jedes Anrecht 10 % des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten. Das Amtsgericht ist bei der Festsetzung des Wertes für die Ehesache, von den Ehegatten unbeanstandet, von einem Gesamteinkommen für drei Monate von 5.538 € ausgegangen. Zu Unrecht hat das Amtsgericht diesen Betrag jedoch mit 40 % multipliziert. Tatsächlich ist insoweit der Faktor 20 % anzusetzen, so dass sich ein Wert von 1.107,60 € (= 5.538 € x 20 %) errechnet. Denn dem Versorgungsausgleich unterliegen nur zwei Anrechte, eines auf Seiten des Antragstellers und eines auf Seiten der Antragsgegnerin. Anrechte im Sinne des § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG sind alle Anrechte, die eine Versorgungsart des Ehegatten darstellen, gleich, ob sie im In- oder Ausland erworben worden sind (Thiel, in: Schneider/Wolf/Volbert, FamGKG, § 50 Rn. 10). Insoweit hat jeder der beiden Ehegatten ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Umstand, dass sowohl Entgeltpunkte als auch Entgeltpunkte (Ost) erworben wurden, die mit Rücksicht auf §§ 10 Abs. 1 VersAusglG, 120f Abs. 2 Nr. 1 SGB VI gesondert auszugleichen sind (siehe auch Verfahrenshandbuch Familiensachen – FamVerf-/Gutjahr, 2. Aufl., § 6 Rn. 76), ändert nichts daran, dass es sich nur um ein Anrecht handelt und auf der Grundlage dieses Anrechts ein Anspruch auf eine einheitliche Rente erworben wird (vgl. Senat, Beschluss vom 21.3.2012 – 3 UF 7/12).