Gericht | VG Cottbus 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 04.09.2012 | |
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Aktenzeichen | 3 L 257/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 6 Abs 5 Nr 2 NatSGSpreewV, § 67 Abs 1 Nr 1 BNatSchG, § 80 Abs 5 VwGO, § 33 BNatSchG, § 34 BNatSchG |
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.
I.
Nachdem es ab August 2010 durch ergiebigen Dauerregen zur erhöhten Wasserführung im Flussgebiet der Spree gekommen war, wurden infolge der Abflusssteuerung des Hochwassers Wälder im inneren Ober- und Unterspreewald großflächig für mehrere Monate während der Vegetationszeit überflutet.
Am 15. Dezember 2011 beantragte der Beigeladene, welcher die landeseigenen Waldflächen bewirtschaftet, die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Befreiung zur Durchführung von Holzerntemaßnahmen auf der ca. 31,28 ha großen, mit einem Erlenbruchwald bestockten Forstabteilung ... im Revier ... der Landesoberförsterei. Dieses Gebiet ist im Biosphärenreservat Spreewald, dort in der Schutzzone II, belegen, welche gleichzeitig zum Naturschutzgebiet „Innerer Oberspreewald“ gehört und den Schutzstatus eines FFH- und eines SPA-Gebietes trägt. Er modifizierte den Antrag mit Schreiben vom 6. März 2012, in dem er u. a. den Durchführungszeitraum mit der Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2012 angab. Zur Begründung des Antrages führte er massive Waldschäden infolge des Hochwassers und einen ihm daraus drohenden erheblichen finanziellen Schaden an. Zudem würde spätestens im März 2013 eine Bewirtschaftung des Gebietes unmöglich.
Mit Schreiben vom 21. März 2012 bat der Antragsgegner das Landesbüro anerkannter Naturschutzverbände um Stellungnahme zum geplanten Vorhaben. Dieses teilte mit Schreiben vom 2. April 2012 mit, dass es den Antrag in der vorliegenden Form ablehne und diverse Auflagen sowie weitere Prüfungen fordere.
Mit Bescheid vom 16. April 2012, in Teilen geändert durch Bescheid vom 7. Mai 2012, erteilte der Antragsgegner dem Beigeladenen die Befreiung von naturschutzrechtlichen Verboten. Er stellte weiter fest, die Durchführung des Vorhabens stehe nicht im Widerspruch zu den Schutz- und Erhaltungszielen des gemeldeten FFH-Gebietes „Innerer Oberspreewald“ sowie des SPA-Gebietes „Spreewald und Lieberoser Endmoräne“. Ferner erteilte er diverse Auflagen zur Einschätzung der Vitalität der einzelnen Bäume und legte fest, welche Teile des Gebietes in welchem Umfang zu erhalten seien. Zur Begründung führte er aus, die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes in § 67 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) seien erfüllt, da die Nutzung der geschädigten Waldbestände von wirtschaftlicher Bedeutung im Rahmen der Landeswaldbewirtschaftung und bei Beachtung der angeordneten Nebenbestimmungen mit den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar sei. Im Rahmen der von ihm mit der Biosphärenreservatsverwaltung durchgeführten Vorprüfungen könne davon ausgegangen werden, dass erhebliche Beeinträchtigungen auf Lebensraumtypen (LRT) oder Arten der FFH-Richtlinie oder der Vogelschutzrichtlinie auszuschließen seien. Eine FFH-Verträglichkeitsprüfung sei dementsprechend nicht erforderlich.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2012 legte der Antragsteller Widerspruch gegen die Bescheide ein.
Auf den Widerspruch des Beigeladenen erließ der Antragsgegner unter dem 21. Juni 2012 einen Widerspruchsbescheid, mit dem er u. a. die sofortige Vollziehbarkeit der naturschutzrechtlichen Befreiung anordnete.
Der Antragsteller hat am 8. August 2012 um Eilrechtsschutz gegen die Bescheide nachgesucht. Zur Begründung führt er aus, es fehle bereits an einem Antrag für die tatsächlich gewährte, d.h. auf zwei Jahre befristete, Befreiung. Auch lägen die Befreiungsvoraussetzungen nicht vor, da es an verlässlichen Hinweisen darauf fehle, dass die Durchführung der Verbotsvorschriften der Biosphärenreservats-Verordnung zu einer (wirtschaftlichen) Belastung des Beigeladenen führe. Jedenfalls überwiege jedoch sein Interesse daran, vollendete Tatsachen zu verhindern, das – nicht ordnungsgemäß begründete – Vollzugsinteresse des Beigeladenen. Soweit der Antragsgegner annehme, dass es zu einer Verschlechterung der Nutzungsmöglichkeiten aufgrund des Wertverlustes des Holzes kommen könnte, sei dies kein Vollzugsinteresse von besonderem Wert. Ein erheblicher Einnahmeverlust sei ebenso wenig ersichtlich wie Bewirtschaftungseinschränkungen ab März 2013.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 9. Mai 2012 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 16. April 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 7. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2012 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Nichtdurchführung der Maßnahmen führe zu einer unzumutbaren, vom Verordnungsgeber so nicht gewollten Belastung des Beigeladenen. Die erteilten Auflagen stellten sicher, dass die Maßnahme mit den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar seien und berücksichtigten sämtliche vom Landesbüro anerkannter Naturschutzverbände im Rahmen des Beteiligungsverfahrens aufgestellten Forderungen.
Der Beigeladene führt aus, vollendete Tatsachen würden bei einem weiteren Zuwarten geschaffen. Ab März 2013 seien in der Forstabteilung ... keine Holzerntemaßnahmen mehr möglich, da ein unkontrolliertes Herabfallen von Ästen bzw. Umstürzen von Bäumen Waldarbeiter lebensbedrohlich gefährden würde. Es gehe für ihn um den künftigen Totalverlust der Bewirtschaftungsmöglichkeit und damit um ein Bewirtschaftungsverbot für die Fläche. Ein vollständiger Nutzungsverzicht bzw. die Verzögerung der Nutzung des Holzes stelle eine unverhältnismäßige Belastung und unbillige Härte dar, die von den einschlägigen naturschutzrechtlichen Normen nicht gedeckt sei. Durch in kürzester Zeit voranschreitenden Wertverlust würde ihm durch weitere Verzögerungen ein erheblicher Sachschaden entstehen.
Das Gericht hat Beweis über die örtlichen Verhältnisse durch Inaugenscheinnahme erhoben; hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das Ortsterminsprotokoll vom 24. August 2012 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Er ist zwar zulässig. Insbesondere besteht eine Antragsbefugnis des Antragstellers analog § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es handelt sich beim Antragsteller um einen im Land Brandenburg anerkannten Naturschutzverband nach § 63 Abs. 1 des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes (BbgNatSchG), der sich nach § 2 Abs. 1 seiner Satzung den umfassenden Schutz von Natur und Landschaft, insbesondere den Arten- und Biotopschutz sowie die Landschaftspflege sowie den Umweltschutz einschließlich des Schutzes der menschlichen Gesundheit vor Schäden durch Umweltbeeinträchtigungen zur Aufgabe gemacht hat. Damit kann er nach § 64 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG, auch ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe gegen die Befreiung von Geboten und Verboten zum Schutz von unter anderem Biosphärenreservaten einlegen. Ferner hatte er – vertreten durch das Landesbüro anerkannter Naturschutzverbände GbR – bereits im Rahmen des Genehmigungsverfahrens umfassende Vorbehalte gegen die Erteilung der streitgegenständlichen Befreiung geäußert, § 64 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG (vgl. Stellungnahme des Landesbüros anerkannter Naturschutzverbände GbR vom 2. April 2012, Bl. 161 f. des Verwaltungsvorgangs).
2. Der Antrag ist aber unbegründet.
Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2012 in formeller Hinsicht hinreichend i.S.d. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet, indem er sinngemäß ausgeführt hat, diese sei aufgrund des öffentlichen naturschutzfachlichen Interesses sowie desjenigen des Beigeladenen an der zeitnahen Durchführung der ermöglichten Maßnahmen erforderlich. Insoweit hat er insbesondere auf den drohenden Wertverlust des zu erntenden Holzes und die spätestens im März 2013 aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen unmöglich werdende Ernte des Holzes hingewiesen. Darauf, ob die von dem Antragsgegner angegebenen Gründe in der Sache zutreffen, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Die sodann vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, da der angegriffene Bescheid voraussichtlich einer rechtlichen Überprüfung standhalten wird und darüber hinaus ein besonderes öffentliches Interesse sowie ein überwiegendes Interesse des Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung des Bescheides anzuerkennen sind.
Die angegriffenen Bescheide des Antragsgegners begegnen in formeller Hinsicht keinen durchgreifenden Bedenken. Der diesbezügliche Einwand des Antragstellers, es fehle – mit Blick auf die zweijährige Befristung des Befreiungsbescheides – schon an einem entsprechenden Antrag des Beigeladenen, greift nicht durch. Dem in § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG normierten Antragserfordernis ist grundsätzlich genügt, wenn der Wille erkennbar wird, die erforderliche Gestattung für das Vorhaben zu erhalten (Fischer-Hüftle in Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, Kommentar, 2. Auflage, § 67 Rn. 42, Heugel in Lütkes/Ewer, Bundesnaturschutzgesetz, Kommentar, § 67 Rn. 18). Dies ist hier der Fall. Zwar hat der Beigeladene in der Antragsergänzung vom 6. März 2012 nur einen Zeitraum vom 1. März bis zum 31. Mai 2012 für die Durchführung der von ihm geplanten Holzerntemaßnahmen angegeben. Es stand jedoch zu keinem Zeitpunkt infrage, dass er die Maßnahmen in jedem Falle, d.h. auch außerhalb dieses Zeitraumes durchführen möchte. Die ihm erteilte Gestattung geht dementsprechend nicht über seinen erkennbaren Willen hinaus.
Auch in materieller Hinsicht sind die mit Bescheiden des Antragsgegners vom 16. April 2012 erteilte und mit Bescheiden vom 7. Mai 2012 und 21. Juni 2012 modifizierte naturschutzrechtliche Befreiung (dazu unter 1.) sowie die Feststellung, dass die Durchführung des Vorhabens nicht im Widerspruch zu den Schutz- und Erhaltungszielen des gemeldeten FFH-Gebietes „Innerer Oberspreewald“ sowie des SPA-Gebietes „Spreewald und Lieberoser Endmoräne“ steht (dazu unter 2.), mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu beanstanden.
a. Die naturschutzrechtliche Befreiung findet ihre Rechtsgrundlage in § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG i.V.m. § 6 Abs. 5 Nr. 2 der Verordnung über die Festsetzung von Naturschutzgebieten und einem Landschaftsschutzgebiet von zentraler Bedeutung mit der Gesamtbezeichnung Biosphärenreservatsverordnung Spreewald vom 12. September 1990 (GVBl.II/90, [Nr. 1473] <Biosphärenreservatsverordnung Spreewald>). Nach diesen Regelungen kann von dem Verbot in der Schutzzone II des Biosphärenreservats auf land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen Kahlschläge anzulegen, soweit diese nicht dem Schutzzweck dienen, auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist. Diese Voraussetzungen sind nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen und nur möglichen summarischen Prüfung erfüllt.
Zunächst handelt es sich bei der vom Beigeladenen geplanten Maßnahme um einen nach der Biosphärenreservatsverordnung Spreewald verbotenen Kahlschlag auf forstwirtschaftlichen Nutzflächen, wobei – da die Verordnung selbst den Kahlschlag nicht definiert – auf die Definition in § 10 Abs. 1 des Waldgesetzes des Landes Brandenburg (LWaldG) abzustellen ist. Danach sind Kahlschläge alle Holzerntemaßnahmen, die freilandähnliche Verhältnisse bewirken und damit mindestens zeitweilig zum Verlust von Schutzfunktionen des Waldes führen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 LWaldG); dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Holzvorrat auf einer zusammenhängenden Fläche von über zwei Hektar auf weniger als 40 vom Hundert des nach gebräuchlichen Ertragstafeln oder bekannter standörtlicher Wuchsleistung üblichen Vorrats reduziert wird (§ 10 Abs. 1 Satz 3 LWaldG). Diese Voraussetzungen liegen hier unstreitig vor. In der insgesamt 31,28 ha großen Forstabteilung ... sollen auf ca. 24 ha umfangreiche Holzerntemaßnahmen durchgeführt werden, in deren Folge – auch unter Berücksichtigung der von diesen Maßnahmen nicht betroffenen Bäume – eine deutliche Verlichtung der Abteilung zu verzeichnen sein wird. Damit wird die Forstabteilung jedenfalls vorübergehend ihre Leistungsfähigkeit für den Naturhaushalt sowie andere in § 1 Nr. 1 LWaldG genannte Schutzfunktionen verlieren (vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen: Koch, Waldgesetz des Landes Brandenburg, Kommentar, Stand Juni 2011, § 10, Textziffer 4.1.2.1.1).
Diese Maßnahme erweist sich auch aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses als notwendig. Dies ist nur dann der Fall, wenn eine Ausnahmesituation vorliegt, die sich vom gesetzlich geregelten Tatbestand durch das Merkmal der Atypik abhebt und im Rahmen einer dann zu treffenden Abwägungsentscheidung die für die Ausnahme streitenden öffentlichen Interessen die (öffentlichen) Interessen von Naturschutz und Landschaftspflege überwiegen und die Befreiung erfordern. Ob eine Maßnahme aus überwiegenden Gründen des Gemeinwohls zuzulassen ist, kann mithin unabhängig davon, wer sich auf den Ausnahmetatbestand beruft, nur das Ergebnis einer Abwägungsentscheidung sein, bei der in Rechnung zu stellen ist, dass eine Ausnahme allenfalls in Betracht kommt, wenn Gründe des öffentlichen Interesses von besonderem Gewicht sie rechtfertigen (vgl. Bundesverwaltungsgericht zu Gemeinwohlklauseln in § 20 c Abs. 2 Satz 1 und § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG a.F., Beschluss vom 20. Februar 2002 – BVerwG 4 B 12.02 – Rn. 3, 5, zitiert nach juris; Fischer-Hüftle, a.a.O, § 67 Rn. 8 ff.). So liegt der Fall hier.
Die Hochwassersituation im inmitten stehenden Teil des Inneren Oberspreewaldes in den Jahren 2010/2011 und ihre Folgen für den Baumbestand stellen eine in den 22 Jahren seit Erlass der Biosphärenreservatsverordnung Spreewald gleichermaßen einzigartige wie extreme Ausnahmesituation dar, die der Verordnungsgeber bei der Regelung des Kahlschlagverbotes in § 6 Abs. 5 Nr. 2 erkennbar nicht bedacht hat. Zwar sind Hochwasser von ca. drei Wochen im Spreewald immer wiederkehrende Naturereignisse; in den besagten Jahren hat das Hochwasser indes eine zuvor unerreichte Intensität erreicht. Der Antragsgegner und der Beigeladene haben diesbezüglich im Rahmen der gerichtlichen Inaugenscheinnahme erläutert, dass es seinerzeit erforderlich gewesen sei, die in den sog. Nordumfluter einzuspeisende Wassermenge auf dessen Höchstkapazität zu begrenzen, um Deichschäden etc. zu vermeiden. Infolge dieser Abflussregulierung sei das Hochwasser in die Fläche der Niederungen des Inneren Oberspreewaldes – und damit auch die Forstabteilung ... – geströmt. Wegen der fehlenden Abflussmöglichkeiten aus den Niederungen (u. a. infolge einer Deichanlage auf deren westlichen Seite) und der insgesamt fünf Hochwasserwellen, hätten die schon nach der ersten Hochwasserwelle gesättigten Niederungen über mehrere Monate durchgängig unter (stehendem) Wasser gestanden. Dieser Umstand habe zu dem – im Rahmen der gerichtlichen Inaugenscheinnahme ohne weiteres erkennbaren – großflächigen Absterben des Erlenbestandes in der Forstabteilung ... geführt. Die gegenüber einem „normalen“ Hochwasser besondere Situation ergibt sich danach jedoch nicht nur aus der vielfach längeren Dauer des Ereignisses. Vielmehr gilt es hier zusätzlich zu berücksichtigen, dass die außergewöhnliche Hochwassersituation nicht ausschließlich natürliche Ursachen hatte. Maßgeblich war nämlich jedenfalls auch die Entscheidung, den Inneren Oberspreewald zu fluten, um den Nordumfluter zu entlasten.
Diese besondere Situation begründet auch das überwiegende öffentliche Interesse an der zeitnahen Ernte des absterbenden bzw. abgestorbenen Erlenbestandes in der Forstabteilung ..., welches letztlich in der Schaffung naturnaher Waldbestände sowie deren effektiven Bewirtschaftung liegt.
Dies folgt zum einen aus der Tatsache, dass bei Nichtdurchführung der Maßnahme die Forstfläche ... dauerhaft seiner zulässigen forstwirtschaftlichen Nutzung sowie seiner Erholungsnutzung für die Bevölkerung entzogen wird. Der Beigeladene hat insoweit nachvollziehbar dargestellt, dass von den abgestorbenen Bäumen erhebliche Gefahren ausgehen, die spätestens im Frühjahr 2013 dazu führen, dass die gesamte Forstabteilung auf Jahre nicht mehr betreten werden könne. Es bestehe Lebensgefahr durch herabfallende Äste oder umstürzende Bäume. Ab ca. März 2013 sei ihm daher eine Bewirtschaftung der Forstabteilung dauerhaft nicht mehr möglich. Diese nach Auffassung der Kammer realistischen Ausführungen sind auch auf die übrigen Besucher der Forstabteilung zu übertragen, was denknotwendig zur Folge hat, dass der Zutritt auf nicht absehbare Zeit vollumfänglich zu untersagen wäre. Im Ergebnis liefe die Nichtdurchführung der beantragten Holzerntemaßnahmen darauf hinaus, dass die Forstabteilung de facto zur Schutzzone I (Kernzone) des Biosphärenreservats Spreewald würde, in welcher gemäß § 6 Abs. 4 Biosphärenreservatsverordnung Spreewald jegliche wirtschaftliche Nutzung und jegliches Betreten verboten ist. Diese Folge geht jedoch über den – im Rahmen der Abwägung auf Seiten der öffentlichen Belange des Naturschutzes zu berücksichtigenden – mit der Biosphärenreservatsverordnung Spreewald bezweckten Schutz der als Schutzzone II (Pflege und Entwicklungszone) nach § 5 Abs. 3 der Verordnung ausgestalteten Forstabteilung ... erkennbar hinaus. Zugleich wäre der Beigeladene an der Erfüllung des in § 5 Abs. 1 Nr. 6 der Biosphärenreservatsverordnung Spreewald geregelten Gebotes, die naturnahen Waldbestände durch geeignete waldbauliche Maßnahmen zu entwickeln und die Flurgehölze einschließlich fließbegleitender Gehölzstreifen zu pflegen und zu bewirtschaften, sowie an der Erfüllung der in § 26 Abs. 1 LWaldG dargestellten Zielsetzungen im Landeswald – namentlich die Bewirtschaftung unter vorrangiger Beachtung der Schutz- und Erholungsfunktion sowie die Ausschöpfung seiner wirtschaftlichen Potenziale den standörtlichen Bedingungen entsprechend – auf Jahre gehindert. Insoweit bestehen insbesondere keine durchgreifenden Zweifel der Kammer daran, dass eine Verjüngung des Waldbestandes durch forstwirtschaftliche Maßnahmen schneller erfolgt, als durch die vom Antragsteller in den Blick genommene Naturverjüngung.
Zum anderen ist ein nicht von der Hand zu weisendes wirtschaftliches Interesse des beigeladenen Landesbetriebes und damit letztlich der öffentlichen Hand an der zeitnahen Holzernte im Landeswald gegeben. Der Beigeladene hat insoweit dargestellt, dass pro Hektar etwa 325 Erntefestmeter Erlenholz zur Verfügung stehen, dessen Wert derzeit auf ca. 55,00 Euro pro Erntefestmeter geschätzt werden könne, wobei dieser Wert rapide abnehme, je weiter der Verfall der Bäume fortschreite. Insgesamt können mit dem Holz demnach derzeit Einnahmen von bis zu 446.875,00 Euro erzielt werden (ca. 25 ha bewirtschaftbare Fläche x 325 Erntefestmeter x 55,00 Euro), wobei der Reingewinn nach den Ausführungen des Beigeladenen bei derzeit bis zu 121.875,00 Euro liegen kann (ca. 25 ha bewirtschaftbare Fläche x 325 Erntefestmeter x 15,00 Euro Reinerlös). Der Beigeladene hat im Rahmen seiner Erwägungen zur Gewinnberechnung auch nachvollziehbar dargelegt, dass die systematischen Kosten für die umfangreiche Holzernte verhältnismäßig gering seien und zu berücksichtigende Personalkosten nicht entstünden, da allein Mitarbeiter des Landesbetriebes zum Einsatz kämen. Bedenken an den Berechnungen, Schätzungen und erläuternden Ausführungen des Beigeladenen hat die Kammer nicht, da dieser als Fachbehörde des Landes hingegen über den diesbezüglich erforderlichen Sachverstand verfügt. Die insoweit vage bleibenden Einwände des Antragstellers, vermögen durchgreifende Zweifel des Gerichts nicht zu begründen.
Unberücksichtigt bleiben muss im Rahmen der Abwägung demgegenüber die vom Antragsteller dargelegte Tatsache, dass die Mindestgröße der im Biosphärenreservat Spreewald vorgesehenen Kernzone von 3% derzeit um knapp ein Drittel unterschritten wird (vgl. Schriftsatz vom 30. August 2012, Bl. 143 f. der Gerichtsakte); denn die Entscheidung, welche Flächen als Kernzone ausgewiesen werden, obliegt nicht dem Antragsgegner im Rahmen der von ihm zu treffenden Befreiungsentscheidung, sondern allein dem Verordnungsgeber der Biosphärenreservatsverordnung Spreewald.
Die genannten öffentlichen Interessen überwiegen auch das mit den Verbotsnormen zum Ausdruck gebrachte öffentliche Interesse an der Beibehaltung des in der Biosphäre Spreewald naturgegebenen Zustandes. Zum einen ist eine Bewirtschaftung der Fläche und damit die Grundlage für eine rasche (Wieder)Erschaffung naturnaher Waldbestände nur so und für kurze Zeit möglich. Zum anderen wurde entgegenstehenden naturschutzrechtlichen Belangen – insbesondere auch der in § 4 Abs. 3 Nr. 13 LWaldG normierten Verpflichtung stehendes und liegendes Totholz in hinreichendem Anteil zu erhalten – durch Auflagen zur Sicherung umfangreicher Totholzanteile Rechnung getragen.
Die vorgenannten öffentlichen Interessen an den Holzerntemaßnahmen machen diese auch notwendig.
Der Antragsgegner hat schließlich das ihm im Rahmen des § 67 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Die Befreiung beinhaltet diverse Auflagen, welche naturschutzrechtlichen Belangen Rechnung tragen. So ist der Beigeladene verpflichtet worden, ausschließlich abgestorbene oder sichtbar absterbende Bäume zu entnehmen und sich bei der Einschätzung der Mortalität an eine vom Antragsgegner im Einzelnen vorgegebene Klassifizierung zu halten. Auch dürfen nicht alle absterbenden Bäume geerntet werden; vielmehr haben ein in der Forstabteilung ... a³ als LRT – 91 E0 „Auen-Wälder“ kartierter Bestand, ein 40 m breiter Waldstreifen im Norden der Forstabteilung sowie auf der gesamten restlichen Fläche sieben Biogruppen mit einer Mindestgröße von je 0,2 ha unangetastet zu bleiben. Ferner wurden die gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zum Schutz des zwischenzeitlich aufgefundenen Kranichhorstes zum Gegenstand der Bescheide gemacht. Zudem soll der für die Holzerntemaßnahmen notwendige Seilkran auf dem bereits im Jahr 2007/2008 genutzten Stellplatz aufgestellt und die seinerzeit genutzten Rücketrassen verwendet werden. Für den Fall der Nichtbeachtung der Bestimmungen und Auflagen des Bescheides hat sich der Antragsgegner überdies dessen Widerruf vorbehalten. Darüber hinausgehende Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen musste der Antragsgegner wegen der in § 11 LWaldG gesetzlich geregelten Wiederbewaldungspflicht nicht festsetzen; im Übrigen ist nicht zweifelhaft, dass der Beigeladene als Forstfachbehörde des Landes diese Pflicht umsetzen wird.
Entsprechendes gilt für die vom Antragsgegner erteilte Befreiung von den Regelungen zum Biotopschutz in § 6 Abs. 2 der Biosphärenreservatsverordnung Spreewald. Da der bundes- und landesgesetzlich geregelte Schutz für Biotope nicht über den in der Biosphärenreservatsverordnung Spreewald geregelten Schutz hinausgeht und der Antragsgegner ausweislich seiner entsprechenden Ausführungen im Befreiungsbescheid vom 16. April 2011 (vgl. Seite 6 des Bescheides) alle Schutzebenen im Blick hatte, ist es im Ergebnis unschädlich, dass der Tenor des Bescheides insoweit nur eine Befreiung für die Biotope nach der Biosphärenreservatsverordnung Spreewald erfasst.
b. Die Feststellung, dass die genehmigten Holzerntemaßnahmen nicht im Widerspruch zu den Schutz- und Erhaltungszielen des gemeldeten FFH-Gebietes „Innerer Oberspreewald“ und des SPA-Gebietes „Spreewald und Lieberoser Endmoräne“ steht, ist nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG sind Projekte, zu denen die großflächige Holzerntemaßnahme gehört, vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebietes zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebietes dienen. Umfasst sind davon Projekte in sämtlichen Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung und Vogelschutzgebiete im Sinne der Definition des § 7 Abs. 1 Nr. 7 und 8 BNatSchG.
Mit dem Tatbestandsmerkmal der "erheblichen Beeinträchtigungen" knüpft das deutsche Recht an den Wortlaut von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-Richtlinie (FFH-RL) an. Danach sind Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des FFH-Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sind, einer Prüfung auf ihre Verträglichkeit mit den für das FFH-Gebiet festgelegten Erhaltungszielen zu unterziehen, wenn sie das FFH-Gebiet einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten "erheblich beeinträchtigen" könnten. Das Gemeinschaftsrecht normiert damit die Prüfschwelle, die für eine Vorprüfung (sog. Screening) maßgeblich ist. Diese Vorprüfung ist von der eigentlichen Verträglichkeitsprüfung zu unterscheiden. Für Letztere bestimmt Art. 6 Abs. 3 Satz 2 FFH-RL, dass dem Plan oder Projekt nur auf der Grundlage der Feststellung zugestimmt werden darf, "dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird" (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Januar 2007 – BVerwG 9 A 20.05 – Rn. 40 m.w.N, zitiert nach juris). Bei der Vorprüfung ist demgegenüber nur zu untersuchen, ob erhebliche Beeinträchtigungen des Schutzgebietes ernstlich zu besorgen sind. Erst wenn das zu bejahen ist, schließt sich die Verträglichkeitsprüfung mit ihren Anforderungen an den diese Besorgnis ausräumenden naturschutzfachlichen Gegenbeweis an (Ewer in Lütkes/Ewer, a.a.O, § 34 Rn. 15).
Das Ergebnis der vom Antragsgegner durchgeführten Vorprüfung begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Anhaltspunkte dafür, dass die Durchführung der genehmigten Maßnahme die hier betroffenen Gebiete erheblich beeinträchtigt, ergeben sich weder aus den entsprechenden Standard-Datenbögen für besondere Schutzgebiete (DE 4150301 und DE 4151-421) noch aus dem Kartenmaterial zur Lage der FFH-Lebensraumtypen und der Brutplätze der Vogelarten. Beide finden sich in den von der Maßnahme betroffenen Teilen der Forstabteilung ... nicht. Auch den im Amtsblatt für Brandenburg (Nr. 34 vom 31. August 2005) veröffentlichten Erhaltungszielen für das SPA-Gebiet „Spreewald und Lieberoser Endmoränen“ läuft die Maßnahme nicht zuwider. Soweit dort die Erhaltung und Wiederherstellung von Altholzbeständen und hohen Vorräten an stehendem und liegendem Totholz genannt wird, bezieht sich dies zum einen auf Brutgebiete von Vogelarten, die nicht in der Forstabteilung ... ansässig sind (vgl. Aktennotiz Bl. 88 des Verwaltungsvorgangs) und zum anderen in erster Linie auf Eichen-, Buchen- und Mischwälder.
Nichts anderes ergibt sich mit Blick auf § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG, sofern man diesen hier neben § 34 BNatSchG für anwendbar hielte (vgl. Gassner/Heugel, Das neue Naturschutzrecht, 2010, Rn. 482 m.w.N.). Nach dieser Regelung sind alle Veränderungen oder Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, unzulässig. Die Beeinträchtigung wird dabei durch einen Vergleich des prognostizierten Zustandes nach der Vornahme der Handlung mit dem Zustand, der sich ohne die Ausführung der Handlung ergeben würde, ermittelt (Schumacher/Schumacher in Schumacher/Hüftle, a.a.O, § 33 Rn. 8). Aus den oben dargestellten Gründen ist auch insoweit nicht ersichtlich, dass das jeweilige Natura 2000-Gebiet hier in seinen für die Erhaltungsziele und den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen überhaupt tangiert ist. Es sind ferner keine erheblichen Beeinträchtigungen zu befürchten, da Auswirkungen weder auf die der Gebietsausweisung zugrunde liegenden Lebensraumtypen noch auf Arten erkennbar sind.
Spricht nach alledem Überwiegendes für die Rechtmäßigkeit der erteilten Befreiung so besteht gerade auch angesichts der Kürze der für die Holzerntemaßnahmen noch verbleibenden Zeit ein besonderes öffentliches Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Für eine Überbürdung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen auf den Antragsteller ist kein Raum, da der Beigeladene einen Antrag nicht gestellt und sich damit einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt hat, vgl. § 154 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung entspricht der Bedeutung der Sache für den Antragsteller (§ 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes). Die Kammer hat sich insofern an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit angelehnt (vgl. NVwZ 2004, 1327; dort Nr. 1.2) Eine Reduzierung dieses Wertes wegen der Vorläufigkeit des Verfahrens ist nicht angezeigt, weil die von dem Antragsteller begehrte gerichtliche Eilentscheidung mit Blick auf das enge noch bestehende Zeitfenster für die Durchführung der Holzerntemaßnahmen in der Sache einer Entscheidung in der Hauptsache gleichkommt.