Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 24.02.2011 | |
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Aktenzeichen | 10 WF 265/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Die gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde, über die der Senat nach Übertragung durch den Einzelrichter in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung entscheidet, §§ 76 Abs. 2 FamFG, 568 S. 2 ZPO, ist unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht den Antrag des Antragstellers, ihm eine Rechtsanwältin beizuordnen, zurückgewiesen. Denn die Voraussetzungen für die Beiordnung liegen nicht vor.
Die im vorliegenden Verfahren vorgenommene Antragstellung, nämlich zum einen gerichtet auf Feststellung, dass der Antragsgegner der Vater des Antragstellers ist und zum anderen gerichtet auf die Verpflichtung des Antragsgegners, dem Antragsteller den Mindestunterhalt zu zahlen, entspricht nicht den gesetzlichen Vorschriften. Mit Rücksicht darauf, dass das Verfahren nach dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist, findet das FamFG Anwendung, Artikel 111 Abs. 1 FGG-RG. Nicht mehr anwendbar ist daher die Vorschrift des § 653 ZPO a.F., die im Wege des sogenannten Annex-Verfahrens ermöglichte, dass ein Kind mit dem Antrag, die Vaterschaft des Beklagten festzustellen, den Antrag auf Verurteilung zur Zahlung des Mindestunterhalts verbinden konnte. Gemäß § 237 Abs. 1 FamFG ist ein Antrag, durch den ein Mann zur Zahlung von Unterhalt für ein Kind in Anspruch genommen wird, wenn die Vaterschaft des Mannes nach § 1592 Nr. 1 und 2 BGB oder § 1593 BGB nicht besteht, nur zulässig, wenn das Kind minderjährig und ein Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft nach § 1600 d BGB anhängig ist. Hierbei handelt es sich somit um ein selbständiges Verfahren (Verfahrenshandbuch Familiensachen – FamVerf-/Schael, 2. Aufl., § 1, Rz. 375). Voraussetzung für die Geltendmachung von Unterhalt ist die Anhängigkeit eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens. Allerdings können gemäß § 179 Abs. 1 S. 2 FamFG die beiden Verfahren miteinander verbunden werden (vgl. FamVerf/Schael, § 8, Rz. 46). Eine solche Verbindung hat das Amtsgericht nach Aktenlage bisher nicht vorgenommen. Vor diesem Hintergrund muss angenommen werden, dass sich die durch den angefochtenen Beschluss ausgesprochene Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auf das Abstammungsverfahren bezieht. Die gleichzeitige Ablehnung der Anwaltsbeiordnung ist zu Recht erfolgt.
Gemäß § 78 Abs. 2 FamFG, wird dem Beteiligten, wenn eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Die dabei gebotene einzelfallbezogene Prüfung lässt eine Herausbildung von Regeln, nach denen dem mittellosen Beteiligten für bestimmte Verfahren immer oder grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, regelmäßig nicht zu. Ein Regel-Ausnahme-Verhältnis ist nach der gebotenen individuellen Bemessung deswegen nicht mit dem Gesetz vereinbar (BGH, Beschluss vom 23.6.2010 – XII ZB 232/09 - FamRZ 2010, 1427, Tz. 20). Entscheidend ist, ob ein bemittelter Rechtsuchender in der Lage des unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (BGH, a.a.O., Tz. 23, 25). Dabei kann, auch wenn der Grundsatz der Waffengleichheit kein allein entscheidender Gesichtspunkt für die Beiordnung eines Rechtsanwaltes mehr ist, der Umstand der anwaltlichen Vertretung anderer Beteiligter ein Kriterium für die Erforderlichkeit zur Beiordnung eines Rechtsanwalts wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage sein (BGH, a.a.O., Tz. 17). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze scheidet vorliegend eine Anwaltsbeiordnung zugunsten des Antragstellers aus.
Der Beiordnung einer Rechtsanwältin bedarf es schon deshalb nicht, weil der Antragsteller inzwischen durch das Jugendamt als Beistand vertreten wird. Dies hat das Jugendamt mit Schreiben vom 5.8.2010 angezeigt. Damit entfällt die Notwendigkeit, dem Antragsteller einen Rechtsanwalt beizuordnen. Denn ein bemittelter Rechtsuchender in der Lage des Antragstellers hätte bei schon bestehender Vertretung durch das Jugendamt vernünftigerweise keinen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt.
Ein vom Jugendamt als Beistand vertretenes Kind benötigt in Abstammungssachen keinen Rechtsanwalt (Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 121, Rz. 6 m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Denn die Vertretung durch das Jugendamt ist als gleichwertig anzusehen. In Unterhaltssachen, vgl. § 112 Nr. 1 FamFG, bedarf es der Vertretung durch einen Rechtsanwalt nach § 114 Abs. 4 Nr. 2 FamFG dann nicht, wenn ein Beteiligter durch das Jugendamt als Beistand vertreten ist. Wie die Vorschrift des § 114 Abs. 4 Nr. 2 FamFG zeigt, traut der Gesetzgeber den Fachkräften des Jugendamtes in Unterhaltssachen hinreichende Rechtskenntnisse zu (vgl. Keidel/Weber, FamFG, 16. Aufl., § 114, Rz. 17). Dies muss erst recht in Abstammungssachen gelten, die zwar verfahrensrechtliche Besonderheiten aufweisen (vgl. BGH, FamRZ 2007, 1968, Tz. 9; siehe jetzt § 178 Abs. 2 S. 1 FamFG), aber im Vergleich zu den Unterhaltssachen materiell-rechtlich regelmäßig deutlich einfacher gelagert sind.
Der – wie ausgeführt – als Abwägungskriterium heranzuziehende Grundsatz der Waffengleichheit (siehe hierzu im Abstammungsverfahren nach bisherigem Recht auch Zöller/ Geimer, a.a.O., § 121, Rz. 6) führt, obwohl der Antragsgegner anwaltlich vertreten ist, zu keinem anderen Ergebnis. Angesichts der nach den Vorstellungen des Gesetzgebers gleichwertigen Vertretung durch das Jugendamt liegt der Fall anders, als wenn der Antragsteller ohne jegliche Vertretung einem anwaltlich vertretenen Beteiligten gegenüberstände.
Dem Antrag auf Beiordnung wäre im Übrigen auch dann nicht stattzugeben, wenn man annähme, dass sich die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe trotz unterbliebener Verbindung der Verfahren nach § 179 Abs. 1 S. 2 FamFG (auch) auf die Geltendmachung des Mindestunterhalts bezieht. Die Beiordnung richtet sich wegen der Verweisung in § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG nach § 121 Abs. 1 ZPO (vgl. Vogel, FPR 2009, 381, 384; FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 194). Danach wird dem Beteiligten, wenn eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben ist, ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet. Für ein Unterhaltsverfahren der vorliegenden Art besteht zwar grundsätzlich Anwaltszwang nach § 114 Abs. 1 FamFG (FamVerf/Große-Boymann, § 1, Rz. 32). Doch auch hier ist die Vorschrift des § 114 Abs. 4 Nr. 2 FamFG zu beachten, wonach es der Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht bedarf, wenn ein Beteiligter durch das Jugendamt als Beistand vertreten ist. Die entsprechende Anwendung von § 121 Abs. 1 ZPO hat vor diesem Hintergrund zur Folge, dass dem Beteiligten im Unterhaltsverfahren ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl nur dann beizuordnen ist, wenn keine Vertretung durch das Jugendamt als Beistand erfolgt.
Mit Rücksicht darauf, dass nach dem bisherigen Verfahrensrecht dann, wenn sich eine Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen musste, § 78 Abs. 1 ZPO, die Vertretung durch das Jugendamt nicht möglich war und im Rahmen der Beiordnungsentscheidung die Frage der Gleichwertigkeit der Vertretung durch das Jugendamt im Vergleich zur Vertretung durch einen Rechtsanwalt nur im Rahmen von § 121 Abs. 2 ZPO, also im Parteiprozess, problematisiert wurde und auch insoweit unterschiedliche Meinungen vertreten wurden, wird die Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG zugelassen (vgl. BGH, FamRZ 2010, 1425 Tz. 7; FamRZ 2010, 1427 Tz. 4; Götsche FamRZ 2009, 383, 388; Schürmann FamRB 2009, 58, 60; BeckOK Hahne/Munzig/Gutjahr, FamFG, § 70, Rz. 4; abweichend davon für die Rechtsbeschwerde entsprechend § 574 ZPO BGH, BeckRS 2010, 06498 Tz 5; BeckRS 2011, 01780 Tz. 2; Fölsch, FamRZ 2011, 260, 261; gegen die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde Keidel/ Giers, FamFG, 16. Aufl., § 87, Rz. 15; Prütting/Helms/Abramenko, FamFG, § 33, Rz. 41; § 42, Rz. 25; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., FamFG § 21, Rz. 4; Bork/Jacoby/Schwab/ Müther, FamFG, § 70, Rz. 6; Bahrenfuss, FamFG, § 6, Rz. 41; Horndasch/Viefhues/ Heinemann, FamFG, § 355, Rz. 12; § 372, Rz. 6; Büttner FF 2009, 242, 243).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.