Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 11.10.2019 | |
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Aktenzeichen | 6 K 630/17.A | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2019:1011.6K630.17.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtsfreien Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung oder Hinterlegung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Verpflichtung der Beklagten zur Flüchtlingsanerkennung bzw. Gewährung internationalen Schutzes sowie hilfsweise die Feststellung, dass Abschiebungsverbote in seiner Person hinsichtlich seines Herkunftslandes vorliegen.
Der Kläger wurde nach eigenen Angaben am 1. Februar 1999 in der Provinz Kunar in Afghanistan geboren. Er sei afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens. Er habe gemeinsam mit seinen Eltern sowie drei Brüder und zwei Schwestern in der Provinz K..., Distrikt S... im Dorf P... gelebt. In Afghanistan lebe noch die Familie des Klägers mütterlicherseits. Die Brüder des Vaters und deren Familien lebten in der Stadt P... in Pakistan. Sein Vater sei zum Arbeiten nach Kabul gegangen. Der Kläger habe in Afghanistan die Schule besucht und neun Klassen abgeschlossen und sei aus wirtschaftlichen Gründen nach Pakistan zu seinem Onkel gezogen, um dort die Schule zu beenden. Dieser Onkel sei Mitglied der Taliban und habe versucht den Kläger für die Teilnahme an militärischen Trainingslagern zu gewinnen. Auf Drängen seiner Mutter und seines Bruders sei er von seinem Onkel wegkommen, der ihn 24 Stunden bei spärlicher Kost in seinem Haus festgehalten habe. Sein Vater, der sich zu dieser Zeit in Kabul aufgehalten habe, habe ihn in Pakistan aufgesucht und mit seinem Onkel gesprochen. Anschließend sei der Kläger auf Bitten seines Großvaters in seine Heimatsprovinz Kunar gekommen.
Der Kläger reiste im September in die Europäische Union ein und habe sich zunächst etwa einen Monat in Bulgarien aufgehalten und sei im Oktober 2015 über den Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.
Am 3. Mai 2016 stellte er einen Asylantrag.
Die persönliche Anhörung des Klägers erfolgte beim Bundesamt am 1. März 2017. Im Rahmen der persönlichen Anhörung gab der Kläger an, dass seine Eltern für ihn entschieden hätten, dass er wegen der unsicheren Lage und eines Vorfalls, bei dem sein Bruder auf dem Weg von der Schule nach Hause mit Rauschmitteln in Kontakt gekommen sei, das Land verlassen solle. Sein Bruder lebe mittlerweile im Iran.
Mit Bescheid vom 7. März 2017, der dem Kläger am 13. März 2017 zugestellt wurde, versagte die Beklagte durch das Bundesamt die Flüchtlingseigenschaft, lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab und erkannte keine subsidiären Schutzstatus zu. Darüber hinaus stellte das Bundesamt in seinem Bescheid fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen. Der Kläger wurde zudem aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass falls er die Ausreisefrist nicht einhalten werde, er nach Afghanistan abgeschoben werden wird. Darüber hinaus wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass der Kläger nicht habe glaubhaft machen können, dass er aus begründeter Furcht vor Verfolgung Afghanistan verlassen habe und der bedrückenden Verfolgungsmaßnahmen rechnen müsse. Auch lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht vor. Der Kläger müsse keine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seine Unversehrtheit befürchten. Auch seien keine Abschiebungsverbote gegeben.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 16. März 2017 bei der Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichtes Klage ein.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 7. März 2019 die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen;
dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 des Asylgesetzes zuzuerkennen;
hilfsweise, dem Kläger subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 des Asylgesetzes zuzuerkennen;
hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes im Hinblick auf Afghanistan vorliegen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Zur Begründung verweist sie vollinhaltlich auf ihren Bescheid vom 7. März 2017.
Mit unanfechtbarem Beschluss vom 14. Juli 2017 wurde nach Anhörung der Beteiligten der Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter nach § 76 Abs. 1 des Asylgesetzes übertragen.
In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht den Kläger informatorisch angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift in der Gerichtsakte verwiesen. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten bezüglich des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, den Verwaltungsvorgang des Bundesamtes sowie die Erkenntnismittelliste für Afghanistan Bezug genommen. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Gerichts.
Über die Klage konnte in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden, nachdem die Beklagte auf diese Folge in der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24. September 2019 hingewiesen wurde, § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Entscheidung war durch den Einzelrichter zu treffen, dem der Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) mit unanfechtbarem Beschluss der Kammer vom 14. Juli 2017 übertragen wurde.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der angegriffene Bescheid vom 7. März 2017 ist einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung sowie des Einreise- und Aufenthaltsverbotes rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a des Grundgesetzes (GG). Ein solcher Anspruch scheitert bereits an Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG, wonach sich auf Abs. 1 der Vorschrift nicht berufen kann, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Nachdem der Kläger im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt selbst geschildert hat, auf dem Landweg über Österreich nach Deutschland eingereist zu sein, kann der Kläger nicht als Asylberechtigter anerkannt werden.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK, BGBl. 1953 II. S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. BGBL Jahr 2008 I Seite 1798), das zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 4. Dezember 2018 (BGBl I S. BGBL Jahr 2018 I Seite 2250) geändert worden ist (AsylG), anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in § 3 bis § 3e AsylG - wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG - die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) - Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBl. 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
Eine asylrelevante Verfolgung wurde durch den Kläger nicht vorgetragen. Dem geschilderten Vortrag des Klägers ist keinerlei Verfolgungshandlung in Anknüpfung an eines der in § 3b AsylG genannten, flüchtlingsrelevanten Verfolgungsmerkmale in Hinblick auf Afghanistan zu entnehmen. Der Kläger befindet sich gerade nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes, sondern - selbst bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags - lediglich außerhalb Pakistans. Der Kläger stützt eine Verfolgungsgefahr im Kern darauf, dass sein Onkel, bei dem er in P... in Pakistan aus wirtschaftlichen Gründen gelebt hat, ihn bedrängt habe, an einer militärischen bzw. paramilitärischen Ausbildung der Taliban teilzunehmen. Nachdem die Eltern des Klägers hiervon erfahren und ihre Ablehnung gegenüber dem Onkel des Klägers mitgeteilt hätten, sei der Kläger für einen Tag im Haus des Onkels in P... in Pakistan eingesperrt worden. Anschließend habe er mit seinen Eltern Pakistan verlassen und sei nach Afghanistan gegangen. Selbst wenn man in den Handlungen seines Onkels verfolgungsrelevante Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ausmachen könnte, so fanden diese nach dem klägerischen Vortrag ausschließlich in Pakistan und insoweit nicht im Herkunftsland des Klägers statt.
Aber auch der vom Kläger geschilderte Bombenanschlag auf das Auto seines Onkels in der Provinz Kunar vermag, selbst bei Wahrunterstellung - obwohl an der Schilderung des Klägers erhebliche Zweifel bestehen -, eine Verfolgungsgefahr nicht zu begründen. So gibt der Kläger selbst an, dass das Hauptziel des Anschlags, der angeblich von seinem für die Taliban tätigen Onkel väterlicherseits aus Pakistan organisiert worden sei, nicht er selbst, sondern sein Vater gewesen sei. Von einer konkreten Verfolgung und damit Bedrohung des Klägers kann insoweit nicht ausgegangen werden. Im Übrigen spricht der Umstand, dass ein Großteil der klägerischen Familie mütterlicherseits weiterhin in der Heimatsprovinz Kunar lebt, dafür, dass von einer gezielten Verfolgung und Bedrohung des Klägers und seines familiären Umfeldes nicht ausgegangen werden kann. Aber auch der Vater des Klägers, der eigentlich Ziel des Anschlags gewesen sein soll, hat Afghanistan bislang nicht verlassen. Insoweit bestehen bereits erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vortrags.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG.
Es ist nicht zu erwarten, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Verhängung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1 und 2 AsylG) drohen könnten. Der Kläger hat hierzu bereits keine Tatsachen vorgetragen.
Auch führt die Lage in Afghanistan insgesamt betrachtet nicht dazu, dass eine Ab-schiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AsylG oder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 1. Oktober 2018 – Au 5 K 17.32950, BeckRS 2018, 24572 m.w.N).
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG, wonach von einer Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen ist, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Denn für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 100).
Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob er auf internen Schutz in einer anderen Region des Landes verwiesen werden kann (Vgl. BVerwG, Urteile vom 31 Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 13 und 16 und vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn.16; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. August 2014 - 13 A 2998/11.A -, juris Rn. 77 ff. und BayVGH, Urteil vom 27. März 2018 - 20 B 17.31663 -, juris Rn. 28.)
Zur Ermittlung der Gefahrendichte ist - in Anlehnung an die Vorgehensweise zur Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts - aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der maßgeblichen Provinz lebenden Zivilpersonen annäherungsweise zu ermitteln und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Beziehung zu setzten. Neben dieser quantitativen Ermittlung bedarf es außerdem einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials u. a. mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Eine hinreichende Gefahrendichte für die Annahme der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes ist vorbehaltlich einer wertenden Gesamtbetrachtung des gefundenen Ergebnisses jedenfalls dann noch nicht gegeben, wenn das Risiko, als Zivilperson in der innerstaatlichen Auseinandersetzung getötet oder schwer verletzt zu werden, in der zu betrachtenden Region bei 1:800 liegt. (Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn. 22 f.; OVG Lüneburg, Urteil vom 19. September 2016 - 9 LB 100/15 -, juris Rn. 70 f.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Februar 2014 - A 11 S 2519/12 -, juris; VG München, Urteile vom 15. Mai 2017 - M 26 K 16.35366 -, juris Rn. 25 und vom 16. März 2017 - M 17 K 16.35014 -, juris Rn. 36.)
In der Heimatregion der Familie des Klägers, Kunar, ist nicht für eine Vielzahl von Zivilpersonen von einer allgemeinen Gefahr auszugehen, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr bzw. Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG darstellt.
Eine mathematisch genaue quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos durch Gegenüberstellung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher konfliktbedingter Gewalt dürfte zwar generell schwierig sein. Gleichwohl kann jedenfalls eine annäherungsweise quantitative Ermittlung erfolgen, um die Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung zu erfassen.
Nach Angaben der UNAMA hat es in der Provinz Kunar in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2017 insgesamt 224 zivile Opfer (70 Tote und 154 Verletzte) gegeben (Vgl. UNAMA, Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Februar 2018, S. 67.). Dies bedeutete einen Rückgang von 53 % im Gegensatz zu Vergleich sehr 2016.
Bei einer Einwohnerzahl von nach niedrigsten Schätzungen ca. 450.652 Einwohnern, (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan - Security Situation, Dezember 2017, S. 174) folgt daraus ein Risiko im vorgenannten Zeitraum, in der Provinz Kunar Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, bei 1: 2.012, was deutlich unter dem vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten Wert liegt.
Im Zeitraum von Januar 2018 bis August 2018 gab es insgesamt 214 zivile Opfer bei einem Bevölkerungsanteil von etwa 551.000 (vgl. Vgl. ACCORD, Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgung- und Sicherheitslage in Herold, Maza-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018, vom 7. Dezember 2018, S. 194), was insoweit einen weiteren Rückgang der Opferzahlen darstellt.
Dass die Opferzahlen - u.a. bei anderer Zählweise und unter Erweiterung der Opfergruppen - höher liegen können, wie teils eingewandt wird, (vgl. Stahlmann, Gutachten vom 28. März 2018, S. 176 ff.) ändert diese Bewertung nicht, denn die von UNAMA mitgeteilten Daten sind methodisch nachvollziehbar ermittelt. Sie sind auch deswegen belastbar, da sie von einer von der internationalen Staatengemeinschaft getragenen Organisation stammen und somit einer verlässlichen, an internationalen Standards orientierten Quelle zuzuordnen sind. Es ist nicht erkennbar, dass die Methodik der UNAMA inhaltliche Defizite aufweisen würde. Dass die Methodik überholt wäre, die Informationen an offen erkennbaren inhaltlichen Defiziten litten, insbesondere an entscheidungserheblichen unzutreffenden Tatsachenannahmen, unlösbaren Widersprüchen, sich aus den Stellungnahmen ergebenden Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit oder eines speziellen, hier nicht vorhandenen Fachwissens bedürften, ist weder ersichtlich noch substantiiert gerügt. Dabei ist der Kammer bewusst, dass es sich anhand dieser Zahlen lediglich um eine annäherungsweise quantitative Risikoermittlung mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor handeln kann. Es liegen für Afghanistan jedoch mangels Einwohnermeldewesens auch für die Bevölkerungszahlen nur Schätzungen vor, so dass jede Datenerhebung schon deswegen an tatsächliche Grenzen stößt. Dass und weshalb andere Auskunftsquellen methodisch belastbarere Primärdaten hätten oder ermitteln könnten, ist nicht ersichtlich, so dass die Daten von UNAMA zu Grunde gelegt werden. (Vgl. so auch VG Aachen, Urteil vom 16. Februar 2018 -7 K 4918/17.A -, juris Rn. 40; VG Augsburg, Urteil vom 15. Januar 2018 - Au 5 K 17.31921 -, juris Rn. 35.)
Das Gericht hält es nicht für gerechtfertigt, die Anzahl der durch die UNAMA registrierten verletzten und getöteten Zivilpersonen aufgrund einer hohen Dunkelziffer zu verdreifachen. (Vgl. zu diesem Ansatz OVG Lüneburg, Urteil vom 7. September 2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 65; VG München, Urteil vom 11. Juli 2017 - M 26 K 17.30939 -, juris Rn. 29 und VG Lüneburg, Urteil vom 20. März 2017- 3 A 124/16 -, juris Rn. 42.). Denn die Dunkelziffer der Anschläge, die zu vielen Opfern geführt haben, dürfte gering sein, weil die UNAMA nur drei Quellen verlangt, um einen Vorfall zu zählen und damit jedenfalls bei Vorfällen mit vielen Opfern eine „Nichtmeldung“ unwahrscheinlich ist (Vgl. VG Berlin, Urteil vom 14. Juni 2017 - 16 K 219.17 A -, juris Rn. 44 unter Verweis auf UNAMA, Report 2016, Februar 2017, S. 8.)
Überdies ist im Rahmen der gebotenen wertenden Betrachtungsweise zu berücksichtigen, dass die Gesamtzahl der zivilen Opfer zu einem nicht unerheblichen Teil Personen mit erhöhten Gefährdungspotentialen betroffen haben dürfte. Infolgedessen kann nicht angenommen werden, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in der Provinz Kunar einer ernsthaften Tötungs- oder Verletzungsgefahr ausgesetzt wäre. Umstände, die ein maßgeblich erhöhtes Gefährdungspotential begründen würden, bestehen für den Kläger nach den obigen Ausführungen nicht. Insbesondere ergeben sich solche auch nicht aus seiner Situation als Rückkehrer. Vielmehr sind nach den Angaben des Auswärtigen Amtes - (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom Einreise Mai 2018, S. 28) seit 2002 rund 5,8 Millionen afghanischer Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt, sodass eine Großzahl der afghanischen Bevölkerung einen Flüchtlingshintergrund hat (vgl. auch VG Aachen, Urteil vom 30. November 2018 - 7 K 14/18.A, beck-online).
Bei einem Verweis auf Kabul – wo der Kläger nach eigenen Angaben noch vor seiner Ausreise gelebt haben soll – ergibt sich (auch mit Blick als mögliche inländische Fluchtalternative) nichts anderes. Nach Angaben der UNAMA hat es in der Provinz Kabul in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2018 insgesamt 1.866 zivile Opfer (596 Tote und 1.270 Verletzte) gegeben (Vgl. UNAMA, Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Februar 2019, Annex IV, S. 67 f.).
Die Großstadt Kabul hat im Hinblick auf den Grad willkürlicher Gewalt nicht ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dies erfordert eine besondere Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage.
Kabul befindet sich – wie generell alle Provinzhauptstädte des Landes – vollständig unter der Kontrolle der afghanischen Regierung (Auswärtiges Amt, a.a.O., Seite 23). Die Gefahrendichte in Kabul entspricht nicht der, wie sie im Rahmen eines inner-staatlichen bewaffneten Konflikts, z.B. zur Gewährung subsidiären Schutzes oder sonst im Rahmen von Art. 3 EMRK, erforderlich wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist selbst ein Risiko von 1:800 noch weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden (Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 17. November 2011 – 10 C 13/10 – juris, Rn. 22-23). Die Anzahl der zivilen Opfer in Afghanistan im gesamten Jahr 2018 entspricht nach dem UNAMA-Bericht vom 24. Februar 2019 mit 10.993 zivilen Opfern bei einer Einwohnerzahl von 27 Millionen Menschen einem schädigungsbedingten Risiko von 1:2456. Selbst für die am stärksten von zivilen Opfern betroffene Provinz N... lag das Schädigungsrisiko bei 1:776 und ist damit auch noch derart weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass auch bei wertender Gesamtbetrachtung nicht von einer in Afghanistan oder in Teilen hiervon aufgrund der Sicherheitslage jeder Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit tatsächlich drohenden, Art. 3 EMRK wider-sprechenden Behandlung ausgegangen werden kann (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 – juris, Rn. 439 für Kabul; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 8. November 2018 – 13a B 17.31918 – juris, Rn. 24 für Afghanistan insgesamt und Nangarhar; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25. Februar 2019 – 13a ZB 18.32203 – juris, Rn. 6 für Afghanistan unter Berücksichtigung des aktuellsten UNAMA-Reports vom 24. Februar 2019; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Februar 2019 – 13 A 3992/18.A – juris für Afghanistan insgesamt und Kabul; Verwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. März 2019 – 13 A 2600/18.A – juris, für Afghanistan insgesamt und Kabul).
Wenn man für Kabul-Stadt von einer Einwohnerzahl von vier Millionen ausgeht (vgl. ACCORD, Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018 vom 7. Dezember 2018, Seite 5-7) und diesen die Zahlen der zivilen Opfer für das gesamte Jahr 2018 gegenüberstellt, die in der Provinz Kabul bei 1866 Opfern (596 Tote und 1270 Verletzte) lag (UNAMA, Afghanistan – Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report 2018, February 2019, Seite 68), und wenn man dabei sämtliche Opfer aus der gesamten jeweiligen Provinz ausschließlich der jeweils betrachteten Stadt zurechnet, was nicht der Realität entspricht, so ergäbe sich für eine Zivilperson in der Stadt Kabul ein Risiko, Opfer eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu werden, von 1:2143. Dieser Werte liegt weit jenseits des vom Bundesverwaltungsgericht betrachteten Verhältnisses von 1:800, bei dem dieses immer noch eine weite Entfernung von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit annimmt. Selbst wenn man wegen einer etwaigen Dunkelziffer von doppelt so hohen tatsächlichen Opferzahlen ausginge wie von UNAMA für 2018 angegeben, wäre der vom Bundesverwaltungsgericht angegebene Wert von 1:800 immer noch bei weitem nicht erreicht, auch nicht bei der gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände.
Auch unter Berücksichtigung der derzeit verfügbaren aktuellsten statistischen Angaben ergibt sich für Kabul-Stadt nichts anderes. Im ersten Halbjahr 2019 zählte UNAMA 3.812 zivile Opfer im gesamten Land (1.366 Tote, 2.446 Verletzte), was einem Rückgang von 27 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2018 entspricht (Auswärtiges Amt, a.a.O., S. 20). Aus dem UNAMA-Bericht vom 24. April 2019 (UNAMA, Quarterly Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 31 March 2019) ergab sich ein Rückgang der zivilen Opferzahlen im ersten Quartal 2019 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 23 Pro-zent. Die zivilen Opferzahlen lagen damit auf dem niedrigsten Stand für ein erstes Quartal seit 2013.
Für die Personengruppe alleinstehender männlicher arbeitsfähiger afghanischer Staatsangehöriger oder Ehepaare im arbeitsfähigen Alter ohne Kinder besteht nach aktueller Erkenntnislage keine extreme Gefahrenlage in dem Sinne, dass der Aus-länder im Fall der Rückkehr mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (EGMR, z.B. Urteile vom 11. Juli 2017 – Nr. 46051/13, S. M. A. ./. Niederlande –, Rn. 53; – Nr. 41509/12, Soleimankheel u.a. ./. Niederlande –, Rn. 51; vom 9. April 2013 – Nr. 70073/10 und 44539/11, H. und B. ./. Vereinigtes Königreich –, Rn. 92f; EASO Country Guidance: Guidance note and common analysis, Juni 2018, S. 106-107; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 11. April 2018 – A 11 S 924/17 – juris; Verwaltungsge-richtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 – juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil v. 8. November 2018 – 13a B 17.31918 – juris; Verwaltungsgericht Trier, Urteil vom 12. Dezember 2018 – 9 K 11867/17.TR – juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 21. Dezember 2018 – 13a 17.31203 – juris; Verwaltungsgericht Greifswald, Urteil vom 7. Januar 2019 – 3 A 1194/17 As HGW – juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 11. Januar 2019 – 13a ZB 18.32929 – juris; Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 29. Januar 2019 – 9 LB 93/18 – juris; Verwaltungsgericht Würzburg, Urteil vom 13. Februar 2019 – W 1 K 18.31857 – juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25. Februar 2019 – 13a ZB 18.32203 – juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Februar 2019 – 13 A 3992/18.A - juris; Verwaltungsgericht Trier, Urteil vom 5. März 2019 – 8 K 828/17.A – juris; Verwaltungsgericht Braun-schweig, Urteil vom 7. März 2019 – 1 A 928/17 – juris; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Juni 2019 – 13 A 3741/18.A – UA).
Afghanistan, das etwa 27 Millionen Einwohner hat, von denen 47,3 Prozent unter 15 Jahre und 60 Prozent unter 25 Jahre alt sind, ist eines der ärmsten Länder der Welt. Im Human Development Index belegte es im Jahr 2018 Platz 168 von 189 (UN Development Programme, Human Development Indices and Indicators, 2018 Statistical Update). Dennoch haben sich für viele Afghanen die Lebensbedingungen in absoluten Zahlen über die letzten 15 Jahre deutlich verbessert. Seit 2002 erzielte Afghanistan wichtige Fortschritte beim Aufbau seiner Wirtschaft, bleibt aber weiterhin arm und abhängig von Hilfeleistungen. Die Armutsrate sank auf nationaler Ebene und konnte im Norden und Westen des Landes reduziert werden, während sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße stieg. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten haben dazu geführt, dass dort ca. eine Million oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gelten. Der Dienstleistungs- und Industriesektor wuchs in 2017 um 3,4 bzw. 1,8 Prozent, während der Agrarsektor aufgrund ungünstiger klimatischer Bedingungen zurück-ging. Ungefähr drei Viertel der Bevölkerung lebt in ländlichen und ungefähr ein Viertel in städtischen Gebieten. Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft die Haupteinnahmequelle. Mindestens 39 Prozent der Bevölkerung des Landes leben unterhalb der Armutsgrenze. Aktuell gelten über 40 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80 Prozent davon sind unsichere Stellen. Generell sind für sämtliche Lebensbereiche (Unterkunft, Arbeit usw.) Netzwerke erforderlich, ohne die eine „Wiedereingliederung“ in die afghanische Gesellschaft jedenfalls erheblich erschwert ist. Zur Erlangung eines der wenigen vorhandenen Arbeitsplätze sind nicht schulische oder berufliche Ausbildung, Qualifikation oder Erfahrung ausschlaggebend, sondern Beziehungen. Dies gilt für den gesamten Arbeitsmarkt einschließlich des Staatsdienstes. Eine staatliche Arbeitsvermittlung oder gar eine Arbeitslosenunterstützung nach westlichen Vorstellungen existiert nicht. Die Wohnkosten in den Städten sind allgemein im Verhältnis zum Einkommen hoch. Bei der Wohnungssuche benötigt man außergewöhnliche finanzielle Ressourcen, um eine Chance auf eine winterfeste Unterkunft zu haben, aber auch soziale Netzwerke. Es gibt keine NGOs oder öffentliche Organisationen, die bei der Wohnungssuche unterstützen. Immobilienmakler bieten einen entsprechenden Service im Austausch für eine Monatsmiete von Mieter und Vermieter an. Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte fehlt es oft an grundlegender Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport. Ein Anteil von schätzungsweise 45 Prozent der Bevölkerung hat keinen Zugang zu Trinkwasser. Verschärft werden die humanitäre Lage und die Versorgungsprobleme durch eine große Anzahl Binnenvertriebener (2016 ca. 650.000, 2017 ca. 501.000) sowie durch Rückkehrer aus Pakistan und Iran (2016 ca. eine Million, 2017 ca. 610.000, 2018 ca. 530.000). Seit 2002 sind laut UNHCR ca. 5,8 Millionen afghanischer Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt, vor allem aus Pakistan und Iran. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind 2019 bis zum 6. Juni etwa 100.000 Personen aus dem Iran freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt, etwa 128.000 wurden zurückgeführt (Auswärtiges Amt, a.a.O., S. 22). Wegen dieses erheblichen Zustroms ist Wohnraum knapp, so dass etwa drei Viertel der Menschen in Slums leben (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan vom 29. Juni 2018 mit letzten Kurzinformationen vom 22. August 2018).
Andererseits können Rückkehrer von Unterstützungsmaßnahmen profitieren, die der übrigen Bevölkerung nicht zugänglich sind. Die IOM bietet in Deutschland verschiedene Rückkehrhilfen an. Es gibt zwei Programme für Geldzahlungen bei freiwilliger Rückkehr. Auch von Seiten der afghanischen Regierung gibt es Unterstützung, so eine Arbeitsvermittlung, rechtlichen Beistand sowie bei Fragen von Grund und Boden und Obdach. Im März 2017 wurde ein von der EU gefördertes Programm in Höhe von 18 Millionen Euro gestartet. Weiter bieten nichtstaatliche Organisationen Unterstützung für freiwillige und abgeschobene Rückkehrer an, so IPSO (International Psychosocial Organisation) und AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation), u.a. kostenlose psychosoziale Unterstützungsangebote, Programme zur Alphabetisierung, Weiterbildung und Existenzgründung vor Ort sowie die Möglichkeit einer Unterkunft für mehr als zwei Wochen. Von 2012 bis Ende 2018 sind laut IOM 3,2 Millionen Afghanen aus dem Ausland nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Rahmen seines freiwilligen Rückkehrprogramms hat UNHCR im Zeitraum 2002 bis 2018 über 5,26 Millionen Menschen bei der Rückkehr nach Afghanistan assistiert. Somit hat eine große Zahl der afghanischen Bevölkerung einen Flucht- und Migrationshintergrund (vgl. Auswärtiges Amt, a.a.O., Seite 29; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan vom 29. Juni 2018 mit letzten Kurzinformationen vom 22. August 2018, Seite 333 ff).
Die Unterkunftsmöglichkeit im Spinzar-Hotel in Kabul-Stadt besteht zwar seit April 2019 nicht mehr. Jedoch verfügt der Kläger entsprechend seinen eigenen Angaben über eine in Kabul verwurzelte Großfamilie, bei der er jederzeit unterkommen könnte.
Für die hier relevante Personengruppe alleinstehender arbeitsfähiger junger Männer, die aus dem westlichen Ausland nach Afghanistan zurückkehren, fehlt es an zuverlässigen Anhaltspunkten dazu, dass ihnen die Existenzsicherung oder gar das Überleben generell nicht möglich wären. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass seit dem Jahr 2003 mit Unterstützung der IOM insgesamt 15.041 Personen aus verschiedenen Ländern Europas, darunter aus dem Vereinigten Königreich, Norwegen, Niederlande, Deutschland, Schweden, Dänemark, Frankreich, Belgien und Österreich, freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt sind. Allein im Jahr 2016 unterstützte die IOM 6.864 Personen bei ihrer Rückkehr aus Europa nach Afghanistan, davon über 3.000 Personen aus Deutschland. Die meisten dieser Rückkehrer, 78 Prozent bzw. 5.382 Personen, waren dabei junge Männer, von denen wiederum ein erheblicher Anteil zwischen 19 und 26 Jahre alt war, nämlich 2.781 Personen. Bei weiteren 2.101 Personen handelte es sich um Jugendliche mit bis zu 18 Jahren. Die Zahl der zurückgekehrten Familien wird mit 733 angegeben (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 – juris, Rn. 400-401 m.w.N.). Bis Juli 2017 kehrten nach Angaben der IOM aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan vom 29. Juni 2018 mit letzten Kurzinformationen vom 22. August 2018, Seite 331).
Neben diesen zahlreichen freiwilligen Rückkehrern gab und gibt es Abschiebungen aus Europa. So wurden im Zeitraum zwischen Oktober 2016 und April 2017 insgesamt 176 Personen aus Europa nach Afghanistan abgeschoben, darunter 106 aus Deutschland, von denen wiederum einige keine Verwandten in Kabul oder teilweise auch im gesamten Land hatten. Vom 31. Mai 2017 bis zum 23. Januar 2018 wurden 68 weitere Personen aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben, von Ende Dezember 2016 bis einschließlich September 2018 insgesamt 366 Personen (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 – juris, Rn. 402-406 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Nach aktuellen Erkenntnissen wurden seit der ersten Abschiebung aus Deutschland im Dezember 2016 insgesamt 589 Männer in 24 Flügen von deutschen Behörden zurück nach Afghanistan geschickt (vgl. www. sueddeutsche.de „Weiterer Abschiebeflug“, veröffentlicht am 16. Juni 2019 um 20:32 Uhr, Abruf am 17. Juni 2019). Die bisher letzte Sammelabschiebung aus der Bundesrepublik fand am 31. Juli 2019 statt, als 45 Männer nach Kabul geflogen wurden (vgl. www.spiegel.de „Weiterer Abschiebeflug in Kabul eingetroffen“, veröffentlicht am 31. Juli 2019 um 9:31 Uhr, Abruf am 16. August 2019).
Den umfangreichen Erkenntnismitteln zu Afghanistan sind keine Informationen zu entnehmen, aus denen geschlossen werden könnte, dass allein der Umstand einer Rückkehr aus dem westlichen Ausland bei fehlenden Netzwerken vor Ort einer Existenzsicherung in Afghanistan wenn auch nur auf niedriger Stufe entgegenstände. Zwar gibt es vereinzelte Rückkehrberichte über Probleme insbesondere bei der Suche nach Unterkünften und Arbeit. Erfahrungsberichte oder Schilderungen dahingehend, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern sowie kinderlose Ehepaare in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger, Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände sogar verstorben wären, liegen hingegen nicht vor (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 – juris, Rn. 407).
Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Dem Auswärtigen Amt sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Auch EASO berichtet hierzu von unbestätigten Einzelfällen. EASO liegen aber einzelne Berichte über versuchte Entführungen aufgrund der Vermutung, der Rückkehrer sei im Ausland zu Vermögen gekommen, vor (Auswärtiges Amt, a.a.O., Seite 31).
Die Problematik fehlender Netzwerke bzw. dass es für viele Afghanen schlechter-dings nicht vorstellbar sei, ohne Zugehörigkeit zu sozialen Netzwerken zu überleben, durchzieht die vorliegenden Erkenntnismittel und Erfahrungsberichte derjenigen, die in letzter Zeit Einzelschicksale von Rückkehrern in Afghanistan untersucht bzw. entsprechende Versuche unternommen haben. Derartige Aussagen beantworten aber nicht die Frage, wie es um die Überlebenssicherung von alleinstehenden Rückkehrern steht, wenn diese trotz der fehlenden Vorstellbarkeit des Alleinstehens in größerer Zahl in Afghanistan erscheinen, wie es bereits in den letzten Jahren der Fall war und auch weiterhin der Fall ist. Eine tatsächliche Gefahr der zeitnahen Verelendung im Fall der Rückkehr und damit ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK lässt sich auch weiterhin für diese Personen nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit belegen. Hinreichend gesicherte Erkenntnisse für eine solche Gefahr liegen nicht vor. Daher erscheint der Schluss logisch und nachvollziehbar, dass es Rückkehrern zumindest möglich sein muss, frühere Netzwerke wieder aufleben zu lassen oder neue zu etablieren (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 – juris, Rn. 419-425). Gerade angesichts der großen Zahl von Rückkehrern aus Pakistan, Iran und Europa erscheint es schlüssig, dass diese zurückkehrenden jungen, alleinstehenden Männer untereinander eigene Netzwerke aufbauen und dadurch das Fehlen existierender Netzwerke wenigstens so weit kompensieren, dass sie jedenfalls am Rande des Existenzminimums ihr Dasein fristen können. Hierauf kann sich jedoch der Kläger nicht berufen, da sein Vater in Kabul lebt und dort seiner Arbeit nachgeht.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG kommen nicht in Be-tracht. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde. Nach § 60 Abs. 7 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung o-der Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Ab-schiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine Abschiebestopp-Anordnung besteht jedoch für die Personengruppe alleinstehender männlicher arbeitsfähiger afghanischer Staatsangehöriger nicht. Eine extreme Gefahrenlage in dem Sinne, dass der Ausländer im Fall der Rückkehr mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde, besteht derzeit nach aktueller Erkenntnislage für diese Personengruppe ebenfalls nicht (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 11. April 2018 – A 11 S 924/17 – juris; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 – juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 8. November 2018 – 13a B 17.31918 – juris; Verwaltungsgericht Trier, Urteil vom 12. Dezember 2018 – 9 K 11867/17.TR – juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 21. Dezem-ber 2018 – 13a 17.31203 – juris; Verwaltungsgericht Greifswald, Urteil vom 7. Januar 2019 – 3 A 1194/17 As HGW – juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 11. Januar 2019 – 13a ZB 18.32929 – juris; Verwaltungsgericht Würz-burg, Urteil vom 13. Februar 2019 – W 1 K 18.31857 – juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25. Februar 2019 – 13a ZB 18.32203 – juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Februar 2019 – 13 A 3992/18.A - juris; Verwaltungsgericht Braunschweig, Urteil vom 7. März 2019 – 1 A 928/17 – juris).
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen in Afghanistan besteht nicht. Denn die rechtlichen Voraussetzungen hierfür sind unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse in Afghanistan insgesamt und insbesondere in Kabul sowie im Hinblick auf die persönliche Situation des Klägers nicht erfüllt.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können eine Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen, und zwar auch dann, wenn es an einem verantwortlichen Akteur fehlt, d.h. im Falle „nichtstaatlicher Gefahren“ auf Grund prekärer Lebensbedingungen, wobei dies aber nur in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen in Betracht kommt. Hierbei sind eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, darunter etwa der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung sowie die Chance, eine adäquate Unterkunft zu finden, der Zugang zu sanitären Einrichtungen sowie die finanziellen Mittel zur Befriedigung elementarer Bedürfnisse, auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen usw. Erforderlich ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverwaltungsgerichts ein sehr hohes Schädigungsniveau, da nur dann ein außergewöhnlicher Fall vorliegt, in dem die humanitären Gründe entsprechend den Anforderungen des Art. 3 EMRK als zwingend bezeichnet werden können. Zudem ist nach der Rechtsprechung des EGMR eine tatsächliche Gefahr erforderlich, d.h. es muss eine ausreichend reale, nicht nur auf bloßen Spekulationen oder Hypothesen beruhende Gefahr („a sufficiently real risk“) bestehen. Es bedarf einerseits einer Gruppe von Personen, bei denen sich ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK bereits feststellen lässt, sowie andererseits der Überzeugung, dass der betroffene Einzelne mit diesen Personen die Merkmale teilt, die für den Eintritt der Umstände, die zu einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung führen, ursächlich sind (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 – juris, Rn. 164-199 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Auch diesbezüglich verweist das Gericht vollumfänglich auf seine obigen Ausführungen. Eine tatsächliche Gefahr, aufgrund der Sicherheitslage und der allgemeinen humanitären Situation in Afghanistan „zwingend“ eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu erfahren, die ein entsprechendes sehr hohes Schädigungsniveau erreichen muss, besteht im Fall des Klägers nicht; besondere Um-stände, die eine andere Beurteilung erfordern würden, liegen hier nicht vor.
Ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 7 AufenthG scheidet für den Kläger ebenfalls aus.
Nach § 60 Abs. 7 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dies kann aus individuellen Gründen der Fall sein, kommt aber ausnahmsweise auch infolge einer allgemein unsicheren oder wirtschaftlich schlechten Lage im Zielstaat in Betracht. Eine solche Ausnahme können die im Zielstaat herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage darstellen, wenn bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine extreme Gefahrenlage vorläge. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahr ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit strengeren Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit in dem Sinn drohen, dass er im Fall der Abschiebung sozusagen sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wäre. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren, wenn also z.B. der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert wäre.
Von diesem Maßstab ausgehend bietet § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter dem Gesichtspunkt der extremen Gefahrenlage keinen weitergehenden Schutz als § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK. Liegen also die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante extreme Gefahrenlage aus (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 – juris, Rn. 453). Die fraglos schlechten Lebensverhältnisse in Afghanistan begründen wie oben dargestellt bereits keinen Verstoß gegen Art. 3 EMRK und erfüllen damit erst recht nicht die höheren Voraussetzungen der extremen Gefahrenlage gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Auch stehen einer Abschiebung des Klägers keine wesentlichen Gründe entgegen, da es sich beim Kläger um einen wenngleich antriebslosen – worauf es an dieser Stelle aber nicht ankommt - aber ansonsten gesunden jungen Mann handelt.
Nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigt, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen (§ 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG). Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten (§ 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG).
Die Regelung in § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG umfasst nach ihrem Wortlaut, ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Sinn und Zweck auch die Feststellung ziel-staatsbezogener Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG (Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. September 2017 – 2 L 85/17 – juris, Leitsatz und Rn. 13).
Bei dem Kläger greift die gesetzliche Vermutung, dass seiner Abschiebung keine zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse aus gesundheitlichen Gründen entgegenstehen.
Aus dem erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten aber nicht vertieften Vortrag des Klägers, er sei ungeduldig geworden und konnte nicht an Schulunterricht teilnehmen, da er „einfach keinen Bock habe“, lässt sich bezüglich einer psychischen Erkrankung des Klägers nichts herleiten. Der Vortrag war auch derart unsubstantiiert und oberflächlich, dass er dem Gericht keinerlei Anlass zu weiteren Ermittlungen gegeben hat. Vor diesem Hintergrund war auch der in der mündlichen Verhandlung verlesene „Beweisantrag“ des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger aufgrund seiner psychischen Belastung arbeitsunfähig ist und als Tagelöhner in Afghanistan nicht arbeiten kann und damit nicht in der Lage sein wird, seine elementaren Grundbedürfnisse an Unterkunft, Nahrung und medizinische Versorgung zu sichern, ein fachärztliches Sachverständigengutachten einzuholen bzw. auf das Gutachten von Frau Dr. med. G... zur Arbeitsunfähigkeit für eine Entscheidung im Verfahren zu warten, abzulehnen. Diesem Beweisantrag war mangels hinreichender Substantiierung des Beweisthemas nicht weiter nachzugehen. Unzulässig und daher vor Ergehen des Urteils förmlich abzulehnen sind in der mündlichen Verhandlung gestellte unbedingte Beweisermittlungs- oder Ausforschungsanträge, d.h. Anträge, die sich nicht auf eine bestimmte, substantiierte Tatsachenbehauptung beziehen, sondern so formuliert sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann. Dies war hier der Fall. Der Kläger hatte nämlich bis zur mündlichen Verhandlung hinsichtlich einer möglichen – hier unter Beweis gestellten – psychischen (oder physischen) Belastung trotz Fristsetzung im Sinne von § 87b VwGO weder etwas vorgetragen noch entsprechende ärztliche Atteste eingereicht, sodass es vorliegend bereits an tragfähigen medizinischen Anknüpfungspunkten für eine Beweiserhebung fehlte. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erstmals mitgeteilt, dass er – aus für ihn selbst unerklärlichen Gründen – vor etwa zwei Jahren keine Lust mehr hatte zur Schule zu gehen. So sei er im Unterricht nach zehn Minuten einfach aufgestanden und gegangen. Er hatte, so der Kläger wörtlich, „einfach keinen Bock mehr“. Er konnte auch in letzter Zeit nicht mehr schlafen. Dieser erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen und durch nichts untersetzten Behauptung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung einer besonderen psychischen Belastung nachzugehen, bestand hier mangels konkreter Anhaltspunkte keinerlei Veranlassung. Ein Rückschluss auf eine besondere psychische Belastung wegen mangelnder schulischer Motivation eines nicht mehr Schulpflichtigen ließ sich insoweit nicht herstellen.
Dass die Reisefähigkeit des Klägers beeinträchtig ist, wird nicht einmal behauptet. Andere inlandsbezogene Abschiebungshindernisse sind nicht ersichtlich.
Auch im Übrigen ist gegen den Bescheid in materiell-rechtlicher Hinsicht nichts zu erinnern.
Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 AsylG, § 59 AufenthG. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergibt sich aus § 38 Abs. 1 AsylG.
Gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde weder seitens des Klägers vorgetragen noch sind für das Gericht nach eigener Prüfung Gründe dafür ersichtlich, dass die Befristung auf 30 Monate ermessensfehlerhaft sein könnte.
Die Kostenentscheidung einschließlich der Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es vorliegend nicht, da das Verfahren gerichtskostenfrei war.