Gericht | FG Berlin-Brandenburg 4. Senat | Entscheidungsdatum | 24.07.2014 | |
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Aktenzeichen | 4 K 12276/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides für 2009 über Körperschaftsteuer vom 15. Dezember 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. August 2011 von der Körperschaftsteuer 2009 freizustellen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte in 2009 (Streitjahr) gegenüber der Klägerin Körperschaftsteuer festsetzen durfte oder ob die Klägerin als gemeinnützige Körperschaft anzusehen ist.
Bei der Klägerin handelt es sich um ein im Jahr xxxx [vor Jahrhunderten] gegründetes College, das der Universität X, Großbritannien, zugehörig ist und die Rechtsform einer Stiftung englischen Rechts aufweist. Aus ihrer Gründungsurkunde, …, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, ergibt sich, dass das College als „immerwährendes Kollegium des Studiums der Wissenschaften, der heiligen Theologie, der Philosophie und der guten Künste“ errichtet wurde.
In Großbritannien ist die Klägerin aufgrund ihrer Förderung der Allgemeinheit gemäß des „Schedule 2 of the Charities Act 1993 (c.10)“ von der Besteuerung des Einkommens bzw. der Veräußerungsgewinne freigestellt. Die Aufsicht über die Einhaltung der Bestimmungen für gemeinnützige Einrichtungen, die sich vor allem aus dem englischen Charities Act und den Rechtsfortbildungen des common law ergeben, übt in England die „Charity Commission“ aus, die hinsichtlich der Klägerin bisher keinen Anlass zu Beanstandungen hatte.
Im Jahr 2006 mit Lastenwechsel zum 01. Januar 2007 erwarb die Klägerin für xx.xxx.xxx € das Wohn- und Geschäftshaus in der B…-straße/C…-straße in D…. Im Streitjahr erzielte die Klägerin aus dem Objekt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. In 2008 erwarb sie zwei weitere Grundstücke in D… zum Preis von insgesamt xx.xxx.xxx €.
In 2007 erfolgte die steuerliche Anmeldung der Klägerin. Gegen die zunächst festgesetzten Vorauszahlungen zur beschränkten Körperschaftsteuer 2007 und 2008 wandte sich die Klägerin mit einem Einspruch unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Dezember 2006 (I R 94/02 – „Stauffer-Urteil“) und die vorangegangene Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. September 2006 (C-386/04) in der Rechtssache „Centro di Musicologia Walter Stauffer“. Zudem reichte die Klägerin auszugsweise vier Seiten aus ihrer Gründungsurkunde sowie einen Internetausdruck des Charities Act von 1993, beides in englischer Sprache, ein.
Der Beklagte half dem Einspruch mit der Begründung ab, dass es sich lediglich um Vorauszahlungen handele, obwohl seiner Ansicht nach die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass ihr in Großbritannien Steuerfreiheit aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit gewährt werde. Zudem erwartete der Beklagte in Anbetracht des Stauffer-Urteils Verwaltungsanweisungen zur steuerlichen Behandlung ausländischer gemeinnütziger Organisationen. Bis zu diesem Zeitpunkt stellte sich die Frage einer Steuervergünstigung für nicht im Inland ansässige gemeinnützige Körperschaften nicht, da § 5 Abs. 2 Nr. 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) in der damals anzuwendenden Fassung die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 1 KStG für beschränkt Steuerpflichtige i. S. des § 2 Nr. 1 KStG ausschloss.
Nach einer automatischen Erinnerung an die Abgabe der Körperschaftsteuererklärung für 2007 teilte der Beklagte dem Bevollmächtigten der Klägerin im Februar 2009 telefonisch mit, dass Steuerfreiheit für die inländischen Einkünfte nicht automatisch bestehe, sondern dass – wie für inländische Steuerpflichtige – eine Erklärung zur Gemeinnützigkeit abzugeben sei. Daher übersandte der Beklagte den Vordruck „Gem 1“ als Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid 2007. Zugleich wurde die Klägerin aufgefordert, einen aktuellen Auszug aus dem britischen Register gemeinnütziger Körperschaften vorzulegen, da das zuvor eingereichte Exemplar noch aus dem Jahr 2000 stammte.
Mangels Eingang einer Erklärung zur Körperschaftsteuer gemeinnütziger Körperschaften für 2008 und 2009 erließ der Beklagte am 14. September 2010 (für 2008) und am 15. Dezember 2010 (für 2009) jeweils Schätzungsbescheide gegenüber der Klägerin. Grundlage der Schätzung bildete die Angabe der Klägerin im steuerlichen Fragebogen, in dem sie für 2008 einen voraussichtlichen Jahresüberschuss in Höhe von 375.000 € angegeben hatte. Diesen übernahm der Beklagte auch für 2009. In dem für 2009 ergangenen Körperschaftsteuerbescheid setzte der Beklagte auch einen Verspätungszuschlag in Höhe von 500 € fest und begründete dies in den Erläuterungen damit, dass die Steuererklärung nicht eingereicht worden sei.
Nachdem die Klägerin die bisher fehlende Erklärung gemeinnütziger Körperschaften für 2008 schließlich im Einspruchsverfahren eingereicht hatte, erließ der Beklagte für 2008 einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid und setzte die Körperschaftsteuer auf 0 € herab. Nach damaliger Ansicht des Beklagten sei die Gemeinnützigkeit der Klägerin in Großbritannien glaubhaft gemacht worden.
Gegen den für das Streitjahr erlassenen Körperschaftsteuerbescheid legte die Klägerin ebenfalls fristgemäß Einspruch ein. Sie begründete ihren Einspruch damit, dass sie in Großbritannien als gemeinnützige Körperschaft anerkannt und steuerfrei gestellt sei; sie diene dort mildtätigen und wohltätigen Zwecken. Ihr Zweck sei es, akademische Forschung und Lehre für Studenten vor dem ersten akademischen Grad sowie für Universitätsabsolventen anzubieten und zu fördern. Aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit sei sie, die Klägerin, in Großbritannien in den Jahren 2008 und 2009 von der Besteuerung des Einkommens und der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen befreit gewesen. Als Nachweise legte die Klägerin auszugsweise und in englischer Sprache Kopien ihrer Gründungsurkunde sowie aus dem Charities Act von 1993 vor. Zudem war die Klägerin der Ansicht, dass ein struktureller Inlandsbezug gegeben sei. Sie führte Aktivitäten an, die nach ihrer Auffassung gemäß § 51 Abs. 2, 2. Alt. Abgabenordnung (AO) neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke (Wissenschaft und Forschung) auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beitragen würden. Die Klägerin wies darauf hin, dass das College, einschließlich der diversen angeschlossenen Institute, Kurse in deutscher Sprache und Literatur anbiete. Zudem werde ein regelmäßiger akademischer Austausch mit der E…-Universität F… und der theologischen Fakultät der Universität G… praktiziert. Schließlich studierten etwa xxx [hunderte] Studenten deutscher Nationalität in X. In Anbetracht dessen werde auch für die inländischen Einkünfte aus der Vermietung des Grundstücks Steuerfreiheit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i. V. m. den §§ 51 ff. AO begehrt.
Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 24. August 2011 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er begründete dies wie folgt:
Mit Schreiben vom 04. Mai 2011 sei die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass der deutsche Gesetzgeber ab 2009 keine Unterschiede mehr zwischen inländischen Körperschaften und Körperschaften mit Sitz in einem anderen Staat der Europäischen Union (EU) bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) mache. Wolle die Steuerbegünstigung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG in Anspruch genommen werden, müssten alle Körperschaften, ob in- oder ausländische, nachweisen, dass sie die Voraussetzungen der §§ 51 ff. AO erfüllen. Insbesondere müssten die Satzung den Vorgaben der §§ 60 und 61 ff. AO und die tatsächliche Geschäftsführung den Vorgaben des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts entsprechen. Würden die Zwecke im Ausland verwirklicht, sei zudem der Nachweis erforderlich, dass der strukturelle Inlandsbezug (§ 51 Abs. 2 AO) gegeben sei.
Trotz Aufforderung habe die Klägerin keine den §§ 60 und 61 AO entsprechende Satzung vorgelegt. Unterlagen zur Überprüfung der tatsächlichen Geschäftsführung seien ebenfalls nicht eingereicht worden. Er, der Beklagte, könne der Klägerin daher nicht bestätigen, dass diese die Voraussetzungen der §§ 51 ff. AO erfülle. Daher könne die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG nicht gewährt werden und müsse der Einspruch erfolglos bleiben.
Hiergegen hat die Klägerin am 21. September 2011 Klage erhoben, die sie wie folgt begründet:
Seit ihrer Gründung sei sie, die Klägerin, in England als gemeinnützige Einrichtung anerkannt. Dies erkenne auch der Beklagte an. Dennoch moniere der Beklagte, dass die Form ihrer, der Klägerin, Satzung nicht dem deutschen Gemeinnützigkeitsrecht entspreche. Im Einzelnen nenne er drei formelle Satzungsmängel (im Hinblick auf fehlende Ausführungen in der Satzung zum Selbstlosigkeitsgebot, Begünstigungsverbot sowie zu der Vermögensbindung) und bemängele den fehlenden Nachweis der Selbstlosigkeit der tatsächlichen Geschäftsführung.
Zwar bestehe Einigkeit dahingehend, dass die vom Beklagten genannten inhaltlichen Voraussetzungen gewichtig seien. Es könne jedoch nicht maßgeblich sein, in welcher Form diese Erfordernisse geregelt seien. Die entscheidende Bedeutung komme der Sache zu, nicht der bloßen Form. Vorrang habe die materielle Gemeinnützigkeit.
Zu den Satzungsmängeln in Bezug auf das Selbstlosigkeitsgebot sowie das Begünstigungsverbot sei auszuführen, dass bei einer im Jahr xxxx [vor Jahrhunderten] gegründeten Körperschaft nicht davon auszugehen sei, dass bestimmte „Schlagworte“ in der Satzung zu finden seien. Bei ihrer, der Klägerin, Gründung sei die als Anlage 1 zu § 60 AO beigefügte Mustersatzung schlicht noch nicht vorhanden gewesen. Dies sei ein generelles Problem, das bei alten Satzungen bestehe. Bei diesen könne man nicht die Formenstrenge des geltenden Rechts anwenden; dies habe auch der BFH in seinem Urteil vom 30. Januar 1953 (III 20/52 U, Bundessteuerblatt [BStBl] III 1953, 71) so gesehen. Statt sich nur auf die Satzung zu stützen, hätte der Beklagte eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen müssen – wie der BFH in dem vorgenannten Fall, bei dem überhaupt keine Satzung vorgelegen habe.
So verlangten das englische Recht sowie die „College Statues“ die Beachtung des Selbstlosigkeitsgebots sowie des Begünstigungsverbots. Dies bedeute, dass ihre, der Klägerin, Mittel nur für gemeinnützige Zwecke verwendet werden dürften. Verwalter und Angestellte dürften nach englischem Recht über eine angemessene Vergütung für ihre Tätigkeit hinaus nicht vom Vermögen profitieren. Im Übrigen sei die Verwendung der Einnahmen im Detail im „Statut XX – Verwendung von Einnahmen“ geregelt, welches ebenfalls keine andere Möglichkeit der Mittelverwendung als für die satzungsgemäßen gemeinnützigen Zwecke vorsehe. In Anlehnung an die BFH-Rechtsprechung in dem Urteil vom 20. Dezember 2006 (I R 94/02) dürfe die Frage der Gemeinnützigkeit nicht an den Begrifflichkeiten „Selbstlosigkeit“ oder „Begünstigungsverbot“ festgemacht werden, sondern es müsse ausreichen, dass der Satzung zu diesen Aspekten nichts Gegenteiliges entnommen werden könne. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass die 2009 eingeführte Mustersatzung gemäß Art. 97 § 1f Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur AO nur auf Körperschaften anzuwenden sei, die nach dem 31. Dezember 2008 gegründet worden seien, bzw. auf Satzungsänderungen, die nach dem 31. Dezember 2008 wirksam geworden seien.
Hinsichtlich der Bindung des Körperschaftsvermögens verlange das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht zwar, dass sich dies aus der Satzung ergeben müsse. Der Weg über die Bindung an die Satzung sei aber nicht zwingend. Andere Formen der Vermögensbindung, z. B. aufgrund der Bestimmungen des englischen common law oder des Charities Act von 1993, seien als gleichwertig zu erachten. So folge aus Section 16 und 17 des Charities Acts für den Fall ihrer, der Klägerin, Auflösung, dass ihr Vermögen auf eine andere gemeinnützige Organisation übertragen werden müsse. Es sei nach englischem Recht unmöglich, das Vermögen ganz oder teilweise an nicht gemeinnützige Organisationen oder Privatpersonen zu verteilen. Dafür sorge auch die Aufsicht durch die Charity Commission, der staatlichen Stiftungsaufsicht. Im Übrigen sei sie, die Klägerin, auf immerwährenden Bestand angelegt, so dass es keinen Grund gegeben habe, die Mittelverwendung für den Fall der Auflösung zu regeln. Die Frage, wo das Vermögen im Auflösungsfall verbleibe, sei bei ihr, der Klägerin, die seit xxxx bestehe, rein theoretischer Natur. Bei einer gemeinnützigen Körperschaft, die seit mehreren hundert Jahren bestehe, sei nicht einzusehen, weshalb diese aufgrund neuer formeller Anforderungen ihren Status der Gemeinnützigkeit verlieren sollte.
Es sei jedoch darauf hinzuweisen, dass aufgrund der Weitergeltung des § 62 AO in der Fassung vor der Änderung durch das Jahressteuergesetz 2007 eine satzungsmäßige Vermögensbindung ohnehin entbehrlich sei, da es keine Veranlassung gebe, die staatliche (Stiftungs-)Aufsicht in England nicht genügen zu lassen.
Darüber hinaus entspreche die tatsächliche Geschäftsführung den Erfordernissen des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts, da sämtliche Mittel entweder Forschung und Lehre zugutekämen oder im Rahmen der Vermögensverwaltung angelegt würden. Gemäß dem Charities Act von 1993 müsse der sogenannte „Governing Body“ sicherstellen, dass ihr, der Klägerin, Einkommen und Vermögen ausschließlich für die gemeinnützigen satzungsmäßigen Zwecke verwendet werde. Dass dies der Fall sei, habe ein unabhängiger, externer „auditor“ bzw. Wirtschaftsprüfer bestätigt. Die Vermögensverwaltung diene dabei allein dem Zweck, sicherzustellen, dass auch in Zukunft die von ihr, der Klägerin, erwartete Qualität in Forschung und Lehre gewährleistet werde. Im Übrigen überwache die Charity Commission auch die tatsächliche Geschäftsführung. Es habe bisher weder aufgrund der Mittelverwendung noch der Art der Vermögensverwaltung Beanstandungen gegeben.
Zudem sei die Ansicht des Beklagten, dass die formalen Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit vorliegen müssten, nicht mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang zu bringen – sie verstoße gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Die Kapitalverkehrsfreiheit erfasse auch Immobilieninvestitionen, wie die Klägerin sie getätigt habe. Insoweit werde die Klägerin benachteiligt, da ihr in Deutschland die gemeinnützigkeitsrechtliche Steuerbefreiung im Vergleich zu anderen Körperschaften nicht gewährt werde. Maßgeblich müsse allein sein, dass die Körperschaft die in ihrem Ursprungsland geltenden Bestimmungen des Gemeinnützigkeitsrechts erfülle. Es könne nicht verlangt werden, dass die Körperschaft ihre Satzung an die gemeinnützigkeitsrechtlichen Regelungen eines jeden anderen Staates anpassen müsse.
Im Zweifel hätte der Beklagte nicht nur die Satzung prüfen dürfen, sondern hätte sich an die britischen (Steuer-)Behörden wenden und diese um Auskünfte bitten müssen, die dann die Frage, ob Steuerbefreiung gewährt werden könne, beantwortet hätten. Im Übrigen habe sie, die Klägerin, dem Beklagten bereits im Rahmen der erstmaligen steuerlichen Anmeldung Unterlagen überreicht und Auskünfte erteilt, die vom Beklagten bisher – für die Vorjahre – als ausreichend erachtet worden seien. Daher überrasche – auch vor dem Hintergrund der in § 88 AO geregelten Amtsermittlungspflicht des Beklagten – der Inhalt der Einspruchsentscheidung.
Letztlich sei darauf hinzuweisen, dass ein struktureller Inlandsbezug für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit, also ein nachweisbarer Nutzen der Tätigkeit für deutsche Staatsangehörige, schon aufgrund der generellen Bedenken gegen eine Anwendbarkeit des § 51 Abs. 2 AO nicht erforderlich sei. Allerdings wäre der strukturelle Inlandsbezug auch gegeben, da nicht nur Kurse in deutscher Sprache und Literatur gegeben werden würden, sondern auch Austauschprogramme mit deutschen Universitäten existierten.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides für 2009 über Körperschaftsteuer vom 15. Dezember 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. August 2011 zu verpflichten, ihre Gemeinnützigkeit für die inländische Besteuerung festzustellen (Freistellungsbescheid)
sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er weist zunächst darauf hin, dass die Abhilfe im Einspruchsverfahren über den Körperschafsteuerbescheid 2008 möglicherweise zu Unrecht erfolgt sei. Aufgrund des Prinzips der Abschnittsbesteuerung entfalte sie jedoch keine Bindungswirkung für das Streitjahr.
Im Rahmen der Bearbeitung des gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2009 gerichteten Einspruchs sei jedenfalls der gesamte Sachverhalt noch einmal überprüft und das Stauffer-Urteil analysiert worden. Er, der Beklagte, sei zu dem Schluss gekommen, dass weder das Stauffer-Urteil des BFH noch die entsprechende Vorab-Entscheidung des EuGH zur Folge hätten, dass eine in einem EU-/EWR-Staat ansässige und dort als gemeinnützig eingestufte Körperschaft in einem anderen EU-/EWR-Staat – in diesem Fall Deutschland – als gemeinnützig anzuerkennen sei. Der EuGH räume den EU-Mitgliedstaaten insoweit ein Ermessen ein. Ausgeschlossen sei lediglich, dass die Anerkennung der Gemeinnützigkeit nur deshalb verwehrt werde, weil die Körperschaft im Ausland ansässig sei. Der Gesetzgeber habe mit der Änderung des § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG die Folgerungen aus der EuGH-Rechtsprechung gezogen und eine Gleichbehandlung der im EU-/EWR-Ausland mit den im Inland ansässigen Körperschaften erreicht.
Eine Prüfung der in § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sowie §§ 51 ff. AO genannten Voraussetzungen sei hier erstmals im Klageverfahren möglich, da die Klägerin die maßgeblichen Unterlagen zum ersten Mal überhaupt bzw. in deutscher Sprache vorgelegt habe. Nach der Prüfung dieser Unterlagen sei festzuhalten, dass die von der Klägerin eingereichte – in historischer Zeit in einem anderen Staat verfasste – Satzung nicht den strengen Voraussetzungen des § 60 AO entspreche. Die Klägerin räume die – verständlichen – Abweichungen selbst ein, wolle aber bei der Beurteilung der Statuten landesspezifische rechtliche Rahmenbedingungen in Großbritannien, das Gründungsalter sowie ihren Ruf berücksichtigt wissen. Die vom Gesetzgeber eng formulierten Voraussetzungen sollten nach Auffassung der Klägerin – unter Berufung auf ein BFH-Urteil aus dem Jahr 1953, das schon aufgrund seines Ergehens vor Entwicklung des Europarechts nicht einschlägig sein könne – weit ausgelegt werden.
Zwar könne der Klägerin insoweit zugestimmt werden, dass ein reiner Formalismus nicht angebracht sei und bei alten Satzungen, die nicht mehr dem geltenden Steuerrecht angepasst werden könnten, Billigkeitsmaßnahmen in Betracht kämen. Dennoch seien hohe Anforderungen an die Festschreibung des Satzungszweckes zu stellen. Erforderlich sei, dass die Körperschaft den gemeinnützigen Zweck genau bezeichne und dass geregelt sei, mit welchen Mitteln er verfolgt werde.
Diesen Anforderungen genüge die Satzung der Klägerin nicht. Sie enthalte zwar die Festschreibung einer forschenden, unterrichtenden und wissenschaftlichen Tätigkeit als einzigen Daseinszweck. Daraus könne jedoch nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass das Gebot der Selbstlosigkeit und das Verbot der Begünstigung von Mitgliedern oder sonstigen Personen eingehalten würden. Diese Ge- bzw. Verbote seien nicht ausdrücklich in der Satzung geregelt. Zudem fehle die satzungsmäßige Vermögensbindung (§§ 61, 55 Abs. 1 Nr. 4 AO). Die Satzung setze eine immerwährende Körperschaft voraus. Der Fall einer Auflösung oder anderen Beendigung werde nicht in Betracht gezogen. Trotz des Alters der Klägerin sei es nicht möglich, wie der Klägervertreter meint, diesen Umstand als unbeachtlich anzusehen. Vielmehr hätten für den Fall der Beendigung satzungsmäßige Vorkehrungen getroffen werden müssen. Da eine inländische Körperschaft ohne eine solche Klausel nicht die Steuervergünstigung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG erhalten würde, müsste dies schon aus Gründen der Gleichbehandlung von unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften auch für eine ausländische Körperschaft gelten. Es sei nicht gerechtfertigt, an ausländische Körperschaften großzügigere Maßstäbe anzulegen.
Hinsichtlich der in den §§ 52 ff. AO niedergelegten Voraussetzung der tatsächlichen Geschäftsführung habe die Klägerin vorgetragen, dass alle Unterlagen im Vorjahr vorgelegen hätten, weshalb er, der Beklagte, im Vorjahr von der Besteuerung abgesehen hätte. Dies treffe nicht zu. Hinreichende Unterlagen seien nicht eingereicht, seien allerdings auch nicht angefordert worden. Er, der Beklagte, habe allein die Glaubhaftmachung der in Großbritannien bestehenden Gemeinnützigkeit zum Anlass genommen, um im Vorjahr die Steuervergünstigung zu gewähren.
In Bezug auf die Prüfung der tatsächlichen Geschäftsführung habe die Klägerin den Jahresbericht und den Jahresabschluss ihres Verwaltungsrates auf den 31. Juli 2009 mit dem Prüfungsurteil einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorgelegt. Zwar seien die Voraussetzungen der Förderung der Allgemeinheit auf geistigem Gebiet (§ 52 Abs. 1 AO), die Ausschließlichkeit (§ 56 AO) und die Unmittelbarkeit (§ 57 AO) gegeben. Allerdings fehle es an einer Aussage zum Merkmal der Selbstlosigkeit (§ 55 AO), die sich auch nicht aus der Satzung ergebe. Bei einer gleichartigen inländischen Körperschaft würde die Zuerkennung der Steuervergünstigung somit nicht nur an den Mängeln der Satzung, sondern auch an der nicht belegten Selbstlosigkeit scheitern. Dass die Frage der Gemeinnützigkeit bereits an nicht erfüllten formellen Voraussetzungen scheitere, sei nicht zu beanstanden, da § 59 AO gerade die Erfüllung der Formalvoraussetzungen für die Zuerkennung des Gemeinnützigkeitsstatus verlange.
Auch die europarechtliche Argumentation der Klägerin, es müsse Körperschaften möglich sein, in verschiedenen EU-/EWR-Staaten tätig zu werden, ohne jeweils die Satzung ändern zu müssen, überzeuge nicht. Jeder Gesetzgeber sei darin frei, jeweils andere Kriterien zu bezeichnen, die er als förderungswürdig erachte. Daher müsse derjenige, der eine steuerliche Vergünstigung beanspruche, ggfs. die Satzung durch entsprechende Bestimmungen ergänzen.
Der strukturelle Inlandsbezug (§ 51 Abs. 2 AO) sei im Übrigen nicht streitig, da den diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin bereits im außergerichtlichen Verfahren zugestimmt worden sei.
I. Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte sie von der Körperschaftsteuer für 2009 freistellt. Denn der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung [FGO]). Der Beklagte geht zu Unrecht davon aus, dass die Klägerin im Inland nicht als gemeinnützig anzusehen ist.
1. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich der Anspruch auf Freistellung von der Körperschaftsteuer jedoch nicht daraus, dass die Klägerin – dies ist unstrittig – in Großbritannien als gemeinnützig angesehen wird und allein aus Gründen der europarechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i. d. F. des Vertrags von Nizza zur Änderung des Vertrags über die EU, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C-325, 1), nunmehr Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU i. d. F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die EU und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Amtsblatt der Europäischen Union 2008, Nr. C-115, 47) auch in Deutschland als gemeinnützig angesehen werden müsste. So hat der EuGH mit Urteil vom 27. Januar 2009 C-318/07, Persche (Sammlung [Slg.] 2009, I-359) zu Recht entschieden, dass der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit nicht die Übernahme des im Mitgliedstaat der Steuerpflichtigen gegebenen Gemeinnützigkeitsstatus umfasst, sondern nur darauf gerichtet ist, die Ungleichbehandlung zwischen inländischen und EU-ausländischen Einrichtungen zu beseitigen. Der EuGH hat diese Ansicht bereits in seinem Urteil vom 14. September 2006 C-386/04, Centro di Musicologia Walter Stauffer (Slg. 2006, I-8203, dort betreffend die Steuerbefreiung einer gemeinnützigen und beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Stiftung) vertreten. Dem hat sich in zutreffender Weise auch der BFH mit seinem Urteil vom 20. Dezember 2006 I R 94/02 (BStBl II 2010, 331) angeschlossen und ausgeführt, dass Maßstab der Gemeinnützigkeit auch der ausländischen Einrichtung allein das innerstaatliche (deutsche) Recht sei.
Demgemäß ist z. B. das Erfordernis der satzungsmäßigen Vermögensbindung unionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es führt vielmehr gerade zu einer Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen mit Sitz innerhalb der EU und entspricht damit zugleich dem auf die Verhinderung von Diskriminierungen gerichteten Charakter der Kapitalverkehrsfreiheit. Folglich besteht auch keine Veranlassung, die formellen Satzungsanforderungen nach § 61 AO für Einrichtungen mit Sitz im EU-Ausland zu lockern (BFH-Urteil vom 17. September 2013 I R 16/12, BStBl II 2014, 440).
2. Die Klägerin erfüllt jedoch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 KStG.
Danach sind beschränkt Steuerpflichtige von der Körperschaftsteuer befreit, die nach der Satzung, dem Stiftungszweck oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen. Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.
a) Eine Förderung oder Unterstützung geschieht nur dann selbstlos, wenn u. a. bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks das Vermögen der Körperschaft, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Mitglieder und den gemeinen Wert der von den Mitgliedern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden darf (sog. Grundsatz der Vermögensbindung, §§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 und 61 AO). Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn das Vermögen einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft oder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts für steuerbegünstigte Zwecke übertragen werden soll (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AO). Durch den Grundsatz der Vermögensbindung soll sichergestellt werden, dass das Vermögen, das die Körperschaft unter den Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts gebildet hat, auch auf Dauer für steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird (vgl. nur BFH-Urteil vom 12. Januar 2011 I R 91/09, Sammlung der Entscheidungen des BFH [BFH/NV] 2011, 1111).
Die Vermögensbindung muss in die Satzung der Körperschaft aufgenommen werden (§§ 59, 61 AO). Nach der zutreffenden Rechtsprechung des BFH hat die gesetzlich vorgeschriebene Festlegung der künftigen Vermögensverwendung die Funktion eines Buchnachweises (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1978 I R 39/78, BStBl II 1979, 482; vom 19. April 1989 I R 3/88, BStBl II 1989, 595; vom 26. Februar 1992 I R 47/89, BFH/NV 1992, 695; vom 05. August 1992 X R 165/88, BStBl II 1992, 1048; vom 10. November 1998 I R 95/97, BFH/NV 1999, 739; vom 23. Juli 2009 V R 20/08, BStBl II 2010, 719; vom 12. Januar 2011 I R 91/09, BFH/NV 2011, 1111).
Da die Satzung von einem „ewigen“ Bestehen der Klägerin ausgeht und dementsprechend keine Regelungen für den Fall der Auflösung enthält, werden die Anforderungen, die § 61 AO für den Fall der Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks an die satzungsmäßige Vermögensbindung stellt, nicht erfüllt. Dies ist nach der Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung des § 62 AO in der Fassung bis zur Änderung durch das Jahressteuergesetz 2007 (a.F.) jedoch unschädlich.
§ 62 a.F. sah vor, dass bei Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts, bei staatlich beaufsichtigten Stiftungen, bei den von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verwalteten unselbständigen Stiftungen und bei geistlichen Genossenschaften (Orden, Kongregationen) die Vermögensbindung in der Satzung nicht festgelegt zu werden brauchte. Die Regelung ist zwar mittlerweile aufgehoben worden, ist als Vereinfachungsregelung gemäß Art. 97 § 1f des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO) aber auf staatlich beaufsichtigte Stiftungen weiterhin anzuwenden, die bis zum 18. Dezember 2006 errichtet wurden (vgl. dazu Krüger in Schwarz, AO, § 62 [aufgehoben], Rn. 2; Seer in Tipke/Kruse, AO und FGO, § 62 AO [a.F.]).
Die Klägerin ist eine staatlich beaufsichtigte Stiftung, die vor dem 18. Dezember 2006 errichtet wurde; sie unterliegt der englischen Stiftungsaufsicht. Dies reicht nach der Überzeugung des Senats aus. Es gibt – jedenfalls im Ausgangspunkt, der Beklagte hat auch nichts Gegenteiliges vorgetragen, und bezogen auf die Stiftungsaufsicht eines EU-Mitgliedstaates – keine Veranlassung, die staatliche Aufsicht des anderen Staates (hier des britischen) nicht ausreichen zu lassen, um § 62 AO a.F. zu genügen. Vielmehr wird der Steuerpflichtige im Grundsatz auch dann von den satzungsmäßigen Vermögensbindungserfordernissen suspendiert, wenn er allgemein einer ausländischen staatlichen Aufsicht unterliegt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Dezember 2006 I R 94/02, BStBl II 2010, 331). So ist es auch hier.
Ob das Abstellen auf den Inhalt der Satzung einer ausländischen Einrichtung diese im Hinblick auf die Vermögensbindung vor unerfüllbare Voraussetzungen stellt und als Verstoß gegen den gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz anzusehen ist (vgl. dazu Finanzgericht Bremen, Urteil vom 08. Juni 2011 1 K 63/10 (6), juris), ist damit für den Streitfall unerheblich.
b) Es liegt auch kein Verstoß gegen die Erfordernisse des § 59 AO vor. Danach ist Voraussetzung der Steuerbefreiung, dass sich aus der Satzung ergibt, welche Zwecke die Körperschaft verfolgt (= welchen Zwecken sie dient), dass diese Zwecke den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO entsprechen, und dass sie von der Körperschaft ausschließlich und unmittelbar verfolgt werden. Gemäß § 60 Abs. 1 AO müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, dass bereits aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für Steuervergünstigungen gegeben sind.
Die Satzung der Klägerin bestimmt, dass das College als „immerwährendes Kollegium des Studiums der Wissenschaften, der heiligen Theologie, der Philosophie und der guten Künste“ errichtet wurde. Diese Aussage und die weiteren Bestimmungen der Satzung bzw. der Statuten genügen, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Steuervergünstigungen vorliegen. Ausschlaggebend ist, dass die im Einzelnen aufgelisteten Zielsetzungen keinen Zweifel aufkommen lassen, dass sie der Verwirklichung des Stiftungszwecks dienen. Die Satzung belässt gleichermaßen keinen begründbaren Zweifel daran, dass die Klägerin den Satzungszweck selbstlos verfolgt und das Begünstigungsverbot eingehalten wird. Zwar ergibt sich dies nicht wortwörtlich aus der Verwendung der Begriffe „Selbstlosigkeitsgebot“ und „Begünstigungsverbot“ aus der Satzung. Der Satzung kann aber auch an keiner Stelle Gegenteiliges entnommen werden, was nach der Überzeugung des Senats ausreichend ist (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 20. Dezember 2006 I R 94/02, BStBl II 2010, 331).
Ohnehin gilt es, bei der Auslegung der Satzungen von Körperschaften, die Steuervergünstigungen wegen Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke beanspruchen, eine allzu kleinliche „Wortklauberei“ (so Tipke in Tipke/Kruse, AO und FGO, § 60 AO Rn. 3) zu vermeiden. Die Satzungen haben nicht lediglich den Zweck, die satzungsmäßigen Voraussetzungen der Steuervergünstigungen zu erfüllen. Sie dienen auch und oft sogar vorrangig dazu, die Organisation der Einrichtung und die Befugnisse ihrer Organe festzulegen (BFH-Urteile vom 18. Dezember 2002 I R 15/02, BStBl II 2003, 384; vom 20. Dezember 2006 I R 94/02, BStBl II 2010, 331).
c) Schließlich bestehen keine Bedenken daran, dass die in der Satzung bestimmten Zwecke auch tatsächlich verfolgt werden (materielle Satzungsmäßigkeit, § 63 AO). Die Klägerin verwendet ihr Einkommen und Vermögen ausschließlich für die gemeinnützigen satzungsmäßigen Zwecke, was ein unabhängiger, externer „auditor“ bzw. Wirtschaftsprüfer bestätigt hat. Damit betätigt sich die Klägerin in der satzungsmäßig vorgegebenen Weise. Hieran ändert die Vermietungstätigkeit nichts, die betrieben wird, um die in der Satzung genannten Zwecke zu ermöglichen. Verstöße gegen das Selbstlosigkeitsgebot und das Begünstigungsverbot sind nicht ersichtlich. Dass das Selbstlosigkeitsgebot keine ausdrückliche Erwähnung in dem Bericht des Wirtschaftsprüfers findet, ändert an dieser Beurteilung nichts, da auch nach dem Vortrag des Beklagten keine materiellen Einwände gegen die Annahme, dass die Selbstlosigkeit gegeben ist, bestehen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig, weil die Sach- und Rechtslage nicht so einfach war, dass die Klägerin sich selbst hätte vertreten können (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
III. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen. Die Frage, welche Anforderungen an die Satzung einer staatlich beaufsichtigten Stiftung mit Sitz im EU-Ausland i. S. der §§ 60 und 61 AO sowie 62 AO a.F. zu stellen sind, ist, soweit ersichtlich, bislang nicht höchstrichterlich entschieden.