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Sozialgerichtliches Verfahren - Prozesskostenhilfe - Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aufgrund Entscheidung über einstweiligen Rechtsschutzantrag trotz Fristverlängerungsantrag - Zurückverweisung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 05.12.2013
Aktenzeichen L 10 AS 2917/13 B ER ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 62 Hs 1 SGG, § 159 Abs 1 Nr 2 SGG

Tenor

Den Antragstellern wird für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens ab dem 18. November 2013 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... gewährt; Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen sind nicht zu zahlen. Im Übrigen wird ihr Antrag abgelehnt.

Gründe

Die Entscheidung über den Antrag der Antragsteller, ihnen für das auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gerichtete Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des im Tenor bezeichneten Rechtsanwalts zu gewähren, obliegt dem Berichterstatter des Senats, nachdem inzwischen in dem bezeichneten Beschwerdeverfahren die „Erledigung in der Hauptsache“ eingetreten ist (§ 155 Abs 2 Satz 1 Nr 3 und 4 iVm Abs 4 Sozialgerichtsgesetz <SGG>, der im Beschwerdeverfahren gegen Beschlüsse des Sozialgerichts entsprechend Anwendung findet: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, RdNr 6 zu § 155).

Der Antrag hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Die Antragsteller sind nach ihren derzeitigen – hier mit Blick auf § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 1 Satz 3 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht näher darzulegenden – persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Sache auch nur teilweise oder in Raten aufzubringen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 115 ZPO) und ihrem Eilantrag konnte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife (vgl zum Begriff: Beschluss des mit des Senats vom 24. November 2010 - L 10 AS 2064/10 B PKH, juris RdNr 4 mwN), die hier am 18. November 2013 eingetreten ist, jedenfalls teilweise eine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Satz 1 ZPO) nicht abgesprochen werden.

Dabei beurteilt das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig in summarischer Prüfung des Sach- und Streitstandes ohne strenge Anforderungen, dh ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffs. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht die „reale Chance zum Obsiegen" aus, nicht hingegen eine „nur entfernte Erfolgschance" (vgl Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88, juris RdNr 26 = BVerfGE 81, 347, 357f). Auch bei nur teilweise zu bejahender Erfolgsaussicht ist in gerichtskostenfreien Verfahren (§ 183 SGG) – wie dem vorliegenden – PKH unbeschränkt zu bewilligen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, RdNr 7a zu § 73a).

Gemessen an den aufgezeigten Maßstäben konnte der Beschwerde, mit der die Antragsteller bei verständiger Würdigung (§ 123 SGG) ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt haben, den Antragsgegner im Wege einer Regelungsanordnung (iS von § 86b Abs 2 Satz 2 SGG) zu verpflichten, ihnen Arbeitslosengeld II bzw Sozialgeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01. Oktober 2013 bis zum 31. März 2014, längstens jedoch bis zu einer bestandskräftigen/rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, zu zahlen, eine hinreichende Erfolgsaussicht zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife jedenfalls teilweise nicht abgesprochen werden.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Beschwerde bestand bereits deshalb, weil eine Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht (SG) in Frage stand.

§ 159 SGG ist auf Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entsprechend anwendbar (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2013, RdNr 1 zu § 159), auch wenn insoweit von der unter den Voraussetzungen des § 159 Abs 1 SGG im Ermessen des Landessozialgerichts stehenden Zurückverweisung zurückhaltend Gebrauch gemacht werden sollte.

Das erstinstanzliche Verfahren litt an einem wesentlichen Mangel (§ 159 Abs 1 Nr 2 SGG); das SG hat den Fristverlängerungsantrag des Bevollmächtigten der Antragsteller nicht richtig behandelt, deshalb vorzeitig entschieden und damit den Anspruch der Antragsteller auf rechtliches Gehör (§ 62 Halbsatz 1 SGG; Art 103 Abs 1 Grundgesetz) verletzt.

Das SG hätte dem bei ihm am 01. November 2013 vor Ablauf der von ihm zur Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund gesetzten Frist (Freitag, den 01. November 2013, 15:00 Uhr) „vorab per Fax“ eingegangen Schriftsatz der Antragsteller vom selben Tag einen – wegen der insoweit geltenden Formfreiheit auch zulässigen - konkludenten Antrag auf Verlängerung dieser Frist nach §§ 65, 202 Satz 1 SGG iVm § 224 Abs 2 ZPO entnehmen und über diesen Antrag vor Erlass einer Entscheidung in der Sache befinden müssen. Denn in diesem Schriftsatz wird angekündigt, dass die zum Zwecke der Glaubhaftmachung dem Schriftsatz beigefügten Unterlagen, die im Übrigen am Montag, dem 04. November 2013, beim SG eingegangen und dem entscheidenden Kammervorsitzenden aber wohl – das legt zumindest die Paginierung der Akte nahe – erst vorgelegt worden sind, nachdem der von ihm gefasste Beschluss per Fax von der Geschäftstelle abgesandt worden ist (vgl zur Verpflichtung des Gerichts, Vorbringen der Beteiligten, das nach Fristablauf, aber vor der Herausgabe der <nicht verkündeten> Entscheidung bei Gericht eingeht, zu berücksichtigen: Bundessozialgericht <BSG>, Beschluss vom 28. Februar 2013 - B 8 SO 33/12 B, juris RdNr 13 mwN), „wegen des Umfangs des Aktenkonvoluts bestehend aus jeweils 50 Blatt“ lediglich auf dem Postwege übermittelt würden. Damit waren die Anforderungen erfüllt, die an einen solchen Fristverlängerungsantrag zu stellen sind. Ein solcher muss vor Ablauf der Frist gestellt werden, einen Grund für die Fristverlängerung benennen und zumindest andeutungsweise den Zeitraum erkennen lassen, um den die Frist zu verlängern ist (vgl zu dem zuletzt genannten Erfordernis: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30. Juli 2003 - IV B 38/02, juris RdNr 8). Da über den Fristverlängerungsantrag auch stillschweigend entschieden werden kann (vgl nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2013, RdNr 5 zu § 65), folgt daraus, dass eine ablehnende Entscheidung für den Antragsteller erkennbar sein muss, dh sie muss ihm mitgeteilt werden (Keller, aaO). Jedenfalls muss ein Antragsteller aus dem Schweigen des Gerichts zu einem in offener Frist gestellten Verlängerungsgesuch nicht schließen, seiner Bitte um weiteres Zuwarten werde nicht entsprochen; er darf vielmehr darauf vertrauen, dass das Gericht ihn von einer Ablehnung unterrichten und ihm Gelegenheit geben wird, sich hierauf einzustellen (BSG, Beschluss vom 05. Februar 2009 - B 13 RS 91/08 B, juris RdNr 15 mwN). Ob ausnahmsweise ein solcher Hinweis – etwa bei ohne jede Begründung oder wiederholt gleichförmig eingereichten Verlängerungsbegehren (angedeutet in BSG, aaO) - unterbleiben kann, bedarf hier keiner Erörterung. Denn Anhaltspunkte für einen solchen Ausnahmefall liegen hier nicht vor.

Der aufgezeigte Mangel rechtfertigt im Grundsatz die Zurückverweisung, wobei im Weiteren zu erwägen gewesen wäre, ob die Tatsachenerhebung, die im Beschwerdeverfahren notwendig war, um die vom SG vermiedene Befassung mit der Sach- und (materiellen) Rechtslage auszugleichen, einer umfangreichen und aufwändigen Beweisaufnahme entspricht.

Da aus den genannten Gründen bereits eine hinreichende Erfolgsaussicht begründet war, bedarf es keiner weiteren Vertiefung, dass im Übrigen auch aus den im Schreiben des Berichterstatters vom 28. November 2013 genannten Erwägungen – jedenfalls teilweise – eine hinreichende Erfolgsaussicht zu bejahen war.

Die Beiordnung des im Tenor bezeichneten Rechtsanwalts war auch iS des § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 2 1. Alt ZPO notwendig.

Eine Bewilligung von PKH unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller für den Zeitraum vor dem 18. November 2013 kommt jedoch nicht in Betracht, weil ein bewilligungsreifer Antrag (vgl zum Begriff: Beschluss des Senats vom 24. November 2010 - L 10 AS 2064/10 B PKH, juris RdNr 4 mwN) erst mit Eingang des ausgefüllten amtlichen Vordrucks nebst den nötigen Belegen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 117 Abs 3 ZPO) beim SG – hier am 18. November 2013 – vorlag.

Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).