Gericht | VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 16.06.2011 | |
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Aktenzeichen | 5 K 739/07 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Bescheid vom 31. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2007 wird aufgehoben.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 2.045,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Kläger wenden sich gegen die erneute Festsetzung von Abwasseranschlussbeiträgen und Grundstücksanschlusskosten durch den Beklagten.
Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks in xxx, Ortsteil xxx, Gemarkung xxx, Flur X, Flurstück xxx. Das streitgegenständliche Grundstück ist 2.340 m² groß und mit einem Wohnhaus bebaut. Das Grundstück grenzt sowohl an die xxx als auch an die xxx. Das Grundstück der Kläger liegt komplett im Innenbereich; es ist vollständig bebaubar.
Bereits im Jahr 1999 erfolgte durch den vom Beklagten vertretenen Verband die Verlegung einer zentralen Abwasserentsorgungsleitung in der xxx. Das auf dem Grundstück der Kläger befindliche Wohnhaus wurde im Zuge der Leitungsverlegung in der xxx mittels Grundstücksanschlussleitung an die in der xxx verlaufende zentrale Abwasserentsorgungsleitung angeschlossen; die Fertigstellung der Abwasserleitung/der Beginn der Einleitung erfolgte spätestens im März 2000. Bereits mit Bescheid vom 31. Dezember 1999 setzte der Beklagte für das Grundstück der Kläger einen Anschlussbeitrag in Höhe von 6.400, - DM und Grundstücksanschlusskosten in Höhe von 2.000, - DM fest. Im Bescheid ist festgehalten, dass das Grundstück xxx, Gemarkung xxx, Flur X, Flurstück xxx beitragspflichtig sei. Entsprechend der damaligen Satzungslage berücksichtigte der Beklagte nicht die gesamte Fläche des Grundstücks, sondern legte der Beitragsberechnung nur eine (Teil-)Fläche von 1000 m² zu Grunde. Der Beklagte stützte diese Veranlagung auf die im damaligen Satzungsrecht verankerte Tiefenbegrenzungsregel, wonach Grundstücke maximal bis zu einer Tiefe von 50 m beitragspflichtig waren. Die Festsetzung der Grundstücksanschlusskosten erfolgte pauschal. Der Bescheid wurde bestandskräftig, da die Kläger keinen Widerspruch einlegten.
Im Zuge des weiteren Ausbaus der zentralen Abwasserentsorgungsanlage verlegte der Zweckverband in der xxx ebenfalls eine zentrale Abwasserentsorgungsleitung. Die zentrale Entsorgungsleitung in der xxx, einschließlich eines Grundstücksanschlusses zum Grundstück der Kläger, wurde am 04. September 2006 betriebsfertig hergestellt. Eine zweite Hausanschlussleitung von der Grundstücksgrenze an der xxx bis zum Wohnhaus der Kläger wurde nicht verlegt. In einem undatierten Formular des Beklagten machten die Kläger Angaben zu Größe und Lage des Grundstücks. Weiterhin machten sie in diesem Formular Angaben zur möglichen Lage eines Grundstücksanschlusses. Auf dem Formular befindet sich weiterhin ein Vermerk, in dem klargestellt wird, dass das Grundstück der Kläger bereits an die in der xxx verlaufende zentrale Entsorgungsleitung angeschlossen worden war.
Mit Schreiben vom 29. November 2006 beantragten die Kläger, ihr Grundstück vom Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich des zweiten, in der Pappelstraße verlaufenden Abwasserkanals zu befreien. Dies begründeten sie damit, dass ihr Grundstück bereits im Jahr 1999 an die zentrale Abwasserentsorgungsleitung angeschlossen worden sei. Mit Bescheid vom 16. Januar 2007 erfolgte die Befreiung der Kläger vom Benutzungszwang für das Grundstück xxx, Ortsteil xxx, xxx. Der Befreiungsbescheid nimmt keinen Bezug auf bestimmte Leitungen und trifft keine Entscheidung über die beantragte Befreiung vom Anschlusszwang.
Mit Bescheid vom 31. Dezember 2006 setzte der Beklagte für das klägerische Grundstück erneut einen Anschlussbeitrag in Höhe von nunmehr 2.045,- € fest. Der Bescheid bezog sich auf das streitgegenständliche Grundstück der Kläger in der Gemarkung xxx, Flur X, Flurstück xxx, für das bereits mit Bescheid vom 31. Dezember 1999 ein Beitrag festgesetzt worden war. Im Bescheid vom 31. Dezember 2006 ist angegeben, dass es sich um die „xxx“ handeln würde. Der Beklagte berücksichtigte unter Beachtung der erneut satzungsrechtlich festgeschriebenen Tiefenbegrenzung für die Festsetzung des Beitrages wiederum nur eine Teilfläche von 1000 m². Die Kläger haben die Beitragsforderung in Höhe von 2.045,- € vor Klageerhebung unter Vorbehalt bezahlt. Weiterhin setzte der Beklagte Grundstücksanschlusskosten in Höhe von 760, - € fest. Hinsichtlich der Grundstücksanschlusskosten teilte der Beklagte den Klägern mit, dass diese zinslos gestundet werden würden.
Die Kläger legten am 13. April 2007 Widerspruch gegen den Bescheid ein. Sie begründeten den Widerspruch damit, dass das Grundstück bereits über einen Anschluss an die zentrale Abwasserentsorgungseinrichtung verfügen würde. Das Wohnhaus sei an die in der xxx verlegte zentrale Entsorgungsleitung angeschlossen und der Anschlussbeitrag bereits bezahlt. Das Grundstück sei ungeteilt und mit einem einzigen Wohnhaus bebaut; es bestünde auch zukünftig nicht die Absicht, das Grundstück zu teilen oder ein weiteres Wohnhaus zu errichten.
Der Widerspruch der Kläger wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2007 zurückgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass das Grundstück entsprechend der gültigen Beitragssatzung heranzuziehen sei. Das Grundstück sei doppelt erschlossen und daher zweifach beitragspflichtig. Im Jahre 1999 sei auf Grund der Tiefenbegrenzung lediglich eine Teilfläche herangezogen worden. Für die Berechnung des Beitrages sei nunmehr die Länge der Straßenfront zur xxx mit der satzungsrechtlich geregelten Tiefe von 50 m multipliziert worden. Vorliegend sei somit kein Verstoß gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung erfolgt. Den Klägern wurde mit Schreiben vom 18. Juni 2007 ein vom Verbandsvorsteher des Beklagten persönlich unterzeichneter Widerspruchsbescheid identischen Inhalts übersandt.
Grundlage der Beitragserhebung ist gegenwärtig die Schmutzwasserbeitragssatzung des Wasserverbandes Strausberg-Erkner (WSE) vom 02. Dezember 2009 („BS 2009“), die sich Rückwirkung bis zum 01. Januar 2006 beimisst. Diese Satzung ersetzt die hinsichtlich der hier relevanten Regelungen identische Schmutzwasserbeitragssatzung vom 19. Oktober 2005 (nachfolgend als "BS 2005" abgekürzt), die am 01. Januar 2006 in Kraft getreten war, in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 08. Oktober 2008.
Der Beitragsmaßstab ist in § 4 der BS 2009 geregelt. § 4 Abs. 2 BS 2009 trifft Regelungen über die Grundstücksfläche. Die BS 2009 regelt, ebenso wie die zuvor gültige Schmutzwasserbeitragssatzung vom 19. Oktober 2005, in ihrem § 4 Abs. 2 lit. a), dass bei Grundstücken im Bereich eines Bebauungsplanes die Fläche als für die Beitragsveranlagung relevante Fläche gilt, auf die sich der Bebauungsplan, die bauliche, gewerbliche, industrielle oder sonstige Nutzungsfestsetzung bezieht. In § 4 Abs. 2 lit. c) BS 2009 ist geregelt, dass bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines bebauten Ortsteiles liegen, die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen als Grundstücksfläche zu berücksichtigen ist. Grenzt ein Grundstück an mehrere Straßen, so ist die Fläche von der Straßenseite aus zu ermitteln, von der der Anschluss erfolgt.
In § 4 Abs. 2 lit. e) BS 2009 ist geregelt, dass bei Grundstücken, für die im Bebauungsplan eine sonstige Nutzung ohne oder mit nur untergeordneter Bebauung festgesetzt ist (z.B. Dauerkleingärten, Schwimmbäder, Camping- und Festplätze, Sportplätze und Friedhöfe – nicht aber Flächen für die Landwirtschaft, Sportplätze und Friedhöfe) oder die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils tatsächlich so genutzt werden, 75 % der Grundstücksfläche berücksichtigt werden.
Weiterhin bestimmt die Satzung in § 4 Abs. 2 lit. f) Satz 1 BS 2009, dass bei Grundstücken, für die im Bebauungsplan die Nutzung als Sportplatz oder als Friedhof festgesetzt ist, oder die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles (§ 34 BauGB) tatsächlich so genutzt werden, sowie bei Grundstücken, für die durch Bebauungsplan die Nutzung als Fläche für die Landwirtschaft festgesetzt ist, die Grundfläche der an die Schmutzwasseranlage angeschlossenen Baulichkeiten geteilt durch die Grundflächenzahl 0,2, höchstens jedoch die Fläche des Buchgrundstückes der Berechnung zu Grunde zu legen ist.
Die Kläger haben am 01. Juni 2007 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, dass der Widerspruchsbescheid formell rechtswidrig sei, da er nicht ordnungsgemäß unterschrieben sei. Weiterhin sei es unzulässig, für den zweiten Anschluss erneut einen Anschlussbeitrag zu fordern. Die Kläger seien lediglich zur Herstellung eines Anschlusses verpflichtet. Durch die Festsetzung des Beitrages im Jahr 1999 sei der Beitrag hinsichtlich des gesamten Grundstückes festgesetzt worden. Es handele sich vorliegend um eine unzulässige, zweifache Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid vom 31. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2007 aufzuheben
und
den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger 2.045,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, die Kläger hätten Angaben zur Lage eines gewünschten Anschlusses gemacht. Im Hinblick darauf, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung eindeutige Angaben zur Einlegung eines Rechtsbehelfes gemacht worden seien, käme es nicht auf formelle Fehler an; im Übrigen sei den Klägern im Nachgang ein ordnungsgemäßer Widerspruchsbescheid übersandt worden. Im Hinblick auf die aktuelle Fassung des KAG sei eine Tiefenbegrenzung zulässig. Die in der Satzung normierte Tiefenbegrenzung würde der typischen Bebaubarkeit im Verbandsgebiet des Beklagten entsprechen. In Folge der Tiefenbegrenzung nicht berücksichtigte Flächen würden die Höhe des Beitrages nicht zu Lasten der Eigentümer kleinerer Grundstücke beeinflussen. Die in Folge der Kappung nicht erhobenen Beiträge würden nicht von den übrigen Eigentümern erhoben. Sie seien vielmehr in der Kalkulation zu Lasten des vom Beklagten vertretenen Zweckverbandes eingestellt worden. Bei der in der Beitragssatzung des Beklagten enthaltenen Regelung über die zu berücksichtigenden Flächen von Schwimmbädern, Kleingärten, Camping- und Festplätzen handele es sich um eine zulässige Definition des Maßes der baulichen Nutzbarkeit und nicht um einen unzulässigen Artabschlag. Hinsichtlich des zweiten Grundstücksanschlusses sei darauf hinzuweisen, dass die Kläger lediglich hinsichtlich der Adresse xxx vom Benutzungszwang befreit worden seien; in Bezug auf die Anschrift xxx sei keine Befreiung erteilt worden. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass die Möglichkeit bestehen würde, das Grundstück mit zwei Wohnhäusern zu bebauen. Der Erstattungsantrag sei unzulässig, da nicht zuvor beim Beklagten ein derartiger Antrag gestellt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang, einschließlich der Beitragskalkulation, und die Satzungsunterlagen des Beklagten Bezug genommen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der Bescheid vom 31. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2007 bzw. dessen zweiter Ausfertigung vom 18. Juni 2007 ist insgesamt rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
1.
Die im Bescheid vom 31. Dezember 2006 erfolgte erneute Erhebung von Grundstücksanschlusskosten für das Grundstück der Kläger ist rechtswidrig. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg (KAG) können die Gemeindeverbände bestimmen, dass ihnen der Aufwand für die Herstellung eines Haus- oder Grundstücksanschlusses ersetzt wird. Die Voraussetzungen für den Ersatzanspruch sind in § 10 KAG jedoch nicht abschließend geregelt. Zu den gesetzlich geregelten Tatbestandsmerkmalen kommt hinzu, dass der Ersatz der Grundstücksanschlusskosten nur dann zulässig ist, wenn die Leistung im Sonderinteresse des Grundstückseigentümers erbracht wird (vgl. zu dem erforderlichen „Sonderinteresse“ des Pflichtigen: OVG Münster, Urteil 22 A 1240/90 vom 25. September 1991 mit weiteren Nachweisen; Driehaus, KAG, Bearb. Dietzel, § 10 Rnr. 29). Das Sonderinteresse setzt eine konkrete Nützlichkeit des Grundstücks- oder Hausanschlusses für das jeweilige Grundstück voraus.
Vorliegend ist für den zweiten Grundstücksanschluss kein Sonderinteresse der Kläger gegeben. Im Hinblick darauf, dass das klägerische Grundstück bereits seit einigen Jahren über eine funktionierende Grundstücksanschlussleitung verfügt, die auch tatsächlich für die Entsorgung des anfallenden Abwassers genutzt wird und die an die zentrale Entsorgungsleitung angeschlossen ist, fehlt hinsichtlich der zweiten Leitung das für die Erhebung der Anschlusskosten erforderliche Sonderinteresse (vgl. Driehaus, KAG, Bearb. Dietzel, § 10 Rnr. 30; KAG für das Land Brandenburg, Kommentar, Bearb.: Kluge, § 10, Rnr. 60). Die zur xxx führende, zweite Anschlussleitung entfaltet für das Grundstück der Kläger derzeit keine konkrete Nützlichkeit. Es bestand und besteht derzeit kein Bedarf an einem weiteren Anschluss. Das Grundstück ist ungeteilt und lediglich mit einem einzigen Wohnhaus bebaut. Das Wohnhaus ist an die in der xxx-Straße verlegte zentrale Abwasserentsorgungsleitung angeschlossen. Teilungspläne bestehen nicht. Für die vorhandene Leitung wurden durch den Beklagten bereits mit Bescheid vom 31. Dezember 1999 Grundstücksanschlusskosten festgesetzt.
Im Hinblick darauf, dass das Grundstück der Kläger spätestens seit dem Jahr 2000 über einen voll funktionsfähigen Grundstücksanschluss verfügt und die Kläger diesen Anschluss auch für die Entsorgung des anfallenden Schmutzwassers nutzen sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Kläger den Beklagten ausdrücklich auf den bereits vorhandenen Haus- und Grundstücksanschluss hingewiesen und insoweit die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang beantragt haben, kann auch die Angabe von Maßen in einem vom Beklagten angeforderten Formular kein (weiteres) Sonderinteresse begründen. Dabei war zu berücksichtigen, dass dem Beklagten im Hinblick auf seine technischen Unterlagen bekannt war, dass das Grundstück der Kläger bereits an die öffentliche Einrichtung angeschlossen war.
An der Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheides ändert nichts, dass der Beklagte die Anschlusskosten zinslos gestundet hat. Gegenüber den Klägern ist in dem angefochtenen Bescheid eine Zahlungspflicht festgesetzt worden, so dass sie weiterhin und dauerhaft durch den Bescheid beschwert sind.
2.
Der festgesetzte Anschlussbeitrag ist ebenfalls rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Hinsichtlich des festgesetzten Beitrages verstößt der Bescheid gegen das Verbot der Doppelveranlagung, das auf dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung beruht. Dieser Grundsatz ergibt sich aus dem Wesen des Beitrags als Gegenleistung für die dem Grundstück durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage gebotenen Vorteile (OVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 08. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE - LKV 2001, 132 [135]). Er besagt zum einen, dass die sachliche Beitragspflicht (abstrakte Beitragsschuld) für dieselbe öffentliche Einrichtung bzw. Teileinrichtung zu Lasten eines Grundstücks nur einmal entsteht. Ist sie entstanden, kann sie gemäß diesem Grundsatz nicht nachträglich zu einem anderen Zeitpunkt und in anderer Höhe noch einmal entstehen. Zum anderen schließt der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung das Verbot der Doppelbelastung in dem Sinne ein, dass ein Grundstück für dieselbe öffentliche Einrichtung bzw. Teileinrichtung grundsätzlich nur einmal zu einem Beitrag herangezogen werden darf (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. Juli 1990 – 2 S 412/90, JURIS und VBlBW 1999, 224 ff. sowie VBlBW 1986, 68; VBlBW 1989, 345; OVG Frankfurt (Oder), a.a.O.; OVG Münster, Urteil vom 28. November 1995 - 15 A 179/93 - NVwZ-RR 1996, 600 ff.). Ein Kanalanschlussbeitragsbescheid enthält damit nicht nur die Regelung, dass ein bestimmter Beitrag festgesetzt wird, sondern auch, dass hinsichtlich dieses festgesetzten Beitrags die Beitragspflicht entstanden ist und somit in Zukunft nicht mehr entsteht. Ein Beitragsbescheid, der weder als Vorausleistungsbescheid oder Teilleistungsbescheid noch als vorläufiger Bescheid unter dem Vorbehalt späterer Nachprüfung oder Änderung ergangen ist (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 b KAG in Verbindung mit § 165 der Abgabenordnung – AO –), konkretisiert das abstrakte, auf die Entstehung einer einmaligen Beitragspflicht grundsätzlich beschränkte Beitragsschuldverhältnis abschließend (VGH Bad.-Württ., VBlBW 1989, 345 und Beschluss vom 19. Juli 1990, a.a.O., vgl. auch OVG Münster, NVwZ-RR 1999, 786 ff.). Ist ein Grundstück durch einen solchen Bescheid zu einem Beitrag wirksam veranlagt worden, lässt daher das aus dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung folgende Verbot der Doppelbelastung nur ausnahmsweise Raum für eine erneute Veranlagung dieses Grundstücks, z.B. wenn der erste Bescheid aufgehoben worden oder eine Nacherhebung zulässig ist.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist vorliegend jedoch keine zulässige Nacherhebung eines Beitrages erfolgt. Insoweit kann offen bleiben, ob der Bescheid vom 31. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2007 überhaupt die an einen (Beitrags-)Nacherhebungsbescheid zu stellenden Anforderungen erfüllt (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG i.V.m. § 130 AO).Ob und inwieweit der Beitragsschuldner sich auf die Endgültigkeit eines ihm gegenüber ergangenen Beitragsbescheides verlassen darf, ist nicht schon mit dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung beantwortet. Denn dieser Grundsatz lässt das Recht und die Pflicht des Einrichtungsträgers zur vollständigen Erhebung des Beitrags in Höhe der entstandenen sachlichen Beitragspflicht unberührt. Wenn der Einrichtungsträger in einem ersten Beitragsbescheid den Beitrag fehlerhaft in einer Höhe festgesetzt hat, die die tatsächlich entstandene sachliche Beitragspflicht nicht ausschöpft, hat er das Recht und darüber hinaus nach Maßgabe des jeweiligen Landesrechts auch eine Pflicht zur Nachforderung (so zum jeweiligen Landesrecht: Oberverwaltungsgericht für das Land Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. November 2006 – 4 L 191/06, LKV 2008, 139; Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. April 2008 - 4 ZKO 610/07 -, LKV 2009, 35; Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15. Dezember 2009 – 1 L 323/06 -, Juris; Driehaus in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 26 ff. m. w. N.). Hat der Beitragsbescheid die sachliche Beitragspflicht allerdings bereits voll ausgeschöpft, steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung und das daraus folgende Verbot der Doppelbelastung im Ergebnis auch jedem weiteren Nachforderungsbescheid oder einer Ersetzung durch einen Bescheid mit höherer Beitragsforderung für die gleiche Maßnahme entgegen. Sollte der Erstbescheid dagegen die - einmalig und endgültig entstandene - sachliche Beitragspflicht in der Höhe noch nicht ausgeschöpft haben, führt dieser Erstbescheid regelmäßig auch nicht zur Beendigung des Beitragsschuldverhältnisses (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. November 2006 – 4 L 191/06, LKV 2008, 139; Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. April 2008 - 4 ZKO 610/07 -, LKV 2009, 35; Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15. Dezember 2009 – 1 L 323/06 -, Juris) . Hieran gemessen war eine Nacherhebung vorliegend nicht möglich, da der ursprüngliche Beitragsbescheid die Beitragsforderung bereits voll ausgeschöpft hat. Der Beitrag kann nicht erneut festgesetzt werden. Denn der Beklagte setzte mit Bescheid vom 31. Dezember 1999 den entsprechend seinem damaligen Satzungsrecht maximal möglichen Beitrag fest. Dass die ursprüngliche Satzung nichtig war, führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Sowohl die zum 01. Januar 2006 in Kraft getretene BS 2005 als auch die sich Rückwirkung bis zum 01. Januar 2006 beimessende BS 2009 sehen – wie auch die dem Bescheid vom 31. Dezember 1999 zu Grunde liegende Satzung - eine Tiefenbegrenzungsregelung vor. Mithin war selbst nach den aktuellen Satzungen des Beklagten das Grundstück des Klägers zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzungen am 01. Januar 2006 nur unter Berücksichtigung der Tiefenbegrenzung von 50 m beitragspflichtig. Nach Maßgabe dieser aktuellen Satzungslage wäre der Beitrag vollständig erhoben worden; der Beitragssatz beträgt unverändert 8,18 Euro (16,00 DM im Jahr 1999). In § 4 Abs. 2 lit. c) Satz 2 BS 2009 bzw. in § 4 Abs. 2 lit. c) Satz 2 BS 2005 ist zudem jeweils ausdrücklich geregelt, dass die beitragspflichtige Fläche eines an mehrere Straßen grenzenden Grundstückes von der Straße aus zu ermitteln ist, von der der Anschluss erfolgt. Dies war zum 01. Januar 2006 die xxx-Straße; mithin war lediglich eine Heranziehung hinsichtlich des an die xxx-Straße angrenzenden Grundstücksteils möglich. Für eine Heranziehung der an der xxxstraße gelegenen Grundstücksfläche gab es zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der BS 2005 und der BS 2009 keine wirksame Ermächtigungsgrundlage. Denn der höchstzulässige Beitrag war vollständig ausgeschöpft. Daran ändert die nachträglich in der xxxstraße verlegte weitere Leitung nichts. Es handelt sich insoweit um einen Teil derselben öffentlichen Einrichtung, an die das Grundstück der Kläger spätestens im Jahr 2000 angeschlossen wurde. Durch die in der xxxstraße verlegte Leitung wird dem Grundstück der Kläger kein (weiterer) Vorteil vermittelt. Dass der Beklagte die Kläger in Folge der - jedenfalls im Jahr 1999 - rechtswidrigen Tiefenbegrenzungsregelung (vgl. Urteil der 5. Kammer vom 02. Juni 2006 - 5 K 1621/01 - ) nur für einen Teil des Grundstücks herangezogen hat, führt somit nicht dazu, dass der Grundsatz der Einmaligkeit einer Beitragserhebung umgangen werden könnte.
3.
Die Kläger haben nach Aufhebung des Bescheides einen (Folgenbeseitigungs-)Anspruch auf Rückzahlung des von ihnen bereits gezahlten Beitrages, § 113 Abs. 4 VwGO. Der Zinsanspruch für Zinsen ab Rechtshängigkeit folgt aus der entsprechenden Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, 247 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist § 291 Satz 1 BGB im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Februar 2005 - 6 B 80.04 -, zit. nach Juris). Eines behördlichen Vorverfahrens hinsichtlich des Antrages auf Rückzahlung bedurfte es gemäß § 113 Abs. 4 VwGO nicht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage, § 113 Rnr. 172, 175).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung. Gründe, die Berufung nach §§ 124, 124 a VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.805,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung entspricht der Höhe des streitbefangenen Geldbetrages.