Gericht | FG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 15.05.2017 | |
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Aktenzeichen | 5 K 5103/15 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Bescheid über die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Juli 2011 vom 23.9.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 8.5.2015 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Klägerin handelt mit Edelmetallgegenständen. Im hier streitigen Zeitraum Juli 2011 konnten Kunden über Vertriebsmitarbeiter der Klägerin Bestellungen für Gold- und Silbermünzen sowie Gold- und Silberbarren aufgeben. In dem Bestellformular mussten sie den einzusetzenden Geldbetrag und die Aufteilung auf die zu erwerbenden Gegenstände angeben. Sie konnten wählen zwischen einer mehrwertsteuerfreien Einlagerung in einem Depot eines Zollfreilagers oder der mehrwertsteuerpflichtigen Auslieferung. Zur Einlagerung hieß es: „Die Einlagerung der Waren im Zolllager (Sammelverwahrung) erfolgt durch den Produktlieferanten. Die Mindestlaufzeit beträgt 2 Jahre.“. Für die Einlagerung wurden gesonderte Gebühren berechnet, deren Höhe von der Dauer der Einlagerung abhing. Entschied sich der Kunde für die Einlagerung, so bestellte die Klägerin die Münzen oder Barren bei ihren Lieferanten, die diese unmittelbar in eines der von der Klägerin angemieteten und in B… und in C… unterhaltenen Zollfreilager lieferten. Der Kunde erhielt – neben den Bestellbestätigungen – eine Rechnung und eine Einlagerungsurkunde, in denen angegeben war, wie viel Stück Münzen oder Barren auf den von dem Kunden eingesetzten Betrag entfielen. Dies waren nicht immer ganze Stückzahlen. Die Klägerin berechnete die Anzahl der Münzen und Barren vielmehr bis zur vierten Stelle hinter dem Komma, so dass ein Kunde z.B. 4,9623 Goldmünzen erwerben konnte. Auf die von der Klägerin eingereichten Unterlagen wird verwiesen (Bl. 150 ff. der Gerichtsakte). Verlangte ein Kunde nach der Einlagerung die Auslieferung der Münzen oder Barren in die Bundesrepublik Deutschland – gegebenenfalls vorfristig –, so wurde er darauf hingewiesen, dass damit die gesetzliche Mehrwertsteuer zuzüglich Versandkosten und anteiligen Lagergebühren anfielen. Die Klägerin rundete dann die eingelagerten Stückzahlen ab und lieferte diese aus. Die „verbleibenden“ Bruchstücke kaufte sie an und verrechnete den Kaufpreis mit der Umsatzsteuer. Der Kunde hatte auch die Möglichkeit, die Münzen oder Barren im Wert der zu verrechnenden Umsatzsteuer an die Klägerin zurückzugeben, um dann nur die verbleibenden Stückzahlen ausgeliefert zu bekommen.
Die Klägerin behandelte die vorstehend beschriebenen Umsätze als nicht steuerbar. Im Zuge einer bei ihr durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung kam die Prüferin ausweislich des geänderten Berichts vom 31.8.2012, auf den Bezug genommen wird, zu der Auffassung, dass es sich um steuerbare und dem Regelsteuersatz unterliegende steuerpflichtige sonstige Leistungen handele. Mit Abschluss der Verkaufsverträge erlangten die Kunden lediglich einen Lieferanspruch und könnten nach den Vertragsbedingungen jederzeit die Eigentumsübertragung verlangen. Davon machten sie in der Regel aber nicht Gebrauch, weil sie eine Steigerung des Edelmetallpreises erwarteten. Damit habe der Kunde mit der Zusage der Klägerin, jederzeit zu liefern, das bekommen, was er mit dem Kaufvertrag erstrebe. Dass es sich dabei um eine sonstige Leistung handele, ergebe sich auch im Umkehrschluss aus § 25 c Abs. 1 Umsatzsteuergesetz – UStG –. Der Gesetzgeber fingiere beim Handel von Anlagegold in Form von Zertifikaten über sammel- oder einzelverwahrtes Gold eine Lieferung, was belege, dass ansonsten eine sonstige Leistung vorliege. Die Anwendung dieser Norm komme für die eingelagerten zertifizierten Goldmünzen nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorlägen. Der Ort der sonstigen Leistung befinde sich nach § 3 a Abs. 1 UStG im Inland.
Der Beklagte folgte dem mit dem Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für den Monat Juli 2011 vom 23.9.2013. Die Klägerin machte mit ihrem Einspruch geltend, dass der Verkauf der Edelmetalle, die im Ausland im Sammeldepot verwahrt würden, eine Lieferung im Sinne von § 3 Abs. 1 UStG darstelle. Der Kunde erwerbe nicht lediglich einen Lieferanspruch. Alles sei auf eine Eigentumsverschaffung ausgerichtet. Die Kunden könnten jederzeit über die Gegenstände verfügen. Die Einlagerung stehe einer Eigentumsübertragung nicht entgegen. Die körperliche Übergabe der Sache werde durch ein Besitzmittlungsverhältnis ersetzt. Sie, die Klägern, habe bereits vor der Einlagerung Fremdbesitzerwillen, so dass ein antizipiertes Besitzkonstitut begründet worden sei. Soweit nach dem Eigentumserwerb durch die Vermischung bei der Sammeleinlagerung aus dem Eigentumsanteil Miteigentum geworden sei, stehe dies nicht im Widerspruch zum zuvor vollzogenen Eigentumserwerb.
Das durch etwaige Vermischung entstandene Miteigentum stehe nicht ihr, der Klägerin, sondern den Kunden zu. Auch die Bruchteillieferungen widersprächen dem nicht. Insofern habe es sich stets nur um eine Nebenleistung zur Lieferung ganzer Münzen gehandelt. Eine andere Bewertung ergebe sich auch nicht aus § 25c UStG, der die Besteuerung von Umsätzen mit Anlagegold regele. Um solches handele es sich hier nicht. Die Norm betreffe die Fälle, in denen der Anleger nicht die Verfügungsmacht an dem Anlageprodukt erhalte, sondern nur einen Verschaffungsanspruch. Vorliegend werde aber gerade Eigentum verschafft.
Mit Entscheidung vom 8.5.2015 wies der Beklagte den Einspruch betreffend die Umsatzsteuervorauszahlung Juli 2011 als unbegründet zurück. Er führte aus, dass eine Lieferung die Verschaffung der Verfügungsmacht voraussetze. Diese sei in der Regel mit dem Eigentumsübergang auf den Leistungsempfänger verbunden. Ein solcher habe nicht stattgefunden. Entgegen der Annahme der Klägerin beurteile sich der Vollzug des Eigentumserwerbs nicht nach deutschem, sondern nach schweizerischem Recht. Auch hier gelte der Bestimmtheitsgrundsatz. Die übereignete Sache müsse im Zeitpunkt der Einigung über den Eigentumsübergang so bestimmt bezeichnet sein, dass jeder, der die Vereinbarungen der Vertragspartner kenne, die übereignete Sache ohne Schwierigkeiten von anderen unterscheiden könne. Da die Klägerin ihrerseits die Ware erst bestellen müsse, seien die Gegenstände im Zeitpunkt der Vornahme der Bestellung durch den Kunden nicht individualisiert.
Anderes ergebe sich weder aus den vorgelegten Bestellscheinen nebst Vertragsbedingungen für Edelmetallkaufverträge noch aus der entsprechenden „Rechnung zur Einlagerung" und der Einlagerungsurkunde. Der Bestellschein beschreibe die Sachen lediglich nach Gewicht und Gattung und enthalte daneben nur die Angabe, dass die Edelmetallstücke in ein Zolllager geliefert und im Rahmen einer Sammelverwahrung gelagert werden sollten. Entsprechendes gelte für die „Rechnung zur Einlagerung" die nur eine bestimmte Gattung von Edelmetallen mit dem entsprechenden Gewicht beschreibe. Diese Bezeichnung genüge dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Einlagerungsurkunde, da darin ebenfalls eine individualisierte Gattung von Edelmetallen nach Gewicht angegeben werde. Es fehlten ein Merkmal, das die Sachen hinreichend über die Gattung hinaus bezeichne, sowie ein Hinweis auf einen räumlich hinreichend abgrenzbaren Bereich, in dem sich die der Gattung nach beschriebenen Gegenstände befänden. Die Kunden hätten auch kein Miteigentum durch Vermengung der der Vereinbarung zugrunde liegenden Edelmetalle bei der Sammeleinlagerung erworben, da sie nicht zuvor Eigentümer der alten Sache gewesen seien.
Selbst dann aber, wenn man eine Eigentumsverschaffung unterstelle, hätten die Kunden lediglich einen Miteigentumsanteil an dem jeweiligen Sammeldepot erworben. Dies führe nicht zu einer Lieferung im Sinne von § 3 Abs. 1 UStG. Die Übertragung von ideellen Miteigentumsanteilen sei keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung. Der Sachverhalt sei vergleichbar mit der buchmäßigen Erfassung von Edelmetallbeständen auf sogenannten Gewichtskonten. Für diesen Fall habe der Bundesfinanzhof – BFH – bereits entschieden, dass keine Lieferung im Sinne von § 3 Abs. 1 UStG, sondern eine sonstige Leistung vorliege. Gegenstand einer Lieferung könnten nur Sachen und Wirtschaftsgüter sein, die wie Sachen umgesetzt würden.
Die Klägerin habe ihren Kunden auch nicht in sonstiger Weise Verfügungsmacht über die Edelmetalle verschafft. Dies setze voraus, dass dem Abnehmer unbedingt und endgültig Substanz, Wert und Ertrag an einem körperlichen Gegenstand übertragen würden. Aus den vorgelegten Belegen ergebe sich, dass es sich um eine Geldanlage handele. Das Bestellformular trage die Überschrift „Einmalanlage". Weiterhin vereinbare die Klägerin mit ihren Kunden eine Depotverwahrung mit einer Mindesteinlagerungszeit von zwei Jahren. Der „Rechnung zur Einlagerung" und der von der D… AG ausgestellten Einlagerungsurkunde sei eine nur durch Gattung und Gewicht bezeichnete und nicht näher konkretisierte Menge von Edelmetallen zu entnehmen. Damit könnten die Kunden nicht wie Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand verfügen. Die tatsächliche Sachherrschaft verbleibe bei dem Lagerhalter bzw. bei der Klägerin. Der Kunde erwerbe teilweise nur Bruchstücke an Münzen oder Barren, die die Klägerin nicht vorrätig habe und bei Auflösung des Depots auch nicht liefern könne. Da nur der Geschäftsführer der Klägerin sowie Herrr E… berechtigt seien, Veränderungen im Lagerdepot vorzunehmen, könne die Klägerin die für einen bestimmten Kunden eingelieferten Edelmetalle jederzeit in unmittelbaren Besitz nehmen, sich aneignen oder an einen Dritten veräußern. Auch mit der Übergabe der Einlagerungsurkunde erwerbe der Kunde einen Anspruch auf Herausgabe eines bestimmten körperlichen Gegenstands nicht, da diese nicht von dem Lagerhalter, sondern von der Klägerin oder der D… AG ausgestellt werde.
Bei den Einlagerungsurkunden handele es sich nicht um Wertpapiere, bei denen das Recht aus dem Papier dem Recht am Papier folge. Sie seien nicht unterschrieben und wiesen nicht den Namen und den Wohnort des Einlagerers aus. Die aufgelisteten Edelmetalle würden nur nach Beschaffenheit und Menge, jedoch nicht durch ein individualisierendes Merkzeichen bestimmt. Selbst wenn die Einlagerungsurkunde ein Wertpapier wäre, könnte der Kunde über das Sammeldepot nicht verfügen, da die Einlagerungsurkunde nur den erwähnten Kunden als Verfügungsberechtigten nenne.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, dass eine Lieferung schon dann vorliege, wenn der Erwerber über den Gegenstand faktisch so verfügen könne, als wäre er der Eigentümer. Nach dem ausdrücklichen Willen der Vertragsparteien sollten Wert, Substanz und Ertrag an den Gegenständen auf den jeweiligen Erwerber übergehen. Ausweislich der Vertragsunterlagen könne der Kunde sich die gewählten Münzen persönlich ausliefern oder im Ausland einlagern lassen. Bei Einlagerung habe er nach Ablauf der von ihm gewählten Einlagerungsfrist jederzeit das Recht, sich die von ihm erworbenen Münzen aushändigen zu lassen. Er könne die Münzen ihr, der Klägerin, auch zum Kauf anbieten. In jedem Fall handele es sich um Möglichkeiten, wie sie nur dem zustünden, der wie ein Eigentümer über einen Gegenstand verfügen könne.
Soweit der Beklagte meine, dass der Kunde im Regelfall körperlichen Besitz an den Produkten nicht erlangen wolle, sei dies spekulativ. Ein Anhaltspunkt hierfür finde sich weder in den Verträgen noch der tatsächlichen Abwicklung. Im Gegenteil sei es gerade ihre, der Klägerin, Marketingstrategie, den Kunden die tatsächliche physische Verfügungsmacht über die Anlageprodukte zu verschaffen, da in Zeiten erheblicher Unsicherheiten am Anlagemarkt Privatanleger erfahrungsgemäß in Sachwerte investierten und nicht nur abstrakte Anlageprodukte wünschten.
Dass die Kunden nicht nur einen Lieferanspruch erwürben, folge bereits aus dem Werbematerial, der Bestellung, den allgemeinen Geschäftsbedingungen, der Rechnung und der Einlagerungsurkunde. Sie, die Klägerin, biete ausschließlich physische Edelmetalle an. Die Kunden könnten auch vor Ablauf der Einlagerungsfrist über die Edelmetalle verfügen. Seit Mitte 2010 hätten zahlreiche Kunden von diesem Recht Gebrauch gemacht. Für die Kunden sei von Gewicht, dass die Staaten in vergangenen Krisenzeiten zwar das Gold und Silber ihrer Bürger eingezogen, Münzen und Schmuck jedoch nicht angetastet hätten. Deshalb seien die Kunden auch bereit, wesentlich höhere Preise für die von ihr, der Klägerin, gehandelten Gegenstände zu zahlen, die zwischen 40 und 100 % über dem Materialwert lägen. Dafür erhielten sie besondere und stark limitierte Sammler-Produkte aus besonderen Prägeserien.
Etwaiges durch Vermischung entstandenes Miteigentum stehe nicht ihr, der Klägerin, sondern den Kunden zu. Auch die „Bruchteillieferungen“ widersprächen dem nicht. Insoweit habe es sich stets nur um eine Nebenleistung zur Lieferung ganzer Münzen gehandelt, die den Charakter der Hauptleistung als Lieferung teile. Im Übrigen verweist die Klägerin auf das Urteil des BFH vom 18.02.2016 (V R 53/14), demzufolge die Verschaffung eines Miteigentumsanteils eine Lieferung und nicht eine sonstige Leistung sei.
Selbst wenn sonstige Leistungen vorlägen, wären diese in der Bundesrepublik Deutschland nicht steuerbar, weil sie von ihrer, der Klägerin, ausländischen Betriebsstätte erbracht würden. Unstreitig unterhalte sie im Ausland ein von F… als ihrem Subunternehmer betriebenes Zollfreilager, in dem sie die Gegenstände von ihren Vorlieferanten in Empfang nehme und ihren Kunden übereigne. Jedenfalls im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 5 Abgabenordnung – AO – sei ein Warenlager als Betriebsstätte anzusehen.
Für den Eigentumserwerb sei nach den Vorstellungen der Parteien allein das deutsche Recht maßgeblich. Danach seien Einigung und körperliche Übergabe erforderlich, wobei letztere durch ein Besitzmittlungsverhältnis ersetzt werde. Ihr, der Klägerin, Vorlieferant habe die Gegenstände in das Zollfreilager angeliefert, das sie als Mieterin der F… gehalten habe. Deren Mitarbeiter hätten die gelieferten Gegenstände für sie, die Klägerin, als konkludent Bevollmächtigte und damit für den jeweiligen Kunden angenommen. Sofern der Beklagte behaupte, dass eine Zuordnung der einzelnen Edelmetalle zu den Kunden unmöglich sei, unterschlage er, dass bereits im Zeitpunkt der Anlieferung der Münzen durch den Vorlieferanten die Eigentumsübertragung erfolgt sei, nämlich durch die buchmäßige Zuordnung jedes einzelnen Anlieferungsvorganges zum einzelnen Kunden. Aufgrund der Einlagerungsvereinbarung habe sie, die Klägerin, bereits vor der Entgegennahme der Münzen Fremdbesitzerwillen und mit jedem einzelnen Kunden ein antizipiertes Besitzkonstitut begründet. Der jeweilige Kunde als Käufer sei damit mittelbarer Besitzer seiner Münzen.
Der Hinweis des Beklagten auf die Rechtsprechung des BFH zu den „Gewichtskonten“ liege neben der Sache, da es sich bei ihr, der Klägerin, nicht um eine Bank handele, die einen Handel mit Lieferansprüchen über Edelmetalle betreibe.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Juli 2011 vom 23.9.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 8.5.2015 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt ergänzend vor, dass die Münzen nach den – tatsächlich durchgeführten – Vertragsbedingungen unstreitig in „Sammelverwahrung“ einzulagern seien, so dass Miteigentum an den eingelagerten Sachen entstehe. Es fehle damit an einem Gegenstand, an dem im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG Verfügungsmacht hätte verschafft werden können. Auch bei Einlieferung erfolge keine Lieferung der Münzen an die Käufer. Diese erlangten auch zu diesem Zeitpunkt nicht zivilrechtliches Alleineigentum. Das hierfür erforderliche besondere Rechtsverhältnis sei in den Vertragsbedingungen nicht vereinbart worden. Es habe auch keine stillschweigende Vereinbarung bestanden. Zudem fehle es für einen Eigentumserwerb an einer hinreichenden Zuordnung der einzelnen Lieferungen zu den einzelnen Bestellungen. Die bloße Mutmaßung der Klägerin, die Münzen seien womöglich in der gleichen zeitlichen Reihenfolge wie die bezahlten Bestellungen angeliefert worden, ersetze eine solche Zuordnung nicht.
Die Klägerin habe in der Schweiz eine eigene Betriebsstätte nicht unterhalten. Der Verweis auf § 12 S. 2 AO gehe fehl. Der Begriff der Betriebsstätte in § 3a UStG sei richtlinienkonform dahingehend zu bestimmen, dass eine feste Einrichtung mit eigener personeller und technischer Ausstattung erforderlich sei. Eine Zuordnung einer Dienstleistung zu einer anderen Niederlassung als dem Sitz des Leistenden komme nur in Betracht, wenn diese Niederlassung aufgrund des ständigen Zusammenwirkens der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personal- und Sachmittel einen zureichenden Mindestbestand aufweise. Hieran fehle es, weil die Klägerin in der Schweiz nicht über eigenes Personal verfüge.
Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Gerichtsakte folgende Akten des Beklagten vorgelegen: ein Band „Rechtsbehelfsakte“ (blattiert bis Bl. 185), ein Band Akten „Verträge mit Ergänzungen“, ein Band „Berichte über Umsatzsteuer-Sonderprüfungen“, ein Band „USt-Voranmeldungen“ (Hilfsakte 2014 + 2015) sowie ein Band „Auszug Up-Akte“ (blattiert bis Bl. 87).
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Entgegen der Auffassung des Beklagten hat die Klägerin im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Edelmetallgegenständen an ihre Kunden Lieferungen und keine sonstigen Leistungen ausgeführt.
Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Diese Bestimmung setzt Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem – Mehrwertsteuersystemrichtlinie (im Folgenden: MwStSystRL) – in nationales Recht um.
Der unionsrechtliche Begriff "Lieferung von Gegenständen" bezieht sich nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen. Er umfasst vielmehr jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. z.B. Urteile Shipping and Forwarding Enterprise Safe vom 8.2.1990 – C-320/88 –, Umsatzsteuer-Rundschau – UR – 1991, 289, Rz 7 f.; Auto Lease Holland vom 6.2.2003 – C-185/01 –, UR 2003, 137, Rz 32; Eon Aset Menidjmunt vom 16.2.2012 – C-118/11 –, UR 2012, 230, Rz 39; NLB Leasing vom 2. 7.2015 – C-209/14 –, Mehrwertsteuerrecht – MwStR – 2015, 636, Rz 29, m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, ist unter der Übertragung der Verfügungsmacht die Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag zu verstehen. Eine inhaltliche Abweichung zur Rechtsprechung des EuGH ist darin nicht zu sehen (s. etwa BFH, Urteil vom 25.2.2015 – XI R 15/14 –, BFH/NV 2015, 772, Rz 66, m.w.N.).
Eine Übertragung der Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, kann z.B. dann vorliegen, wenn der dem zivilrechtlichen Eigentümer zustehende Herausgabeanspruch wertlos ist oder der Eigentümer den wirtschaftlichen Gehalt des Gegenstands dem Abnehmer auf sonstige Weise zuwendet. Dem Herausgabeanspruch des Eigentümers kommt dabei z.B. dann keine wirtschaftliche Bedeutung mehr zu, wenn der Nutzungsberechtigte nach dem Nutzungsvertrag verlangen kann, dass ihm das zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgut unentgeltlich oder zu einem geringen Entgelt übertragen wird (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 16.4.2008 – XI R 56/06 –, BStBl II 2008, 909, Rz 26, m.w.N. sowie Urteil vom 24.10.2013 – V R 17/13 –, BStBl II 2015, 513, Rz 24).
Ob die Verfügungsmacht in diesem Sinne übertragen wird, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalls, d.h. den konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten (s. nur BFH, Urteil vom 9.2.2006 – V R 22/03 –, BStBl II 2006, 727, Rz 20;). Dies ist vom nationalen Gericht festzustellen (vgl. z.B. EuGH, Urteil Shipping and Forwarding Enterprise Safe, C-320/88 Rs. C-61/1990, a.a.O., Rz 13; Centralan Property vom 15.12.2005 – C-63/04, UR 2006, 418, Rz 63).
Da die Verschaffung der Verfügungsmacht nur dann zu einer Lieferung führt, wenn dem Leistungsempfänger Substanz, Wert und Ertrag eines Gegenstandes zugewendet werden, folgt hieraus, dass allein die Verschaffung der Befähigung Gegenstände im eigenen Namen zu veräußern, noch nicht zwangsläufig zu einer Lieferung führt. Nur dann, wenn sich aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers der wirtschaftliche Gehalt des Leistungsvorgangs auf die wirtschaftliche Substanz der Sache als solche bezieht, führt die Verschaffung der Verfügungsmacht zu einer Lieferung. Das entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen liegt nicht in der Verschaffung der Verfügungsmacht, sondern im Leistungsobjekt, dem Leistungsgegenstand (Nieskens in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 UStG Rn. 640)
Wie der BFH weiter entschieden hat (Urteil vom 9.9.2015 – XI R 21/13 –, BFH/NV 2016, 597), folgt aus den genannten Grundsätzen nicht, dass eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit notwendige Voraussetzung für das Vorliegen einer Lieferung ist. Bereits der Gesetzeswortlaut von § 3 Abs. 1 UStG sieht vor, das der liefernde Unternehmer "den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen". Diese Bestimmung ermöglicht damit, dass eine Lieferung durch eine direkte Auslieferung an einen Dritten (z.B. Zweiterwerber) bewirkt werden kann (vgl. Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 UStG Rz 158). In diesem Fall hat der Abnehmer selbst keine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den Liefergegenstand. Aus der Aussage, dass es für eine umsatzsteuerrechtliche Verfügung "genügt", tatsächlich auf den Liefergegenstand einzuwirken (vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 653), ergibt sich nicht, dass ein "tatsächliches Einwirken auf den Gegenstand" notwendige Voraussetzung für eine Lieferung wäre.
Eine Lieferung kann auch dadurch bewirkt werden, dass der Liefergegenstand in Vollzug einer auf Eigentumsübertragung gerichteten Vereinbarung durch Einräumung mittelbaren Besitzes übergeben wird (vgl. BFH, Urteil vom 8.9.2011 – V R 43/10, BStBl II 2014, 203, Rz 18). Auch in diesem Fall hat der Erwerber keine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den gelieferten Gegenstand.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin an ihre Kunden auch in den Fällen, in denen diese sich für eine Einlagerung der von ihnen erworbenen Edelmetallgegenstände in einem der von der Klägerin zur Verfügung gestellten Zollfreilager in B… und C… entschieden haben, den Leistungsempfängern Substanz, Wert und Ertrag der Gegenstände zugewendet hat, so dass von einer Lieferung auszugehen ist. Die körperliche Übergabe der Sache wurde durch ein Besitzmittlungsverhältnis ersetzt, da die Klägerin ausweislich der vorgelegten vertraglichen Vereinbarungen mit den Kunden, an deren tatsächlicher Durchführung der Senat keinen Anlass zu zweifeln hat, mit Fremdbesitzerwillen handelte, so dass ein antizipiertes Besitzkonstitut begründet wurde. Nach den Hinweisen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ist unter Ziffer 2. (Treuhandbedingungen) ausgeführt, dass die Verfügung über die Vermögenswerte des Depots für den Inhaber zu jeder Zeit möglich sei. Weiter ist unter Ziffer 5. (Beendigung Ihrer Einlagerung) festgehalten, dass der Kunde berechtigt ist, die Einlagerung jederzeit zu beenden und sich die Depot-Bestände ausliefern zu lassen.
Die Klägerin hat ferner unter Vorlage entsprechender Nachweise (Bl. 159 ff. der Gerichtsakten) belegt, dass eine Aushändigung der von den Kunden erworbenen Medaillen tatsächlich ohne Weiteres möglich war und auch von zahlreichen Kunden genutzt worden ist. So hat sie exemplarisch den Fall von Kunden anhand der einschlägigen Nachweise belegt, die am 28.09.2010 zu einem Gesamtbetrag von 14.200 € 401,6973 Stück Silber-Dirham erwarben, die ausweislich der Einlagerungs-Urkunde vom 12.10.2010 von der G… Aktiengesellschaft mit Sitz in C… (Schweiz) eingelagert und nach Anforderung der Kunden vom 2.11.2010 ausgelagert und an diese gegen Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer von 19 % auf den Nennwert von 14.200 € an diese in der Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert wurden.
Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt es auch nicht an einer hinreichenden Zuordnung der einzelnen Lieferungen zu den einzelnen Bestellungen. Wie der Vertreter der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist die jeweils gelieferte Ware im Computersystem den jeweiligen Käufern konkret zugeordnet worden. Dem ist der Beklagte nicht substantiiert entgegen getreten.
Mit Blick auf das vorstehend Gesagte war aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers der wirtschaftliche Gehalt des Leistungsvorgangs eindeutig darauf gerichtet, den Kunden die wirtschaftliche Substanz der Sache zuzuwenden. Insbesondere vermag der Senat nicht zu erkennen, dass diese lediglich einen Leistungsanspruch gegenüber der Klägerin erwerben sollten.
Der Umstand, dass die Kunden in aller Regel nicht ganze Stückzahlen, sondern auch Bruchteile an Münzen oder Barren erwarben, steht der Verschaffung der Verfügungsmacht nicht entgegen. Denn auch die Übertragung eines Miteigentumsanteils stellt nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 18.2.2016 – V R 53/14 –, BFH/NV 2016, 869), der sich der Senat anschließt, eine Lieferung dar. Wie der BFH in dieser Entscheidung unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung ausgeführt hat, wäre die vom Beklagten angenommene Beurteilung der Übertragung des Miteigentumsanteils an einem Gegenstand als sonstige Leistung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar: Nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a sowie Art. 135 Abs. 1 Buchst. j und Art. 137 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL können nicht nur Gebäude, sondern auch „Gebäudeteile” Gegenstand einer Lieferung sein. Dies setzt voraus, dass in Bezug auf einen Gegenstand gleichzeitig mehrere Lieferungen bewirkt werden können. Dementsprechend hat der EuGH in dem zitierten Urteil Centralan Property Ltd. (C-63/04, a.a.O.) sowohl die Einräumung eines Besitzrechts an einem bebauten Grundstück als auch die eng damit verbundene Übertragung des „Resteigentums” an einen anderen Erwerber jeweils als Lieferung beurteilt (s. insbesondere Rz. 26/27 und Rz. 64 der genannten Entscheidung). Die Aufspaltung der Verfügungsmacht an einem körperlichen Gegenstand mit der Folge, dass mehrere Personen das Recht innehaben, über einen Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, entspricht damit der Rechtsposition eines Miteigentümers, der nach § 747 Satz 1 BGB über seinen Miteigentumsanteil frei verfügen kann.
Miteigentum nach Bruchteilen ist seinem Wesen nach dem Alleineigentum gleichartig, sodass der Miteigentümer dieselbe Rechtsposition hat wie ein Eigentümer (Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 10.5.2007 – V ZB 6/07, BGHZ 172, 209, unter III.3.a bb). Bestätigt wird diese Auffassung dadurch, dass das Miteigentum als Bruchteil an einem körperlichen Gegenstand – ebenso wie das Volleigentum als dessen wesensgleiches Minus – im Wirtschaftsleben wie ein körperlicher Gegenstand behandelt wird (Stadie, UStG, 3. Aufl., § 3 Rz 7; Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 1455; Frye in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 6a Rz 138).
Mit Blick auf die eindeutige Rechtslage vermag der Hinweis des Beklagten auf § 25 c Abs. 1 UStG an der rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern. Der Umkehrschluss auf die in dieser Vorschrift angeordnete Fiktion einer Lieferung für den Handel von Anlagegold in Form von Zertifikaten über sammel- oder einzelverwahrtes Gold vermag das Vorliegen einer sonstigen Leistung im hier zu beurteilenden Fall nicht zu begründen.
Selbst dann aber, wenn man mit dem Beklagten vom Vorliegen einer sonstigen Leistung ausgehen wollte, wäre diese in der Bundesrepublik Deutschland nicht steuerbar. Nach § 3a Abs. 1 S. 1 UStG in der hier maßgeblichen Fassung wird eine sonstige Leistung vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen §§ 3b und 3f an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, so gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung. Diese Regelung setzt Art. 43 ff. MwStSystRL um und ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 19.11.1998 – V R 30/98, BStBl. II 1999, 108; Beschluss vom 14.4.2010 – V B 157/08, BFH/NV 2010, 1315), der sich der Senat anschließt, richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 45 Satz 2 MwStSystRL gilt dann, wenn Dienstleistungen an einen Nichtsteuerpflichtigen von der festen Niederlassung des Dienstleistungserbringers, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, aus erbracht werden, als Ort dieser Dienstleitungen der Sitz der festen Niederlassung. Nach Art. 11 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gilt als "feste Niederlassung "jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nach Artikel 10 dieser Verordnung, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden“.
Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 28.6.2007 C-73/06, Planzer, Slg. 2007, I-5655, BFH/NV 2007, 418) ist Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Gesellschaft der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung dieser Gesellschaft getroffen und die Handlungen zu deren zentraler Verwaltung vorgenommen werden. Bei der Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Gesellschaft ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, und zwar in erster Linie der statutarische Sitz, der Ort der zentralen Verwaltung, der Ort, an dem die Führungskräfte der Gesellschaft zusammentreffen, und der – gewöhnlich mit diesem übereinstimmende – Ort, an dem die allgemeine Unternehmenspolitik dieser Gesellschaft bestimmt wird. Andere Elemente, wie der Wohnsitz der Hauptführungskräfte, der Ort, an dem die Gesellschafterversammlung zusammentritt, der Ort, an dem die Verwaltungsunterlagen erstellt und die Bücher geführt werden, und der Ort, an dem die Finanz- und insbesondere die Bankgeschäfte hauptsächlich wahrgenommen werden, können ebenfalls in Betracht gezogen werden. Zwar kann ein und derselbe Ort gleichzeitig Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit und feste Niederlassung des betreffenden Unternehmens sein; der Begriff des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit hat jedoch eine vom Begriff der Niederlassung unabhängige Bedeutung (EuGH, Urteil Planzer a.a.O.). Dagegen ist eine fiktive Ansiedlung in der Form, wie sie für eine Briefkastenfirma oder für eine Strohfirma charakteristisch ist, nicht als Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit einzustufen (EuGH, Urteil Planzer a.a.O. Rn. 62; Urteil vom 2.5.2006 – C-341/04, Eurofood IFSC, Slg. 2006, I-3813 Rn. 35, m.w.N.).
Wie der EuGH (Urteil Planzer a.a.O. Rn. 20) weiter entscheiden hat, verlangt der Niederlassungsbegriff einen durch das ständige Zusammenwirken der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personal- und Sachmittel gebildeten Mindestbestand (s.a EuGH, Urteil vom 20.2.1997 – C-260/95, DFDS, Slg. 1997, I-1005 Rn. 23; Urteil vom 17.7.1997 C-190/95, ARO Lease, Slg. 1997, I-4383 Rn. 15) und setzt daher – wie ausgeführt – einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur voraus, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht. Dabei sind u.a. folgende Grundsätze zu beachten (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 15.05.2014 in der Rechtssache Welmory, EU:C:2014:340, Rn. 48 ff.):
– Für die Annahme einer festen Niederlassung in einem Staat ist es nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige dort über Personal verfügt, das bei ihm selbst angestellt ist, oder über Sachmittel, die sich in seinem Eigentum befinden. Es würde zu Missbrauch einladen, wenn ein Steuerpflichtiger allein dadurch die Besteuerung von Dienstleistungen von einem Mitgliedstaat in den anderen verlagern könnte, indem er seinen Personalbedarf über verschiedene Dienstleister deckte. Gleiches gilt für Sachmittel.
– Auch wenn eine feste Niederlassung nicht zwingend eigenes Personal und eigene technische Ausstattung erfordert, muss dem Steuerpflichtigen jedoch aufgrund des Erfordernisses eines hinreichenden Grads an Beständigkeit der Niederlassung eine vergleichbare Verfügungsgewalt über das Personal und die Sachmittel zustehen.
– Ein Steuerpflichtiger kann zwar nicht als solcher eine feste Niederlassung eines anderen Steuerpflichtigen darstellen; dies schließt aber nicht aus, dass ein Steuerpflichtiger engen und beständigen Zugriff auf die personelle und technische Ausstattung eines anderen Steuerpflichtigen hat, der auch gleichzeitig für die dadurch begründete feste Niederlassung in anderer Hinsicht ein Dienstleistungserbringer sein kann.
Ausgehend von diesen Maßstäben steht nach Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin die streitigen Dienstleistungen von einer festen Niederlassung in der Schweiz aus erbracht hat. Mit Blick darauf, dass die Klägerin nach ihrem vom Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Vortrag ein von F… als ihrem Subunternehmer betriebenes Zollfreilager unterhielt, in dem sie die Gegenstände von ihren Vorlieferanten in Empfang nahm und ihren Kunden mittels des zuvor vereinbarten Besitzmittlungsverhältnisses übereignete, verfügte sie zumindest engen und beständigen Zugriff auf die personelle und technische Ausstattung eines anderen Steuerpflichtigen und verfügte mithin über eine Struktur, die es ihr ermöglichte, ihre Dienstleistungen autonom in der Schweiz zu erbringen.
Damit war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.