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Bodenordnungsverfahren; vorzeitige Ausführungsanordnung; Landabfindung; Geldabfindung; Verzicht; bedingte Zustimmung; Bedeutung von Einwendungen gegen die Wertgleichheit; bestandskräftige Wertfestsetzung; vorläufiger Rechtsschutz (abgelehnt)


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 70. Senat Entscheidungsdatum 16.05.2012
Aktenzeichen OVG 70 S 2.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 58 Abs 2 LAnpG, § 63 Abs 2 LAnpG, § 63 FlurbG

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der auf-schiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die vorzeitige Ausführungsanordnung vom 20. Dezember 2011 des Bodenordnungsplans vom 4. Februar 2009 und seines 1. Nachtrags vom 6. Januar 2010 für das Bodenordnungsverfahren „…“ wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Zur Abgeltung der dem Gericht entstandenen baren Auslagen wird ein Pauschsatz in Höhe von 15 EUR erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig nach einem Streitwert von 2.500 EUR.

Gründe

Als Teilnehmerin des Bodenordnungsverfahrens „…“ wendet sich die Antragstellerin gegen die vom Antragsgegner in diesem Verfahren erlassene und für sofort vollziehbar erklärte vorzeitige Ausführungsanordnung.

Die Antragstellerin, die über Einlagegrundstücke im Umfang von 7.485 m² in dem insgesamt knapp 22 ha umfassenden Verfahrensgebiet verfügt, hat gegen die im Bodenordnungsplan vom 4. Februar 2009 für sie vorgesehene Landabfindung mit der Begründung Widerspruch eingelegt, sie begehre zwar kein für sie wertloses Austauschland, mit einer Wertabfindung bzw. einem Kaufpreis sei sie allerdings nur im Falle einer Höhe von 59.242,50 € einverstanden. Der Antragsgegner hat dem Widerspruch nicht abgeholfen und ihn im August 2009 der Spruchstelle zur Entscheidung vorgelegt. Weitere Widersprüche gegen den Bodenordnungsplan sind nach den nicht bestrittenen Angaben des Antragsgegners und soweit ersichtlich nicht anhängig.

Durch Bescheid vom 20. Dezember 2011 ordnete der Antragsgegner die vorzeitige Ausführung des Bodenordnungsplans und seines 1. Nachtrags mit Wirkung vom 1. Januar 2012 sowie die sofortige Vollziehung der Ausführungsanordnung an und machte sie u.a. im Amtsblatt für das Amt Burg (Spreewald) Nr. 2/2012 vom 1. Februar 2012 bekannt. Hiergegen hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 20. Februar 2012 mit der Begründung Widerspruch erhoben, wie seit langem bekannt begehre sie nicht den Erhalt von Austauschflächen, sondern den Verkauf des Landes.

Den mit Schriftsatz vom 15. März 2012 gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs begründet die Antragstellerin im Wesentlichen damit, seit Beginn des Bodenordnungsverfahrens nicht an Austauschland (Acker), sondern am Verkauf des Grundstücks zu einem allerdings deutlich höheren Preis interessiert zu sein. Da dieses nach dem Bodenordnungsplan teilweise, d.h. mit 4.365 m², dem Innenbereich zuzuordnen sei und bebautes Land darstelle, müsse für diesen Teil, solange kein neuer Flächennutzungsplan existiere, der seinerzeitige Kaufwert von 25,00 DM/m², nicht aber 1,00 €/m², zugrunde gelegt werden.

II.

Der gem. § 60 LwAnpG i.V.m. § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG und § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässige Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Anordnung der vorzeitigen Ausführung des Bodenordnungsplans und seines 1. Nachtrags durch Bescheid vom 20. Dezember 2011 hat keinen Erfolg. Die bei der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende, im Rahmen des hiesigen Verfahrens mögliche Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der getroffenen Anordnung einbeziehende Abwägung der gegenläufigen öffentlichen und privaten Interessen fällt zu Lasten der Antragstellerin aus.

Die gesetzlichen Voraussetzungen der vorzeitigen Ausführungsanordnung sind erfüllt. Gemäß § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 63 Abs. 1 FlurbG (zur Anwendbarkeit im Bodenordnungsverfahren: Urteil v. 4. Juni 2009 - 70 A 1.08 -, zit. nach juris Rn 17 f.) kann die Ausführung des Bodenordnungsplans vor seiner Unanfechtbarkeit angeordnet werden, wenn die Flurbereinigungsbehörde verbliebene Widersprüche gemäß § 60 Abs. 2 der oberen Flurbereinigungsbehörde vorgelegt hat und aus einem längeren Aufschub der Ausführung voraussichtlich erhebliche Nachteile erwachsen würden.

In der Rechtsprechung (z.B. BVerwG, Beschluss v. 21. März 1978 - 5 CB 60.75 -, RzF Nr. 11 zu § 63 Abs. 1 FlurbG; Urteil v. 4. November 1959 - 1 C 118.59 -, zit. nach juris Rn 14) ist anerkannt, dass die vorzeitige Ausführungsanordnung gerade für den Fall der Anfechtung des Flurbereinigungsplans der Beschleunigung des Verfahrens dient, um die festgesetzte Neuregelung sobald wie möglich in die Wirklichkeit umzusetzen und den Beteiligten die Vorteile der Bereinigung schon zu einem Zeitpunkt zu verschaffen, in dem der Plan noch nicht rechtskräftig geworden ist. Aus einem längeren Aufschub der Ausführung des Flurbereinigungsplanes können wegen der Behinderung des Grundstücksverkehrs auch dann erhebliche Nachteile erwachsen, wenn die neuen Grundstücke - wie hier - aufgrund einer vorläufigen Besitzeinweisung bereits bewirtschaftet werden. Denn unter diesen Umständen ist eine Verfügung über die noch im Grundbuch eingetragenen, in der Örtlichkeit oft gar nicht mehr erkennbaren alten Grundstücke nur noch schwer möglich (Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 19. Februar 2003 - 9 C 11144/02.OVG -, NUR 2004 S. 318; vgl. auch Schwantag/Wingerter, Flurbereinigungsgesetz, 8. Aufl. 2008, § 63 Rn 1). Einer weiteren Substantiierung oder gar einer Individualisierung von im Fall eines längeren Aufschubs des neuen Rechtszustands voraussichtlich entstehenden erheblichen Nachteilen bedarf es insoweit regelmäßig nicht.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Antragsgegner zutreffend angenommen. Der von ihm als unbegründet angesehene Widerspruch der Antragstellerin ist der für Widersprüche u.a. gegen den Bodenordnungsplan zuständigen Spruchstelle für Flurbereinigung zur Entscheidung vorgelegt worden. Widersprüche anderer Teilnehmer gegen den Bodenordnungsplan sind nicht anhängig. Auch hat der Antragsgegner konkret dargetan, dass aus einem längeren Aufschub der Ausführung voraussichtlich erhebliche Nachteile erwachsen würden, weil erst durch die vorzeitige Ausführungsanordnung der im Bodenordnungsplan und seinem 1. Nachtrag vorgesehene neue Rechtszustand herbeigeführt, den Teilnehmern das Eigentum an ihren neuen Grundstücken verschafft und die Voraussetzungen für eine ungehinderte Verfügung über die neuen Grundstücke und eine Normalisierung des Grundstücksverkehrs geschaffen würden. Eine Reihe von Grundstücken, darunter das Einlagegrundstück der Antragstellerin, sei mit einer Milchviehanlage überbaut, für deren Betreiberin der Hinzuerwerb und die Zusammenführung des getrennten Boden- und Gebäudeeigentums Voraussetzung für die Möglichkeit der Besicherung von Krediten für den Aus- und Umbau der Anlage und die Aufrechterhaltung ihrer Funktionalität durch die notwendige Erfüllung ständig wachsender Modernisierungs- und Umweltansprüche sei, so dass den Beteiligten wie auch der Allgemeinheit ein längeres Hinausschieben wegen der mit dem bisherigen vorläufigen Zustand verbundene Rechtsunsicherheit nicht zumutbar sei. Dem ist die Antragstellerin nicht substantiiert entgegengetreten.

Auch die Ermessensausübung des Antragsgegners ist bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Bei der nach § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 63 Abs. 1 FlurbG im Ermessen der Behörde stehenden Entscheidung sind unter sorgfältiger Prüfung aller Umstände die Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen, die sich aus dem vorzeitigen Eintritt der rechtlichen Wirkungen des Flurbereinigungsplans ergeben. Dabei sind die Zahl und die Bedeutung noch nicht entschiedener Beschwerden und die Möglichkeit, dass bei deren Erfolg eine Änderung des Bodenordnungsplans erforderlich werden kann, in Betracht zu ziehen (BVerwG, Beschluss v. 21. März 1978 - 5 CB 60.75 -, RzF Nr. 11 zu § 63 Abs. 1 FlurbG, Urteil v. 27. Februar 1958 - I C 93.56 -, NJW 1958 1553, 1554). Nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob die einzelnen Beteiligten und insbesondere die Rechtsmittelführerin wertgleich abgefunden worden ist. Lediglich schwerwiegende Bedenken gegen die Wertermittlung und die Abfindung, die einschneidende Auswirkungen auf den Flurbereinigungsplan befürchten lassen, weil sie offensichtliche und schwerwiegende Bedenken gegen die angewendete Wertermittlungsmethode begründen, können die Rechtmäßigkeit der Ausführungsanordnung in Frage stellen (BVerwG, Beschluss v. 21. März 1978 - 5 CB 60.75 -, RzF Nr. 11 zu § 63 Abs. 1 FlurbG; Beschluss v. 23. Februar 1961 - I CB 143.60 -, RzF Nr. 3 zu § 63 Abs. 1 FlurbG; vgl. auch Schwantag/Wingerter, Flurbereinigungsgesetz, § 63 Rn 3).

Davon ausgehend ist die streitgegenständliche vorzeitige Ausführungsanordnung vom 20. Dezember 2012 voraussichtlich nicht zu beanstanden. Denn der Antragsgegner stellt zu Recht maßgeblich darauf ab, dass der unbestritten allein verbliebene Widerspruch der Antragstellerin einen weiteren Aufschub der Ausführung nicht rechtfertigen kann und dass deren Interessen auch dadurch gewahrt blieben, dass eine Grundbuchberichtigung der voraussichtlich durch den Widerspruch berührten Flächen gem. § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. den §§ 79 Abs. 2 und 82 FlurbG nicht zulässig sei und der Bodenordnungsplan auch nach der vorzeitigen Ausführungsanordnung - rückwirkend auf den mit dieser festgesetzten Stichtag - geändert werden könne.

Soweit die Antragstellerin demgegenüber geltend macht, von Anfang an nicht an Austauschland (Acker), sondern nur am Verkauf des Grundstücks, dies allerdings nur, wenn ihren (weit höheren) Wertvorstellungen entsprochen werde, interessiert zu sein, rechtfertigt das keine andere Beurteilung. Denn eine derartige bedingte Zustimmung ist schon nicht als ein „Verzicht auf Landabfindung“ im Sinne des § 58 Abs. 2 LwAnpG anzusehen (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1998 - 11 C 5/97 -, juris Rz. 32 m.w.N.). Danach genügt eine Erklärung, nur dann mit einer Abfindung einverstanden zu sein, wenn eine solche auf der Grundlage der eigenen Wertvorstellungen vorgenommen werde, nicht für eine Zustimmung im Sinne dieser Norm.

Darüber hinaus sind Einwendungen gegen die Wertgleichheit der Abfindung, wie sie von der Antragstellerin geltend gemacht werden, wenn sie ausführt, Teile des Einlagegrundstücks seien als Innenbereich und bebautes Land mit einem höheren Kaufwert zu berücksichtigen, für die Rechtmäßigkeit einer vorzeitigen Ausführungsanordnung gemäß § 63 FlurbG aber auch unbeachtlich. Denn hierdurch wird nur bestimmt, wann der neue Rechtszustand eintritt, nicht aber, wie dieser aussieht, was allein der (Flurbereinigungs- bzw. Bodenordnungs-)Plan selbst regelt. Anders wäre dies nur, wenn sich hieraus einschneidende Auswirkungen auf den Bodenordnungsplan selbst ergeben würden bzw. sich aufdrängte, dass der Plan in seiner Gesamtheit fehlerhaft ist (vgl. für das Verhältnis einer solchen Anordnung zum Flurbereinigungsplan: Schwantag/Wingerter, a.a.O., § 63 Rn. 3 und Beschluss des Senats vom 26. März 2012 - OVG 70 S 1.12 -). Dass dies hier der Fall wäre, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.

Schließlich dürfte die Höhe des Wertabfindungsanspruchs der Antragstellerin aber auch bereits bestandskräftig festgestellt sein. Denn der Antragsgegner verweist insoweit auf den diesbezüglichen Widerspruchsbescheid des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz vom 6. Juni 2005, durch den - im Anschluss an ein erfolgreiches Klageverfahren der Antragstellerin - ein Anspruch auf 10.820,45 Werteinheiten und ein Wertbetrag in dieser Höhe neu festgesetzt worden ist. Hiergegen sei Klage nicht erhoben worden. Dem ist die Antragstellerin nicht entgegengetreten, entsprechende Klageerhebung ist auch nicht etwa behauptet worden.

Anderweitige Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Ausführungsanordnung bzw. die Anordnung der sofortigen Vollziehung sind weder geltend gemacht worden noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 60 LwAnpG, § 147 Abs. 1 FlurbG und § 154 Abs. 1 VwGO. Der - mangels Erkennbarkeit der sich für die Antragstellerin ergebenden wirtschaftlichen Bedeutung mit dem Auffangwert gem. § 52 Abs. 2 GKG zu bemessende - Wert ihres Begehrens war wegen der Vorläufigkeit der angestrebten Eilentscheidung zu halbieren (vgl. Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu II. 1.5 und 13.2.3).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).