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Soldatenrecht


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 2. Kammer Entscheidungsdatum 09.03.2015
Aktenzeichen VG 2 K 2/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 53 Abs 2 BBesG, § 53 Abs 4 Nr 1 BBesG, § 74 VwGO

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der Wehrbereichsverwaltung N..., Außenstelle K..., vom 25. Oktober 2011 in der Gestalt des Beschwerdebescheides der Wehrbereichsverwaltung N..., Außenstelle K... vom 9. Oktober 2012 verpflichtet, dem Kläger einen erhöhten Auslandszuschlag gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 BBesG zu gewähren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger steht als Berufsoffizier im Range eines Fregattenkapitäns im Dienste der Beklagten. Mit Kommandierungsverfügung des Personalamts der Bundeswehr vom 18. Februar 2011 wurde er vom 28. Februar 2011 bis zum 30. Juni 2011 zum Bundeswehrkommando US/CA in Reston, USA, abkommandiert und erhielt unter anderem Auslandszuschlag gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 BBesG. Gem. Ziffer 4 des Bescheides war er verpflichtet, dort amtliche unentgeltliche Unterkunft in Anspruch zu nehmen und auf Selbstverpflegung angewiesen. Ihm wurde in Tampa ein ziviles Appartement zur Verfügung gestellt, indem er gemeinsam mit seiner Ehefrau wohnte. Mit Bescheid vom 11. April 2011 wurde ihm Auslandstrennungsgeld und Aufwandsentschädigung für die Dauer der Auslandsverwendung gewährt. Telefonisch wurde ihm am 06. Juni 2011 mitgeteilt, dass die Zahlung des um 40 % erhöhten Auslandszuschlags gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 BBesG nicht in Betracht komme. Darauf beantragte er mit Schreiben vom 06. Mai 2011 die Festsetzung eines entsprechend erhöhten Auslandszuschlags.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2011 lehnte die Wehrbereichsverwaltung N..., Außenstelle K..., den Antrag ab und führte zur Begründung aus, dass der Kläger während seines Auslandsaufenthaltes zum Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet gewesen sei, weshalb er den Auslandszuschlag lediglich in Höhe von 85 % erhalte. Die Minderung des Satzes 4 beziehe sich ausschließlich auf den nach Satz 1 bewilligten Auslandszuschlags und schließe im Falle einer Gemeinschaftsunterkunftsverpflichtung die Berücksichtigung einer weiteren Person gemäß Satz 2 aus, zumal es sich bei der Gemeinschaftsunterkunft nicht um eine gemeinsame Wohnung handele. Gemäß Nr. 1 der Verwaltungsvorschriften zu § 69 Abs. 2 BBesG sei Gemeinschaftsunterkunft jede von Amts wegen bereitgestellte Unterkunft, so dass auch das von ihm in Tampa bewohnte zivile Appartement keine Ausnahme darstelle. Im Übrigen würde eine Berücksichtigung der Ehefrau bei Inanspruchnahme der unentgeltlichen Unterkunft eine Besserstellung gegenüber den nichtverpflichteten Soldaten bedeuten, die mit ihrer Ehefrau eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt mieten müssten.

Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 24. November 2011 Beschwerde und führte zur Begründung aus: Der Zuschlag gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 BBesG erhöhe sich nach § 53 Abs. 2 Satz 2 BBesG bei der ersten neben dem Soldaten berücksichtigungsfähigen Person um 40 %. Nach § 53 Abs. 4 Nr. 1 seien berücksichtigungsfähige Personen Ehegatten, die mit dem Soldaten „am ausländischen Dienstort eine gemeinsame Wohnung haben“. § 53 Abs. 2 Satz 4 BBesG sehe eine Minderung des Auslandszuschlags auf 85 % vor, wenn der Soldat eine unentgeltlich bereitgestellte Gemeinschaftsunterkunft in Anspruch nehme. Während des gesamten Kommandierungszeitraumes habe seine Ehefrau mit ihm am Dienstort in der ihm zugewiesenen gemeinsamen Wohnung gelebt. Dabei habe es sich um ein ziviles Appartement mit Schlafzimmer, Badezimmer, Küche und Wohnzimmer in einer Appartementanlage und nicht um eine militärische Unterkunft innerhalb einer Kaserne gehandelt. Der Auslandszuschlag solle den quantitativen und qualitativen Mehraufwand sowie die immateriellen Belastungen pauschal abgelten, die durch eine Tätigkeit im Ausland anfielen. Die höchsten Belastungen habe der Gesetzgeber bei verheirateten Beamten, Richtern und Soldaten angenommen, die mit ihren Ehegatten am ausländischen Dienstort eine „gemeinsame Wohnung“ hätten. Die Auffassung der Behörde, wonach die Minderung gemäß § 53 Abs. 2 Satz 4 BBesG die Berücksichtigung einer weiteren Person gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 BBesG ausschließe, ergebe sich nicht aus dem Gesetzeswortlaut und sei mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht in Einklang zu bringen.

Mit Beschwerdebescheid vom 09. Oktober 2012 wies die Wehrbereichsverwaltung N..., Außenstelle K... die Beschwerde zurück und führte ergänzend zur Begründung aus, dass in den Verwaltungsvorschriften zur alten Fassung der Auslandsbesoldung ausdrücklich klargestellt worden sei, dass die Bereitstellung der Gemeinschaftsunterkunft die Gewährung eines höheren Auslandszuschlags auch bei Vorhandensein einer gemeinsamen Wohnung ausschließe. Da der Gesetzgeber hierbei insoweit bei der Neuregelung offensichtlich keine materiell-rechtlichen Änderungen beabsichtigt habe, seien diese Bestimmungen aus Gründen der Gleichbehandlung weiterhin anzuwenden. Der Beschwerdebescheid wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 12. Oktober 2012 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

Der Kläger hat am 09. November 2012 beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main die vorliegende Klage erhoben.

Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Vorverfahren und trägt ergänzend vor, dass im Hinblick auf den pauschalierenden Charakter des Auslandszuschlags eine Plausibilisierung von Mehrkosten im Einzelfall nicht erforderlich sei. Unabhängig davon seien Mehraufwendungen gegeben gewesen, denn gemäß Ziff. 4 der Kommandierungsverfügung vom 18. Februar 2011 sei er ebenso wie seine Ehefrau auf Selbstverpflegung angewiesen gewesen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Wehrbereichsverwaltung N..., Außenstelle K... vom 25. Oktober 2011 in Gestalt des Beschwerdebescheides der Wehrbereichsverwaltung N..., Außenstelle K... zu verpflichten, ihm einen erhöhten Auslandszuschlag gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 BBesG zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide.

Mit Beschluss vom 12. Dezember 2012 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main den Rechtsstreit an das erkennende Gericht verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter entscheiden (§§ 101 Abs. 2, 87 a Abs. 2, 3 VwGO).

Die Verpflichtungsklage ist zulässig. Die Klagefrist von einem Monat gemäß § 74 Abs. 1 VwGO wurde eingehalten. Zwar hat der Kläger die Klage zunächst bei dem örtlich unzuständigen Verwaltungsgericht Frankfurt am Main erhoben, obwohl in der Rechtsmittelbelehrung des Beschwerdebescheides das örtlich zuständige Gericht angegeben ist. Die Klage ist nach der Verweisung dort erst am 02. Januar 2013 eingegangen. Geht die Klage bei einem unzuständigen Gericht ein, so ist zu unterscheiden: Wird die Klage an ein sachlich, örtlich oder instanziell unzuständiges Gericht oder gar an ein Gericht eines anderen Rechtswegs gerichtet, so wird die Klagefrist dennoch gewahrt, wenn der Kläger bei diesem Gericht Klage erheben wollte (BVerwG, DVBl. 1993, 562). Insofern kommt es nicht darauf an, ob die Verweisung an das zuständige Gericht gemäß § 83 VwGO i. V. m. § 17 a GVG vor oder nach Fristablauf erfolgt (BVerwG a. a. O.). Dies gilt selbst dann, wenn die Klage schuldhaft beim unzuständigen Gericht erhoben wurde. Davon zu unterscheiden ist der Fall, bei denen die Klageschrift bei einem Gericht eingeht, an das die Klage nach Auslegung der Klageschrift nicht gerichtet ist. Eine solche Klage ist bei dem Gericht, bei dem die Klageschrift eingegangen ist, nicht erhoben worden, so dass für die Fristwahrung in diesen Fällen maßgeblich ist, ob die Klage noch innerhalb der Frist bei dem Gericht eingeht, welches der Kläger tatsächlich anrufen wollte (BVerwGE 53, 141; zum Vorstehendem Kopp/Schenke, VwGO, 20.Aufl. 2014, § 74 Rdnr. 8). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger vorliegend die Klagefrist gewahrt, da er innerhalb der Monatsfrist die an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main gerichtete Klage bei diesem Gericht eingereicht hat.

Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung eines erhöhten Auslandszuschlags. Der Bescheid der Wehrbereichsverwaltung N..., Außenstelle K... vom 25. Oktober 2011 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 09. Oktober 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Gewährung des erhöhten Auslandszuschlages ist § 53 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 4 Nr. 1 BBesG. Danach erhöht sich der Betrag des Auslandszuschlages bei der ersten neben dem Soldaten berücksichtigungsfähigen Person nach Abs. 4 Nr. 1 um 40 %. Gemäß § 53 Abs. 4 Nr. 1 BBesG sind im Auslandszuschlag berücksichtigungsfähige Personen Ehegatten, die mit dem Beamten, Richter oder Soldaten am ausländischen Dienstort eine gemeinsame Wohnung haben. Gemäß § 53 Abs. 2 Satz 4 BBesG wird der Betrag auf 85 % gemindert, wenn der Soldat unentgeltlich bereitgestellte Gemeinschaftsunterkunft oder Verpflegung in Anspruch nimmt. Dies gilt gemäß Satz 5 entsprechend, wenn eine dienstliche Verpflichtung zur Inanspruchnahme von Unterkunft oder Verpflegung besteht oder entsprechende Geldleistungen gezahlt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat zum Begriff der gemeinsamen Wohnung in seinem Urteil vom 27. April 2004 – 2 WD 4/04 –, BVerwGE 120, 350, ausgeführt: „Aus dem Regelungszusammenhang, der Entstehungsgeschichte und dem daraus ableitbaren Zweck der gesetzlichen Regelung folgt jedoch, dass eine "gemeinsame Wohnung" von Eheleuten dann vorliegt, wenn die Wohnung für beide Ehepartner nach Zuschnitt und Einrichtung geeignet ist, als Mittelpunkt der privaten Lebensführung zu dienen, und auch dementsprechend gemeinsam genutzt wird. Dies setzt die Aufgabe des vorhergehenden gemeinsamen Lebensmittelpunktes ebenso voraus wie ein nicht dauerndes Getrenntleben der Eheleute. Außerdem darf für keinen der Ehegatten ein anderer Ort als Lebensmittelpunkt vorhanden sein (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Juni 2002 - 1 A 2416/00 - <RiA 2002, 291>). Denn der erhöhte Auslandszuschlag findet seine Rechtfertigung in den besonderen finanziellen und immateriellen Belastungen, die die Eheleute auf sich nehmen müssen, wenn sie gemeinsam am ausländischen Dienstort wohnen. Die Berücksichtigung der berufstypischen Mehrbelastungen und die besondere Situation der Ehegatten im Auslandsdienst waren Anlass für den Gesetzgeber, deren Beiträge zur Bewältigung dienstlicher Aufgaben im Ausland und deren Einschränkung der eigenen Berufsausübung durch den höheren Auslandszuschlag auszugleichen (vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Dienst- und Besoldungsrechtlichen Begleitgesetzes zum Gesetz über den Auswärtigen Dienst <Begleitgesetz Auswärtiger Dienst, BTDrucks 11/6543 S. 9> sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu diesem Gesetzentwurf <BTDrucks 11/7248 S. 17>; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Juni 2002 - 1 A 2416/00 - <a.a.O.>). Ausgehend davon erfordert das Vorliegen einer "gemeinsamen Wohnung" im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 BBesG, dass beide Ehepartner die Wohnung am ausländischen Dienstort zum Mittelpunkt ihrer Lebensführung gemacht haben.“

Ausgehend von diesen Grundsätzen handelte es sich vorliegend bei dem außerhalb der Kaserne liegenden, von dem Kläger und seiner Ehefrau bewohnten Appartement unzweifelhaft um eine gemeinsame Wohnung gemäß § 53 Abs. 4 Nr. 1 BBesG. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die Bereitstellung von Gemeinschaftsunterkunft dem nicht entgegen, denn es ist davon auszugehen, dass sich der Auslandszuschlag auch in diesem Fall nach Abs. 1 Satz 2 bemisst (vgl. Reich/Preißler, BBesG a. a. O.Rdn. 12). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes und entspricht auch dessen Sinn und Zweck, für die mit der Auslandsverwendung verbundenen besonderen finanziellen und immateriellen Belastungen der Eheleute einen Ausgleich zu gewähren. Der Vorteil, der durch die unentgeltlich bereit gestellte Unterkunft besteht, wird durch die in Satz 4 vorgesehene Minderung abgeschöpft, sodass sich der erhöhte Auslandszuschlag vorliegend auf 85 % reduziert. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, aus den Verwaltungsvorschriften zur alten Fassung der Auslandsbesoldung ergebe sich, dass die Bereitstellung der Gemeinschaftsunterkunft die Gewährung eines höheren Auslandszuschlags auch bei Vorhandensein einer gemeinsamen Wohnung ausschließe und der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung offensichtlich keine materiell-rechtlichen Änderungen beabsichtigt. Nach § 55 BBesG in der Fassung vom 20. Dezember 2001 wurde der Auslandszuschlag nach den Anlagen VIa bis VIh gewährt. Bedienstete, die mit ihrem Ehegatten am ausländischen Dienstort eine gemeinsame Wohnung hatten, wurde grundsätzlich den Auslandszuschlag nach Anlage VIa gewährt (§ 55 Abs. 2 BBesG). Bedienstete, die dienstlich zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet waren bzw. denen unentgeltlich Unterkunft bereitgestellt wurde (§ 55 Abs. 4 BBesG) erhielten Auslandszuschlag nach Anlage VIe. Gem. Ziffer 55.4.2 VwV zu § 55 BBesG erfasste diese Regelung auch die in § 55 Abs. 2 BBesG genannten Besoldungsempfänger. Demgegenüber richtet sich der Auslandszuschlag in der Neuregelung des § 53 BBesG nunmehr nach der Anlage VI.1. bzw. ggfs. nach Anlage VI.2. Zusätzlich wurde in § 53 Abs. 2 Satz 4 BBesG die Minderung des Auslandszuschlags auf 85 % geregelt. Die gesetzlichen Grundlagen zur Gewährung des Auslandszuschlags wurden damit grundlegend überarbeitet, sodass bei der Auslegung der aktuellen, neu konzipierten Gesetzesfassung ein Rückgriff auf veraltete Verwaltungsvorschriften nicht in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.