Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 FGO) - Verzögerungsgeld

Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 FGO) - Verzögerungsgeld


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 23.10.2012
Aktenzeichen 5 V 5284/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Vollziehung des Bescheides über die Festsetzung von Verzögerungsgeld vom 28.2.2012 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung im Verfahren 5 K 5209/12 ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Gründe

I.

Während der beim Antragsteller durchgeführten Betriebsprüfung für die Jahre 2005-2007 erbat der Prüfer mit Schreiben vom 17.12.2010 die Übersendung von Unterlagen, aus denen die Vermietungsabsicht hinsichtlich der Wohnung B… hervorgeht „(Makleraufträge, Inserate o.ä.)“ sowie der „Mietverträge C…; D…“. Nachdem der Antragsteller der Aufforderung nicht nachgekommen war, forderte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 20.5.2011 letztmalig auf, die erforderlichen Unterlagen bis zum 7.6.2011 vorzulegen und drohte an, ein Verzögerungsgeld von Höhe von 2.500 € - 250.000 € festzusetzen, sollte dies nicht geschehen.

Am 7.6.2011 übersandte der Antragsteller den Mietvertrag für das Objekt C… und teilte mit, dass der Mietvertrag für das Objekt in D… beim Mieter angefordert aber noch nicht eingetroffen sei. Die Vermietung dieser Wohnung sei von einer Tochtergesellschaft des Bauträgers übernommen worden, die nicht mehr bestehe. Der Originalmietvertrag liege vermutlich dort. Die Wohnung in B… werde zwar seit 2005 bewohnt. Es sei jedoch weder ein Mietvertag unterschrieben noch Miete oder Wohngeld gezahlt worden. Seit Ende 2010 werde die Wohnung auf Betreiben der X..-Bank zwangsverwaltet.

Mit Bescheid vom 28.2.2012 setzte der Antragsgegner ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € fest und führte zur Begründung aus, dass der Antragsgegner der Aufforderung vom 17.12.2010 nicht nachgekommen sei und den Mietvertrag für die Wohnung in D… nicht vorgelegt habe. Den hiergegen eingelegten Einspruch begründete der Antragsteller u.a. damit, dass der Antragsgegner hinsichtlich der Wohnung in D…, die seit 1996 sein Eigentum sei, bereits umfassend geprüft habe, ob sie tatsächlich der Erzielung von Einkünften aus Vermietung gedient habe. Hierzu sei dem Antragsgegner bereits der Mietvertrag vorgelegt worden. Wenn die Kopie des Vertrages dem Antragsgegner nicht mehr vorliege, könne dies nicht dem Steuerpflichtigen angelastet werden. Da die Wohnung seit 1995 vermietet sei, könne sich der Prüfer auch anders vom Fortbestehen des Mietverhältnisses überzeugen. Hierzu seien ihm Kontoauszüge der X..-Bank überreicht worden, aus denen der regelmäßige Zufluss der Miete zu entnehmen sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 29.5.2012 wies der Antragsgegner den Einspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, es werde bei der Festsetzung des Verzögerungsgeldes nicht nach der Art der angeforderten Unterlagen differenziert. Im Streitfall scheide die Festsetzung nicht dem Grunde nach aus. Da die Finanzbehörde Art und Umfang der Ermittlungen bestimme, könne offen bleiben, ob und welche Unterlagen dem Antragsteller teilweise nicht vorlägen oder ob er sie im Rahmen der Veranlagung vor über zehn Jahren bereits schon einmal vorgelegt habe. Erst nach Androhung des Verzögerungsgeldes habe der Antragsteller die Übersendung von Unterlagen in Aussicht gestellt. Da der Antragsteller auch acht Monate nach dieser Ankündigung die Unterlagen nicht vollständig vorgelegt habe, sei die Durchführung der Außenprüfung schuldhaft beeinträchtigt worden, was die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes rechtfertige. Die Festsetzung sei ermessensgerecht. Es sei lediglich der Mindestbetrag von 2.500 € festgesetzt worden, womit der Umfang der nicht übersandten Unterlagen gewürdigt worden sei.

Unter dem Aktenzeichen 5 K 5209/12 ist die Klage gegen das Verzögerungsgeld anhängig. Nach Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung durch den Antragsgegner macht der Antragsteller zur Begründung seines gerichtlichen Aussetzungsantrages geltend, schon aus der Einspruchsentscheidung ergebe sich, dass der Antragsgegner von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei. Dort werde die Festsetzung des Verzögerungsgeldes auch auf die fehlenden Unterlagen hinsichtlich des Grundstücks in B… gestützt. Zudem sei die Festsetzung im Streifall fraglich, weil sie die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betreffe und nicht die gewerblichen Einkünfte. Ferner habe der Beklagte nicht alle vorliegenden Unterlagen herangezogen, was einen Ermessensfehler darstelle. Der Antragsgegner hätte ihn -den Antragsteller- auf das Fehlen des Mietvertrages hinweisen müssen. Der Vertrag sei offenbar abhanden gekommen. Der Mieter habe trotz mehrfacher Aufforderung keine Kopie des Mietvertrages zur Verfügung gestellt. Eine unmögliche Handlung könne auch nicht durch Zwangsmittel erzwungen werden.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung des Bescheides über die Festsetzung von Verzögerungsgeld vom 28.2.2012 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer Entscheidung im Verfahren 5 K 5209/12 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er macht geltend, die Festsetzung sei gerechtfertigt, da der Antragsteller nur einen Teil der angeforderten Unterlagen vorgelegt habe. Verzögerungsgeld sei nicht nur auf Gewerbetreibende beschränkt. Die vorgelegten Kontoauszüge seien allenfalls geeignet zu belegen, dass Geld auf dem Konto des Antragstellers eingegangen sei.

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Verfahrensakte und der Akte zum Verfahren 5 K 5209/12 ein Band mit Einkommensteuerakten (Band IX) und ein Aktenband mit dem Arbeitsbogen vorgelegen.

II.

Der Antrag ist begründet.

Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand, auf dessen summarische Überprüfung das Gericht im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung beschränkt ist, bestehen ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit Abs. 2 S. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO- an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides. Es spricht einiges dafür, dass der Antragsgegner bei der Festsetzung des Verzögerungsgeldes sein Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt hat.

Nach der Regelung des § 146 Abs. 2b Abgabenordnung -AO- kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a S. 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt oder er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde ins Ausland verlagert. Die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes ist hiernach möglich, wenn ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamtes zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. von § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer angemessenen Frist nicht nachkommt. Eine Beschränkung des Verzögerungsgeldes auf Fälle im Zusammenhang mit einer ohne Bewilligung der Finanzbehörde erfolgten Verlagerung der Buchführung ins Ausland oder unterbliebener Rückverlagerung der Buchführung aus dem Ausland ist angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 146 Abs. 2b AO nicht vorzunehmen (BFH-Beschluss vom 16.6.2011, IV B 120/10, BStBl II 2011, 855).

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 146 Abs. 2b AO dürften im Streitfall zwar erfüllt sein. Gegenüber dem Antragsteller ist durch vollziehbare Prüfungsanordnungen des Antragsgegners eine Außenprüfung angeordnet worden. Der Antragsgegner durfte deshalb die Aufforderungen zur Übersendung von Unterlagen an den Antragsteller vom 14.12.2010 und 20.5.2011 erlassen. Da sich die aufgrund von § 193 Abs.1 AO angeordnete Betriebsprüfung bei einem Unternehmer auch auf nichtbetriebliche Sachverhalte erstrecken kann (BFH-Urteil vom 21.11.1985, IV R 323/84, BStBl II 1986, 437), war der Antragsgegner ferner nicht gehindert, die Vermietungseinkünfte des Antragstellers zu prüfen und entsprechende Unterlagen anzufordern.

Der Antragsgegner dürfte nach summarischer Prüfung mit der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes jedoch das ihm eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt haben.

Nach § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden. Es handelt sich somit um eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde, die zunächst entscheiden muss, ob sie ein Verzögerungsgeld festsetzt (Entschließungsermessen) und auf der nächsten Stufe festzulegen hat, in welcher Höhe (Auswahlermessen). Die Ermessensentscheidung der Finanzbehörde ist gemäß § 102 FGO gerichtlich nur eingeschränkt dahingehend überprüfbar, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.

Der Senat schließt sich der von einigen Finanzgerichten zu ähnlich gelagerten Fällen vertretenen Auffassung an, dass das Entschließungsermessen nicht dergestalt vorgeprägt ist, dass eine Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen der Außenprüfung zur Festsetzung eines Verzögerungsgeldes regelmäßig ausreicht und insbesondere Verschuldensaspekte beim Entschließungsermessen nicht zu berücksichtigen sind. In das Entschließungsermessen sind vielmehr alle entscheidungserheblichen Umstände einzubeziehen, insbesondere Verschuldensaspekte, auch wenn dies, anders als etwa beim Verspätungszuschlag nach § 152 AO, im Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO nicht genannt wird (vgl. Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 1.2.2011, 3 K 64/10, EFG 2011, 846; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.5.2011, 13 K 13246/10, EFG 2011, 1945; Urteil vom 18.1.2012, 12 K 12205/10, EFG 2012, 898; Beschluss vom 23.2.2012, 3 V 3006/12, EFG 2012, 1225; Hessisches FG, Beschluss vom 8.8.2011, 8 V 1281/11, EFG 2011, 1949; FG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2011, 2 V 173/11, EFG 2012, 382). Zur Frage, welche Grundsätze für die Ermessensausübung hinsichtlich der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes wegen der Nichtvorlage angeforderter Unterlagen im Rahmen einer Außenprüfung gelten, ist beim BFH unter dem Aktenzeichen IV R 25/11 ein Verfahren anhängig.

Bei Anwendung dieses Maßstabes hat der Antragsgegner nach summarischer Prüfung sein Entschließungsermessen nicht zweckmäßig gebraucht. Der Bescheid über die Festsetzung des Verzögerungsgeldes, die entsprechende Einspruchsentscheidung und der Vortrag des Antragsgegners lassen nicht erkennen, dass das Verschulden des Antragstellers und die Bedeutung der angeforderten Unterlagen für die Betriebsprüfung hinreichend berücksichtigt wurden. Angesichts des hohen Mindestbetrages des Verzögerungsgeldes von 2.500 € wären Überlegungen des Antragsgegners zum Entschließungsermessen angezeigt gewesen. Soweit der Antragsgegner die Festsetzung des Verzögerungsgeldes auch auf fehlende Unterlagen hinsichtlich des Objekts in B… stützt, wofür die Formulierung der Einspruchsentscheidung spricht, hat er außer Betracht gelassen, dass der Antragsteller wohl keine Unterlagen vorlegen konnte. Der Antragsteller hat dem Antragsgegner mit Schreiben vom 7.6.2011 die Nutzungsverhältnisse der Wohnung in B… erläutert und auf das Nichtvorhandensein eines Mietvertrages hingewiesen. Soweit der Antragsgegner die Übersendung von Unterlagen fordert, die die Vermietungsabsicht belegen sollen, ist seine Anforderung nicht konkret genug um eine Verletzung dieser Forderung festzustellen und hierauf die Festsetzung von Verzögerungsgeld zu stützen. Im Übrigen dürfte der Vortrag des Antragstellers so zu verstehen sein, dass aufgrund der tatsächlichen Nutzung der Wohnung durch einen Mieter keine weiteren Vermietungsbemühungen unternommen worden sind, die er nachweisen könnte. Soweit der Antragsgegner das Verzögerungsgeld auf die fehlende Vorlage des Mietvertrages für die Wohnung in D… gestützt hat, lässt der Antragsgegner den Vortrag des Antragstellers unberücksichtigt, er habe den Vertrag nicht mehr vorliegen. Der Antragsgegner stellt lediglich darauf ab, dass der Antragsteller acht Monate nach seiner Ankündigung die Unterlagen nicht vollständig eingereicht habe. Erwägungen zur Beschaffbarkeit des Vertrages stellt der Antragsgegner nicht an. Hinzu kommt, dass die Bedeutung dieses Dokuments für die Durchführung der Betriebsprüfung und eine daraus resultierende Verzögerung nicht erkennbar ist. Ausführungen hierzu hat der Antragsgegner nicht gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.