Gericht | FG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 24.11.2011 | |
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Aktenzeichen | 9 K 9021/08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 191 Abs 4 AO, § 191 Abs 5 S 1 Nr 2 AO, § 231 AO, § 128 HGB, § 159 Abs 4 HGB |
Vollstreckungamaßnahmen des Finanzamtes gegenüber dem ersten Haftungsschuldner und ehemaligen Gesellschafter einer aufgelösten Vor-GmbH unterbrechen nicht die Verjährung des Haftungsanspruchs des Fiskus gegenüber dem zweiten Haftungsschuldner und ehemaligen Gesellschafter.
Der Haftungsbescheid vom ... Mai 2006 in Gestalt der Einspruchsent scheidung vom … Dezember 2007 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern der Kläger nicht zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob das Finanzamt C., dessen Rechtsnachfolger bezüglich des hiesigen Klageverfahrens der Beklagte ist, den Kläger als ehemaligen Gesellschafter der …. GmbH in Gründung mit Sitz in D. (künftig: GmbH i. Gr.) für rückständige Lohnsteuer der Gesellschaft persönlich in Haftung nehmen konnte.
Die GmbH i. Gr. mit dem Unternehmensgegenstand „Ausführung von Metallbauarbeiten jeder Art“ wurde vom Kläger sowie dem Glasermeister …. aus R. mit notariell beurkundetem Vertrag vom ... Dezember 1998 (UR-Nr. … der Notarin M. aus O.) gegründet. Beide übernahmen jeweils einen Gesellschaftsanteil in Höhe von 25 000,00 DM am Gesamtstammkapital der GmbH in Höhe von 50 000,00 DM. Zum alleinigen Geschäftsführer wurde Herr H. bestellt. Er war von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – befreit. Die GmbH sollte ihren Sitz in … haben.
Die GmbH i. Gr. gab am 12. März 1999 bzw. 14. April 1999 beim Finanzamt … Lohnsteueranmeldungen ab, die folgende Gesamt-Anmeldungsbeträge auswiesen:
Februar 1999: 8 994,62 DM Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer: 43
März 1999: 14 422,86 DM „ „ „ „ : 42
Gesamtbetrag: 23 417,48 DM
An der Erstellung der Lohnsteueranmeldungen hatte das Steuerberaterbüro …. aus Oberhausen mitgewirkt.
Im Rahmen einer Gesellschafterversammlung am …. April 1999 beschlossen die Gesellschafter auf Wunsch des Klägers die Auflösung und Abwicklung der GmbH i. Gr. Sie beschlossen außerdem, den Antrag auf Eintragung in das Handelsregister zurückzunehmen, was jedoch nicht geschah. Die laufenden Bauvorhaben sollten abgewickelt werden. Dem Gericht lagen zwei verschiedene Protokolle über diese Versammlung vor (s. a. das vorangegangene Urteil des FG Berlin 2 K 2269/02 vom 19. Oktober 2005). Nach einer Fassung des Versammlungsprotokolls handelte es sich um vier Bauvorhaben mit Ausführungsfristen von bis zu fünf Wochen. Nach der gleichen Fassung des Versammlungsprotokolls verpflichtete sich der Gesellschafter H. u. a., die ausstehenden Steuerbeträge für Februar 1999 zu bezahlen. Nach beiden Fassungen schied der Kläger mit sofortiger Wirkung aus der Gesellschaft aus und übertrug mit sofortiger Wirkung die von ihm gehaltenen Gesellschaftsanteile auf Herrn H. Die Protokolle wurden nicht notariell beurkundet. Lediglich die Unterschriften unter der einen Fassung des Versammlungsprotokolls wurden am 26. April 1999 von der Notarin ….. (UR-Nr. …..) förmlich beglaubigt.
Das Protokoll mit den notariell beglaubigten Unterschriften vom 8. April 1999 lautet wie folgt:
„Gesellschaftsversammlung vom 8.4.1999
Unter Verzicht auf alle Frist und Formvorschriften berufen wir eine Gesellschafterversammlung ein und beschließen folgendes einstimmig:
1. Die Gesellschaft wird hiermit gelöscht.
2. Die Anträge auf Eintragung der …. GmbH in das Handelsregister werden zurückgenommen.
3. Wir gehen davon aus, dass die in Gründung befindliche … GmbH sofort auseinandergesetzt wird und im Rahmen dieser Auseinandersetzung nur noch die laufenden Bauvorhaben abwickelt.
... ca. 3 Woche
... ca. 1 Woche
... ca. 5 Woche
….. ca. 5 Woche
Restleistungen durch Firma …..
4. Das Bankkonto der in Abwicklung befindlichen Gesellschaft wird ab sofort als sogenanntes Unter-Konto geführt.
5. Soweit erforderlich verpflichten sich beide Gesellschafter, diesen Beschluss vor dem Notar zu vollziehen.
6. Beide Gesellschafter erkennen an, dem jeweils anderen schadensersatzpflichtig zu sein, wenn die Durchführung dieses Beschlusses verhindert wird.
7. Kommt es mit der Beendigung der Gesellschaft zu einem Verlust, stellt Herr H. den Herrn W. von diesem im Innenverhältnis frei, bei etwaigem Gewinn steht dieser ausschließlich Herrn H. zu.
8. Herr W. scheidet ab sofort aus der Gesellschaft aus, und überträgt die von ihm eingezahlten Gründungsbeträge von 25 000,- DM dem Herrn H.
9. Herr W. übernimmt ab sofort keine Tätigkeit jeglicher Art für die Gesellschaft.
10. Krankenkassen- und Steuerzahlungen für Februar 1999 hat Herr H. auf einem Unter-Konto bei der Dresdner Bank in R. liegen. Beträge werden von Herrn H. bezahlt. „
Die andere Fassung des Protokolls hat folgenden Wortlaut:
„Gesellschafterversammlung vom 8.04.99 in Berlin
Unter Verzicht auf alle Frist- und Formvorschriften berufen wir eine Gesellschafterversammlung ein und beschließen folgendes einstimmig:
1. Die Gesellschaft wird hiermit beendet.
2. Die Anträge auf Eintragung der …. GmbH in das Handelsregister werden zurückgenommen.
3. Wir gehen davon aus, dass die in Gründung befindliche ….. GmbH sofort auseinander gesetzt wird und im Rahmen dieser Auseinandersetzung nur noch die laufenden Bauvorhaben abwickelt.
4. Das Bankkonto der in Abwicklung befindlichen Gesellschaft wird ab sofort als sogenanntes Und-Konto geführt.
5. Soweit erforderlich verpflichten sich beide Gesellschafter, diesen Beschluss vor dem Notar zu vollziehen.
6. Beide Gesellschafter erkennen an, dem jeweils anderen schadensersatzpflichtig zu sein, wenn die Durchführung dieses Beschlusses verhindert wird.
7. Kommt es mit der Beendigung der Gesellschaft zu einem Verlust, stellt Herr H. den H. W. von diesem im Innenverhältnis frei, bei etwaigem Gewinn steht dieser ausschließlich H. H. zu.
8. H. W. scheidet ab sofort aus der Gesellschaft aus, und überträgt die von ihm eingezahlten Gründungsbeträge von 25 000,- DM dem H. H.
9. H. W. übernimmt ab sofort keine Tätigkeiten jeglicher Art für die Gesellschaft.“
Die Anmeldung auf Eintragung der GmbH i. Gr. wurde vom Amtsgericht Charlottenburg mit Beschluss vom 17. September 1999 (Gz.: 99 AR 1105/99) zurückgewiesen.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom ... Oktober 1999 (Az.: ….) wurde ein Antrag der AOK S… vom ... Juli 1999 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH i. Gr. mangels Masse zurückgewiesen. Gegenüber dem vom Insolvenzgericht eingesetzten Gutachter, Rechtsanwalt V., gab Herr H. an, dass die GmbH i. Gr. ihren Geschäftsbetrieb im August 1999 aufgrund des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit ihrer Hauptauftraggeberin (…. GmbH aus W.) habe einstellen müssen. Bis dahin habe sie Umsätze in Höhe von monatlich 100 000,00 DM bis 200 000,00 DM erzielt (vgl. Seiten 11 und 12 des Gutachtens vom 10. Oktober 1999 im Insolvenzantragsverfahren).
Die GmbH i. Gr. beschäftigte laut den Recherchen von Rechtsanwalt V. 29 Arbeitnehmer. Diese waren ab August 1999 nicht mehr tätig, weil Lohnzahlungen seitens der Gesellschaft ab Juni 1999 ausblieben. Die Gesellschaft verfügte neben geleasten Büroeinrichtungsgegenständen auch nach der Geschäfteinstellung noch über ihr gehörende Bohrmaschinen, einen Computer, einen Winkelschleifer und diverses Kleinwerkzeug.
Mit am 14. Dezember 1999 beim Finanzamt C. eingegangenem Schreiben vom 9. Dezember 1999 übersandte das Finanzamt K. diesem verschiedene Anlagen (u.a. den Beschluss des AG Charlottenburg vom ... Oktober 1999 sowie das Insolvenzgutachten) und verwies darauf, dass das o. g. Finanzamt wegen des Sitzes der Geschäftsleitung für die Lohnsteuer-Arbeitgeberangelegenheiten örtlich zuständig sei, und die GmbH-Gründung ohne vorherige Eintragung gescheitert sei. Bereits unter dem 2. Dezember 1999 erhielt das Finanzamt C. Unterlagen (s. Bl. 2 der Hinweisakte Bd I). Das vorgenannte Finanzamt unternahm mit Vollstreckungsankündigung vom 9. Juni 2000 den Versuch, die rückständigen Abgabenverbindlichkeiten der GbR unmittelbar beim Kläger beizutreiben. Daraufhin zeigte das Steuerberaterbüro … aus O. dem Finanzamt mit Schreiben vom 14. Juni 2000 an, dass es den Kläger in dieser Angelegenheit vertrete. Die Steuerberater verneinten einen Haftungsanspruch des Fiskus gegenüber ihrem Mandanten und verwiesen in diesem Zusammenhang auf beigefügte Kopien der beiden Versionen der Protokolle über die Gesellschafterversammlung vom 8. April 1999.
Am 31. August 2000 erließ das Finanzamt C. gegenüber dem Kläger – wie bereits einen Tag zuvor gegenüber dem ehemaligen Mitgesellschafter H. – einen auf § 191 der Abgabenordnung (AO) i. V. m. §§ 421 und 427 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – gestützten Haftungsbescheid betr. rückständige Lohnsteuern der GmbH i. Gr. laut Lohnsteueranmeldungen für Februar und März 1999 in Höhe von 23 417,48 DM (im Hinblick auf die zusätzlich geltend gemachten und für 16 bzw. 17 Monate berechneten Säumniszuschläge in Höhe von 3 911 DM ergab sich eine Gesamt-Haftungsschuld in Höhe von 27 328,48 DM).
Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers blieb erfolglos und wurde vom Finanzamt Friedrichshain/Prenzlauer Berg mit Einspruchsentscheidung vom ... Juli 2002 als unbegründet zurückgewiesen. Mit weiterer Einspruchsentscheidung vom …. September 2002 wies das vorgenannte Finanzamt auch einen außerdem eingelegten Einspruch des Klägers gegen die Ablehnung der von ihm beantragten Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids für die Dauer des Einspruchsverfahrens als unbegründet zurück.
Daraufhin erhob der Kläger Klage beim FG Berlin (Az.: 2 K 2269/02). Mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 19. Oktober 2005 hob dieses den Haftungsbescheid auf. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, dass das Finanzamt Friedrichshain/Prenzlauer Berg keine ausreichenden Ermessenserwägungen, insbesondere zum sog. Entschließungsermessen und auch zum Auswahlermessen, vorgenommen habe. Das Urteil wurde dem vorgenannten Finanzamt am 25. November 2005 zugestellt.
Parallel zum Klageverfahren beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 23. August 2002 beim FG Berlin die Aussetzung der Vollziehung des streitgegenständlichen Haftungsbescheids für die Dauer des Klageverfahrens.
Folgende Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzbehörden gegenüber Herrn H. als weiterem Haftungsschuldner führten bis zu diesem Zeitpunkt nur zu einer geringen Tilgung der streitgegenständlichen Lohnsteuerschulden: Fruchtloser Sachpfändungsversuch durch den Vollziehungsbeamten des FA …. am 27. Oktober 2000 aufgrund eines entsprechenden Amtshilfeersuchens des Finanzamtes C.; Erlass einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber einer …GmbH + Co. Betriebs KG in D. am ... November 2000, aufgrund derer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ende August 2001 der pfändbare Arbeitslohn (ca. 170 DM mtl.) überwiesen wurde; fruchtloser Sachpfändungsversuch durch den Vollziehungsbeamten des FA …am 21. März 2002 aufgrund eines erneuten Amtshilfeersuchens vom 22. Januar 2002.
Aufgrund des Antrags vom 23. August 2002 setzte das Finanzamt C. den Haftungsbescheid in Höhe von 11 243,46 EUR mit Verfügung vom 4. Oktober 2002 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung des FG Berlin von der Vollziehung aus. Die Aussetzung der Vollziehung wurde nach Eingang des Urteils vom 19. Oktober 2005 vom o. g. Finanzamt nach Aktenlage nie beendet.
Am ... Mai 2006 erließ das Finanzamt C. gegenüber dem Kläger einen neuen, ebenfalls auf §§ 421 und 427 BGB i. V. m. § 191 der Abgabenordnung (AO) gestützten Haftungsbescheid betr. die rückständigen Lohnsteuern, Kirchenlohnsteuern sowie Solidaritätszuschläge der GmbH i. Gr. für die Monate Februar und März 1999 über insgesamt 11 431,10 EUR (einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 186,64 EUR). Der Haftungsbescheid wurde dem Kläger am 30. Mai 2006 zugestellt.
Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein, der jedoch erfolglos blieb und vom Finanzamt C. mit Einspruchsentscheidung vom ... Dezember 2007 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Zur Begründung der Haftungsinanspruchnahme führte das vorgenannte Finanzamt im Wesentlichen aus, der Kläger habe die Tatbestandsvoraussetzungen des § 191 Abs. 1 AO i. V. m. §§ 421, 427 BGB dadurch erfüllt, dass er Gesellschafter einer sog. unechten GmbH geworden sei, die mangels Eintragung in der Handelsregister als GbR zu qualifizieren sei. Der Inhalt des Protokolls der Gesellschafterversammlung vom 8. April 1999, in dem von einem Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft die Rede sei, habe auf dessen gesamtschuldnerische Haftung keinen Einfluss, da diese Erklärung nur das Innenverhältnis der Gesellschaft berühre.
Die streitgegenständlichen Steuerabzugsbeträge seien zu Lasten der von der GbR beschäftigten Arbeitnehmer einbehalten, nicht jedoch an ihn, den Fiskus, abgeführt worden.
Bemühungen seinerseits, einen Gesamtrechtsnachfolger der GmbH i. Gr. i. S. von § 45 AO zu ermitteln und bei diesem die rückständigen Abgabenverbindlichkeiten beizutreiben, seien gescheitert, weil ein solcher Gesamtrechtsnachfolger nicht vorhanden sei. Vollstreckungsbemühungen gegenüber dem anderen Haftungsschuldner H. seien wegen dessen Einkommens- und Vermögenslosigkeit im Wesentlichen fehlgeschlagen. Seit August 2001 sei er nicht mehr bei der GmbH i. Gr. beschäftigt gewesen. Weitere angestrebte Pfändungen seien ins Leere gegangen, da er sich zur Zeit in der JVA … befinde und als ….nur ein geringes Entgelt erhalte.
Das Finanzamt C. verfügte zugleich, dass die am 4. Oktober 2002 ausgesetzte Vollziehung einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung endet.
Mit seiner Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die Höhe der geltend gemachten Abgabenschulden bestritten werde. Wie bereits im Vorprozess vorgetragen, habe die GmbH i. Gr. gar keine eigenen Arbeitnehmer beschäftigt, sondern ausschließlich selbständige Subunternehmer. Des weiteren werde auch bestritten, dass die entsprechenden Lohnsteueranmeldungen beim Finanzamt K. sich auf die GmbH i. Gr. bezogen hätten.
Ferner bestünden nach wie vor Bedenken bezüglich der Ausübung des sog. Auswahlermessens seitens des Finanzamtes. Herr H. habe allein die Geschäfte der GmbH i. Gr. geführt. Er, der Kläger, sei kaum an der Geschäftsführung, geschweige denn an den finanziellen Dispositionen der Gesellschaft beteiligt gewesen. Es habe zwar Vollstreckungsversuche gegenüber Herrn H. gegeben. Diese lägen jedoch bereits mehrere Jahre zurück. Bezogen auf die heutige Situation sei noch nicht einmal erkennbar, welche Ermessenserwägungen heute zu einer Inanspruchnahme seiner, des Klägers, Person geführt hätten. Die angestellten Erwägungen würden auf falschen Annahmen beruhen, da diese bereits veraltet seien. Herr H. sei wieder auf dem Gebiet des Innenausbaus tätig. Er habe deshalb problemlos in Anspruch genommen werden können. Vor diesem Hintergrund habe das Finanzamt sein Auswahlermessen dahin gehend ausüben müssen, ausschließlich Herrn H. in Haftung zu nehmen.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom ... Mai 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... Dezember 2007 aufzuheben.
Der Beklagte, auf den aufgrund einer Neuordnung der Finanzamtsbezirke in Berlin ab 1. November 2008 die Passivlegitimation für das vorliegende Klageverfahren übergegangen ist, beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung.
Dem erkennenden Senat haben bei seiner Entscheidung sechs Bände Steuer- und Prozessakten des Beklagten (StNr.: ….) vorgelegen, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.
Die Klage ist begründet. Der Haftungsbescheid vom ... Mai 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... Dezember 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).
1. Das Finanzamt C. hat den Kläger zu Unrecht als ehemaligen Gesellschafter der GmbH i. Gr. in Bezug auf deren Lohnsteuerverbindlichkeiten in Anspruch genommen.
a.) Gemäß § 191 Abs. 1 AO kann zwar durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Dies umfasst auch die Haftungsansprüche nach zivilem Recht, wie vorliegend die Haftung des Klägers als ehemaligen Gesellschafter einer GbR analog § 128 des Handelsgesetzbuches – HGB -. Danach haftet der Kläger für die Steuerschulden der GbR, an der er im Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenverbindlichkeiten beteiligt gewesen ist, persönlich, gesamtschuldnerisch, unmittelbar und unbeschränkt (vgl. dazu allgemein zuletzt: BFH-Beschluss vom 4. Mai 2011 VII B 236/10, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2011, 1473 ff. m.w.N.).
Der Kläger ist mit Abschluss des notariellen Vertrages vom 23. Dezember 1998 Gesellschafter der GmbH i. Gr. geworden. Mit dem Zustandekommen des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrages ist die Gesellschaft errichtet und besteht, solange die GmbH nicht in das Handelsregister eingetragen ist, als Vorgesellschaft – Vor-GmbH – fort, für die es gesetzliche Regelungen nicht gibt.
b.) Eine Vor-GmbH wird von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung sowohl des BGH als auch des BFH als sog. „unechte Vorgesellschaft“ behandelt, auf die die Regeln einer zivilrechtlichen Personengesellschaft mit der Rechtsfolge einer sog. unbeschränkten Außenhaftung der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern angewandt werden, wenn die GmbH nicht in das Handelsregister eingetragen wird, weil u. a. die Gründer von vornherein nicht die Absicht hatten, die Eintragung als GmbH zu erreichen, oder wenn der Eintragungsantrag nicht ernsthaft weiterbetrieben wird, insbesondere, weil bestehende Eintragungshindernisse nicht beseitigt werden oder die Gesellschaft trotz Ablehnung des Eintragungsantrags und Wegfall des Gründungsziels ihre Geschäfte weiterbetreibt. Eine „echte“ Vor-GmbH mit der Rechtsfolge einer nur auf das Innenverhältnis beschränkten Haftung (sog. Verlustdeckungshaftung) liegt dagegen vor, wenn und solange die Gesellschafter der Vorgesellschaft die Geschäftstätigkeit einverständlich aufgenommen haben und mit dem Ziel der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister betreiben (vgl. nur BFH-Urteil vom 7. April 1998 VII R 82/97, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1998, 531 m. w. N.).
Scheitert die Gründung einer GmbH, die im Einverständnis ihrer Gesellschafter schon vor der Eintragung in das Handelsregister die Geschäfte aufgenommen hat, finden die Grundsätze der Verlustdeckungshaftung allein dann Anwendung, wenn die Geschäftstätigkeit sofort beendet und die Vorgesellschaft abgewickelt wird. Werden dementgegen die Geschäfte nach diesem Zeitpunkt fortgeführt, haben die Gründer für sämtliche Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft, auch für die bis zum Scheitern entstandenen, nach personengesellschaftsrechtlichen Grundsätzen einzustehen (vgl. dazu BGH-Urteil vom 4. November 2002 II ZR 204/00, Sammlung der amtlich veröffentlichten Entscheidungen des BGH – BGHZ – 152, 290).
c.) Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die GmbH i. Gr. hinsichtlich ihrer geschäftlichen Aktivitäten bis zum Ergehen des Auflösungsbeschlusses am ... April 1999 als „echte“ oder als „unechte“ Vor-GmbH zu qualifizieren ist. Denn in jedem Fall, also auch bei einer Qualifizierung der GmbH i. Gr. als sog. „unechte Vorgesellschaft“ von Anfang an (vgl. dazu im Einzelnen die Ausführungen im rechtskräftigen Urteil des FG Berlin vom 19. Oktober 2005 2 K 2269/02, welches zwischen denselben Prozessbeteiligten ergangen ist), war ein etwaiger Haftungsanspruch des Fiskus gegenüber dem Kläger im Zeitpunkt der Zustellung des streitgegenständlichen zweiten Haftungsbescheids (... Mai 2006) bereits erloschen.
Gemäß § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AO kann ein Haftungsbescheid nicht mehr ergehen, soweit die gegenüber dem Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die betreffende Steuer erlassen worden ist. § 191 Abs. 5 AO ist – im Gegensatz zu § 191 Abs. 3 AO (vgl. dazu Rüsken, in: Klein, AO, 10. Aufl., § 191 Rz. 101 b sowie Jatzke, in: Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, § 191 Rz. 47) - auch bei der Haftung aufgrund privatrechtlicher Haftungstatbestände anwendbar (vgl. FG Bremen, Urteil vom 25. August 1993 I 20-22/91 u. a. , Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG - 1994, 862; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO-FGO, 10. Aufl., § 191 Rz. 167; Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 16. Aufl., § 191 Rz. 76). Die Vorschrift des § 191 Abs. 5 AO erfasst dabei sowohl die Festsetzungs- als auch die Zahlungsverjährung (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 11. Juli 2001 VII R 28/99, BStBl II 2002, 267).
Bei Erlass des streitgegenständlichen zweiten Haftungsbescheids war bereits Zahlungsverjährung eingetreten (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts: FG München, rkr. Urteil vom 1. Dezember 2010 3 K 2723/09, EFG 2011, 939: Aufgrund der Aufhebung des ersten Haftungsbescheids durch Urteil des FG Berlin vom 19. Oktober 2005 ist die Rechtssache in den ungeregelten Zustand vor Erlass der Hoheitsmaßnahme „zurückversetzt worden“, vgl. von Groll, in: Gräber, FGO, 7. Aufl., § 100 Rz. 17 sowie Tipke in Tipke/Kruse, AO-FGO, 16. Aufl., § 100 FGO Rz. 13) .
Hinsichtlich der o. g. Abgabenverbindlichkeiten sind von der GmbH i. Gr. im Frühjahr 1999 Lohnsteueranmeldungen beim Finanzamt K. eingereicht worden. Die fünfjährige Zahlungsverjährung (vgl. § 228 Satz 2 AO) hat somit gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 AO mit Ablauf des Jahres 1999 zu laufen begonnen und endete mit Ablauf des Jahres 2004. Dabei bewirkt die Zahlungsverjährung das Erlöschen von fälligen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis durch den Ablauf der Verjährungsfrist (§§ 47, 232 AO). Die Zahlungsverjährung soll im Erhebungsverfahren dafür sorgen, dass nach Ablauf dieser Verjährungsfrist Rechtssicherheit darüber eintritt, was der Steuerpflichtige noch zu zahlen hat oder was an ihn zu erstatten ist (BFH-Urteil vom 12. Februar 2008 VII R 33/06, BStBl II 2008, 504, Rz. 12).
Dem Eintritt der Zahlungsverjährung mit Ablauf des Jahres 2004 in Bezug auf den Steueranspruch des Fiskus gegenüber dem Entrichtungsschuldner der streitgegenständlichen Lohnsteuern hat auch kein Unterbrechungstatbestand i. S. von § 231 AO entgegengestanden. Zwar führt u. a. eine „schriftliche Geltendmachung“ des Steueranspruchs durch den Fiskus, worunter grundsätzlich auch eine schriftliche „Ankündigung der Vollstreckung“ fällt, zu einer Unterbrechung der Zahlungsverjährung (vgl. § 231 Abs. 1 Satz 1 AO; FG Bremen, Urteil vom 4. Februar 1997 2 96 049 K 2, EFG 1997, 779). Die an den Kläger als ehemaligen Mitgesellschafter der GmbH i. Gr. gerichtete Vollstreckungsankündigung des Finanzamtes C. vom 9. Juni 2000 erfüllt den Unterbrechungstatbestand des § 231 Abs. 1 AO aber nicht, weil der Kläger als ehemaliger Gesellschafter einer seit dem ... April 1999 aufgelösten GbR vom o. g. Finanzamt bei objektiver Betrachtungsweise nicht auf der bloßen Grundlage der Steuerforderung, sondern nur aufgrund des Hinzutretens einer Haftungsnorm (hier: § 128 HGB analog) und nur nach vorangegangenem Erlass eines Haftungsbescheids i. S. von § 191 Abs. 1 AO für die Verbindlichkeiten der früheren GbR in Anspruch genommen werden kann und die Geltendmachung eines Haftungsanspruchs nach § 128 HGB analog gegenüber einem ehemaligen Gesellschafter nicht mit der „schriftlichen Geltendmachung“ des der Haftung zugrunde liegenden Steueranspruchs gleichgesetzt werden kann. Aus demselben Grund führen auch die auf Betreiben des vorgenannten Finanzamtes ab Herbst 2000 durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzämter …. und …. gegenüber Herrn H. nicht zu einer Unterbrechung der Zahlungsverjährung, weil diese sich ebenfalls nur auf den – juristisch selbständig zu betrachtenden – Haftungsanspruch des Fiskus gegenüber Herrn H. aufgrund von § 128 HGB analog (konkretisiert durch Haftungsbescheid vom …. August 2000) bezogen haben.
d.) Der Umstand, dass sich die Haftung im Streitfall nicht aus den Steuergesetzen ergibt, führt dabei zu keinem anderen rechtlichen Ergebnis.
aa.) Nach § 191 Abs. 4 AO kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind. Gemäß § 159 HGB a. F. verjähren Haftungsansprüche des Fiskus nach § 128 HGB aufgrund der Auflösung einer GbR (anders als Haftungsansprüche gegenüber einem ausgeschiedenen Gesellschafter bei Fortsetzung der GbR durch die übrigen Gesellschafter, vgl. dazu die Sonderregelung in § 736 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – sowie Sprau, in: Palandt, BGB, 70. Aufl., Vor § 723 Rz. 3) analog § 159 Abs. 1 HGB a. F. in fünf Jahren nach der Auflösung der Gesellschaft (vgl. dazu allgemein BFH-Urteil vom 26. August 1997 VII R 63/97, BStBl II 1997, 745 mit Hinweis auf BGH-Urteil vom 10. Februar 1992 II ZR 54/91, BGHZ 117,168,175). Im vorliegenden Fall ist das Vermögen der ursprünglich aus zwei Personen bestehenden GbR mit ihrer Auflösung sowie der privatschriftlichen Vereinbarung der Gesellschafter, dass einer von ihnen das Gesellschaftsvermögen ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven übernimmt und den anderen abzufinden hat, ohne besondere Übertragungsakte Herrn H. als Alleinübernehmer angewachsen (vgl. dazu nur die ständige Rechtsprechung des BGH, z. B. Urteil vom 22. September 1993 IV ZR 183/92, Rechtsprechungs-Report der Neuen Juristischen Wochenschrift – NJW-RR – 1993, 1443; Sprau, a.a.O., Vor § 723 Rz. 2).
§ 159 HGB a. F. stellt im Verhältnis zu den allgemeinen Verjährungsbestimmungen des BGB für die Gesellschafterhaftung auch die einschlägige speziellere Norm dar, so dass sich der Kläger nicht darauf berufen kann, dass der gegen ihn gerichtete Haftungsanspruch gemäß §§ 195, 214 BGB bereits nach Ablauf der dreijährigen Regelverjährung nicht mehr habe geltend gemacht werden können. Eine kürzere Verjährung als die Regelverjährung nach § 159 HGB a. F. kommt nur unter den in dieser Vorschrift selbst bestimmten Voraussetzungen zum Zuge.
bb. ) Der Beginn der Verjährung fällt mangels Registereintragung einer GbR auf den Zeitpunkt, zu dem der betreffende Gläubiger (hier: das örtlich zuständige Finanzamt) von der Auflösung der GbR Kenntnis erlangt hat (BFH in BStBl II 1997, 745). Im vorliegenden Fall war dies am 15. Juni 2000 der Fall als das Schreiben des Steuerberaterbüros …. vom 14. Juni 2000 mit Anlagen (Kopien der Protokolle über die Gesellschafterversammlung vom 8. April 1999) beim Finanzamt C. eingegangen ist. Der andere mögliche gesetzliche Anknüpfungspunkt für den Beginn der Verjährung (§ 159 Abs. 3 HGB a. F.: (Späterer) Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit der Steuerforderung i. S. von § 220 Abs. 1 AO 1977, vgl. dazu BFH in BStBl II 1997, 745) führt zu keinem anderen Ergebnis, denn die Abgabenverbindlichkeiten der GmbH i. Gr. waren aufgrund der von ihr selbst eingereichten Lohnsteueranmeldungen bereits zum 10. März bzw. 10. April 1999 fällig (vgl. § 41 a Abs. 1 EStG).
cc.) Da der hier allein streitgegenständliche zweite Haftungsbescheid dem Kläger erst am 30. Mai 2006 bekannt gegeben worden ist, ist dies zu einer Zeit geschehen, als bereits mehr als fünf Jahre seit dem 15. Juni 2000 abgelaufen gewesen sind mit der Folge, dass bereits Haftungsverjährung nach § 159 HGB a. F. eingetreten gewesen ist.
Zwar müsste sich der Kläger gemäß § 159 Abs. 4 HGB a. F. eine verjährungsunterbrechende Handlung des Finanzamtes C. gegenüber der GbR als sog. Entrichtungsschuldnerin der streitgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten entgegenhalten lassen.
In der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung bestimmte § 159 Abs. 4 HGB, dass die „Unterbrechung der Verjährung gegenüber der aufgelösten Gesellschaft auch gegenüber den Gesellschaftern wirkt“, die der Gesellschaft zur Zeit der Auflösung angehört haben. Durch das zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wurde § 159 Abs. 4 HGB dahin sprachlich neu gefasst, dass der „Neubeginn der Verjährung und die Hemmung nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuches gegenüber der aufgelösten Gesellschaft auch gegenüber den Gesellschaftern wirken“, die der Gesellschaft zur Zeit der Auflösung angehört haben.
Zu § 159 Abs. 4 HGB in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung hatte der BFH in dem oben bereits genannten Urteil in BStBl II 1997, 745 zwar ausgesprochen, dass die Unterbrechung der Verjährung gegenüber der aufgelösten Gesellschaft auch gegenüber den Gesellschaftern wirkt, die der Gesellschaft zur Zeit der Auflösung angehört haben. Voraussetzung ist aber, dass die Verjährung des gegenüber der aufgelösten Gesellschaft bestehenden Anspruchs innerhalb der zugunsten der Gesellschafter gemäß § 159 Abs. 1 HGB nach Auflösung der Gesellschaft laufenden Verjährungsfrist wirksam unterbrochen worden ist. Hieraus folgt, dass die zugunsten des Gesellschafters laufende Verjährungsfrist des § 159 Abs. 1 HGB erst wieder zu laufen beginnt, nachdem die Unterbrechung der Verjährung gegenüber der aufgelösten Gesellschaft beendet ist. Ob die Verjährung wirksam unterbrochen wurde, richtet sich auch im Rahmen des § 191 Abs. 4 AO anzuwendenden § 159 Abs. 4 HGB a. F. allein nach den Vorschriften, die für den gegen die Gesellschaft gerichteten Primäranspruch gelten: Handelt es sich dabei um einen festgesetzten steuerrechtlichen Anspruch, so sind die Bestimmungen über die Unterbrechung der steuerrechtlichen Verjährung maßgebend. Dies folgt nach der Rechtsprechung des BFH daraus, dass § 159 Abs. 4 HGB a. F. nicht die Unterbrechung der Verjährung für gegen die aufgelöste Gesellschaft bestehende Ansprüche regelt, sondern diese voraussetzt und lediglich deren Wirkung auf die ehemaligen Gesellschafter der aufgelösten Gesellschaft überträgt. Die Unterbrechung der Verjährung der gegen die aufgelöste GbR bestehenden Steueransprüche i. S. von § 159 HGB alter und neuer Fassung kann sich daher nicht nach Zivilrecht, sondern nur nach Abgabenrecht, hier § 231 AO richten (vgl. dazu ausführlich bereits: FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Januar 2011 9 K 9217/08, EFG 2011, 1682).
Bei Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze ist die Verjährung des Haftungsanspruchs des Fiskus gegenüber dem Kläger nicht durch Maßnahmen des Beklagten oder anderer, auf dessen Amtshilfeersuchen hin tätige Finanzämter i. S. von § 231 AO unterbrochen worden. Denn das Finanzamt C. hat nach dem 15. Juni 2000 nur noch Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber Herrn H. persönlich und zwar auf der Grundlage des gegenüber diesem als zweiten Haftungsschuldner erlassenen Haftungsbescheids vom …. August 2000 erlassen. Unterbrechungshandlungen i. S. von § 159 Abs. 4 HGB a. F. i. V. m. § 231 AO gegenüber einem bestimmten Haftungsschuldner wirken mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung aber nicht gegenüber einem anderen Haftungsschuldner (hier: dem Kläger, vgl. dazu allgemein Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl., § 159 Rz. 9: Unterbrechung der Verjährungsfrist im Verhältnis Gläubiger und Gesellschafter wirkt nicht gegen Mitgesellschafter sowie BGH-Urteil vom 22. März 1988 X ZR 64/87, BGHZ 104, 76: Verjährungsunterbrechung gegenüber einem Gesellschafter persönlich wirkt nur gegenüber diesem, nicht auch gegenüber der Gesellschaft selbst).
Im Ergebnis liegen deshalb die Voraussetzungen eines Haftungsausschlusses wegen Zahlungsverjährung gemäß § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AO vor.
Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Prüfung, worauf die im streitgegenständlichen zweiten Haftungsbescheid aufgeführten Säumniszuschläge trotz der gewährten Aussetzung der Vollziehung mit Wirkung vom Fälligkeitstage an beruhen, insbesondere ob diese mit den von Herrn H. zuvor geleisteten Teilzahlungen im Zusammenhang stehen, da lediglich die verbliebenen rückständigen Lohnsteuern von der Vollziehung ausgesetzt worden sind.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 sowie § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis auf § 151 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung – ZPO -.
3. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).