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Zustimmungsersetzung zur befristeten Einstellung von Leiharbeitnehmern - Begriff der "vorübergehenden" Überlassung von Leiharbeitnehmern - Zustimmungsverweigerungsgrund


Metadaten

Gericht ArbG Cottbus 2. Kammer Entscheidungsdatum 26.09.2012
Aktenzeichen 2 BV 85/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 1 Abs 2 S 1 AÜG, § 99 BetrVG, § 100 BetrVG

Leitsatz

1. Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG n. F. (Gebot der vorübergehenden Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher) begründet einen Zustimmungsverweigerungsgrund des Betriebsrats gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.

2. Zur Auslegung des Begriffs "vorübergehend" in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG n. F. kann § 14 Abs. 1 TzBfG herangezogen werden.

Tenor

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur befristeten Einstellung von drei Leiharbeitnehmerinnen sowie um die Feststellung, dass die vorläufigen Einstellungen der drei Leiharbeitnehmerinnen aus sachlichen Gründen dringend erforderlich waren.

Bei der Beteiligten zu 1) und Antragstellerin (zukünftig Arbeitgeberin genannt) handelt es sich um ein Unternehmen des Gesundheitswesens, das unter anderem in Exxx und Fxxx ein Fachklinikum für Psychiatrie und Neurologie betreibt. Der Beteiligte zu 2) ist der in der Klinik gewählte Betriebsrat. Die Arbeitgeberin übernahm mit Wirkung zum 15. Oktober 2006 im Wege eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB vom Land Brandenburg insgesamt drei Kliniken, und zwar in Gxxx, Fxxx und Exxx. Sie beschäftigt im Klinikum Fxxx ca. 280 Mitarbeiter. Darüber hinaus sind dort ca. 132 Leiharbeitnehmer derzeit tätig.

Die Arbeitgeberin beschäftigt insbesondere Leiharbeitnehmer von der Firma Hxxx sowie von der Firma Jxxx. Die Firma Hxxx und die Firma Jxxx sind hundertprozentige Töchter des Kxxx Konzerns. Diese Personalservicegesellschaften verfügen über eine unbefristete Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 AÜG. Sie haben ihren Sitz in einem Verwaltungsgebäude der Kxxx Xxx-Klinik in Lxxx.

Grundsätzlich schreibt die Arbeitgeberin die zu besetzenden Stellen im nichtärztlichen Bereich (außer Maßregelungsvollzug) nur intern aus. Extern schreiben lediglich die Firma Hxxx und die Firma Jxxx sämtliche zu besetzenden Arbeitsplätze aus.

Die Arbeitgeberin bat mit Schreiben vom 23./24. Mai 2012 den Betriebsrat um Zustimmung zur befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin Aaxx (Dipl. Psychologin) für die Zeit vom 01.08.2012 – 31.01.2014 Die Einstellung sollte über die Firma Hxxx erfolgen.

Mit Schreiben vom 29. Mai 2012 verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung innerhalb einer Woche. Er berief sich jeweils auf Gesetzesverstöße der geplanten Einstellungen gemäß § 99 Absatz 2 Ziffer 1 BetrVG. Danach verstieße die jeweilige Einstellung gegen das Verbot der Scheinleihe sowie gegen das Verbot der Dauerleihe gemäß § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG neue Fassung.

Mit weiterem Schreiben vom 27. Juli 2012 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat gemäß § 100 Absatz 2 Satz 1 BetrVG darüber, dass die Einstellung als vorläufige Maßnahme durchgeführt werde. Der Betriebsrat bestritt mit Schreiben vom 5. April 2012 die Dringlichkeit der Maßnahme.

Mit Schreiben vom 13.07.2012 erklärte der Betriebsrat gegenüber der Arbeitgeberin den Verzicht auf interne Stellenausschreibung. Die Arbeitgeberin bat mit Schreiben vom 13.07.2012 um Zustimmung zur Einstellung der Frau Baxx als Diplom-Psychologin für die Zeit vom 01.08.2012 bis 31.05.2014 in der Tagesklinik in Zxxx. Die Einstellung sollte über die Firma Hxxx erfolgen. Der Betriebsrat widersprach der Einstellung mit Schreiben vom 20.07.2012.

Die Arbeitgeberin informierte den Betriebsrat mit Schreiben vom 27.07.2012 zur vorläufigen Einstellung der Frau Baxx. Zur Begründung wies sie auf den Abgang zweier Arbeitnehmer hin, so dass Handlungsbedarf gegeben sei.

Der Betriebsrat bestritt mit Schreiben vom 01.08.2012 die Dringlichkeit der Maßnahme.

Hinsichtlich der Arbeitnehmerin Caxx bat die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 10.08.2012 um Zustimmung zur Einstellung für die Zeit vom 01.09.2012 bis 31.08.2013 als Ergotherapeutin in Fxxx über die Firma Hxxx.

Der Betriebsrat widersprach der Einstellung mit Schreiben vom 13.08.2012.

Die Arbeitgeberin wies auf die vorläufige Einstellung zum 01.09.2012 hin, und zwar mit Schreiben vom 30.08.2012. Die Nachbesetzung der Stelle sei ursprünglich bereits zum 12.07.2012 geplant.

Der Betriebsrat bestritt die Dringlichkeit der Maßnahme mit Schreiben vom 03.09./ 05.09.2012.

Am 03. August 2012 beantragte die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht Cottbus die Ersetzung der Zustimmung zur Einstellung der Leiharbeitnehmerinnen sowie die Feststellung der dringenden Erforderlichkeit der diesbezüglichen vorläufigen Einstellungen.

Eine Antragserweiterung hinsichtlich der Frau Caxx erfolgte durch Schriftsatz vom 06.09.2012.

Die Arbeitgeberin behauptet, dass jeweils keine unbefristete Einstellung beabsichtigt gewesen sei, sondern eine jeweils auf begrenzte Zeit befristete Einstellung. Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, dass dem Betriebsrat bezüglich der Einstellungen der vier Leiharbeitnehmerinnen kein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Absatz 2 BetrVG zustehe. Insbesondere verstoße die jeweilige personelle Maßnahme nicht gegen ein Gesetz im Sinne von § 99 Absatz 2 Ziffer 1 BetrVG.

Auch ein Verstoß gegen das Verbot zur Scheinleihe läge nicht vor. Die Personalservicegesellschaften würde ihre Funktion als Arbeitgeber wahrnehmen.

Es läge auch keine dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung vor, da die jeweiligen Leiharbeitnehmerinnen nur befristet eingestellt wurden. Die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern auf einem Dauerarbeitsplatz stelle keinen Verweigerungsgrund für den Betriebsrat dar. Hieran habe sich auch nichts durch das „Erste Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetztes - Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung“ vom 28. April 2011 – geändert.

Schließlich sei auch die Durchführung der vorläufigen Maßnahme im Sinne von § 100 BetrVG aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen. Dass Einstellungen verzögert würden, könne die Arbeitgeberin nicht hinnehmen, wenn dadurch der ordnungsgemäße betriebliche Ablauf gestört werde. Die Einstellung der Arbeitnehmerin Aaxx sei dringend erforderlich gewesen, weil die bisherige Stelleninhaberin ausgeschieden sei. Die Einstellung der Frau Baxx sei dringend erforderlich, weil auch hier die bisherigen Stelleninhaber die Klinik verlassen hätten. Die Arbeitnehmerin Caxx sei dringend erforderlich gewesen, um Personalabgänge zu kompensieren und um eine reibungslose Versorgung der Patienten abzusichern.

Die Arbeitgeberin beantragt,

1. a) Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin Aaxx für die Dauer vom 01.08.2012 bis 31.01.2014 zu ersetzen;

1. b) festzustellen, dass die am 01.08.2012 vorgenommene vorläufige Durchführung der befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin Aaxx aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

2. a) Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin Baxx für die Zeit vom 01.08.2012 bis 31.05.2014 zu ersetzen;

2. b) festzustellen, dass die am 01.08.2012 vorgenommene vorläufige Durchführung der befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin Baxx aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

3. a) Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur befristen Einstellung der Leiharbeitnehmerin Caxx für die Zeit vom 01.09.2012 bis 31.08.2013 zu ersetzen;

3. b) festzustellen, dass die am 01.09.2012 vorgenommene vorläufige Durchführung der befristeten Einstellung der Leiharbeitnehmerin Caxx aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Der Betriebsrat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Der Betriebsrat ist der Auffassung, es liege schon keine Arbeitnehmerüberlassung, sondern eine sogenannte „Scheinleihe“ bzw. „Strohmannkonstruktion“ vor. Der Verleiher verfüge über keine Betriebsorganisation, die eine ordnungsgemäße Arbeitnehmerüberlassung ermögliche. Die Personalservicegesellschaften trägen weder bei Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses hinreichend in Erscheinung, noch seien diese auf dem normalen Leiharbeitsmarkt aktiv. Außerdem würden die Personalservicegesellschaften nicht die üblichen Arbeitgeberpflichten und das Arbeitgeberrisiko übernehmen. Schon aus dem Grund läge ein Gesetzesverstoß und damit ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Absatz 2 Ziffer 1 BetrVG vor.

Zudem bestehe ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Absatz 2 Ziffer 1 BetrVG i. V. m. § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG neue Fassung. Die beabsichtigten Einstellungen würden allesamt zu einer Beschäftigung der Leiharbeitnehmerinnen auf Dauerarbeitsplätzen der Antragstellerin führen. Es seien keine vorübergehenden Überlassungen im Sinne von § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG neue Fassung.

Schließlich sei die Notwendigkeit der Neubesetzung der jeweiligen Arbeitsplätze mit Arbeitnehmern jeweils längerfristig vorhersehbar gewesen. Die dringende Erforderlichkeit sei in missbräuchlicher Weise jeweils herbeigeführt worden. Der Arbeitgeber habe sich selbst in Zugzwang gesetzt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend hinsichtlich der Arbeitnehmerin Daxx für erledigt erklärt.

II. Die Zustimmungsersetzungsanträge sind unbegründet. Auch die Anträge auf Feststellung, dass die vorläufigen Einstellungen der Leiharbeitnehmerinnen aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sind, (Anträge zu b), waren unbegründet.

1. Der Betriebsrat hat sich zu Recht auf den Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Absatz 2 Ziffer 1 BetrVG berufen. Die beabsichtigten Einstellungen der Leiharbeitnehmerinnen Aaxx, Baxx und Caxx verstoßen gegen das gesetzliche Verbot der Dauerleihe in § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG neue Fassung.

a) Hinsichtlich der Begründung verweist die Kammer auf die ausführliche Begründung des Arbeitsgerichts Cottbus, Beschluss vom 22. August 2012 – 4 BV 2/12 zu II. 1. b) bb) der Gründe, die hier im Wesentlichen wiedergegeben werden.

Dabei sieht die Kammer in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG neue Fassung eine Verbotsnorm, welche die Einstellung eines Leiharbeitnehmers bei nicht nur „vorübergehender“ Überlassung als solche untersagt. Nach den unter 1., b), aa), (1) dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergibt sich mithin aus einem Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG ein Zustimmungsverweigerungsgrund des Betriebsrates gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.

Zwar handelt es sich bei § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG neue Fassung um keine Verbotsnorm im technischen Sinn. Der Zweck der Norm, die Einstellung von Leiharbeitnehmern selbst zu verhindern, kommt jedoch hierin hinreichend deutlich zum Ausdruck.

Mit der Einführung von § 1 Abs. 2 AÜG neue Fassung soll insbesondere Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen verhindert werden.

§ 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG neue Fassung wurde am 01.12.2011 mit Inkrafttreten des „Ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes – Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung“ eingeführt.

Wie der Titel des Gesetzes schon sagt, soll hierdurch unter anderem der Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung unterbunden werden. Zudem dient das Gesetz auch der Umsetzung der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie), die am 05. Dezember 2008 in Kraft getreten ist. Die Umsetzung hatte gemäß Artikel 11 Leiharbeiterrichtlinie bis spätestens 05. Dezember 2011 zu erfolgen (vgl. Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 17.02.2011, BT-Dr 17/4804).

Vor diesem Hintergrund ist zunächst vom Inhalt und den Zielen der europäischen Leiharbeitsrichtlinie auszugehen.

Auch die Leiharbeitsrichtlinie sieht eine Unzulässigkeit der dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung vor.

Dabei zeigt sich bereits in den Definitionen des Artikels 3 Abs. 1b-e) der Leiharbeitsrichtlinie bezüglich der Begriffe Leiharbeitsunternehmen, Leiharbeitnehmer, entleihendes Unternehmen und Überlassung, die ausnahmslos auf eine „vorübergehende“ Arbeit des Arbeitnehmers im entleihenden Unternehmen abstellen, dass der Richtliniengeber den vorübergehenden Charakter der Arbeit des Leiharbeitnehmers beim Entleiher als zwingende tatbestandliche Voraussetzungen einer Arbeitnehmerüberlassung ansieht (vgl. Preis/Sansone, Anforderungen der Leiharbeitsrichtlinie der Europäischen Union an das deutsche Recht der Arbeitnehmerüberlassung, Rechtsgutachten, S. 8, Bl. 231 d.A.).

Auch der EuGH sieht die Tätigkeit von Leiharbeitsunternehmen dadurch gekennzeichnet, dass sie entleihenden Unternehmen Arbeitnehmer „vorübergehend“ zur Verfügung stellen, damit diese dort verschiedene Aufgaben entsprechend den Bedürfnissen und nach Anweisung dieser entleihenden Unternehmen wahrnehmen (EuGH, Urteil v. 13.09.2007– C-458/05, NZA 2007, S. 1151 ff.).

Die Unzulässigkeit der nicht nur vorübergehenden Überlassung zeigt sich mittelbar auch in Artikel 5 Abs. 5 der Leiharbeitsrichtlinie. Danach ergreifen die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen gemäß ihren nationalen Vorschriften und/oder Gepflogenheiten, um eine missbräuchliche Anwendung dieses Artikels zu verhindern und um insbesondere aufeinanderfolgende Überlassungen mit denen die Bestimmungen der Richtlinie umgangen werden sollen, zu verhindern. Damit sollen nicht nur Kettenbefristungen mit einzelnen Arbeitnehmern, sondern auch der Einsatz wechselnder Arbeitnehmer auf einem Dauerarbeitsplatz ausgeschlossen werden (vgl. Bartl/Romanowski, NZA Online Aufsatz 3/12, S. 2; vgl. auch Preis/Sansone, a.a.O., S. 10). Hieraus ist letztlich der Wertung des Richtliniengebers zu entnehmen, dass Entleiher einen bestehenden Dauerbeschäftigungsbedarf nicht durch Arbeitnehmerüberlassung abdecken können sollen (Preis/Sansone, a.a.O., S. 10).

Schließlich würde auch u.a. das mit Artikel 6 der Leiharbeitsrichtlinie verfolgte Ziel, nämlich Leiharbeitnehmern den Zugang zu unbefristeten Arbeitsverhältnissen im entleihenden Unternehmen zu ermöglichen, bei Zulassung einer dauerhaften Besetzung von Dauerarbeitsplätzen mit Leiharbeitnehmern faktisch vereitelt (Bartl/Romanowski, NZA Online Aufsatz 3/2012, S. 2; vgl. auch Preis/Sansone, a.a.O., S. 10).

Das damit in der Leiharbeitsrichtlinie zum Ausdruck kommende Verbot dauerhafter Arbeitnehmerüberlassung ist auch bei der Auslegung von § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG neue Fassung zu beachten. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG n.F. ist vor dem Hintergrund der gebotenen europarechtskonformen Auslegung (vgl. hierzu BAG v. 24.03.2009, 9 AZR 983/07 sowie BAG v. 20.04.2011, 5 AZR 200/10) und dem erklärten Ziel des Bundesgesetzgebers, mit der Neuregelung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes die vollständige Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie in das nationale Recht zu gewährleisten, ebenfalls als Verbotsnorm auszulegen.

Dafür spricht auch, dass der deutsche Gesetzgeber den Begriff „vorübergehend“ in seiner unionsrechtlichen Bedeutung in das deutsche Recht unverändert übernommen und damit auch nationalrechtlich verbindlich gemacht hat. Die Richtlinie ist nur dann als EU-rechtskonform umgesetzt anzusehen, wenn bei der Auslegung auch die europarechtlichen Vorgaben berücksichtigt werden (Bartl/Romanowski, NZA Online Aufsatz 3/12, S. 4).

Damit ist sowohl nach der europäischen Leiharbeitsrichtlinie, als auch nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG neue Fassung ein Einsatz von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen rechtlich unzulässig. Der Gesetzeszweck, zum Schutze der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer nur noch die vorübergehende Überlassung von Arbeitnehmern an einen Entleiher zuzulassen und Leiharbeit auf Dauerarbeitsplätzen zu verhindern, kann nur dadurch erreicht werden, wenn die Einstellung von Leiharbeitnehmern bei einem Verstoß hiergegen unterbleibt. Vor diesem Hintergrund ist § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG neue Fassung als Verbotsnorm auszulegen (vgl. auch Bartl/Romanowski, NZA Online Aufsatz 3/12, S. 4 f.).

Ein Verstoß gegen die lediglich vorübergehende Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher begründet mithin einen Zustimmungsverweigerungsgrund gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG (vgl. auch BAG v. 28.09.1988, 1 ABR 85/87 zur Annahme eines Zustimmungsverweigerungsgrundes bei Verstoß gegen die damals geregelte Höchstbefristungsdauer von sechs Monaten für die Arbeitnehmerüberlassung gem. Art. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG alte Fassung, dessen Erwägungen nunmehr nach Einführung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG neue Fassung gleichermaßen gelten).

Hier erfolgte die Einstellung der Leiharbeitnehmerinnen nicht vorübergehend im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG.

Zur Klärung der Frage, ob die Überlassung vorübergehend im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG erfolgte, ist der Begriff „vorübergehend“ auszulegen, da sowohl der europäische als auch der nationale Gesetzgeber auf eine nähere, auch auf eine zeitliche Festlegung bewusst verzichtet hat.

Vorübergehend bedeutet „nur für kurze Zeit“, temporär, zeitweilig oder negativ formuliert „nicht endgültig“, „nicht dauerhaft“ (vgl. Bartl/ Romanowski, NZA Online Aufsatz, 3/12, S. 3; vgl. Hamann, NZA 2011, S. 70 ff. (72)).

Der deutsche Gesetzgeber hat sich bei der Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie bewusst nicht für eine zeitliche Höchstgrenze entschieden. Dies ergibt sich bereits aus der Begründung des Gesetzesentwurfs vom 17.02.2011 (BT-Dr 17/4804). Danach wird der Begriff „vorübergehend“ im Sinne der Leiharbeitsrichtlinie als flexible Zeitkomponente verstanden und insbesondere auf genau bestimmte Höchstüberlassungsfristen verzichtet. Der deutsche Gesetzgeber hat sich dagegen für eine sogenannte „Zweckbefristungslösung“ entschieden (Hamann, NZA 2011, 70 ff. (72)). Dementsprechend ist bei der Auslegung des Wortes „vorübergehend“ der Zweck des Gesetzes, einen dauerhaft bestehenden Arbeitskräftebedarf nicht durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern zu befriedigen, zu beachten (vgl. Bartl/Romanowski, NZA Online Aufsatz 3/12, S. 3; vgl. auch die Ausführungen unter 1., b), bb)), (1)).

Um diesem Zweck Sorge zu tragen, und gleichzeitig eine praktikable und transparente Lösung zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgabe „vorübergehend“ zu erhalten, zieht die Kammer – wie auch ein Großteil der Literatur - § 14 Abs. 1 TzBfG zur Auslegung des Begriffs „vorübergehend“ heran (so auch Bartl/Romanowski, NZA Online Aufsatz, 3/12, S. 4; Preis/ Sansone S. 21 ff.; Fitting, BetrVG, 26. Aufl., § 99 Rn. 192a; vgl. auch Ausführungen von Hamann in NZA 2011, 70 ff., 73, wobei Hamann die sogenannte „Missbrauchskontrolle“ favorisiert).

Hierfür spricht zum einen die wortgleiche Verwendung des Begriffs „vorübergehend“ in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG n.F. und in § 14 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1 TzBfG.

Auch die Gesetzesentwurfsbegründung vom 02.09.2010 lieferte Anhaltspunkt für eine Auslegung des Begriffs „vorübergehend“, indem sie sich eng an die Befristungsgründe des § 14 TzBfG anlehnt. Im Referentenentwurf vom 2.09.2010 wurde erstmals der Begriff „vorübergehend“ im Zusammenhang mit der Änderung des § 1 Abs. 2 AÜG eingefügt. In diesem Entwurf wurde eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass durch die Beschränkung der Leiharbeit auf vorübergehende Überlassungen der Einsatz auf Dauerarbeitsplätzen verhindert werden sollte. Des Weiteren heißt es in der Begründung: „In der Regel kann immer dann von einer vorübergehenden Überlassung ausgegangen werden, wenn der Einsatz in dem Entleiherunternehmen nicht dauerhaft sein soll und beispielsweise im Rahmen einer Urlaubs- oder Krankheitsvertretung oder zur Durchführung eines besonderen Projekts oder Auftrags stattfindet.“

Eine inhaltliche Distanzierung von den im Referentenentwurf vom 02.09.2010 enthaltenen Erläuterungen ist im Laufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens nicht erfolgt. Sie sind deshalb weiter zur Auslegung heranzuziehen (vgl. Bartl/Romanowski, NZA Online Aufsatz 3/12, S. 3). Damit orientierte sich offenbar der Gesetzgeber auch an sachlichen Gründen, insbesondere solchen im Sinne von § 14 Abs. 1, Satz 2 Ziffer 1 und 3 TzBfG.

Schließlich kann auch auf die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 21.03.1990, 7 AZR 198/89 zur Auslegung des Begriffs „vorübergehend“ in § 1 Abs. 3 Ziff. 2 AÜG alte Fassung abgestellt werden. Ein wichtiges Indiz für eine vorübergehende Arbeit eines Leiharbeitnehmers (bei der Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen) sah das Gericht hierbei in der Art der vom überlassenen Arbeitnehmer beim Entleiher wahrzunehmenden Aufgaben. Handelte es sich dabei um solche, die bei einer Direktanstellung des Arbeitnehmers dazu geeignet wären, eine Befristung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der jeweiligen Überlassung sachlich zu rechtfertigen, so sprach dies nach Auffassung des BAG gegen eine Wertung dieses Tatbestandes im Sinne einer unzulässigen privaten Arbeitsvermittlung. Nahm der überlassene Arbeitnehmer beim Entleiher dagegen Daueraufgaben wahr, die bei einer direkten Anstellung des Arbeitnehmers eine Befristung des Arbeitsverhältnisses sachlich nicht rechtfertigen könnten, so sprach dies für eine Schwerpunktverlagerung des Arbeitsverhältnisses vom überlassenen Arbeitnehmer zum Entleiher und damit letztlich gegen eine nur vorübergehende Arbeitsleistung. Das Bundesarbeitsgericht orientierte sich hier im Rahmen der Auslegung des Begriffs „vorübergehend“ ebenfalls an den Befristungsgründen des § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG.

Dieser Maßstab muss auch zur Auslegung des Begriffs „vorübergehend“ in der Neufassung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG herangezogen werden. „Sachliche Gründe“ dürften jedoch im Hinblick auf die Tätigkeit als Leiharbeitnehmer lediglich bei Abstellen auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 TzBfG zu sachgerechten Ergebnissen führen (vgl. Preis/Sansone, S. 21; vgl. auch Bartl/Romanowski, NZA Online Aufsatz 3/12, S. 4 ff.).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen liegt hier kein sachlicher Grund im Sinne von § 14 Absatz 1 Satz 2 TzBfG für die vorübergehende Überlassung von Leiharbeitnehmern vor.

Die Zustimmung zur befristeten Einstellung der Frau Aaxx war nicht zu ersetzen, da kein sachlicher Grund für eine Befristung vorlag. Hier handelte es sich unstreitig um einen Dauerarbeitsplatz. Die bisherige Stelleninhaberin hat die Klinik verlassen. Damit erfolgte die Überlassung der Frau Aaxx nicht mehr nur „vorübergehend“ und verstieß gegen § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG.

Auch die Zustimmung der Frau Baxx war nicht zu ersetzen, da die Arbeitgeberin nach eigenem Vortrag die Stelle nachbesetzen wollte, nach dem die bisherigen Stelleninhaber die Klinik verlassen hatten. Ein vorübergehender Mehrbedarf lag mithin nicht vor. Die Arbeitgeberin hat dauerhaft Bedarf auf diesem Arbeitsplatz.

Schließlich lag auch ein Zustimmungsverweigerungsgrund seitens des Betriebsrats zur Einstellung der Frau Caxx vor. Diese Stelle war nach Angaben der Arbeitgeberin wegen Personalabgangs wiederzubesetzen. Es handelte sich unstreitig um einen wieder zu besetzenden Dauerarbeitsplatz.

2. Die Anträge auf Feststellung, dass die vorläufigen Einstellungen der Leiharbeitnehmerinnen aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sind, (Anträge b), waren ebenfalls unbegründet.

Nach § 100 Absatz 3 Satz 1 BetrVG darf das Arbeitsgericht den Feststellungsantrag nur zurückweisen, wenn die vorläufige Maßnahme offensichtlich aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es für die dringende Erforderlichkeit der vorläufigen Durchführung einer Personalmaßnahme allein darauf an, ob es mit dem ordnungsgemäßen betrieblichen Ablauf zu vereinbaren ist, dass der Arbeitsplatz für längere Zeit unbesetzt bleibt. Das Merkmal „offensichtlich in § 100 Absatz 3 Satz 1 BetrVG erfordert eine grobe Verkennung der sachlich betrieblichen Notwendigkeit der vorläufigen Durchführung der Personalmaßnahme seitens des Arbeitgebers, wobei von dessen Sicht im Zeitpunkt der Durchführung der dringlich angesehenen Maßnahme auszugehen ist, vergleiche BAG vom 6.10. 1978, 1 ABR 51/77. Ein Recht zur vorläufigen Durchführung der personellen Maßnahme hat der Arbeitgeber wenn er als verantwortungsbewusster Arbeitgeber im Interesse des Betriebes alsbald handeln muss, die geplante Maßnahme also keinen Aufschub verträgt. Die Dringlichkeit muss allerdings auf vom Arbeitgeber nicht rechtzeitig voraussehbaren Umständen beruhen, vergleiche Fitting, BetrVG 23. Auflage § 100 Rn 4. Der Arbeitgeber darf sich also nicht bewusst selbst in Zugzwang setzten, um nach § 100 BetrVG handeln zu können, vergleiche Fitting, BetrVG 23. Auflage § 100 Rn 4 mit weiteren Nachweisen.

Vorliegend hat die Arbeitgeberin die Erforderlichkeit der Besetzung der Stellen in missbräuchlicher Weise herbeigeführt. Die Kammer konnte der Argumentation des Betriebsrats im Kammertermin folgen, wonach die Arbeitgeberin den vorliegenden – unstreitigen – dringenden Bedarf an Personal nicht durch eine gesetzeswidrige Besetzung decken darf und insoweit eine Festeinstellung hätte vornehmen müssen. Alle Arbeitsplätze waren längerfristig bereits zu besetzen gewesen, weil sie schon längere Zeit unbesetzt waren. Die Arbeitgeberin hätte die Stellen durch Ausschreibung auf dem externen Arbeitsmarkt besetzten können.