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Entscheidung 11 Bauland U 1/13


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg Senat für Baulandsachen Entscheidungsdatum 19.06.2015
Aktenzeichen 11 Bauland U 1/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufungen der Beteiligten zu 2.) bis 7.), 10.) bis 16.), 23.) 24.), 32.), 37.) und 40.) gegen das am 14. Juni 2013 verkündete Urteil des Landgerichts Neuruppin - 8 O 9/12 - werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beteiligten zu 2.) bis 7.), 10.) bis 16.), 23.), 24.), 32.), 37.) und 40.) zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 43.), der diese selbst trägt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beteiligten zu 2.) bis 7.), 10.) bis 16.), 23.) bis 24.), 32.), 37.) und 40.) wird nachgelassen, die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Gegenstand des Baulandverfahrens ist eine bebauungsplanakzessorische Administrativenteignung. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Enteignungs- und Entschädigungsfestsetzungsbeschlusses im Wege der Vorabentscheidung, mit dem das Eigentum an einer Teilfläche eines privaten Grundstücks zugunsten der Gemeinde entzogen werden soll, zu dem Zweck der Erschließung von anderen im Innenbereich eines Straßenviertels gelegener Grundstücke durch eine Verkehrsfläche entsprechend der Festsetzungen eines Bebauungsplanes.

Die Beteiligte zu 1.) ist die Wohnungseigentümergemeinschaft der Wohnanlage „G…“. Die Beteiligten zu 2.) bis 41.) sind Wohnungseigentümer in der Anlage und Miteigentümer des gemeinschaftlichen Eigentums. Zu dem gemeinschaftlichen Eigentum gehört das Grundstück Gemarkung P…, Flur 2, Flurstück 1490. Auf dem 5294 m² großen Flurstück ist die Wohnanlage mit fünf Gebäuden errichtet worden, die gemischt als Wohn- und Geschäftsgebäude mit 53 Wohn- bzw. Gewerbeeinheiten genutzt werden. Auf dem Grundstück befinden sich weiterhin 19 Kfz-Stellplätze und unbebaute Grundstücksflächen. Am südöstlichen Rand des Flurstückes befindet sich die Böschung zu einem Hochwasserschutzgraben, durch den das Wasser von einem See abfließt.

Die Beteiligte zu 42.) ist eine Gemeinde. Zu ihren Gunsten soll die Enteignung erfolgen. Der Beteiligte zu 43.) ist die Enteignungsbehörde.

Die Gemeindevertretung der Beteiligten zu 42.) beschloss am 19. März 1998 den Bebauungsplan „T…-/J… Straße“, dessen Genehmigung am 1. Januar 2001 im Amtsblatt der Gemeinde bekannt gemacht wurde. Planziel war die Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung in dem zentralen - in der Nähe einer S-Bahnlinie gelegenen - Bereich des Ortsteils P… und die Schaffung von Bebauungsmöglichkeiten im hinteren Grundstücksbereich des aus den Straßen E…-, J…-, B…- und T… Straße gebildeten Straßenviertels bei städtebaulich „sinnvoller Erschließung“ zur Deckung eines dringenden Wohnbedarfs der Bevölkerung. Der Bebauungsplan setzt auf dem damals noch unbebauten Grundstück der Beteiligten zu 2.) bis 41.) ein Mischgebiet und entlang des südlichen Randes des Flurstücks 1490 eine von der Bebauung freizuhaltende Fläche fest. Hierdurch soll der Hochwasserschutzgraben beiderseitig 5 m von der Böschungsgrenze entfernt von einer Bebauung freigehalten werden. Im nordöstlichen Teil des Grundstücksbereichs des Bebauungsplans wurde ein reines Wohngebiet festgesetzt, wobei auch auf den hinteren, bislang nicht an Straßen gelegenen Grundstücken die Errichtung und Nutzung von Wohngebäuden, deren nähere Anordnung durch Baugrenzen festgelegt wurde, ermöglicht wurde. Zur Erschließung von insgesamt sieben Grundstücken im Inneren, nordwestlichen Teil des Straßenviertels (heute Flurstücke 1942, 1940, 1963, 1421, 1422, 1542, 1286) wurde eine ca. 5 m breite Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung festgesetzt. Nach der textlichen Festsetzung 1.6.1 des Bebauungsplans soll die P… Straße in dem reinen Wohngebiet als „verkehrsberuhigter Bereich, Spielstraße, Zeichen 326“ gewidmet werden. Diese geplante Verkehrsfläche zweigt von der E… Straße im südlicher Richtung ab und führt über das Flurstück 1489 sowie eine ca. 17 m² große Teilfläche des Flurstücks 1490 und das der Gemeinde gehörende Flurstück des Hochwasserschutzgrabens (Nr. 1666) in südlicher Richtung in den Innenbereich des Straßenviertels bis zur Grenze des Flurstücks 1422. Ausweislich der Begründung des Bebauungsplans wurde die Erschließung über die P… Straße zur Vermeidung von „Hammererschließungen“, die erfahrungsgemäß Quelle von Nachbarschaftskonflikten seien, als sinnvoll erachtet. Sie sei die kostengünstigste und flächensparende Erschließung mit geringstmöglichen Eingriffen in den Naturhaushalt. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die textliche Festsetzung und die Planzeichnung des Bebauungsplans „T…-/J… Straße“ sowie dessen Begründung Bezug genommen. Während des Bebauungsplanverfahrens hat der Plangeber alternative Erschließungsmöglichkeiten von der östlich gelegenen J… Straße aus geprüft, insbesondere über die Grundstücke J… Straße 5 (heute Flurstück 1412), das mit einem Wohn- und Nebengebäude bebaut ist, und das Grundstück J… Straße 5a (heute Flurstück 1940), das mit zwei Wochenendhäusern bebaut ist. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan waren die vorgenannten Grundstücke noch ein Flurstück mit der Nr. 1049. Als Eigentümer war im Grundbuch eingetragen: „Eigentum des Volkes, Rechtsträger Rat der Gemeinde P…“. Mit Bescheid der Oberfinanzdirektion Cottbus über die Zuordnung ehemals volkseigener Liegenschaften vom 21. Oktober 1996 wurde festgestellt, dass die Gemeinde P… Eigentümerin der Liegenschaft ist. Aufgrund des Ersuchens der OFD Cottbus wurde die Gemeinde am 26. Juni 1998 als Eigentümer des Flurstücks 1049 ins Grundbuch eingetragen.

Der erste Abschnitt der im Bebauungsplan festgesetzten Erschließungsstraße auf dem an die E… Straße angrenzenden Flurstück 1489 wurde bereits fertiggestellt und ist durch eine Verfügung vom 9. Mai 2000 als öffentliche Gemeindestraße, die dem Anliegerverkehr dient, gewidmet.

Zum weiteren Ausbau der Erschließungsstraße entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans stellte die Beteiligte zu 42.) am 23. April 2004 und nochmals am 16. Juli und 5. November 2009 Anträge auf Enteignung einer ca. 17 m² großen Teilfläche des Flurstücks 1490, die im gemeinschaftlichen Eigentum der Beteiligten zu 2.) bis 41.) steht. Die Teilfläche liegt am südöstlichen Rand des Flurstücks. Sie ist auf einer Breite von ca. 0,50 m eben (Horizontale Richtung Graben) und im Übrigen Teil der Böschung zum Wassergraben, der ca. 1,75 m tiefer liegt. Die von der Enteignung betroffenen Teile der Grundstücksfläche sind Teil der im Bebauungsplan festgesetzten Verkehrsfläche.

Nachdem im vorangegangenen gerichtlichen Verfahren (erstinstanzlich 8 O 6/08, im Berufungsverfahren 11 U Bauland 1/09 ist das Ruhen des Verfahrens angeordnet) mit Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 12. Dezember 1998 der Enteignungs- und Entschädigungsfestsetzungsbeschluss der Behörde vom 31. Januar 1998 aufgehoben wurde, erließ die Enteignungsbehörde am 15. Mai 2012 einen neuen - hier streitgegenständlichen - Enteignungs- und Entschädigungsfestsetzungsbeschluss. In dessen Ziffer 1 wurde zugunsten der Beteiligten zu 42.) den Beteiligten zu 2.) bis 41.) von einem noch in einer Ausführungsanordnung zu diesem Beschluss zu bestimmenden Zeitpunkt an das Eigentum an einer Teilfläche mit einer Größe von 17 m² von dem Grundstück Gemarkung P…, Flur 2, Flurstück 1490 zum Zwecke der städtebaulichen Erschließung entzogen. Der von dem Vorhaben betroffene Teil des Flurstücks 1490 ist in der als Bestandteil des Beschlusses beigefügten Karte rot markiert. In Ziffer 2 wird „hilfsweise“ der Beteiligte zu 1.), also der Wohnungseigentümergemeinschaft als gesetzliche Prozessstandschafterin der Beteiligten zu 2.) bis 41.) das Eigentum entzogen. Die Höhe der Entschädigung ist im Wege der Vorabentscheidung auf 1.105 EUR festgesetzt worden.

Zum Zeitpunkt des Erlasses des Enteignungsbeschlusses war das an der J… Straße gelegene ehemalige Flurstück 1049 bereits durch Vermessung geteilt worden, wodurch die heutigen Flurstücke 1412 und 1940 (alte Bezeichnung 1411) entstanden waren. Das Flurstück 1940 stand und steht derzeit im Eigentum der Gemeinde P… und wird von Privaten als „Wochenendgrundstück“ genutzt. Das mit dem Wohngebäude bebaute Flurstück 1412 wurde aufgrund des Grundstückskaufvertrages vom 29. März 2000 an private Eigentümer veräußert, die bzw. ihre Rechtsnachfolger seit dem 4. Juli 2001 in das Grundbuch eingetragen sind.

Gegen den Enteignungsbeschluss haben die Beteiligten zu 2.) bis 11.) und die Wohnungseigentümergemeinschaft am 18. Juni 2012 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Vom Landgericht Neuruppin - Kammer für Baulandsachen -, das als Vorinstanz entschieden hatte, wurde mit dem am 14. Juni 2013 verkündeten Urteil, das den Beteiligten am 19. bzw. 20. Juni 2013 zugestellt wurde, der Enteignungsbeschluss vom 15. Mai 2012 hinsichtlich seiner Ziffer 2. aufgehoben. Die an die Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtete hilfsweise Enteignung sei rechtswidrig. Eine Enteignung könne nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden. Zudem sei die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht gesetzliche oder gewillkürte Prozessstandschafterin der Miteigentümer. Im Übrigen wurden die Anträge der Beteiligten auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet abgewiesen. Der angegriffene Enteignungsbeschluss sei rechtmäßig und verletze die Eigentümer nicht in ihren Rechten. Die Enteignung zur Errichtung der im Bebauungsplan vorgesehenen P… Straße sei materiell rechtmäßig, weil die Voraussetzungen der §§ 85 Abs. 1 Nr. 1, 87 Abs. 1 BauGB vorlägen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Die Beteiligten zu 2.) bis 7.), 10.) bis 16.), 23.) bis 24.), 32.), 37.) und 40.) haben am 19. Juli 2013 Berufung eingelegt. Sie führen zur Berufungsbegründung im Wesentlichen aus:

Der angegriffene Enteignungsbeschluss sei formell rechtswidrig, weil eine unzulässige Doppelenteignung vorliege. Die Enteignungsbehörde sei gehalten gewesen, den Ausgang des am 15. Mai 2012 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht noch anhängigen Rechtsstreits abzuwarten. Nun lägen zwei Enteignungsentscheidungen und damit parallele Eingriffe in die Rechte der Wohnungseigentümer vor.

Der Enteignungsbeschluss sei auch materiell rechtswidrig, weil die Voraussetzungen der §§ 85 Abs. 1, 87 Abs. 1 BauGB nicht vorlägen. Der Bebauungsplan enthalte einen verfassungswidrigen und ansonsten rechtswidrigen Eingriff in die Rechte der Wohnungseigentümer, weil die Gemeinde aus rein fiskalischen Gründen nicht selbst die erforderlichen Voraussetzungen für die Bebauung geschaffen habe, sondern diese auf Kosten der Wohnungseigentümer umsetzen wolle. Darüber hinaus sei die Gemeinde bei der Aufstellung des Bebauungsplanes verpflichtet gewesen, vor der Enteignung des privaten Grundstückes der Beteiligten zu 2.) bis 41.) die Erschließung der Grundstücke im Inneren des Straßenviertels über gemeindeeigene Grundstücke vorzunehmen. Die heutigen Eigentümer der Wohnungseigentumsanlage hätten jedenfalls bei dessen Erwerb nichts von der geplanten Straße über ihr Grundstück gewusst.

Die Enteignungsbehörde habe prüfen müssen, ob das Wohl der Allgemeinheit bezogen auf den Einzelfall die Enteignung des konkreten Grundstücks erfordere und der Enteignungszweck nicht auf andere Weise erreicht werden könne. Die Enteignung der Grundstücke erfolge nicht zugunsten der Gemeinde, sondern ausschließlich zugunsten anderer privater Nachbareigentümer. Eine Enteignung zugunsten Privater sei aber nur zulässig, wenn damit die Erfüllung wichtiger öffentlicher Aufgaben erstrebt werde, was hier nicht der Fall sei.

Die Enteignung der Wohnungseigentümer sei nicht erforderlich, da zwischenzeitlich eine „de facto Alternative“ vorliege. Die Entwicklung der letzten Jahre zeige, dass die Hinterlieger-grundstücke inzwischen bebaut worden seien, ohne dass die P… Straße errichtet worden sei.

Zudem sei die Enteignung nicht erforderlich, da eine alternative Erschließung von der J… Straße aus möglich sei. Die Gemeinde sei Eigentümer des Flurstücks 1412 gewesen und nach wie vor Eigentümer des Flurstücks 1940. Die Hinterliegergrundstücke könnten somit durch eine Stichstraße über eine Grunddienstbarkeit auf dem Flurstück 1412 und über das Flurstück 1940 ohne Enteignung erschlossen werden. Das Flurstück 1412 sei offenbar erst nach Verabschiedung des Bebauungsplans von der Gemeinde gewinnbringend veräußert worden. An einer ernsthaften Prüfung alternativer Erschließungsmöglichkeiten habe es gefehlt. Es wäre Aufgabe der Gemeinde gewesen, innerhalb des Bebauungsplans zunächst die eigenen Grundstücke für die Erschließungsmaßnahme zu verwerten. Eine Enteignung eines privaten Grundstückes könne subsidiär erst nach Verwertung des eigenen Gemeindeeigentums erfolgen.

Zudem würde den Wohnungseigentümern ein erhöhtes Verkehrsaufkommen durch den Durchgangsverkehr zu den Hinterliegergrundstücken zugemutet, was zu einer Erhöhung der Lärmbelästigung führe. Auch führe die Enteignung zu Einschränkung der Nutzung des Flurstücks 1490 hinsichtlich des Spielens von Kindern, anderweitiger Nutzungen, wie einem geplanten Parkplatz, Wäschetrockenplatz oder Grillplatz. Die Weiterführung der P… Straße über den Wassergraben erfordere eine kostenintensive und nicht umweltverträgliche Überführungsmöglichkeit.

Die Beteiligte zu 42.) habe sich auch nicht ernsthaft um einen freihändigen Erwerb des Enteignungsgrundstücks bemüht. Die Gemeinde habe sich nicht an die Eigentümer als richtige Beteiligte gewandt, sondern Angebote lediglich gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft abgegeben.

Die Berufungskläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Neuruppin vom 14. Juni 2013, Ziffern 1., 3. und 4. des Beschlusses der Enteignungsbehörde des Ministeriums des Inneren … vom 15. Mai 2012 aufzuheben und den Antrag der Gemeinde P… auf Enteignung der im Beschluss zu 1. genannten Teilfläche abzuweisen.

Die Beteiligte zu 42.) beantragt,

die Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.

Im Übrigen stellt sie den Antrag gemäß § 227 Abs. 2 BauGB.

Die Beteiligte zu 43.) hat keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligte zu 42.) verteidigt das Urteil des Landgerichts. Dazu trägt sie insbesondere vor, dass die gesetzlichen Enteignungsvoraussetzungen gegeben seien. Es bestehe ein öffentliches Interesse an der Enteignung. Die im Bebauungsplan festgesetzte Erschließung über die P… Straße sei unter Abwägung aller Belange die schnellste, sicherste und einfachste mit den geringsten Eingriffen. Die Erschließung über die gemeindlichen Flächen von der J… Straße aus sei möglich, stelle aber keine geordnete städtebauliche Entwicklung dar. Das Flurstück 1412 sei mit einem Wohngebäude und einem Nebengebäude bebaut und es sei an eine seit dem Jahr 1950 ortsansässige Familie verkauft worden, die von einer Kündigung bedroht gewesen sei. Auf dem gemeindeeigenen Grundstück 1940 stünden zwei Wohnhäuser, die für eine Wochenendnutzung an Pächter verpachtet wurden. Für eine Erschließung der hinten liegenden Baugrundstücke über Hammergrundstücke von der J… Straße aus fehle es an ausreichenden Flächen. Der Gemeinde gehöre zwar das Flurstück 1940. Auf der nördlichen Seite des nunmehr im privaten Eigentum befindlichen Flurstücks 1412 betrage der Abstand zwischen der Grundstücksgrenze und der Gebäudewand aber nur ca. 4 m, so dass eine Mindestbreite von 5 m für eine Erschließungsstraße nicht erreicht werden könne. Auf der südlichen Seite des Flurstücks 1412 seien bauliche Anlagen vorhanden.

Im Termin der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz wurde die Sach- und Rechtslage mit den Prozessbevollmächtigten beider Seiten eingehend erörtert; dabei hat der Senat - im Rahmen von § 139 ZPO - auf alle entscheidungserheblichen Aspekte hingewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der bisherigen Prozessgeschichte wird ergänzend auf die anwaltlichen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, auf das Terminsprotokoll und auf den übrigen Akteninhalt und die Verwaltungsvorgänge der Behörde Bezug genommen.

II.

1. Die Berufungen der Beteiligten zu 2.) bis 7.), 10.) bis 16.), 23.), 24.), 32.), 37.) und 40.) gegen das vom Landgericht im ersten Rechtszug erlassene Urteil sind nach §§ 221 Abs. 1 Satz 1, 229 BauGB i.V.m. §§ 511 ff. ZPO zulässig.

Der Senat für Baulandsachen ist für die Berufungen sachlich zuständig. Verwaltungsakte nach dem fünften Teil des ersten Kapitels des Baugesetzbuches, wozu auch solche zur Enteignung (vgl. §§ 85 bis 122 BauGB) gehören, können nach § 217 Abs. 1 Satz 1 BauGB nur durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden. Über die Berufungen entscheidet das Oberlandesgericht, Senat für Baulandsachen (§ 229 Abs. 1 Satz 1 BauGB).

Auch die Beteiligten zu 12.) bis 16.), 23.), 24.), 32.), 37.) und 40.) sind zur Einlegung des Rechtsmittels befugt, obwohl sie in der Vorinstanz keine eigenen Anträge gestellt haben. Sie sind im gerichtlichen Verfahren in Baulandsachen gemäß § 222 Abs. 1 Satz 2 BauGB Beteiligte. Die Befugnis zur Einlegung der Berufung hängt nicht davon ab, dass der Rechtsmittelführer im erstinstanzlichen Verfahren vor der Baulandkammer einen Antrag gestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 – III ZR 160/01 –, NJW 2003, 63, juris Rn. 7 m.w.N; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 1. November 2014, § 229 Rn. 6).

Die statthaften Berufungen sind formgerecht (§ 519 ZPO) und fristgerecht (§ 517 ZPO) eingelegt und in den verlängerten Berufungsbegründungsfristen (§ 520 Abs. 2 ZPO) begründet worden.

Die Veräußerung des Miteigentumsanteils der Beteiligten zu 16.) und 32.) an dem gemeinschaftlichen Grundstückseigentum des Flurstückes 1490, dessen Teilfläche entzogen werden soll während des Prozesses, hat gemäß § 221 Satz 1 BauGB i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO keinen Einfluss auf das Berufungsverfahren.

2. a. Die Klage der Beteiligten 2.) bis 11.) als Miteigentümer des in ihrem gemeinschaftlichen Eigentums stehenden Grundstücks Gemarkung P…, Flur 2, Flurstück 1490 gegen Ziffer 1., 2. und 4. des Enteignungsbeschlusses vom 15. Mai 2012 ist zulässig. Verwaltungsakte nach dem Fünften Teil des Ersten Kapitels des BauGB, wozu solche zur Enteignung (§§ 112 f. BauGB) gehören, können nach § 217 Abs. 1 Satz 1 BauGB durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden.

Die Wohnungseigentümer als Miteigentümer des im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Flurstücks sind entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Die auf Anfechtung eines Verwaltungsaktes (vgl. § 217 Abs. 1 Satz 1 BauGB) gerichtete Klage setzt eine Antragsbefugnis voraus. Antragsbefugt ist jede natürliche oder juristische Person, welche die Möglichkeit geltend macht, durch den Verwaltungsakt in ihren eigenen Rechten verletzt zu sein (vgl. Jarass/Kment, BauGB, 2014, § 217 Rn. 8). Zu Recht geht das erstinstanzliche Gericht davon aus, dass im Hinblick auf den Schutz des Eigentums vor Enteignung (Art. 14 Abs. 1 und 3 GG) der einzelne Wohnungseigentümer aufgrund seines Miteigentumsanteils am gemeinschaftlichen Grundstückseigentum antragsbefugt ist, den Enteignungsbeschluss anzufechten. Bereits entsprechend der Adressatentheorie (vgl. u.a. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 9. Aufl. 2013, S. 236; vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 1998 - 1 A 23/85 -, BVerwGE 79, 110, juris Rn. 20) sind die beteiligten Wohnungseigentümer als Adressaten des an sie gerichteten Enteignungsbeschlusses antragsbefugt. Nach Ziffer 1. des Enteignungsbeschlusses soll den beteiligten Wohnungseigentümern das Eigentum an einer Teilfläche ihres Grundstücks (Flurstück 1490) entzogen werden. Zudem ergibt sich die Klagebefugnis auch daraus, dass die Wohnungseigentümer geltend machen können, durch den Enteignungsbeschluss, mit dem teilweise ihr Miteigentumsanteil an dem Grundstück entzogen werden soll, möglicherweise in ihren Rechten verletzt zu sein. Inhaber der Rechte und Pflichten nach den Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes, insbesondere des gemeinschaftlichen Eigentums, sind nach § 10 Abs. 1 WEG die Wohnungseigentümer, soweit nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist (vgl. Hinweisbeschluss des Senats vom 16. März 2010 - 11 Bauland U 1/09 - S. 14). Das Grundstück mit der Bezeichnung Flurstück 1490, das enteignet werden soll, gehört zum gemeinschaftlichen Eigentum, an dem die einzelnen Wohnungseigentümer einen Miteigentumsanteil haben (vgl. § 1 Abs. 3 und 5 WEG). Der Eigentümer kann sich gegen den Entzug des Miteigentums an dem gemeinschaftlichen Grundstückseigentum wenden, ohne von den anderen Miteigentümern dazu ermächtigt zu sein.

b. Die Berufungen bleiben in der Sache ohne Erfolg. Die streitgegenständlichen Regelungen in Ziffer 1., 3. und 4. des Enteignungs- und Entschädigungsfestsetzungsbeschlusses vom 15. Mai 2012 sind rechtmäßig und verletzen die Berufungsführer nicht in ihren Rechten.

Bezüglich der Beteiligten zu 16.) und 32.), die Berufung eingelegt haben, aber im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen sind, kann nach Lage der Akten entschieden werden, weil der Beteiligte zu 42.) entsprechend §§ 227 Abs. 2, 229 BauGB eine solche Entscheidung beantragt hat.

aa. Rechtsgrundlage von Ziffer 1. des Enteignungsbeschlusses, mit dem den Wohnungseigentümern die 17 m² große Teilfläche des Grundstücks Gemarkung P…, Flur 2, Flurstück 1490 entzogen werden soll, ist §§ 85 Abs. 1 Nr. 1, 86 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 87 Abs. 1 BauGB.

bb. Die Beteiligte zu 43.) war befugt, den Beschluss vom 15. Mai 2012 zu erlassen. Entgegen der von einem Teil der Berufungskläger zum behördlichen Enteignungsverfahren (vgl. § 104 ff. BauGB) geäußerten Rechtsansicht bestehen keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit von Ziffer 1. des von der Enteignungsbehörde (§ 104 Abs. 1 BauGB) erlassenen Enteignungsbeschlusses. Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass die Enteignungsbehörde nach § 112 BauGB befugt war, über den Enteignungsantrag (§ 105 Satz 1 BauGB) vom 16. Juli 2009 zu entscheiden, obwohl der Rechtsstreit zu dem zuvor zum gleichen Grundstück ergangenen Enteignungsbeschluss vom 31. Januar 2008, bei dem die Wohnungseigentümergemeinschaft von der Enteignung betroffen ist, infolge des mit Beschlusses des Senats vom 20. April 2010 - 11 Bauland U 1/09 - angeordneten Ruhen des Verfahrens noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Vor dem Hintergrund, dass das Landgericht mit dem am 12. Dezember 2008 verkündeten Urteil - 8 O 6/08 - den Enteignungsbeschluss vom 31. Januar 2008, in dem die Wohnungseigentümergemeinschaft enteignet werden sollte, aufgehoben hat, hat die Beteiligte zu 42.) einen neuen Enteignungsantrag gestellt, von dem die Wohnungseigentümer mit ihrem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Grundstückseigentum von der Enteignung betroffen sein sollen. Soweit - wie hier - eine Einigung nicht zustande kommt, entscheidet nach § 112 Abs. 1 BauGB die Enteignungsbehörde durch Beschluss über die Enteignung, weshalb dieser Behörde kein Ermessen dahingehend zustand, den rechtskräftigen Ausgang des Berufungsverfahrens abzuwarten. Vielmehr bestand eine Verpflichtung der Behörde zur Entscheidung (vgl. Bügelmann, BauGB, Stand: Oktober 2014, § 112 Rn. 6). Im Übrigen liegt hier entgegen dem Vorbringen der Beteiligten durch Ziffer 1. des Enteignungsbeschlusses vom 15. Mai 2012 keine „unzulässige Doppelenteignung“ vor, weil erstens bei letzterem Beschluss die Wohnungseigentümer als Miteigentümer von der Enteignung Betroffene im Sinne von § 113 Abs. 2 Nr. 1 BauGB sind, während im Beschluss vom 31. Januar 2008 die Wohnungseigentümergemeinschaft Enteignungsbetroffene ist. Die Enteignungsbeschlüsse haben daher im Hinblick auf die von der Enteignung betroffenen Rechtssubjekte unterschiedliche Regelungsgegenstände. Hinzu kommt, dass der Enteignungsbeschluss vom 31. Januar 2008 bislang zu keiner Rechtsänderung an der Teilfläche des Grundstückes geführt hat, da er nicht unanfechtbar ist, die Enteignungsbehörde die Ausführung des Enteignungsbeschlusses nicht angeordnet hat und eine solche Ausführungsanordnung bislang mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 117 Abs. 1 Satz 1 BauGB auch nicht erlassen kann.

cc. Das Landgericht geht zu Recht davon aus, dass Ziffer 1. des Enteignungsbeschlusses materiell rechtmäßig ist und die Berufungskläger daher nicht in ihren Rechten verletzt werden.

(1). Der Enteignungszweck des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist gegeben.

(1.1) Nach dem Baugesetzbuch kann nur enteignet werden, um entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans ein Grundstück zu nutzen oder eine solche Nutzung vorzubereiten. Diese städtebauliche Enteignung zur Planverwirklichung ist streng planakzessorisch (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1982 - III ZR 141/81 -, DVBl. 1983, 627, juris Rn. 7). Durch die Festsetzungen eines Bebauungsplans legt die planende Gemeinde verbindlich fest, zur Verwirklichung welcher konkreten Nutzungen auf der Grundlage des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB enteignet werden darf. Aufgrund der Besonderheiten des Bebauungsplans als Planungsinstrument wird die Gemeinwohlbindung der Enteignung (Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, § 87 Abs. 1 BauGB) dabei in spezifischer Weise sichergestellt. Eine spezifisch städtebauliche Begrenzung des Enteignungszwecks ergibt sich aus dem Numerus clausus bauleitplanerischer Festsetzungen (vgl. § 9 Abs. 1 bis 3 BauGB) (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 – BVerwG 4 C 6/11 –, BVerwGE 145, 284, Rn. 14 m.w.N.). Die in Ziffer 1. des Bescheides genannte und von der Enteignung betroffene Teilfläche (vgl. § 92 Abs. 1 Satz 1 BauGB) des Flurstücks 1490 soll nach den Festsetzungen des Bebauungsplans T…-/J… Straße als Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB) dienen. Die Grundstücksfläche, die nach dem Enteignungsbeschluss enteignet werden soll, stimmt mit der Verkehrsfläche, die im Bebauungsplan ausgewiesen ist, überein, weshalb dieser vom Enteignungszweck her eine Grundlage für eine planakzessorische Enteignung bietet.

(1.2) Auch die hier gebotene Inzidentprüfung der Wirksamkeit des Bebauungsplans T…-/J… Straße führt zur Gültigkeit des Bebauungsplans, insbesondere hinsichtlich dessen Festsetzungen zur Verkehrsfläche für die geplante Erschließungsstraße.

Nach der Rechtsprechung der Baulandgerichte, der sich der Senat anschließt, haben in Fällen wie hier, in denen der Bebauungsplan nicht Gegenstand einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in einem Normenkontrollverfahren war und daher im Rahmen der Rechtskraftwirkung keine Bindungswirkung für das Baulandgericht besteht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. Juli 1988 – III ZR 134/87 –, BGHZ 105, 94, juris Rn. 12; BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2001 – III ZR 76/01 –, ZfBR 2002, 266, juris Rn. 9 m.w.N.), die Enteignungsbehörde - soweit ihr inzident eine behördliche Normverwerfungskompetenz zusteht (vgl. dazu näher BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2001 – 6 CN 2/00 –, BVerwGE 112, 373, juris Rn. 21 ff., Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 2. Aufl. § 87 Rn. 29) - und die Baulandgerichte die Enteignungsvoraussetzungen nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB selbständig zu prüfen. Dazu gehört die inzidente Prüfung der Wirksamkeit des Bebauungsplans durch die Baulandgerichte auch im Hinblick auf die in Frage kommenden Planungsalternativen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2009 – 1 BvR 2187/07, 1 BvR 692/08 –, NVwZ 2009, 1283, juris Rn. 12; BGH, Urteil vom 28. Mai 1976 – III ZR 137/74 –, BGHZ 66, 322, juris Rn. 13; Urteil vom 6. Mai 1982 - III ZR 24/81 -, WM 1982, S. 1058 f., juris Rn. 17). Hierfür spricht auch das Grundrecht aus Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Unmittelbar aus Art. 14 GG folgt nämlich die Pflicht der Gerichte, bei Eingriffen in dieses Grundrecht einen tatsächlich wirksamen Rechtsschutz zu gewähren. Dies gilt insbesondere für die Wahrnehmung von Rechtsschutzmöglichkeiten, welche die Prozessordnung jeweils (hier §§ 217 ff. BauGB) vorsieht (BVerfG, Beschluss vom 27. September 1978 – 1 BvR 361/78 –, BVerfGE 49, 220, juris Rn. 16). Im Hinblick auf die dabei gebotene Prüfungstiefe haben die Baulandgerichte sich der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle der gemeindlichen Abwägung angeschlossen. Dies begegnet ebenso wenig verfassungsrechtlichen Bedenken wie der Umstand, dass die Baulandgerichte auch die Vorschriften der §§ 214, 215 BauGB über die Planerhaltung anwenden (BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2009 – 1 BvR 2187/07, 1 BvR 692/08 –, NVwZ 2009, 1283, juris Rn. 12, Jarass/Kment, BauGB, § 85 Rn. 4). Bei der inzidenten Überprüfung eines Bebauungsplans sind die weiteren dafür einschlägigen Beschränkungen der Kontrolldichte anzuwenden. Es entspricht in der Regel nicht einer sachgerechten Handhabung der gerichtlichen Kontrolle, bei einem Bebauungsplan als kommunale Satzung sich "gleichsam ungefragt" auf Fehlersuche zu begeben. Das gilt insbesondere im Fall einer inzidenten Satzungskontrolle, wenn und soweit die Beteiligten Bedenken gegen die formelle oder materielle Wirksamkeit der Satzung nicht erhoben haben (st. Rsp. BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 2008 – BVerwG 9 B 54/07 –, juris Rn. 7, BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 – 9 CN 1/01 –, BVerwGE 116, 188, juris Rn. 43).

Die Berufungskläger haben Bedenken gegen die formelle Wirksamkeit des Bebauungsplans T…-/J… Straße nicht erhoben und gegen die materielle Wirksamkeit der Satzung den allgemeinen Einwand vorgebracht, der Bebauungsplan enthalte einen „verfassungswidrigen“ und ansonsten rechtswidrigen Eingriff in die Rechte der Wohnungseigentümer, weil die Gemeinde aus rein fiskalischen Gründen nicht selbst die erforderlichen Voraussetzungen für die Bebauung geschaffen habe. Darüber hinaus sei die Gemeinde bei der Aufstellung des Bebauungsplanes verpflichtet gewesen, vor der Enteignung des privaten Grundstückes der Beteiligten zu 2.) bis 41.) die Erschließung der Grundstücke im Inneren des Straßenviertels über eine Stichstraße von der J… Straße aus über Grundstücke der öffentlichen Hand, nämlich die Flurstücke 1412 und des Flurstücks 1940 vorzunehmen.

Diese Rüge führt bei einer inzidenten Kontrolle nicht zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans T…-/J… Straße im Hinblick auf die von der Gemeinde in der Satzung (§ 10 BauGB) gewählte Straßenführung der Erschließungsstraße von der E… Straße aus über die im gemeinschaftlichen Eigentum der Beteiligten zu 2.) bis 41.) stehende Teilfläche des Grundstücks (Flurstück 1940).

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB können Verkehrsflächen Inhalt der Festsetzung in einem Bebauungsplan sein. Die Norm eröffnet der Gemeinde die Möglichkeit im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 92 Abs. 1 Satz 1 LVerfBbg) dieses Festsetzungsinstrumentarium städtebaulich zu nutzen. Ihr wird gesetzlich eine Gestaltungsbefugnis eingeräumt und damit auch die Kompetenz übertragen, die erforderliche Abwägung selbst vorzunehmen. Allerdings sind bei der Aufstellung des Bebauungsplans und der Festsetzung der Verkehrsflächen alle betroffenen und schutzwürdigen privaten Interessen zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2007 – BVerwG 4 BN 21/07 –, BRS 71 Nr. 3, juris Rn. 8). Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind nämlich bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Zu den privaten Belangen gehört das durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Eigentum. Neben der Substanz des Eigentums umfasst die grundgesetzliche Eigentumsgarantie auch die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Dies gilt unbeschadet des Umstands, dass Bebauungspläne keine enteignungsrechtliche Vorwirkung haben und deshalb die Enteignungsvoraussetzungen bei deren Rechtmäßigkeitskontrolle nach § 1 Abs. 7 BauGB nicht zu prüfen sind (st. Rsp. u.a. BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 – BVerwG 4 CN 6/01 –, NVwZ 2002, 1506, juris Rn. 10 m.w.N.). In diesem Zusammenhang sind Planungsalternativen insoweit zu prüfen, ob im konkreten Fall andere rechtlich und wirtschaftlich vertretbare Lösungen zur Verfügung stehen, mit denen der gleiche Zweck auf weniger einschneidende Weise erreicht werden kann. Es muss also geprüft werden, ob es ein milderes Mittel gibt, das zur Zweckerreichung gleich geeignet ist, den Eigentümer aber weniger belastet. Als milderes Mittel ist es anzusehen, wenn das Planvorhaben gleich gut auch auf Grundstücken der öffentlichen Hand verwirklicht werden kann (BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 – 4 CN 6/01 –, NVwZ 2002, 1506, juris Rn. 13; BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2009 – 1 BvR 2187/07, 1 BvR 692/08 –, NVwZ 2009, 1283, juris Rn. 23; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 1. November 2014, § 87 Rn 4 m.w.N.). In der Abwägung hat das Eigentum der öffentlichen Hand nämlich ein geringeres Gewicht als das Eigentum Privater, weil Hoheitsträger angesichts des personalen Schutzzwecks der Eigentumsgarantie nicht Inhaber des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG sind (BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 – 4 CN 6/01 –, NVwZ 2002, 1506, juris Rn. 13).

Ein Grundstück der öffentlichen Hand ist für Gemeinbedarfszwecke gleich gut geeignet wie ein Grundstück eines Privaten, wenn sich seine Inanspruchnahme mit dem städtebaulichen Konzept der Gemeinde verträgt und keine Gründe, etwa die Auswirkungen der Vorhaben auf die Umgebung, für die Ausweisung gerade auf dem Privatgrundstück sprechen. Der Grundsatz des Vorrangs von Flächen der öffentlichen Hand für Gemeinbedarfszwecke darf freilich nicht dahin missverstanden werden, dass sich die Bauleitplanung primär an den Eigentumsverhältnissen auszurichten hat (BVerwG, Urteil vom 06. Juni 2002 – 4 CN 6/01 –, NVwZ 2002, 1506, juris Rn. 17). Dabei ist zu berücksichtigen, dass den Gemeinden bei der Wahrnehmung der städtebaulichen Planung, insbesondere wenn Wertungen und Prognosen auf einer dem Zugriff auf das einzelne Grundstück vorgelagerten Ebene in Rede stehen, ein gerichtlich nicht vollständig nachprüfbarer Gestaltungsspielraum insbesondere hinsichtlich der planerischen Konzeption zusteht. Bei dessen Entwicklung hat die Gemeinde ein weites Ermessen. Sie ist vom Gesetzgeber ermächtigt, die "Städtebaupolitik" zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 – 4 CN 6/01 –, NVwZ 2002, 1506, juris Rn. 17). Daher ist die Standort- oder Variantenwahl erst dann rechtswidrig, wenn sich die verworfene Alternative entweder als eindeutig vorzugswürdige Lösung hätte aufdrängen müssen oder wenn der planenden Gemeinde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2009 – 1 BvR 2187/07, 1 BvR 692/08 –, NVwZ 2009, 1283, juris Rn. 20; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 1. November 2014, § 87 Rn. 4).

Unter Anwendung dieser Grundsätze und unter Beachtung des der planenden Gemeinde eingeräumten Gestaltungsspielraums haben die Beteiligten zu 2.) bis 41.) weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren durchgreifend dargetan, dass im konkreten Einzelfall der Zweck der Erschließung der Grundstücke im Inneren des nordöstlichen Teils des Straßenviertels durch eine Straßenführung über die Grundstücke der öffentlichen Hand (Flurstücke 1940 und 1412) von der J… Straße aus im Vergleich zu der im Bebauungsplan T…-/J… Straße von der Gemeinde gewählten Planung der Erschließungsstraße von der E… Straße aus gleich gut und eindeutig vorzugswürdig hätte verwirklicht werden können.

Zwar trifft es zu, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB) am 19. März 1998 das direkt an der J… Straße gelegene Grundstück 1412 und das hinter ihm liegende Flurstück 1940 (damals gemeinsame Bezeichnung Flurstück 1049) als Grundstücke der öffentlichen Hand zu qualifizieren waren, auch wenn die Gemeinde selbst zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in das Grundbuch eingetragen war. Durch den Bescheid der Oberfinanzdirektion über die Zuordnung der ehemals volkseigenen Liegenschaft vom 21. Oktober 1996 war nämlich festgestellt worden, dass die Gemeinde Eigentümer der vorbezeichneten Liegenschaft ist.

Die Erschließung der am Inneren des Straßenviertels gelegenen Grundstücke von der J… Straße aus ist aber nicht eindeutig vorzugswürdig und gleich gut zur Erschließung geeignet. Dabei kann der Senat offen lassen, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB) nördlich oder südlich der - aus der Plankarte des Bebauungsplans ersichtlichen – bereits errichteten Wohngebäude, Nebengebäude und Wochenendhäuser auf den Flurstücken 1412 und 1940 noch ausreichend unbebaute Grundstücksflächen zur Verfügung standen, dass dort noch zusätzlich eine - entsprechend der Festsetzungen der P… Straße im Bebauungsplan - 5 m breite Erschließungsstraße hätte umgesetzt werden können. Entscheidend ist vielmehr hier, das ausweislich der Begründung des Bebauungsplans T…-/J… Straße der Plangeber das im Hinblick auf § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB legitime Planungsziel verfolgt hat, dass eine „flächensparende Erschließung“ geplant werden sollte. Bei der Aufstellung des Bebauungsplans hat der Plangeber sich damit von der Erwägung leiten lassen, dass mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen werden soll, die zusätzliche Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Erschließungsmaßnahmen also sparsam erfolgen soll. Nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts wäre eine Erschließung von der J… Straße aus bis zum heutigen Flurstück 1939 deutlich länger als die vom Bebauungsplan vorgesehene Erschließung über die E… Straße bis zum Flurstück 1941. Aus der Planzeichnung des Bebauungsplans kann abgelesen werden, dass eine solche Erschließung über eine Stichstraße von der J… Straße aus über die Grundstücke der öffentlichen Hand eine Länge von rund 100 m hätte, während die geplante Erschließung von der E… Straße über die Flurstücke 1489, 1490, 166, 1943 lediglich eine Länge von rund 55 m hätte, weshalb eine alternative Erschließung über die Grundstücke der öffentlichen Hand bei gleicher Straßenbreite deutlich mehr zusätzliche Flächen in Anspruch nehmen müsste, als die P… Straße des Bebauungsplans. Aus diesem Grund kann das Planungsvorhaben daher nicht gleich gut auf den Grundstücken der öffentlichen Hand von der J… Straße aus verwirklicht werden. Im Übrigen hat das erstinstanzliche Gericht zutreffend darauf abgestellt, dass die im Bebauungsplan festgesetzte und im gemeinschaftlichen Eigentum der beteiligten Wohnungseigentümer stehende Fläche des Flurstücks 1490 damals unbebaut war. Die Gemeinde hat im Berufungsverfahren dargetan, dass sie zur Erstellung der Erschließungsstraße lediglich eine Teilfläche von ca. 17 m² des Flurstückes 1940, das im privaten gemeinschaftlichen Eigentum steht, benötigen würde, während die anderen Flächen für die Erstellung der Erschließungsstraße entsprechend der im Bebauungsplan festgesetzten Verkehrsflächen in ihrem Eigentum stehen. Angesichts dessen war es hier nicht eindeutig vorzugswürdig, die Erschließungsstraße über die Grundstücke der öffentlichen Hand von der J… Straße aus im Bebauungsplan festzusetzen. Zudem sprach im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan ein weiterer Grund dafür, dass die Erschließung der im Inneren des Straßenviertels gelegenen Grundstücke von der J… Straße aus nicht gleich gut verwirklicht werden kann, als über die gewählte P… Straße von der E… Straße aus. Zu Recht hat nämlich die Beteiligte zu 42.) in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass bei der damaligen Abwägung für die Planungsalternative der Erschließungsstraße von der E… Straße aus der Belang sprach, dass die Gemeinde sich einen Teil der für den Bau dieser Erschließungsstraße benötigten Flächen bereits vertraglich schuldrechtlich gesichert hatte. Denn sie hatte durch den zwischen der Gemeinde und dem Bauträger der Wohnungseigentumsanlage geschlossenen Erschließungsvertrag vom 5. Mai 1997 einen schuldrechtlichen Anspruch auf unentgeltliche und kostenfreie Eigentumsverschaffung an den heutigen Flurstücken 1489 und der Teilfläche des Flurstückes 1490. Dass die Vertragserfüllung zwischenzeitlich subjektiv unmöglich geworden ist, weil der Bauträger später sein bisheriges Alleineigentum an den Grundstücksflächen an Dritte übertragen hat (vgl. näher VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 19. Februar 2010 – 7 K 2314/04 -, S. 11 ff.), führt nicht zur Fehlerhaftigkeit der damaligen Abwägungsentscheidung des Plangebers, da es für diese auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung ankommt.

An der Wirksamkeit der Festsetzung des Bebauungsplans für die Verkehrsflächen der P… Straße ändert auch das Vorbringen der Beteiligten nichts, dass die heutigen Wohnungseigentümer jedenfalls bei Erwerb ihrer Miteigentumsanteile (vom Bauherrn) nichts von der geplanten P… Straße über ihr Grundstück gewusst hätten. Die Erteilung der Genehmigung für den Bebauungsplan T…-/ J… Straße sowie die Stelle, bei dem der Plan während der Dienstzeiten von jedermann eingesehen werden kann und bei der über ihren Inhalt Auskunft erhalten werden kann, sind im Amtsblatt der Gemeinde vom 1. Januar 2001 bekannt gemacht worden, weshalb der Öffentlichkeit die verlässliche Kenntnisnahme vom geltenden Recht ermöglicht wurde und damit auch die Erwerber des gemeinschaftlichen Eigentums an den von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu Verkehrsflächen betroffenen Grundstücken die Möglichkeit hatten, vom Erlass und vom Inhalt des Bebauungsplans einschließlich der Festsetzungen der P… Straße Kenntnis zu nehmen.

(2) Das Eigentum an der mit Enteignungsbescheid vom 15. Mai 2012 näher bezeichneten Teilfläche des Grundstücks Gemarkung P…, Flur 2, Flurstück 1940 ist ein zulässiger Enteignungsgegenstand im Sinne von § 86 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Durch Enteignung kann danach das Eigentum an Grundstücken entzogen werden, wobei aus § 201 Abs. 1 BauGB folgt, dass auch Grundstücksteile enteignet werden können.

(3) In diesem Einzelfall sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Enteignung nach § 87 Abs. 1 BauGB hinsichtlich der im Bescheid bezeichneten Teilfläche des Grundstücks gegeben.

Die Enteignung ist danach im einzelnen Fall nur zulässig, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann. Die Generalklausel des § 87 Abs. 1 BauGB knüpft an das dem Eigentumsschutz dienende Gemeinwohlgebot des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG an und verbindet dieses Abwägungsgebot mit dem Übermaßverbot. Diese Entscheidung der Enteignungsbehörde über diese Enteignungsvoraussetzungen ist, wie sich aus den § 87 BauGB ergibt, keine Ermessensentscheidung. Die Baulandgerichte sind verpflichtet und befugt, die Entscheidung der Enteignungsbehörde, ob der unbestimmte Rechtsbegriff des Wohls der Allgemeinheit die Enteignung erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann, vollständig nachzuprüfen (BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2009 – 1 BvR 2187/07, 1 BvR 692/08 –, NVwZ 2009, 1283, juris Ls. 2 c. u. Rn. 14).

Da das private Eigentum nur enteignet werden kann, wenn es das Wohl der Allgemeinheit erfordert, ist der Zugriff auf das Eigentum nur zulässig, wenn das Eigentumsobjekt zur Erfüllung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe benötigt wird, der Zugriff also einem besonderen, im öffentlichen Nutzen liegenden Zweck dient (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. März 1984 – 1 BvL 28/82 –, BVerfGE 66, 248, juris Rn. 34, Beschluss vom 12. November 1974 – 1 BvR 32/68 –, BVerfGE 38, 175, juris Rn. 17). Dabei reicht nicht jedes beliebige öffentliche Interesse aus. Die freiheitssichernde Funktion des Eigentums verlangt ein schwerwiegendes, dringendes öffentliches Interesse; nur um dessen Erfüllung willen dürfen private Rechte entzogen werden. Es kommt nicht darauf an, ob ein Vorhaben in einem allgemeinen Sinne dem Wohl der Allgemeinheit dient, sondern, ob die konkrete Enteignung hierfür notwendig ist. Die Entscheidung über die Enteignung erfordert eine Abwägung der Gemeinwohlbelange mit denen der betroffenen Eigentümer (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2009 – 1 BvR 2187/07, 1 BvR 692/08 –, NVwZ 2009, 1283, juris Rn. 8, 14 m.w.N.). Das Wohl der Allgemeinheit ist also durch eine Abwägung nach Verhältnismäßigkeitskriterien zwischen dem öffentlichen Interesse an der Enteignung und dem Interesse des Eigentümers an der Erhaltung seines Eigentums zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2002 – 4 C 7/01 –, BVerwGE 117, 138, juris 145 Rn. 7). Die spezifisch enteignungsrechtliche Gesamtabwägung aller Gemeinwohlgesichtspunkte ist dabei nicht mit einer planerischen Abwägung gleichzusetzen (BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2009 – 1 BvR 2187/07, 1 BvR 692/08 –, NVwZ 2009, 1283 juris Rn. 14 m.w.N.). Mit den Festsetzungen im Bebauungsplan ist für die einzelnen vom Plan erfassten Grundstücke die zulässige Benutzungsart bestimmt; damit steht aber noch nicht notwendig fest, dass das Wohl der Allgemeinheit es gebietet, ein bestimmtes Grundstück diesem Zweck zwangsweise durch Enteignung gerade im jetzigen Zeitpunkt zuzuführen. Die Enteignung ist danach nur zulässig, wenn es zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben unumgänglich ist, das Eigentum in die Hand des Staates oder der Gemeinde zu bringen. Es muss über das öffentliche Interesse an der Planung hinaus ein Zurücktreten des Eigentümers hinter das Gemeinwohl erforderlich sein (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2001 – III ZR 76/01 –, ZfB 2002, 266, juris Rn. 6; Beschluss vom 28. Juli 1988 – III ZR 178/87 –, juris Rn. 2; Urteil vom 7. Juli 1988 – III ZR 134/87 –, BGHZ 105, 94, juris Rn. 16).

Unter Anwendung dieses Maßstabes hat das Landgericht die Zulässigkeit der Enteignung nach § 87 Abs. 1 BauGB zu Recht bejaht. Die Bewertung und Würdigung des Enteignungsbeschlusses vom 15. Mai 2012 in diesem Einzelfall, dass die Enteignung der 17 m² großen Teilfläche des Flurstücks 1490 zur Erreichung des Wohls der Allgemeinheit erforderlich ist und der Enteignungszweck der Nutzung der Fläche als Verkehrsfläche zur Herstellung einer von der E… Straße abgehenden Erschließungsstraße auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann, ist nicht zu beanstanden. Bei einer Abwägung der Gemeinwohlbelange mit denen der betroffenen Miteigentümer überwiegen die öffentlichen Interessen an der Nutzung der Teilfläche als Erschließungsstraße.

Bei der vorgenannten Bewertung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass entgegen der Ansicht der Berufungskläger hier keine Enteignung zugunsten eines Privaten erfolgen soll, bei der im Interessensdreieck „Gemeinwohl-Enteigneter-Begünstigter“ besondere Anforderungen an die Abwägung der Belange und die Prüfung der Erforderlichkeit der Enteignung zu stellen wären (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 - 1 BvR 1046/85 -, BVerfGE 74, 264, juris Rn. 53 ff.). Die Enteignung der Teilfläche des Grundstücks zu dem Zweck, es für die Nutzung als Verkehrsfläche zur Errichtung einer Erschließungsstraße vorzubereiten, erfolgt hier gemäß § 87 Abs. 3 Satz 1 BauGB zugunsten der Gemeinde als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft. Enteignungsbegünstige (§ 113 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) ist nämlich diejenige, auf die das entzogene Eigentum an einem Grundstück übertragen wird. Die Teilfläche an dem Flurstück 1490 soll nach dem Enteignungsbescheid zugunsten der Gemeinde enteignet werden und an diese übertragen werden. Die Gemeinde beabsichtigt entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans die Nutzung des Grundstücks als Straßenverkehrsfläche selbst zu realisieren. Insbesondere die Erschließung von Grundstücken durch örtliche Straßen und andere Verkehrsflächen ist nach § 123 Abs. 1 BauGB grundsätzlich eine Aufgabe der Gemeinde, die auch Straßenbaulastträger für Gemeindestraßen ist (vgl. § 9a Satz 3 BbgStG). Die enteignungsbegünstigte Gemeinde erfüllt mit der Erschließung der im Inneren des Straßenviertels gelegenen Grundstücke damit eine Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt. Der Umstand, dass die Erschließung unmittelbar als Reflex auch im privaten Interesse der Eigentümer der zu erschließenden Grundstücke liegt, führt nicht dazu, dass die besonderen Voraussetzungen der Enteignung zugunsten Privater in diesem Fall zu prüfen wären.

Der Enteignungsbeschluss hat die schützenswerten privaten Interessen der Miteigentümer an der Erhaltung des konkreten Bestands ihres gemeinschaftlichen Eigentums an der Teilfläche des Flurstücks 1490 selbst zu recht angeführt. Die Miteigentümer können den personellen Schutzzweck der Eigentumsgarantie für sich in Anspruch nehmen, der der persönlichen Nutzung des Eigentums im besonderen Maß Bedeutung zuweist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1998 - III ZR 134/87 -, BGHZ 105, 94, juris Rn. 26). Im Ergebnis zutreffend ist die Enteignungsbehörde in diesem Einzelfall zu der Bewertung gelangt, dass die privaten Interessen der Miteigentümer jedoch kein die Zulässigkeit der Enteignung durchgreifend in Frage stellendes Gewicht haben. Dabei ist zum einen in diesem Einzelfall zu berücksichtigen, dass die im gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümer stehende von der Enteignung betroffene Teilfläche mit ca. 17 m² einen relativ kleinen Teil des 5.294 m² großen Grundstücks ausmacht. Zum Zeitpunkt des Enteignungsbeschlusses war dieser Grundstücksteil nicht mit baulichen Anlagen bebaut. Die Wohnanlage steht auf einem anderen Teil des Grundstücks, das von der Enteignung nicht betroffen ist. Bei der Gewichtung der privaten Belange ist weiter die konkrete Situation der Lage der Teilfläche am südöstlichen Rand des Flurstücks einzustellen, die in der Nähe eines im Eigentum der Gemeinde stehenden Wassergrabens liegt. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass sich auf dem größten Teil der Fläche die Böschung zu dem 1,75 m tiefer liegenden Wassergraben befindet, weshalb dieser Bereich tatsächlich allenfalls sehr eingeschränkt baulich oder sonst genutzt werden kann. Soweit die von der Enteignung betroffenen Miteigentümer behaupten, dass durch die Enteignung die Nutzung des Flurstücks für bauliche Anlagen, wie einem geplanten Parkplatz, Wäschetrockenplatz und Grillplatz verhindert werde, hat dieser Belang eher ein geringes Gewicht. Die betroffene Teilfläche steht rechtlich für bauliche Hauptnutzungen, wie Wohn- und Geschäftsgebäude sowie deren Nebenanlagen grundsätzlich nicht zur Verfügung. Der - insofern nicht angegriffene - Bebauungsplan T…-/J… Straße setzt nämlich entlang des Hochwasserschutzgrabens, soweit keine Verkehrsfläche festgesetzt ist, beiderseitig 5 m von der Böschungskante eine von der Bebauung freizuhaltende Fläche im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB fest, weshalb bauplanungsrechtlich jedenfalls in der unmittelbaren Umgebung der von der Enteignung betroffenen Flächen Stellplätze und Garagen nicht errichtet werden können. Bei der Gewichtung der Belange der Miteigentümer berücksichtigt der Enteignungsbeschluss im Übrigen zu Recht, dass die bauliche Nutzung der Grundstücke der Beteiligten zu 2.) bis 41.) maßgeblich durch die Festsetzungen des Bebauungsplans geregelt wird. Dies hat zur Folge, dass durch die Festsetzung des Grundstücks als Mischgebiet (§ 6 BauNVO) die Errichtung von Wohn- und Geschäftsgebäuden zulässig wurde und das damals unbebaute Grundstück von vornherein mit der öffentlich-rechtlichen Belastung der im Plan festgesetzten Erschließungsstraße belastet war. Das hat zur Folge, dass der Bauherr der Wohnanlage sich bei der Konzeption der Bebauung auf dem Gesamtgrundstück auf die im Plan festgesetzten Verkehrsflächen einstellen und sie bei der Errichtung der Gebäude berücksichtigen konnte. So hat er einen Teil der geplanten Erschließungsstraße (Flurstück 1489) auch zur Erschließung seiner eigenen Gebäude (E… Straße 44,45), die nicht an der E… Straße liegen, genutzt. Dies mindert das Gewicht der konkreten Enteignung der für die Erschließungsstraße betroffenen Eigentumsinteressen, was für ein Zurücktreten der Belange der privaten Miteigentümer spricht.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Vorbingen zu dem von der Erschließungsstraße verursachten Verkehrslärm. Soweit die beteiligten Eigentümer im Rahmen der Enteignung pauschal auf ein erhöhtes Verkehrs- und Lärmaufkommen durch den Durchgangsverkehr zu den Hinterliegergrundstücken verweisen, haben sie nicht substantiiert eine enteignungsbedingte unzumutbare Verkehrslärmerhöhung dargetan. Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil ausgeführt, dass die durch die Enteignung ermöglichte P… Straße zu den sieben Hinterliegergrundstücken, die der privaten Wohnnutzung dienen, zu einer Erhöhung von Kfz-Bewegungen von voraussichtlich allenfalls täglich 20 Bewegungen führe, weshalb eine unzumutbare Verkehrslärmerhöhung hier nicht ersichtlich sei. Dem sind die Berufungskläger nicht substantiiert entgegengetreten. Vor dem Hintergrund, dass nach der textlichen Festsetzung des Bebauungsplans Ziffer 1.6.1 die P… Straße als „verkehrsberuhigter Bereich, Spielstraße, Zeichen 326“ gewidmet werden soll, kann davon ausgegangen werden, dass die Aufenthaltsfunktion der Verkehrsfläche voraussichtlich überwiegen wird und der Fahrzeugverkehr eher geringfügig und von untergeordneter Bedeutung ist, weshalb nicht ersichtlich ist, dass die Belange der Miteigentümer und Wohnungseigentümer durch den mit der Enteignung verfolgten Zweck mehr als geringfügig berührt werden.

Der Enteignungsbescheid geht zu Recht davon aus, dass die Enteignung der Teilfläche des Grundstücks zum Wohl der Allgemeinheit wegen schwerwiegender, im öffentlichen Nutzen liegender Zwecke im öffentlichen Interesse liegt und zur Erreichung des Enteignungszwecks erforderlich ist, weshalb die privaten Belange der Miteigentümer im konkreten Einzelfall zurücktreten müssen.

Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die eine Enteignung legitimierenden Gemeinwohlaufgaben selbst festzulegen. Seine Wertungen und Erwägungen hat auch das Baulandgericht zu respektieren, es sei denn, sie sind eindeutig widerlegbar oder offensichtlich fehlsam oder widersprechen der Wertordnung des Grundgesetzes (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2002 – BVerwG 4 C 7/01 –, BVerwGE 117, 138, juris Rn. 7). Wie ausgeführt, hat der Gesetzgeber mit § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB die im Einklang mit der Wertordnung des Grundgesetzes stehende Festlegung getroffen, dass enteignet werden kann, um entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans ein Grundstück zu nutzen oder eine solche Nutzung vorzubereiten. Diese gesetzliche Wertung haben auch die Baulandgerichte bei der Abwägung der Interessen zu respektieren. Die von der Enteignung betroffene Teilfläche des Flurstücks 1490 soll entsprechend der Festsetzung des Bebauungsplans T…-/J… Straße als Verkehrsfläche genutzt werden, die als Erschließungsstraße dienen soll. Auf dem Grundstücksteil soll damit eine Straße entstehen, die grundsätzlich neben der wegemäßigen Erschließung auch Versorgungsanlagen für Elektrizität und Wasser sowie die Ableitung des Abwassers aufnehmen kann, was im öffentlichen Nutzen liegt und als städtebaulicher Gemeinwohlvorteil hier die Enteignung rechtfertigt. Durch die Enteignung der Teilfläche werden die Voraussetzungen geschaffen, dass die durch die P… Straße zu erschließenden sieben der im Inneren des Straßenviertels gelegenen Grundstücke dauerhaft gesichert erschlossen werden und diese mit Wohngebäuden bebaut werden können bzw. der Bestand der errichteten Wohngebäude rechtlich gesichert wird. Wie aus der Begründung des Bebauungsplans ersichtlich, war die Schaffung von Bebauungsmöglichkeiten in dem hinteren Grundstücksbereich des in der Nähe des S-Bahnhofs gelegenen Straßenviertels und damit auch dessen Erschießung zur Deckung eines dringenden Wohnbedarfs der Bevölkerung erforderlich, weshalb ein schwerwiegendes öffentliches Interesse an der Enteignung vorliegt.

Die konkrete Enteignung ist zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Erschließung von Grundstücken über die im Bebauungsplan festgesetzten Verkehrsflächen erforderlich und unumgänglich. Das Eigentum der Beteiligten zu 2.) bis 41.) wird im konkreten Fall benötigt, um entsprechend der Festsetzung des Bebauungsplans die Erschließungsstraße herzustellen. Ohne die Inanspruchnahme der Teilfläche des Flurstücks 1490 könnte nämlich die von der E… Straße abgehende P… Straße nicht durchgehend bis zu den zu erschließenden Grundstücken im Inneren des Straßenviertels geführt werden.

Ohne Erfolg bleibt das Vorbringen der Miteigentümer, dass eine Erschließungsalternative unter vorrangiger Inanspruchnahme von Grundstücken der öffentlichen Hand von der J… Straße aus möglich sei, also der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise erreicht werden könne. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 1 BvR 2187/07 -, NVwZ 2009, 1706, juris Rn. 22) bedarf es auf der Ebene der Enteignungsentscheidung nach § 87 Abs. 1 Satz 1 BauGB insoweit keiner erneuten eigenständigen Alternativprüfung über die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Grundstücks des von der Enteignung Betroffenen, als sie von der Gemeinde im Rahmen ihrer bauplanerischen Abwägungsentscheidung in den Bebauungsplan bereits vorgenommen wurde und diese im Rahmen einer gerichtlichen (Inzident-) Kontrolle nicht zu beanstanden ist. Das ist hier hinsichtlich der Prüfung über die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme der Grundstücksteile der Beteiligten zu 2.) bis 41.) der Fall. Die Gemeinde hat eine bauplanerische Abwägungsentscheidung mit dem Bebauungsplan T…-/J… Straße vorgenommen und sich für die Variante einer Führung der Erschließungsstraße von der E… Straße aus statt von der J… Straße entschieden. Diese Entscheidung war auf der Ebene der inzidenten Kontrolle des Bebauungsplans einer Prüfung auf Rechtmäßigkeit unterworfen (vgl. S. 15 f.) und ist trotz der Rügen der Miteigentümer nicht zu beanstanden. Eine darüber hinausgehende Prüfungspflicht von Alternativen und Varianten der Führung der Erschließungsstraße ist im Enteignungsverfahren nicht geboten (vgl. Ernst/Zinkahn/ Bielenberg, BauGB, Stand 1. November 2014, BauGB, § 87 Rn. 55; in diese Richtung auch BGH, Urteil vom 22. September 1966 - III ZR 187/65 – juris; Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 2. Aufl. § 87 Rn. 26.1; a.A. wohl Reisnecker in: Brügelmann, BauGB, Stand 9/2010, § 87 Rn. 12). Im konkreten Einzelfall ist dabei auch erheblich, dass eine alternative Führung der Erschließungsstraße über die Grundstücke von der J… Straße, insbesondere über die Flurstücke 1412 und 1940, seit Inkrafttreten des Bebauungsplans nicht mehr zulässig wäre. Nach den Festsetzungen des Bebauungsplans liegen die Grundstücke nämlich in einem reinen Wohngebiet und sollen dem Wohnen dienen, weshalb von der Art der baulichen Nutzung Wohngebäude als Hauptnutzung zulässig sind (vgl. § 6 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BauGB). Die Errichtung einer durchgehenden und erhebliche Grundstücksflächen in Anspruch nehmende Verkehrsfläche auf den in der Nähe der J… Straße gelegenen Grundstücken ist daher nach dem Bebauungsplan planungsrechtlich unzulässig. Zwar hat die enteignungsbegünstigte Gemeinde diese rechtliche Lage durch eine kommunale Satzung selbst geschaffen, aber nach der oben genannten inzidenten Kontrolle der Norm in rechtmäßiger Weise.

Die von einem Teil der Berufungskläger aufgeworfene Frage, ob der bestehende Bebauungsplan zwingend abzuändern sei, um die Inanspruchnahme privater Eigentümer in einem Enteignungsverfahren auf diesem Wege zu vermeiden, ist nicht klärungsbedürftig. Bereits aus den gesetzlichen Regelungen des § 1 Abs. 3, 8 BauGB folgt nämlich, dass auf die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen wie dem Bebauungsplan kein Anspruch besteht. Die Berufungskläger zu 2.) bis 7.), 10.) und 11.) können daher im Enteignungsverfahren nicht mit Erfolg geltend machen, die Enteignung sei nicht erforderlich, weil sie einen Anspruch auf Abänderung des Bebauungsplans hätten.

Unabhängig von vorgenannter Erwägung wäre die konkrete Enteignung des Grundstückteils der Beteiligten zu 2.) bis 41.) zum Zwecke der Errichtung der Erschließungsstraße selbst dann erforderlich, wenn man entgegen der vorgenannten Auffassung des Senats auch auf der Ebene der Enteignungsentscheidung nach § 87 Abs. 1 BauGB eine Prüfung der Alternativen zur Führung der Erschließungsstraße für erforderlich halten würde. Eine vorrangige Führung der Erschließungsstraße über Grundstücke der öffentlichen Hand von der J… Straße aus war zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Enteignungsbescheides vom 15. Mai 2012 nämlich nicht mehr möglich, da das an der J… Straße gelegene und dazu benötigte Flurstück 1412 seit dem 4. Juli 2001 nicht mehr in Hand der Gemeinde ist, sondern infolge des Verkaufs im Eigentum Privater ist. Hinzu kommt, dass auch im Rahmen des § 87 Abs. 1 BauGB die Würdigung und Bewertung gilt, dass die Alternative einer Errichtung der Erschließungsstraße über Grundstücke von der J… Straße aus gegenüber dem geplanten Vorhaben der Führung der Erschließungsstraße von der E… Straße aus nicht gleich gut verwirklicht werden kann, die von dem Wohnungseigentümer bevorzugte Alternative also nicht eindeutig vorzugswürdig ist (vgl. näher S. f.).

Das Wohl der Allgemeinheit erfordert, die Teilfläche des Grundstücks der Beteiligten zu 2.) bis 41.) zum Zwecke der Nutzung als Erschließungsstraße auch zum jetzigen Zeitpunkt zu enteignen, obwohl die Miteigentümer geltend machen, dass zwischenzeitlich eine „de facto-Alternative“ der Erschließung vorliege und die zu erschließenden Grundstücke überwiegend auch ohne die Erschließungsstraße bebaut worden seien. Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht zu der Würdigung und Bewertung gelangt, dass die von der Enteignungsbehörde im Bescheid getroffene Bewertung, dass die P… Straße weiter für die ordnungsgemäße gesicherte Erschließung im Sinne von § 30 Abs. 1 BauGB erforderlich ist, nicht zu beanstanden ist. Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn die Erschließung gesichert ist. Eine gesicherte Erschließung verlangt zumindest die verkehrsmäßige Erschließung (vgl. näher BVerwG, Urteil vom 29. Mai 1991 – 8 C 67/89 –, BVerwGE 88, 248, Rn. 19; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 11. Juli 2014 – OVG 10 N 24.14 –, BauR 2014, 1975, juris Rn. 7) durch den Anschluss des Baugrundstücks an das öffentliche Straßennetz, die Versorgung mit Wasser und Elektrizität wie auch die Entsorgung des Abwassers. Zeitlich betrachtet muss die Erschließung dauerhaft gewährleistet sein, weshalb bei einem Grundstück, das keine unmittelbare Zufahrt zum öffentlichen Verkehrsnetz besitzt, eine öffentlich-rechtliche oder eine privatrechtlich dingliche Sicherung erforderlich ist (Jarass/Kment, BauGB, § 30 Rn. 12 f. m.w.N.).

Die Enteignungsbehörde und das erstinstanzliche Gericht sind zu Recht zu der Würdigung gelangt, dass die „de facto-Erschließung“ der Grundstücke im Inneren des Straßenviertels (Flurstücke 1942, 1940, 1963, 1421, 1422, 1542, 1286) über die Grundstücke in der ersten Reihe von der T…- und J… Straße aus jedenfalls teilweise keine dauerhaft gesicherte Erschließung im vorgenannten rechtlichen Sinne ist. So hat die Enteignungsbehörde im Bescheid vom 15. Mai 2012 (S. 9 ff.) nachvollziehbar dargetan, dass die Baugenehmigung für die Bebauung des Grundstücks 1286 unter der Auflage erteilt wurde, dass nach Erschließung gemäß Bebauungsplan der Anschluss an das öffentliche Wassernetz und die Zufahrt ausschließlich über die P… Straße zu erfolgen hat und die Erschließung derzeit nur provisorisch über das Vorliegergrundstück gelöst worden sei. Auch für die Bebauung des Flurstücks 1422 mit einem Wohngebäude und Garage sieht die im Berufungsverfahren vorgelegte Baugenehmigung vom 15. Dezember 2004 in einer Nebenbestimmung vor, dass die Erschließung des Baugrundstücks nur bis zur Fertigstellung der P… Straße über Dienstbarkeiten auf den Flurstücken 1420 und 1421 zugelassen wird. Nach Fertigstellung ist unverzüglich die wegemäßige Erschließung über die P… Straße zu gewährleisten. Im Enteignungsbescheid wird weiter ausgeführt, dass die Erschließung des bislang unbebauten Grundstücks 1963 nicht gesichert ist. Die Eigentümer des Vorliegergrundstücks weigern sich nämlich, eine Erschließung über ihr Grundstück zuzulassen, da dann Bäume gefällt werden müssten und im Falle von Arbeiten an der Erschließungsanlage Konflikte zu befürchten seien. Der gehörlose Eigentümer des Flurstücks 1963 habe daher mit der Errichtung eines Gebäudes nicht beginnen können, auch weil die Erschließung über ein Vorliegergrundstück seinen spezifischen Bedürfnissen nicht entspräche. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Ausführungen des Enteignungsbescheides Bezug genommen. Die Berufungskläger sind dem im Berufungsverfahren nicht substantiiert entgegengetreten.

Auch das Vorbringen, die weitere Führung der P… Straße über den Wassergraben erfordere eine umweltunverträgliche „Überführungsmöglichkeit“, legt nicht substantiiert dar, dass der Enteignung hier überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Nach dem nachvollziehbaren, auf einer Untersuchung eines Ingenieurbüros beruhenden Vorbringen der Beteiligten zu 42.) in der mündlichen Verhandlung erfordert die Erschließungsstraße über den Wassergraben kein Brückenbauwerk, sondern es genügt ein zum Hochwasserabfluss ausreichend dimensionierter Rohrdurchlass als Überfahrt, weshalb nicht ersichtlich ist, dass dem Vorhaben erhebliche öffentliche Umweltbelange entgegenstehen.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die enteignungsbedingte Errichtung der Erschließungsstraße neben dem für den durch die Enteignung eintretenden Rechtsverlust an der Teilfläche des Grundstücks, für die Entschädigung zu leisten ist (vgl. § 93 Abs. 2 Nr. 1 BauGB), erhebliche andere durch die Enteignung eintretende Vermögensnachteile (vgl. zu deren Entschädigung § 93 Abs. 2 Nr. 2 BauGB) hinsichtlich des Wertes der Grundstücke der Beteiligten zu 2.) bis 41.) hervorrufen, die als private Belange der Enteignung entgegenstehen würden. Die Beteiligten zu 2.) bis 41.) können nicht auf einen unveränderten Fortbestand des von ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgefundenen Wohnmilieus der Wohnanlage und des umgebenden Grundstücks vertrauen. Bauen sie auf eine Lagegunst, so nutzen sie eine Chance, die hier nicht die Qualität einer Rechtsposition im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hat. Obwohl Art. 14 Abs. 1 GG den eigentumsrechtlich geschützten Rechtspositionen keinen bestimmten Wert verbürgt und die Eigentumsgarantie deshalb grundsätzlich nicht vor Wertverlusten schützt, für die die öffentliche Hand verantwortlich zeichnet, darf das Eigentum allerdings in seinem Wert nicht so weit gemindert werden, dass die Befugnis, das Eigentumsobjekt nutzbringend zu verwerten, praktisch nur noch als eine leere Rechtshülle überbliebe (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1078.04 - BVerwGE 125, 116, juris Rn. 396). Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Situation hier enteignungsbedingt eintreten würde, haben die Berufungsführer nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ansatzweise ersichtlich.

(4) Die Beteiligte zu 42.) hat sich auch hinreichend um einen freihändigen Erwerb des Grundstücksanteils nach § 87 Abs. 2 Satz 1 BauGB bemüht. Die Enteignung setzt danach voraus, dass der Antragsteller sich ernsthaft um den freihändigen Erwerb des zu enteignenden Grundstücks zu angemessenen Bedingungen vergeblich bemüht hat. Soweit ein Teil der Berufungskläger rügen, die Beteiligte zu 42.) habe sich nicht an sie als (Mit-) Eigentümer und damit richtige Beteiligte gewandt, sondern Angebote lediglich gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft abgegeben, trifft dies tatsächlich nicht zu. Zum einen hat die Gemeinde mit Schreiben vom 10. Februar 2009 Angebote zum freihändigen Erwerb der zu enteignenden Grundstücksteile abgegeben und mit Schreiben vom 31. März 2009 darauf hingewiesen, dass das Angebot sich an die einzelnen Mitglieder der Eigentümergemeinschaft richte. Zudem hat sie sich ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung im Enteignungsverfahren vom 10. Februar 2012, an der die Miteigentümer der Eigentümergemeinschaft beteiligt waren, ausdrücklich erklärt, den freihändigen Erwerb für 65 EUR/m² weiterhin vornehmen zu wollen.

dd. Das Landgericht geht zu Recht davon aus, dass keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Höhe der Entschädigung besteht, die in Ziffer 3 des Entschädigungsfestsetzungsbeschlusses im Wege der Vorabentscheidung nach § 112 Abs. 2 BauGB auf insgesamt 1.105 EUR festgesetzt wurde. Die Vorabentscheidung hat zur Folge, dass vorab im Kern über die Rechtmäßigkeit der Enteignung, also den Übergang des Eigentums an dem zu enteignenden Grundstücks(teil) im Sinne von § 112 Abs. 2 BauGB entschieden wurde. Die endgültige Höhe der Entschädigung bleibt daher einem späteren Entschädigungsfestsetzungsverfahren vorbehalten. Die Anfechtung einer Vorabentscheidung über die Höhe der zu erwartenden Entschädigung und die festzusetzenden Vorauszahlungen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. Urteil vom 8. Mai 1980 - III ZR 27/77 -, BHGZ 77, 338, juris Rn. 21; Jarass/Kment, BauGB, § 113 Rn. 4) nur angreifbar, wenn diese offensichtlich fehlerhaft ist. Denn nur in einem solchen Fall kann den Betroffenen nicht zugemutet werden, auf die Entschädigung noch längere Zeit zu warten, bis die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung ergeht. Die Enteignungsbehörde hat die Entschädigung für den Rechtsverlust nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 1, 194 BauGB mit dem vom Gutachterausschuss ermittelten Verkehrswert bemessen. Dass die Höhe von 1.105 EUR offensichtlich fehlerhaft wäre, haben die Beteiligten zu 2.) bis 41.) auch im Berufungsverfahren nicht substantiiert vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

ee. Die gemäß § 113 Abs. 2 Nr. 3 BauGB in Ziffer 4. des Bescheides festgesetzte Verwendungsfrist von zwei Jahren ab dem Datum des Eintritts der Rechtsänderung ist nicht zu beanstanden. Auch die Prozessbevollmächtigten der Berufungskläger haben in der Verhandlung keine eigenständigen rechtlichen Bedenken gegen diese Verwendungsfrist geltend gemacht.

3. Der nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung (vgl. § 136 Abs. 4 ZPO) eingegangene und nicht nachgelassene Schriftsatz (§ 139 Abs. 5 ZPO) der Berufungskläger zu 2.) bis 7.), 10.) und 11.) vom 20. Mai 2015 gibt dem Senat keine Veranlassung, wie begehrt die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen und in eine Beweisaufnahme durch einen Ortstermin zur richterlichen Augenscheinnahme einzutreten. Es fehlt an den Voraussetzungen einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 221 Abs. 1 BauGB i.V.m. §§ 525 Satz 1, 156 ZPO. Die Anordnung einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO, die im Ermessen des Gerichts steht, ist nicht veranlasst. Die Voraussetzungen des § 156 Abs. 2 ZPO, bei dem das Gericht die Wiedereröffnung anzuordnen hat, sind unter Berücksichtigung des Schriftsatzes der Berufungskläger nicht zu ersehen. Sie haben nachträglich keine Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht, die einen Wiederaufnahmegrund bilden (§§ 156 Abs. 2 Nr. 2, 579, 580 ZPO). Insbesondere sind die nachträglich vorgelegten Fotografien keine Urkunden i.S. § 580 Nr. 7 Buchst b ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1975 – V ZR 127/74 –, BGHZ 65, 300, juris Ls. 1). Es kann auch nicht festgestellt werden, dass dem Senat eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör unterlaufen ist (§ 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 – IX ZR 341/98 –, juris Rn. 7). Soweit die Berufungskläger den zur Verdeutlichung der aktuellen Flurstücksbezeichnungen in dem betroffenen Gebiet in der mündlichen Verhandlung verwendeten Flurkartenauszug aus dem „BrandenburgVIEWER“ (vgl. http://bb-viewer.geobasis-bb.de) anführen und behaupten, dieser sei nicht mit den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen in Übereinstimmung zu bringen, haben sie in der Verhandlung nicht gerügt, dass sie dort keine genügende Gelegenheit zur Reaktion hierauf hatten. Zudem haben die Berufungskläger 2.) bis 7.), 10.) und 11.) vor der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz von 29. April 2015 selbst einen solchen Flurkartenauszug aus dem „BrandenburgVIEWER“ u.a. zu den Grundstücken J… Straße 5/5a (Flurstücke 1940, 1412) eingereicht, weshalb der Rechtsstreit insoweit auch keine überraschende Wendung genommen haben kann. Das Berufungsgericht war nicht gehalten, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, weil auf Grundlage der Rechtsauffassung des Senats die im Ortstermin feststellbaren derzeitigen örtlichen Gegebenheiten, insbesondere die auf den Flurstücken 1940 und 1412 vorhandenen baulichen Anlagen, nicht entscheidungserheblich sind. Für die Frage der Rechtmäßigkeit der Abwägungsentscheidung, ob die Erschließung der Grundstücke im Inneren des nordöstlichen Teils des Straßenviertels im Bebauungsplan durch eine Straßenführung über die Grundstücke der öffentlichen Hand (Flurstücke 1940 und 1412) von der J… Straße oder über die gewählte P… Straße von der E… Straße aus geplant und verwirklicht werden kann, kommt es nämlich auf die Sachlage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan am 19. März 1998 (vgl. § 214 Abs. 3 BauGB) und damit nicht auf die derzeit im Ortstermin feststellbare Sachlage an (vgl. dazu näher oben S. ff., f.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 221 Abs. 1 S. 1 BauGB i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO. Die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten 43.) sind nicht zu erstatten, weil die Enteignungsbehörde keinen Antrag i.S. § 228 Abs. 2 BauGB gestellt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen sind.

Der Gebührenstreitwert für die zweite Instanz beträgt 1.105 Euro (§ 3 ZPO i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). Für die Bemessung des Streitwertes war von der im Bescheid vom 15. Mai 2012 nach § 112 Abs. 2 BauGB festgesetzten Vorauszahlung in Höhe der zu erwartenden Entschädigung auszugehen, da sich aus ihr der Sache nach das wirtschaftliche Interesse an der Aufhebung des Bescheides ergibt.

Die Revision wird vom Senat in Ermangelung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß §§ 230, 221 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zugelassen.