Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 1 AR 35/11


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Zivilsenat Entscheidungsdatum 28.06.2011
Aktenzeichen 1 AR 35/11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Gemeinsam zuständig ist das Landgericht Hamburg.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten mit der beim Landgericht Potsdam rechtshängigen Klage auf Zahlung von Schadensersatz, Feststellung einer Verpflichtung zum Schadensersatz, Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten sowie auf Feststellung der Beendigung der Beteiligungsverträge in Anspruch.

Der Kläger behauptet, zum Zwecke seiner Altersvorsorge habe er eine Fondsbeteiligung an der Beklagten zu 1) in Form einer „Classic-Plus-Beteiligung“ erworben.Die Beklagte zu 2) sei als Rechtsnachfolgerin der R… AG u. a. für die Erstellung des Emissionsprospektes und den Vertrieb der Beteiligungen an der Beklagten zu 1) verantwortlich. Die Beklagte zu 3) habe die Beteiligungen unter Verletzung von Beratungspflichten vermittelt.

Der Kläger begehrt nunmehr die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts und regt die Bestimmung des Landgerichts Potsdam als zuständiges Gericht an.

Die Beklagten zu 1) und 2) sprechen sich für die Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg aus, die Beklagte zu 3) stellt diese in das Ermessen des Gerichts.

II.

1. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 ZPO über die Bestimmung des gemeinsam zuständigen Gerichts zu entscheiden, weil sich das bereits mit der Sache befasste Landgericht Potsdam in seinem Gerichtsbezirk befindet (Zöller/ Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 36 Rdnr. 17). Die bereits erfolgte Erhebung der Klage und die erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit stehen der Bestimmung des zuständigen Gerichts ebenso nicht entgegen wie der Umstand, dass keine Beklagte ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des befassten Gerichts hat (a. a. O. § 36 Rdnr. 16, 17).

2. Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.

a) Die Beklagten haben ihren allgemeinen Gerichtsstand (§ 17 ZPO) bei verschiedenen Gerichten, nämlich die Beklagten zu 1) und 2) beim Landgericht Hamburg, die Beklagte zu 3) beim Landgericht Hannover.

b) Die Beklagten werden als Streitgenossen in Anspruch genommen (§ 60 ZPO). Diese Bestimmung beruht weitgehend auf Zweckmäßigkeitserwägungen und ist deshalb grundsätzlich weit auszulegen. Dies gestattet es, auch ohne Identität oder Gleichheit der tatsächlichen und rechtlichen Gründe der geltend gemachten Ansprüche eine Streitgenossenschaft anzunehmen, wenn die Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (BGH, NJW-RR 1991, 381). Dazu gehören auch Ansprüche von Kapitalanlegern wegen unrichtiger Anlageberatung oder unrichtigem Anlageprospekt, wobei unerheblich ist, ob gegen alle beklagten Streitgenossen dieselben Anträge gestellt werden (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 60 Rdnr. 7).

Der Kläger stützt seine Ansprüche auf den Erwerb einer Beteiligung, an deren Entstehung und Vertrieb nach seinem Vortrag die Beklagten beteiligt gewesen sind. Der notwendige Zusammenhang i. S. v. § 60 ZPO wird nicht dadurch aufgehoben, dass die Ansprüche gegen die Beklagten auf verschiedene Anspruchsgrundlagen gestützt werden. Trotz der bestehenden Unterschiede erscheinen die erhobenen Ansprüche ihrem Wesen nach gleichartig, weil der Kläger seine Klage darauf stützt, dass die Beklagten jeweils einen Beitrag zum Vertrieb der Kapitalanlage geleistet haben (BGH, ZIP 2011,1074).

c) Ein gemeinschaftlicher allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand für alle Beklagten ist nicht begründet. Insbesondere die Voraussetzungen des ausschließlichen Gerichtsstandes nach § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO gegenüber der Beklagten zu 3) liegen nicht vor. Der Beklagten zu 3) werden keine fehlerhaften öffentlichen Kapitalmarktinformationen vorgeworfen, sondern sie wird vielmehr wegen einer falschen bzw. unzureichenden Beratung im Rahmen eines Anlageberatungsvertrages in Anspruch genommen. Anspruchsgrundlage ist damit eine Verletzung der Pflichten aus dem Anlageberatungsvertrag. Diese hat jedoch nicht schon deshalb öffentliche Kapitalmarktinformationen zum Gegenstand, weil sich die Beklagte zu 3) bei ihrer Beratung auch auf öffentliche Kapitalmarktinformationen bezogen hat. Die Beklagte zu 3) ist auch nicht Anbieter im Sinne von § 32 b ZPO. Anbieter ist nur derjenige, der für das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen verantwortlich ist und so auch den Anlegern gegenüber auftritt (BGH, NJW 2007, 1364; BGH NJW 2009, 513; BGH ZIP 2011, 1074.).

Ebenso ist der besondere Gerichtsstand des § 22 ZPO nicht gegeben (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 22 Rdnr. 8).

3. Als zuständiges Gericht war das Landgericht Hamburg zu bestimmen. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts hat nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Prozesswirtschaftlichkeit zu erfolgen (a. a. O. § 36 Rdnr. 18). Dabei kommt der im Verhältnis zu den Beklagten zu 1) und 2) nach § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorliegenden ausschließlichen Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg eine besondere Bedeutung zu. Die Beklagten zu 1) und 2) werden aufgrund falscher öffentlicher Kapitalmarktinformationen in Anspruch genommen. Öffentliche Kapitalmarktinformationen sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 KapMuG für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmte Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Vermögensdaten, die einen Emittenten von Wertpapieren oder Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen betreffen. Die Regelung über die ausschließliche Zuständigkeit betrifft auch Kapitalanlagen, für die eine Prospektpflicht gesetzlich nicht geregelt ist, und setzt nicht voraus, dass Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, die auf einer bestimmten spezialgesetzlichen Regelung beruhen. Voraussetzung ist allein, dass der geltend gemachte Schaden aufgrund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen entstanden ist (BGH, NJW 2007, 1364).

Der ausschließliche Gerichtsstand nach § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO für die gegen die Beklagten zu 1) und 2) geltend gemachten Ansprüche hindert die Bestimmung eines anderen Gerichts zwar nicht grundsätzlich. Dennoch hat dieser Gerichtsstand nach der Rechtsprechung und überwiegenden Meinung der Kommentarliteratur aber bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts ein erhebliches Gewicht (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 32 b Rdnr. 7 m. w. N.; Musielak/Heinrich, ZPO, 8. Aufl. § 32 b Rdnr. 5 a, Cypers, MDR 2009, 657, 663).

Dem nach § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ausschließlich zur Entscheidung berufenen Landgericht Hamburg ist unter Berücksichtigung des Sitzes der Beklagten zu 1) und 2) daher bei der Gerichtsstandsbestimmung der Vorzug zu geben. Auch unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass vor dem Landgericht Potsdam der Prozess noch nicht vorangeschritten ist, sondern gegenwärtig allein unter dem Aspekt der Zuständigkeit erörtert wird, haben die Gerichtsstände der §§ 29 und 29 c ZPO zurückzutreten, zumal diese keinen engeren Bezug zum streitigen Sachverhalt ausweisen als der ausschließliche Gerichtsstand des § 32 b Abs. 1 Ziff. 1 ZPO, der eine Konzentration am Sitz des Emittenten bzw. betroffenen Anbieters bezweckt um Beweiserhebungen zu erleichtern und den Anlegerschutz zu verbessern (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 32 b Rdnr. 2).