Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 25. Senat | Entscheidungsdatum | 18.10.2013 | |
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Aktenzeichen | L 25 AS 1235/11 B PKH | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 40 Abs 1 S 1 SGB 2, § 44 Abs 1 SGB 10 |
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 8. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. Bei der Abwägung, ob einer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg zukommt, gebietet Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i. V. m. dem in Artikel 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegten Rechtsstaatsgrundsatz und der in Artikel 19 Abs. 4 GG verankerten Rechtsschutzgarantie gegen Akte der öffentlichen Gewalt eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. In der Folge dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht (ständige Rechtsprechung, vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 6. Mai 2009 – 1 BvR 439/08 – zitiert nach juris -; vom 14. März 2003 – 1 BvR 1998/02 – in NJW 2003, 2976; vom 7. April 2000 – 1 BvR 81/00 – in NJW 2000, 1936). Damit muss der Erfolg des Rechtsschutzbegehrens nicht gewiss sein; hinreichende Aussicht auf Erfolg ist nur dann zu verneinen, wenn diese nur entfernt oder schlechthin ausgeschlossen ist. Die hinreichende Erfolgsaussicht ist daher gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Ist eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss ebenfalls Prozesskostenhilfe bewilligt werden (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 73a, Rn. 7a, b, m. w. N.).
Wie das Sozialgericht geht auch der Senat davon aus, dass der durch Gerichtsbescheid vom 8. Juni 2011 erledigten Klage (Berufungsverfahren hiergegen anhängig unter L 25 AS 1231/11) zu keinem Zeitpunkt hinreichende Erfolgsaussichten im oben skizzierten Sinne beizumessen waren.
Die Klägerin hat im Klageverfahren „höhere Grundsicherungsleistungen“ begehrt. Sie hat erklärt, sich gegen „sämtliche in dem Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 10.08.2010 ergangene[n] Bescheide“ zu wenden „und zwar hinsichtlich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als auch hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung“. Dem zugrunde lag ein Überprüfungsverfahren nach § 40 Abs. 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in seiner bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung in Verbindung mit § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch, in dem die Klägerin die Überprüfung sämtlicher im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 10. August 2010 ergangener Bescheide beantragt hatte. Der Beklagte hat sich mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 23. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2010 auf die Bindungswirkung seiner Bescheide berufen und es abgelehnt, in eine sachliche Prüfung der Bescheide einzutreten.
Die Verwaltungsentscheidung des Beklagten dürfte nicht zu beanstanden sein. Der Senat folgt dabei zur Begründung inhaltlich in vollem Umfang der Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg (Urteile vom 29. September 2011 - L 29 AS 728/11 –; vom 26. März 2013 - L 19 AS 1900/12 -, - L 19 AS 727/11 – und - L 19 AS 2700/12 - und vom 19. April 2013 – L 26 AS 520/12 – alle bei juris). Der 29. Senat des LSG Berlin-Brandenburg etwa hat in der zitierten Entscheidung unter Hinweis auf die Rechtsprechung verschiedener Senate des Bundessozialgerichts (BSG) überzeugend dargelegt, dass und warum es in Fällen der vorliegenden Art nicht zu beanstanden ist, wenn sich der Verwaltungsträger auf die Bindungswirkung der Bescheide beruft und - mindestens konkludent - eine Rücknahme „sämtlicher Bescheide“ ablehnt. Dies dürfte sowohl nach der vom 29. Senat zitierten Rechtsprechung des 9. Senats des BSG gelten, nach der sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen darf, wenn sich im Rahmen eines Antrages auf Erlass eines Zugunstenbescheides nichts ergibt, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, als auch nach der Rechtsprechung des 2. Senats des BSG (Urteil vom 2. September 2006 - B 2 U 24/05 R – juris), nach der eine Behörde nur „entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten […] in eine erneuten Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden“ muss. Im vorliegenden Fall, in dem der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin die Überprüfung sämtlicher Bescheide, die im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 10. August 2010 ergangen sind, beantragt hat, dürfte sich demnach nichts ergeben haben, was für die Unrichtigkeit der Bescheide sprechen könnte. Da es an einem Vorbringen des Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin im Sinne der Rechtsprechung des 2. Senats des BSG überhaupt fehlt, musste der Beklagte nach summarischer Prüfung auch nicht entsprechend dem Umfang eines solchen – nicht existenten – Vorbringens in eine Sachprüfung eintreten. Soweit sich die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung auf ein Urteil des 2. Senats des BSG vom 11. November 2003 beruft (B 2 U 32/02 R – juris), ist festzustellen, dass der 2. Senat des BSG sich in dieser Entscheidung mit der Frage, ob und inwieweit ein Überprüfungsbegehren zu konkretisieren ist, nicht auseinander gesetzt hat und dies auch nicht musste, weil zwischen den dortigen Beteiligten klar war, welcher Bescheid zur Überprüfung gestellt werden sollte. Der 4. Senat des BSG hat schließlich in seinem die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 29. September 2011 als unzulässig verwerfenden Beschluss vom 14. März 2012 ausgeführt, es könne nicht zweifelhaft sein, dass ein derart weitreichendes Überprüfungsbegehren mit entsprechenden Mitwirkungserfordernissen beim Berechtigten korrespondiere (B 4 AS 239/11 B – juris).
Der Umstand, dass das LSG Berlin-Brandenburg in den genannten Entscheidungen vom 26. März 2013 und vom 19. April 2013 jeweils die Revision zugelassen hat, rechtfertigt im Übrigen keine andere Beurteilung. Denn jeweils erfolgte die Revisionszulassung im Hinblick auf die Frage, welche Auswirkungen es hat, wenn das Überprüfungsbegehren im Klage- oder Berufungsverfahren erstmals konkretisiert wird (Revisionsverfahren anhängig unter B 14 AS 20/13 R, B 4 AS 22/13 R, B 4 AS 24/13 R und B 14 AS 28/13 R). Die Klägerin hat vorliegend aber ihr Überprüfungsbegehren nicht konkretisiert (im Ergebnis wie hier auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 14. Juni 2012 - L 18 AS 1341/12 B PKH – und vom 30. Januar 2013 - L 34 AS 1030/12 B PKH – beide bei juris; vgl. auch Voelzke/Hahn, SGb 2012, 685, 689).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).