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Berufungsverfahren; Entscheidung durch Beschluss; Verpflichtungsklage; Kindergarten; Befreiung von der Kostenbeteiligungspflicht; Schulpflicht; regelmäßige Schulpflicht; sog. Antragskind; Kostenfreiheit; Hortbetreuung; Kindertagesstätten; Entstehungsgeschichte


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 07.07.2011
Aktenzeichen OVG 6 B 14.10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 113 Abs 5 S 1 VwGO, § 130a VwGO, § 42 Abs 1 SchulG BE, § 42 Abs 2 SchulG BE, § 1 Abs 1 TagEinrKostBetG BE 2006, § 3 Abs 5 TagEinrKostBetG BE 2006

Leitsatz

1. Mit dem Begriff "regelmäßige Schulpflicht" in § 3 Abs. 5 des Tagesbetreuungskostenbeteiligungsgesetzes (Fassung 2006) - TKBG - knüpft der Gesetzgeber an die Regelung in § 42 Abs. 1 SchulG an. Hiervon zu unterscheiden ist die Schulpflicht sog. (vorzeitig eingeschulter) Antragskinder, die sich nach § 42 Abs. 2 SchulG richtet.

2. Mit der Kostenbefreiung im letzten Jahr vor dem "Beginn der regelmäßigen Schulpflicht" in § 3 Abs. 5 TKBG wird auf ein nach abstrakten Kriterien zu bestimmendes Rechendatum abgestellt, das nicht voraussetzt, dass die Schulpflicht tatsächlich nach § 42 Abs. 1 SchulG eintritt.

3. Die in § 3 Abs. 5 TKBG vorgesehene Befreiung von der Kostenbeteiligungspflicht nach § 1 Abs. 1 TKBG gilt auch für die Hortbetreuung sog. Antragskinder, die vorzeitig eingeschult wurden.

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. Mai 2010 wird geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bezirksamts Spandau von Berlin vom 6. März 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 27. August 2009 verpflichtet, die monatliche Kostenbeteiligung für die Betreuung seiner Tochter T... im Zeitraum September 2007 bis Juli 2008 auf 0 Euro festzusetzen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die am … Januar 2002 geborene Tochter des Klägers besuchte bis einschließlich Juli 2007 eine Kindertagesstätte. Im September 2007 wurde sie aufgrund entsprechenden Antrags ihrer Eltern vorzeitig eingeschult und besucht den zu ihrer Grundschule gehörenden Hort für die nachschulische Betreuung.

Mit Bescheid vom 18. Juni 2007 setzte das Bezirksamt Spandau von Berlin die Kostenbeteiligung für die Tagesbetreuung der Tochter des Klägers nach dem Tagesbetreuungskostenbeteiligungsgesetz - TKBG - für den Zeitraum August 2007 bis Juli 2008 auf 0 Euro monatlich fest. Mit weiterem Bescheid vom 6. März 2008 setzte es dann allerdings für den nachmittäglichen Hortbesuch im Zeitraum September 2007 bis Juli 2011 eine Kostenbeteiligung nach dem TKBG in Höhe von 155 Euro monatlich fest.

Gegen den Bescheid vom 6. März 2008 legte der Kläger am 19. März 2008 Widerspruch mit der Begründung ein, die Kostenbeteiligung erfolge zu Unrecht, da das letzte Jahr der Betreuung vor Beginn der regelmäßigen Schulpflicht nach § 3 Abs. 5 TKBG kostenfrei sei; die regelmäßige Schulpflicht seiner Tochter beginne erst im Schuljahr 2008/2009, weil sie auf Antrag vorzeitig eingeschult worden sei.

Den Widerspruch wies das Bezirksamt durch Widerspruchsbescheid vom 27. August 2009 als unbegründet zurück und führte im Wesentlichen aus: Die Tochter des Klägers falle als sog. Antragskind nicht unter die Regelung des § 3 Abs. 5 TKBG. Diese Vorschrift erfasse schon vom Wortlaut her nicht den Fall der vorzeitigen Einschulung, sondern nur den Fall des Beginns der „regelmäßigen Schulpflicht“. Werde ein Kind vorzeitig eingeschult, greife der Tatbestand des § 3 Abs. 5 TKBG überhaupt nicht ein. Im Übrigen beschränke die gesetzliche Regelung die Beitragsfreiheit auf den Personenkreis der regelmäßig schulpflichtigen Kinder im letzten Jahr der Betreuung in einer Kindertagesstätte, nicht aber in einem Hort.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 6. Mai 2010 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger könne sich für seine Rechtsauffassung nicht auf § 3 Abs. 5 TKBG berufen. Diese Vorschrift stelle nach ihrem eindeutigen Wortlaut auf den Beginn der regelmäßigen Schulpflicht ab und beschränke seinen Regelungsbereich auf den Personenkreis der regelmäßig schulpflichtigen Kinder. Die „regelmäßige Schulpflicht“ beginne in Anlehnung an § 42 Abs. 1 des Schulgesetzes des Landes Berlin mit Beginn des Schuljahres (1. August) für alle Kinder, die im selben Jahr das sechste Lebensjahr vollenden würden. Die Schulpflicht der Tochter des Klägers habe dagegen gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 des Schulgesetzes bereits ein Jahr früher mit ihrer Einschulung begonnen. Zu einem „Beginn der regelmäßigen Schulpflicht“ im Sinne des § 3 Abs. 5 TKBG sei es bei ihr daher nicht gekommen. Eine Kostenbefreiung für die Zeit nach Beginn der Schulpflicht sehe das TKBG nicht vor. Das ergebe sich auch aus der Entstehungsgeschichte des § 3 Abs. 5 TKBG. In der Begründung zum ursprünglichen Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 5. September 2005 werde darauf abgestellt, dass alle Kinder möglichst früh, zumindest aber im letzten Jahr vor der Schule, eine Kindertagesstätte besuchen und so ein systematisches Bildungsangebot in optimaler Vorbereitung auf die Schule erhalten. Sinn und Zweck der Vorschrift sei es daher, nur das Kindergartenjahr vor Beginn der Schulpflicht kostenfrei zu stellen. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei der Gesetzesänderung generell an eine Entlastung der Eltern für die Kosten der Tagesbetreuung gedacht habe und generell ein kostenfreies Betreuungsjahr gewähren wollte, sei den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Zur Regelung der Kostenfreiheit für Kinder, die frühzeitig eingeschult werden, sei der Erlass einer Rechtsverordnung vorgesehen gewesen, die bislang nicht erlassen worden sei.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Senat zugelassenen Berufung und beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. Mai 2010 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Bezirksamts Spandau von Berlin vom 6. März 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 27. August 2009 zu verpflichten, die monatliche Kostenbeteiligung für die Betreuung seiner Tochter T... im Zeitraum September 2007 bis August 2008 auf 0 Euro festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er ergänzend aus, für das Kind des Klägers, das als Antragskind ein Jahr vor dem Beginn der regelmäßigen Schulpflicht eingeschult worden sei, habe es den „Beginn der regelmäßigen Schulpflicht“ nicht gegeben, denn es sei bereits mit tatsächlicher Einschulung nur auf Antrag ein Jahr zuvor schulpflichtig geworden. Ab diesem Zeitpunkt habe das Kind der allgemeinen Schulpflicht unterlegen, es habe aber keinen erneuten „Beginn“ der Schulpflicht gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss nach § 130a VwGO, weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht insgesamt abgewiesen.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig und gemäß § 113 Abs. 5 VwGO weitgehend begründet. Der Kläger hat zu Recht sinngemäß einen Verpflichtungsantrag gestellt, denn eine bloße Aufhebung des angefochtenen Bescheids im Wege der Anfechtungsklage würde seinem Interesse an bestandskraftfähiger Feststellung der Kostenfreiheit nicht hinreichend Rechnung tragen. Wegen der Formulierung des sinngemäß gestellten Verpflichtungsantrags hat sich der Senat an der Fassung des im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich gestellten Antrags orientiert. Dem Vorbringen des Klägers war zu entnehmen, an diesem Antrag festhalten zu wollen (§ 88 VwGO).

1. Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf Befreiung von der Kostenbeteiligung für die Betreuung seiner Tochter im Zeitraum September 2007 bis Juli 2008 ergibt sich aus § 3 Abs. 5 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 des Tagesbetreuungskostenbeteiligungsgesetzes - TKBG - in der Fassung vom 28. August 2001 (GVBl. S. 494, 576, geändert durch Artikel II des Gesetzes vom 23. Juni 2005, GVBl. S. 322, 329, geändert durch Artikel I des Gesetzes vom 19. April 2006, GVBl. S. 346).

a) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 TKBG haben sich das Kind und seine Eltern an den durchschnittlichen jährlichen Kosten der Betreuung in einer Tageseinrichtung, Tagespflegestelle oder der ergänzenden Betreuung an Schulen sowie an den Kosten für eine im Angebot enthaltene Verpflegung zu beteiligen. Diese dem Grunde nach alle Kinder in Betreuungseinrichtungen betreffende Kostenbeteiligungspflicht wird durch § 3 Abs. 5 TKBG eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift wird im letzten Jahr vor Beginn der regelmäßigen Schulpflicht, mit Ausnahme der Beteiligung an den Kosten der Verpflegung, eine Kostenbeteiligung nach § 1 Abs. 1 nicht erhoben.

b) Wann die in § 3 Abs. 5 TKBG genannte „regelmäßige Schulpflicht“ beginnt, ist im TKBG selbst nicht geregelt. Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Gesetzgeber des TKBG hiermit an die Regelungssystematik des Schulgesetzes für das Land Berlin - SchulG - vom 26. Januar 2004 (GVBl. S. 26) anknüpft. Beginn und Dauer der Schulpflicht sind in § 42 SchulG geregelt. Nach Absatz 1 der Vorschrift werden alle Kinder mit Beginn eines Schuljahres (1. August) schulpflichtig, die das sechste Lebensjahr vollendet haben oder bis zum folgenden 31. Dezember vollenden werden. Nach Absatz 2 Satz 1 der Vorschrift werden Kinder, die in der Zeit vom 1. Januar bis 31. März des folgenden Kalenderjahres das sechste Lebensjahr vollenden werden, auf Antrag der Erziehungsberechtigten zu Beginn des Schuljahres in die Schule aufgenommen (sog. Antragskinder). Für sie beginnt gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 SchulG die Schulpflicht mit der Aufnahme in die Schule.

Die Zusammenschau beider Regelungen zeigt, dass § 42 Abs. 1 SchulG den Regelfall der Schulpflicht darstellt, während § 42 Abs. 2 SchulG den praktisch nur ausnahmsweise gegebenen Fall einer vorzeitig eintretenden Schulpflicht vorsieht. Diesen Regelungszusammenhang hatte der Gesetzgeber des § 3 Abs. 5 TKBG vor Augen. Mit der Formulierung „Beginn der regelmäßigen Schulpflicht“ stellt er daher erkennbar auf den Regelfall des § 42 Abs. 1 SchulG ab.

c) Der Wortlaut des § 3 Abs. 5 TKBG ist allerdings - anders als das Verwaltungsgericht angenommen hat - nicht eindeutig, sondern im Hinblick auf das Merkmal „Beginn der regelmäßigen Schulpflicht“ durchaus unterschiedlich interpretierbar. Versteht man dieses Tatbestandsmerkmal - wie das Verwaltungsgericht und der Beklagte - als ein den Eintritt des Ereignisses „regelmäßige Schulpflicht“ tatsächlich voraussetzendes Kriterium, wären vorzeitig eingeschulte Kinder per se von der Befreiung von der Kostenbeteiligungspflicht ausgenommen, denn für diese gäbe es dann keinen „Beginn der regelmäßigen Schulpflicht“. Auch im vorliegenden Verfahren wäre es zum „Beginn der regelmäßigen Schulpflicht“ der Tochter des Klägers dann nicht gekommen, dieser könnte keine Kostenfreiheit für ihre Tagesbetreuung verlangen. Deutet man das Tatbestandsmerkmal dagegen als bloßes Rechendatum, das für alle Kinder nach den gleichen abstrakten Kriterien zu bestimmen ist und im Zeitraum der Befreiung von der Kostenbeteiligungspflicht in der Zukunft liegt, würde auch für vorzeitig eingeschulte Kinder der Beginn der regelmäßigen Schulpflicht auf den 1. August des Jahres fallen, in dem sie das sechste Lebensjahr vollenden. In diesem Fall könnte der Kläger Kostenfreiheit für die Tagesbetreuung seiner Tochter im fraglichen Zeitraum verlangen. Der Beginn ihrer regelmäßigen Schulpflicht als Rechendatum fiele auf den 1. August 2008, da sie ihr sechstes Lebensjahr am 13. Januar 2008 vollendet hatte. Die letztgenannte Auslegung hält der Senat für zutreffend. Sie folgt insbesondere aus der Regelungssystematik und der Entstehungsgeschichte der Norm.

aa) Schon die Bezugnahme auf den die Kostenbeteiligung an der Kindertagesbetreuung dem Grunde nach regelnden § 1 Abs. 1 TKBG spricht für die Annahme, mit dem „Beginn der regelmäßigen Schulpflicht“ in § 3 Abs. 5 TKBG werde lediglich ein abstraktes Rechendatum bezeichnet. § 1 Abs. 1 TKBG regelt die Kostenbeteiligung der Eltern und Kinder an den Kosten der Kindertagesbetreuung insgesamt. Er erfasst seinem eindeutigen Wortlaut nach nicht nur die Betreuung in Kindergärten, sondern auch „die ergänzende Betreuung an Schulen“, mit der die nachschulische Betreuung im Hort umschrieben ist. Die uneingeschränkte Bezugnahme des § 3 Abs. 5 TKBG auf § 1 Abs. 1 TKBG deutet daher auf eine Kostenbefreiung hin, die ebenso umfassend, also insbesondere unabhängig davon gelten soll, ob es sich um die Betreuung im Kindergarten oder um die nachschulische Betreuung im Hort handelt. Eine solche umfassende Betreuung lässt sich nur dann erreichen, wenn das Merkmal „Beginn der regelmäßigen Schulpflicht“ als abstraktes Rechendatum verstanden wird.

bb) Bestätigt wird dieser Befund durch die Entstehungsgeschichte der Norm. Der Gesetzentwurf geht auf einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 5. September 2005 (Abgeordnetenhausdrucksache 15/4241) zurück. Damals war beantragt worden, § 1 Abs. 2 TKBG wie folgt zu fassen: „Abweichend von Absatz 1 entfällt die Beteiligung der Eltern an den Kosten für die Betreuung für das Jahr, das dem Beginn der Schulpflicht unmittelbar vorausgeht.“ Nach dieser Formulierung, die nicht auf den Beginn der „regelmäßigen Schulpflicht“, sondern auf den Beginn der „Schulpflicht“ abstellt, erfasste die Befreiung von der Kostenbeteiligungspflicht alle Kinder im letzten Kindergartenjahr und zwar unabhängig davon, ob sie als Antragskinder aufgrund vorzeitiger Einschulung nach § 42 Abs. 2 SchulG oder aufgrund der regelmäßigen Einschulung nach § 42 Abs. 1 schulpflichtig wurden. Bei dieser Fassung hätte sich allerdings die Frage gestellt, wie die Gewährung der Kostenfreiheit für die vorzeitig eingeschulten Kinder praktisch umgesetzt werden sollte. Da die Entscheidung über die vorzeitige Einschulung regelmäßig erst nach Beginn des vorangehenden Kindergartenjahres erfolgt, hätte die Kostenfreiheit für sog. Antragskinder wohl nur im Wege einer nachträglichen Rückabwicklung gewährleistet werden können. Das dürfte auch den Verfassern des Gesetzentwurfs bewusst gewesen sein. Für diese Annahme spricht insbesondere der in der Begründung des Entwurfs am Ende des zweiten Absatzes enthaltene Satz: „Die Kostenfreiheit für Kinder, die vorzeitig eingeschult werden, ist in der Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 3 (neu) zu regeln.“ Angesichts der nach dem Wortlaut der ursprünglich geplanten Fassung ohne weiteres auch das letzte Kindergartenjahr vorzeitig eingeschulter Kinder umfassenden Kostenfreiheit hätte die für erforderlich gehaltene Verordnungsregelung nur für Fragen der (Rück-) Abwicklung der bereits gezahlten Kostenbeteiligung Sinn ergeben. Die Kostenfreiheit selbst war dagegen auch für Antragskinder bereits in der Gesetzesfassung enthalten. Dementsprechend geht der vom Verwaltungsgericht aus dem Fehlen einer Verordnungsregelung zur Kostenfreiheit sog. Antragskinder gezogene Schluss fehl, diese seien von der Regelung im ursprünglichen Gesetzentwurf nicht erfasst gewesen.

cc) Es kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bei der Einführung der hier in Rede stehenden Kostenfreiheit sich von der Intention des ursprünglichen Gesetzentwurfs leiten ließ und daran im Kern festgehalten hat. Es sind keinerlei Umstände ersichtlich oder geltend gemacht, die die Annahme nahe legten, der Gesetzgeber habe andere Regelungszwecke verfolgt als der ursprüngliche Gesetzentwurf. Vor diesem Hintergrund ist es vorliegend ohne Belang, dass die Kostenfreiheit statt in der zunächst angedachten Ergänzung einer Regelung in § 1 Abs. 2 TKBG tatsächlich in § 3 Abs. 5 TKBG erfolgte. Vielmehr wird man annehmen können, dass diese Änderung aus rein redaktionellen Gründen veranlasst war.

Dass zudem die schließlich in Kraft getretene Regelung des TKBG über die Befreiung von der Kostenbeteiligungspflicht nicht auf den Beginn der „Schulpflicht“ abstellt, sondern enger gefasst ist und auf den Beginn der „regelmäßigen Schulpflicht“ abhebt (vgl. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Jugend, Familie, Schule und Sport vom 30. März 2006, Abgeordnetenhausdrucksache 15/4980 vom 6. April 2006, Artikel I Nr. 2), ist nach Ansicht des Senats nicht im Sinne einer Abkehr oder substanziellen Änderung der Ziele des ursprünglichen Gesetzentwurfs zu verstehen. Zwar lässt sich über die tatsächliche Motivation des Gesetzgebers für diese Ergänzung des ursprünglichen Entwurfs nichts Ausdrückliches entnehmen. Sie ergibt in dem aufgezeigten Kontext allerdings durchaus Sinn, jedenfalls dann, wenn man den „Beginn der regelmäßigen Schulpflicht“ als bloßes Rechendatum versteht. Denn durch die Beschränkung der Regelung auf den Beginn der „regelmäßigen Schulpflicht“ entfällt die nach dem ursprünglichen Entwurf bestehende Notwendigkeit, die Kostenbefreiung bei sog. Antragskindern nachträglich zu gewährleisten. Die Regelung hat dann nämlich zur Folge, dass bei vorzeitig eingeschulten Kindern nicht das letzte Kindergarten-, sondern das erste Hortjahr ohne Kostenbeteiligung nach § 1 Abs. 1 TKBG gewährt wird. Demgegenüber hätte die vom Verwaltungsgericht im Einklang mit dem Beklagten vertretene Auslegung des § 3 Abs. 5 TKBG zur Folge, dass ein Teil der vom ursprünglichen Gesetzentwurf eindeutig erfassten Personen aus dem Kreis der Begünstigten herausfiele. Dies wäre nach Einschätzung des Senats eine gegenüber der ursprünglichen gesetzgeberischen Intention erhebliche Abweichung, die nur dann angenommen werden könnte, wenn es hierfür entsprechend eindeutige Hinweise in den Gesetzesmaterialien gäbe.

dd) Weiter weist der Senat darauf hin, dass die hier vertretene Ansicht auch im Kontext der am 1. Januar 2010 in Kraft getretenen, für den vorliegenden Fall allerdings noch nicht geltenden Änderung des § 3 Abs. 5 TKBG (in der Fassung vom 17. Dezember 2009, GVBl. S. 848) eine gewisse Bestätigung erfährt. Danach wird in den letzten drei Jahren vor Beginn der regelmäßigen Schulpflicht eine Kostenbeteiligung nach § 1 Abs. 1 TKBG (mit Ausnahme der Beteiligung an den Verpflegungskosten) nicht erhoben. Die Norm ist in ihrem Wortlaut mit der hier streitigen Fassung identisch, mit der Ausnahme, dass nicht nur das letzte Jahr vor Beginn der regelmäßigen Schulpflicht von der Kostenbeteiligungspflicht ausgenommen wird, sondern die letzten drei Jahre. Legte man diese offenkundig in der Intention an die frühere Gesetzesfassung und die bereits im ursprünglichen Entwurf beabsichtigte spätere Ausweitung der Befreiung von der Kostenbeteiligung anknüpfende Neufassung der Norm im Sinne des Beklagten aus und machte die Kostenbefreiung davon abhängig, ob die regelmäßige Schulpflicht tatsächlich eintritt, ergäbe das nur wenig Sinn. Denn entweder müsste mit der Entscheidung über die Kostenbefreiung zunächst abgewartet werden, ob das betreffende Kind vorzeitig eingeschult wird oder aber die zunächst gewährte Befreiung von der Kostenbeteiligungspflicht müsste im Falle der vorzeitigen Einschulung nachträglich geändert und die Beteiligung an den Kosten gegebenenfalls nachgefordert werden. Eine in der Praxis sinnvolle Handhabung dürfte - ohne dass dies vorliegend abschließend entschieden werden müsste - vielmehr nur dann möglich sein, wenn man das Merkmal als bloßes Rechendatum versteht. Dann wäre die Tagesbetreuung für alle Kinder während der letzten drei Jahre vor Beginn des nach § 42 Abs. 1 SchulG zu errechnenden Datums (bis auf die Beteiligung an den Verpflegungskosten) kostenlos.

ee) Auch die weiteren vom Beklagten bzw. vom Verwaltungsgericht angeführten Argumente rechtfertigen keine andere Sicht. Soweit der Beklagte anführt, die Kostenbefreiung in § 3 Abs. 5 TKBG erfasse nur die Betreuung in Kindergärten, nicht aber die nachschulische Hortbetreuung, ist ihm nicht zu folgen. Das ergibt sich bereits aus den oben unter c) aa) gemachten Ausführungen. Jedenfalls insoweit ist der Wortlaut der Norm klar und eindeutig. § 3 Abs. 5 TKBG verweist auf sämtliche Fälle, die vom Regelungsbereich des § 1 Abs. 1 TKBG erfasst werden. Das schließt die Hortbetreuung mit ein. Um entgegen dem klaren Wortlaut der Vorschrift die Annahme zu rechtfertigen, der Verweis erfasse nur die Betreuung in Kindergärten, bedürfte es eindeutiger Belege für einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers in den Gesetzgebungsmaterialien, an denen es hier fehlt. Sie sind auch nicht im Hinblick auf die Überschrift des ursprünglichen Gesetzentwurfs („Letztes Kindergartenjahr für Eltern kostenfrei“) anzunehmen. Insoweit ist bereits zweifelhaft, ob dies für sich genommen die vom Beklagten vertretene Annahme tragfähig begründen könnte. Unbeschadet dessen ist diese Überschrift aus anderen Gründen ungeeignet, die Auffassung des Beklagten zu stützen. Der ursprüngliche Gesetzentwurf erfasste aus den dargelegten Gründen auch vorzeitig eingeschulte Kinder, sah aber sowohl für diese als auch für regulär eingeschulte Kinder eine Befreiung von der Kostenbeteiligungspflicht allein für das jeweils letzte Kindergartenjahr vor. Die Überschrift des Gesetzentwurfs spiegelte daher den damals geplanten Norminhalt zutreffend wider. Dass die Überschrift in der späteren Entwurfsfassung, die der dann in Kraft getretenen Fassung des § 3 Abs. 5 TKBG entspricht, beibehalten wurde (vgl. etwa Abgeordnetenhausdrucksache 15/4980), hat für die Frage der Norminterpretation schon vor diesem Hintergrund kein ausschlaggebendes Gewicht. Darüber hinaus hat die Überschrift selbst auch keinen Eingang in das TKBG gefunden und schließlich ist sie nach Einschätzung des erkennenden Senats auch nicht Ausdruck einer bestimmten Norminterpretation, sondern letztlich aus dem ursprünglichen Entwurf als eine Art plakativer politischer Programmsatz übernommen worden, der lediglich den typischen Fall der Neuregelung beschreibt.

Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass die hier in Rede stehende Frage mehrfach in der parlamentarischen Diskussion jeweils mit dem Ergebnis behandelt worden sei, sog. Antragskinder fielen nicht unter die Befreiung von der Kostenbeteiligung, rechtfertigt auch das kein anderes Ergebnis. Der Beklagte stellt hierbei auf parlamentarische Anfragen ab, die von der zuständigen Senatsverwaltung beantwortet wurden (Abgeordnetenhausdrucksachen 15/12 765 und 16/20 056). Er verkennt insoweit, dass die verbindliche Norminterpretation nach der grundgesetzlichen Aufgabenverteilung Sache der Gerichte und nicht der Exekutive ist.

d) Soweit der Kläger die Befreiung von der Kostenbeteiligungspflicht für den Monat August 2008 verlangt, steht ihm der geltend gemachte Anspruch nicht zu. § 3 Abs. 5 TKBG gewährt Kostenbefreiung nur für das letzte Jahr vor Beginn der regelmäßigen Schulpflicht. Die regelmäßige Schulpflicht seiner Tochter begann hier - wie dargelegt - am 1. August 2008. Die Kostenbefreiung endete damit mit Ablauf des Monats Juli 2008.

2. Schließlich weist der Senat noch darauf hin, dass die Festsetzung der Kostenbeteiligung durch den Bescheid vom 6. März 2008 auch bei unterstellter Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Festsetzungsbescheides vom 18. Juni 2007 rechtswidrig gewesen wäre, weil der Beklagte verkannt hat, dass er Ermessen auszuüben hatte. Der Bescheid vom 6. März 2008 hat den Bescheid vom 18. Juni 2007 der Sache nach aufgehoben und geändert, soweit die Festsetzungszeiträume identisch sind. Das ist hinsichtlich der Monate September 2007 bis Juli 2008 der Fall. Insoweit findet er seine Rechtsgrundlage in § 45 SGB X, der vorliegend anwendbar ist, weil die landesrechtliche Kostenfestsetzung nach Maßgabe des § 90 SGB VIII erfolgt. Hinsichtlich der Frage, ob die mit Bescheid vom 18. Juni 2007 vorgesehene Festsetzung auf eine Kostenbeteiligung von 0 Euro geändert werden soll, stand dem Beklagten Ermessen zu, denn nach § 45 Abs. 1 SGB X „kann“ die zuständige Behörde einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt aufheben. Dieses Ermessen hat der Beklagte offenkundig verkannt. Weder der Bescheid vom 6. März 2008 noch der Widerspruchsbescheid vom 27. August 2009 enthält hierzu irgendwelche Erwägungen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Den Anteil des Unterliegens des Klägers hat der Senat hier als gering im Sinne der Vorschrift gewertet, weil der Kern des Rechtsstreits im Wesentlichen die grundlegende Frage der Auslegung des § 3 Abs. 5 TKBG betrifft, die zu Gunsten des Klägers entschieden wurde. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Insbesondere rechtfertigt die Frage der Auslegung landesrechtlicher Bestimmungen nicht die Annahme grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Für die Auslegung des Berliner Landesrechts ist grundsätzlich das Oberverwaltungsgericht abschließend zuständig.