Gericht | FG Berlin-Brandenburg 14. Senat | Entscheidungsdatum | 19.06.2013 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 14 K 14140/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Beteiligten streiten darum, ob eine im Rahmen des § 8 Abs. 3 Einkommensteuergesetz – EStG – vom Arbeitgeber, einem Verkehrsunternehmen, ganzjährig zur Verfügung gestellte und auch tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eingesetzte Freifahrtberechtigung auf die Entfernungspauschale nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 5 EStG vollumfänglich oder nur nach dem Verhältnis der Arbeitstage zu den übrigen Tagen anzurechnen ist.
Der Kläger war in den Streitjahren als Mechaniker bei der Firma B… (Arbeitgeber) beschäftigt. Diese stellten eine für das ganze Jahr gültige Freifahrtberechtigung in Form eines Freifahrtjahrestickets aus, wovon der Kläger nach seiner Darstellung auch für alle Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte jeweils an 230 Tagen in den Jahren 2007 und 2008 Gebrauch machte. In den Lohnsteuerbescheinigungen für diese Jahre bescheinigte der Arbeitgeber nach § 41b Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 EStG für die Freifahrtberechtigung einen steuerfreien Sachbezug (steuerfreie Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) in Höhe von jeweils 764,76 € – entsprechend der Steuerfreigrenze von 1.048 € im Kalenderjahr für Sachbezüge nach § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG.
In den Einkommensteuerbescheiden für 2007 vom 07. Mai 2009, geändert mit Bescheid vom 11. November 2009, und für 2008 vom 26. Mai 2009 setzte der Beklagte zwar für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte jeweils Werbungskosten von 1.863,00 € an (230 Tage x 27 km x 0.30 €), zog davon aber den vollen Sachbezug von 764 € ab.
Hiergegen legte der Kläger mit dem Ziel Einspruch ein, die Entfernungspauschalen lediglich um jeweils 481 € zu mindern, weil dies dem Anteil der Arbeitstage (230) an den Gesamttagen des Jahres (365) entspreche und nur in diesem Umfang ein Zusammenhang der Aufwendungen mit steuerfreien Einnahmen gegeben sei (764 € : 365 Tage = 2,09 € X 230 Tage).
Mit zusammengefasster Einspruchsentscheidung vom 15. April 2010 wies der Beklagte die Einsprüche zurück. Die gesetzliche Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.4 Satz 5 EStG sei eindeutig, wonach – ohne gesetzliche Einschränkung – die nach § 8 Abs. 3 EStG steuerfreien Sachbezüge für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte den als Entfernungspauschale anzusetzenden Betrag minderten. Für eine tageweise Umrechnung des Sachbezugswerts sei kein Raum.
Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter, die Werbungskosten nur entsprechend seiner tageweisen Umrechnung des Sachbezugswerts zu kürzen, was im Ergebnis in beiden Streitjahren auf eine Minderung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 283 € entsprechend der Differenz zwischen 764 € und 481 € hinausliefe. Die Anrechnungsregelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 5 EStG müsse im Kontext mit § 3c EStG gesehen werden. Danach sei ein Werbungskostenabzug nur insoweit ausgeschlossen, als die Aufwendungen mit steuerfreien Einnahmen im Zusammenhang stünden. Ein solcher Zusammenhang aber sei nur gegeben, soweit mit der Freifahrtkarte arbeitstäglich Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durchgeführt worden seien. Die Jahresfreifahrtkarte müsse für die Feststellung eines Zusammenhangs der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit steuerfreien Einnahmen wie 365 Tageskarten beurteilt werden. Dann werde offensichtlich, dass nur die auf die Arbeitstage entfallenden Tageskarten den Werbungskostenabzug ausschlössen bzw. einschränkten.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 07. Mai 2009, geändert mit Bescheid vom 11. November 2009, sowie den Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 26. Mai 2009 (jeweils) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. April 2010 in der Weise zu ändern, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für 2007 und 2008 um jeweils 283 € gemindert werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Der Senat durfte ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Anrechnung des vollen Sachbezugs rechtens, weil ….
Der Beklagte hat den Sachbezug von 764 € zu Recht in vollem Umfang auf die Entfernungspauschale angerechnet. Das ergibt sich aus § 3c Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 5 EStG.
… Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen …
.. weil steuerfrei zugewandtes Wirtschaftsgut…
Nach § 3c Abs. 1 EStG dürfen Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Einnahmen im Sinne dieser Vorschrift sind alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer seiner Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen (Urteil des Finanzgerichts Berlin-Branden-burg vom 03. Mai 2007 8 K 1460/05, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2007, 1314 - 1315, m.w.N.). Die per Jahresnetzkarte eingeräumte Freifahrtberechtigung stellt ein solches Wirtschaftsgut von Geldeswert dar, ohne dass es insoweit weiterer Ausführungen bedarf. Weil die dafür nach § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG maßgebliche Freigrenze von 1.084 € eingehalten wurde, blieb die Zuwendung steuerfrei.
…. weil die Einnahmen steuerfreie Ausgaben ersetzen ..
Ein wirtschaftlicher Zusammenhang im vorgenannten Sinne besteht entweder dann, wenn die Ausgaben durch die Erzielung steuerfreier Einnahmen veranlasst sind oder wenn die Einnahmen Ausgaben des Steuerpflichtigen steuerfrei ersetzen (Urteil des FG Berlin vom 03. Mai 2007 8 K 1460/05, a.a.O., m.w.N.). Ersteres ist hier ersichtlich nicht der Fall, denn der Kläger hat nicht die Fahrten zur Arbeitsstätte wegen seiner Freifahrtberechtigung unternommen. Ihm sind aber mit dem Sachbezug steuerfrei Ausgaben ersetzt worden, die er vom Gesetz typisierend betrachtet mit jedem vollen Entfernungskilometer zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte zunächst getragen hat.
… weil er die Freifahrtberechtigung tatsächlich für Fahrten zur Arbeitsstätte genutzt hat …
Der Kläger nutzte die Freifahrtkarte auch tatsächlich für die von ihm ausgeführten und vom Beklagten berücksichtigten Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte in der C…-str.. Dadurch sind ihm im Ergebnis steuerfrei vollumfänglich Ausgaben ersetzt worden, die er ansonsten alleine hätte tragen müssen.
Folge der vollumfänglichen Anrechnung des Tickets auf die Entfernungspauschale …
In der Folge bestimmt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 5 EStG, dass die nach § 8 Abs. 3 EStG steuerfreien Sachbezüge für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte den nach Satz 2 der Vorschrift abziehbaren Betrag – d. h. die Entfernungspauschale – mindern. Das sind hier betragsmäßig 764 €.
…Keine Aufteilung bzw. Umrechnung des bescheinigten Werts nach § 8 Abs. 3 in Tageswerte
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Anrechnung des vorgenannten Sachbezugs nicht zu begrenzen entsprechend der Anzahl der tatsächlich mit der Freifahrtkarte durchgeführten Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte, so dass nicht lediglich 481 € anzurechnen sind. Das ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 5 EStG. Hätte der Gesetzgeber eine solche Einschränkung gewollt, hätte er diese – z. B. durch die Formulierung: „ Sachbezüge … mindern den nach Satz 2 abziehbaren Betrag entsprechend dem Umfang der tatsächlich durchgeführten Fahrten, die auf den Sachbezug zurückzuführen sind …“ – anordnen können. Das hat er aber unterlassen. Vielmehr bestätigt der 2. Halbsatz der Vorschrift hinter dem Semikolon, wonach bei Verkehrsträgern als Arbeitgeber der Preis anzusetzen ist, den ein Dritter an den Arbeitgeber zu entrichten hätte, dass bei der Anrechnung gerade der volle Sachbezug zu berücksichtigen ist. Denn ein Dritter hätte für eine Jahresnetzkarte, wie sie dem Kläger zur Verfügung gestellt worden ist, den Preis entrichten müssen, den der Arbeitgeber in der Lohnsteuerbescheinigung nach § 41b Abs. 1 Nr. 6 EStG bescheinigt hat. Dem Kläger sind entsprechend auch nicht 365 Einzelfahrscheine bzw. Tageskarten zur Verfügung gestellt worden, sondern eine Jahreskarte zu beliebig vielen Fahrten innerhalb ihres zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs. Insofern spricht – neben dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, die nicht im Sinne der Auffassung des Klägers auslegungsfähig ist – auch die tatsächliche Gestaltung des Sachbezugs dagegen, eine Kürzung der Anrechnung vorzunehmen. Darüber hinaus widerspräche es auch dem Sinn und Zweck der gesetzlichen „Anrechnungsregelung“, den bescheinigten steuerfreien Sachbezug nach dem Verhältnis von Arbeitstagen und Nicht-Arbeitstagen aufzuteilen. Denn mit dieser Regelung soll gerade eine Doppelbegünstigung vermieden werden. Bei der vom Kläger gewünschten tageweisen Aufteilung bzw. Umrechnung des steuerfreien Sachbezugs aber würde gerade ein nicht entstandener Aufwand steuermindernd berücksichtigt. Wird – wie hier vom Kläger – die Freifahrtberechtigung tatsächlich für die Fahrten zwischen der Wohnung und der regelmäßigen Arbeitsstätte genutzt, besteht für alle derartigen Freifahrten ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen im Sinne des § 3c Abs. 1 EStG.
Kein Ausnahmefall von der Anrechnung
Nicht nur eine bloße Kürzung der Anrechnung, sondern deren vollständiger Entfall mit der Folge des Ansatzes einer ungeschmälerten Entfernungspauschale ergäbe sich nur dann, wenn der Kläger von seiner Freifahrtberechtigung (überhaupt) keinen Gebrauch gemacht hätte, insbesondere die Fahrten mit dem eigenen PKW unternommen hätte (Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 03. Mai 2007 8 K 1460/05, a.a.O., zustimmend Schmidt/Loschel-der 32. Aufl. EStG Rz 129). Das ist indes nicht der Fall. Der Kläger hat vielmehr alle Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte mit der Freifahrtkarte unternommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz 1 FG-.