Gericht | VG Frankfurt (Oder) 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 19.08.2013 | |
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Aktenzeichen | VG 6 K 627/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 17 KitaG BB 2, § 92 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 8, § 188 VwGO |
1. Rechtsstreitigkeiten, die um Elternbeiträge in der Form von Gebühren im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 3 des Zweiten Gesetzes zur Ausführung des Achten Buches des Sozialgesetzbuches - Kinder und Jugendhilfe - Kindertagesstättengesetz (BbgKitaG) in der Fassung vom 15. Juli 2010 (GVBl. I Nr. 25) und § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Sozialgesetzbuches Achtes Buch - (SGB VIII) für die Betriebskosten einer Kindertagesstätte geführt werden, sind nach § 188 Satz 2 Halbsatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gerichtskostenfrei.
2. Elternbeiträge gehören nicht zum Sachgebiet der Benutzungsgebühren, sondern jedenfalls nunmehr zum Sachgebiet der Jugendhilfe im Sinne von § 188 Satz 1 VwGO, nachdem § 90 SGB VIII durch Artikel 1 Nr. 47 Buchstabe b) des Kinder und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes - KICK - vom 08. September 2005 (BGBl. I S. 2729) zum 01. Oktober 2005 in der Weise geändert worden ist, dass die bisher in § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII jeweils enthaltenen Worte "Gebühren" jeweils durch die Worte "Kostenbeiträge" ersetzt wurden.
3. Elternbeiträge für eine Kindertagesstätte haben auch dann, wenn sie nach § 17 Abs. 3 Satz 3 BbgKitaG in der Form von Gebühren erhoben werden, wegen der in der neuen Fassung des § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zum Ausdruck gekommenen bundesgesetzgeberischen Wertung einen jugendhilferechtlichen Schwerpunkt.
4. Wegen dieser Gesetzesänderung ist die bisherige gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung gegenstandslos, nach der diese Streitsachen dem Benutzungsgebührenrecht zuzuordnen waren (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 22. März 1999 - 8 B 60.99 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 92 und vom 19. Dezember 2001 - 8 B 90.01 --Seite 5 des Entscheidungsabdruckes).
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).
Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
Nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, weil der Beklagte der ihm am 25. Juni 2013 zugestellten Erledigungserklärung der Kläger vom 15. Juni 2013 nicht innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieser Erklärung widersprochen hat und er auf diese Folgen hingewiesen worden ist (vgl. § 161 Abs. 2 Satz 2 VwGO), ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Unter den gegebenen Umständen entspricht es billigem Ermessen, die Kosten gegeneinander aufzuheben, weil der Ausgang des Verfahrens nach dem bisherigen Erkenntnisstand offen gewesen ist. Danach tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
Für dieses Klageverfahren werden nach § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO keine Gerichtskosten erhoben. Nach dieser Vorschrift werden keine Gerichtskosten in Verfahren der Art erhoben, die in Satz 1 des § 188 VwGO genannt sind. Nach Satz 1 der vorgenannten Vorschrift sollen unter anderem die Sachgebiete der Jugendhilfe sowie weitere dort im Einzelnen genannte Sachgebiete in einer Kammer oder einem Senat zusammengefasst werden.
Rechtsstreitigkeiten, die – wie hier – um Elternbeiträge in der Form von Gebühren im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 3 des Zweiten Gesetzes zur Ausführung des Achten Buches des Sozialgesetzbuches – Kinder- und Jugendhilfe – Kindertagesstättengesetz (BbgKitaG) in der Fassung vom 15. Juli 2010 (GVBl. I Nr. 25) für die Betriebskosten einer Kindertagesstätte geführt werden, sind nach § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO gerichtskostenfrei, weil sie nicht zum Sachgebiet der Benutzungsgebühren, sondern jedenfalls nunmehr zum Sachgebiet der Jugendhilfe im Sinne von § 188 Satz 1 VwGO gehören, nachdem § 90 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches – Achtes Buch – (SGB VIII) durch Artikel 1 Nr. 47 Buchstabe b) des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes – KICK – vom 08. September 2005 (BGBl. I S. 2729) zum 01. Oktober 2005 in der Weise geändert worden ist, dass das bisher in § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII enthaltene Wort „Gebühren“ ersetzt wurde durch das Wort „Kostenbeiträge“. Nach den vorhergehenden Fassungen des § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII konnten für die Inanspruchnahme von Angeboten der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen unter anderem „Gebühren“ festgesetzt werden; nunmehr können hierfür nach § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII in der Fassung des KICK „Kostenbeiträge“ festgesetzt werden.
Angesichts dieser Gesetzesänderung folgt die Kammer unter Aufgabe ihrer bisherigen Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 07. Februar 2007 - 6 K 2333/01 - zitiert nach Juris, Rdnr. 34) nicht mehr der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die zu den bis zum 01. Oktober 2005 geltenden, nunmehr durch das KICK aufgehobenen alten Fassungen des § 90 SGB VIII mit dem Tatbestandsmerkmal „Gebühren“ ergangen war; nach dieser Rechtsprechung waren Streitigkeiten wegen Elternbeiträgen für die Kindertagesbetreuung als benutzungsgebührenrechtliche Streitigkeiten angesehen worden, die nicht gerichtskostenfrei waren (vgl. hierzu: Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Beschlüsse vom 22. März 1999 - 8 B 60.99 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 92 und vom 19. Dezember 2001 – 8 B 90.01 - Seite 5 des Entscheidungsabdruckes).
Zwar führt allein der Umstand, dass Elternbeiträge im Sozialgesetzbuch – Achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe geregelt sind, für sich gesehen noch nicht dazu, dass ein hierum geführter Rechtsstreit bereits deswegen dem Sachgebiet der Jugendhilfe zuzuordnen wäre (vgl. zur Zuordnung des § 62 des Schwerbehindertengesetzes zum Sachgebiet der Verkehrswirtschaft und nicht zur Schwerbehindertenfürsorge: BVerwG, Beschluss vom 08. Mai 1990 - BVerwG 7 ER 101.90 - Buchholz 310 § 188 VwGO Nr. 10). Maßgebend für die Zuordnung eines Rechtsstreites zu einem der in § 188 Satz 1 VwGO genannten Sachgebiete ist vielmehr dessen objektive Zugehörigkeit zu einem dieser Rechtsgebiete (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 1974 - BVerwG V 18.74 - BVerwGE 47, 233, [238] und vom 22. Oktober 1976 – VI C 36.72 - BVerwGE 51, 211, [216]), was wiederum nach dem sachlichen Schwerpunkt zu beurteilen ist (vgl. Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 13. Auflage, § 188 VwGO, Rdnr. 3).
Ausgehend hiervon haben Elternbeiträge für eine Kindertagesstätte auch dann, wenn sie nach § 17 Abs. 3 Satz 3 BbgKitaG in der Form von Gebühren erhoben werden, wegen der in der neuen Fassung des § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zum Ausdruck gekommenen bundesgesetzgeberischen Wertung einen jugendhilferechtlichen Schwerpunkt und sind deshalb diesem Sachgebiet mit der Folge zuzuordnen, dass für einen hierum geführten Rechtsstreit keine Gerichtskosten zu erheben sind. Denn mit der neuen Fassung des § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII in der Fassung des KICK, auf dessen Grundlage die landesrechtliche Vorschrift des § 17 BbgKitaG beruht, wurde auch für die landesrechtlichen Elternbeiträge ein jugendhilferechtlicher Schwerpunkt begründet und der bisherige benutzungsgebührenrechtliche Schwerpunkt aufgelöst. Wegen dieser Gesetzesänderung ist die bisherige gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der diese Streitsachen dem Benutzungsgebührenrecht zuzuordnen waren (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. März 1999, a. a. O. und vom 19. Dezember 2001, a. a. O.), überholt und damit gegenstandslos. Denn nach der Vorstellung des Bundesgesetzgebers soll in der Neufassung des § 90 SGB VIII in der Fassung des KICK nunmehr unter anderem nur noch von Kostenbeiträgen die Rede sein, weil das Wort „Gebühr“ nicht der Gesetzessystematik entspricht (vgl. BT-DRS 15/3676, S. 40). Das Verhältnis zwischen der Heranziehung zu den Kosten nach § 90 SGB VIII unter anderem für die Inanspruchnahme von Angeboten der Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und den Kostenbeiträgen nach § 91 SGB VIII für vollstationäre Leistungen der Jugendhilfe wurde durch die Neufassungen der §§ 90, 91 SGB VIII i.d.F. des KICK neu geordnet (vgl. BT-DRS 15/3676, S. 40). Mit der Änderung der Begrifflichkeit, mithin „Kostenbeiträge“ anstelle von „Gebühren“, sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass keine Bezugnahme auf das kommunale Gebührenrecht mehr intendiert ist (vgl. Hauck, Sozialgesetzbuch SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, Kommentar, K § 90 Rdnr. 4a [42. Lfg. IV/09]). Die Ersetzung des Begriffs der „Gebühren“ durch den Begriff der „Kostenbeiträge“ beseitigt die Rechtsfolgen, die in der Vergangenheit zwangsläufig durch die Verknüpfung mit landesspezifischem Gebührenrecht Schwierigkeiten bereitet hatte (vgl. Kunkel, Sozialgesetzbuch VIII, Kinder- und Jugendhilfe, Lehr- und Praxiskommentar, 3. Auflage, § 90 Rdnr. 6), und führt zu einer Angleichung der Begrifflichkeiten, die im Rahmen der Kostenbeteiligung nach § 91 SGB VIII für vollstationäre Leistungen Anwendung finden (vgl. Kunkel, a. a. O., Rdnr. 6). Mit der Neuregelung des § 90 SGB VIII ist der Bundesgesetzgeber dazu übergegangen, alle Formen der Kostenheranziehung nach § 90 SGB VIII und § 91 SGB VIII einheitlich mit dem Begriff „Kostenbeitrag“ zu bezeichnen; für beide Bereiche gemeinsam gilt nunmehr, dass der Kostenbeitrag weder Gebühr noch Beitrag im Sinne des Abgabenrechts ist (vgl. Hauck, a. a. O., Vorbemerkungen, K §§ 90 bis 97, Rdnr. 2).
Da nach höchstrichterlicher Rechtsprechung für Streitigkeiten um Kostenbeiträge nach § 91 SGB VIII für vollstationäre Leistungen keine Gerichtskosten zu erheben sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Mai 2011 - 5 C 10.10 -, Seite 14, zitiert nach BVerwG.de), kann in Ansehung der vorstehenden Ausführungen und angesichts dessen, dass Kostenbeiträge für die Inanspruchnahme von Kindertageseinrichtungen nach § 90 SGB VIII i.d.F. des KICK i.V.m. § 17 Abs. 3 Satz 3 BbgKitaG in systematischer Hinsicht den Kostenbeiträgen für vollstationäre Leistungen nach § 91 SGB VIII angeglichen worden sind, nichts Anderes für Streitigkeiten um Kostenbeiträge in der Form von (landesrechtlichen) Gebühren für die Inanspruchnahme einer Kindertagesstätte nach § 90 SGB VIII i. d. F. des KICK i.V.m. § 17 Abs. 3 Satz 3 BbgKitaG gelten: Auch diese Streitigkeiten sind dem Sachgebiet der Jugendhilfe im Sinne des § 188 Satz 1 VwGO zuzuordnen und nach § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO gerichtskostenfrei. Dem steht nicht entgegen, dass diese Beiträge in der landesgesetzlichen Vorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 3 BbgKitaG weiterhin als Gebühren bezeichnet werden, weil diese Landesvorschrift auf der bundesgesetzlichen Regelung des § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII i. d. F. des KICK beruht und deshalb nunmehr bundesgesetzkonform auszulegen ist. Schließlich ist durch die Beseitigung des Begriffs der „Gebühren“ im Tatbestand des bundesgesetzlichen § 90 SGB VIII i. d. F. des KICK der letzte Anknüpfungspunkt für einen abgabenrechtlichen Schwerpunkt des Elternbeitrages nach § 17 BbgKitaG entfallen. Aber auch materiell-rechtlicher Hinsicht haben Elternbeiträge keinen benutzungsgebührenrechtlichen Schwerpunkt (mehr). Denn bei einem Elternbeitrag nach § 17 BbgKitaG fehlt das für eine Benutzungsgebühr kennzeichnende Äquivalenz- und Kostendeckungsprinzip (vgl. §§ 4 Abs. 2, 6 Abs. 1 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg, Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes), wonach das Gebührenaufkommen die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung decken soll und Gebühren nicht unabhängig von der gewährten Leistung festgelegt werden dürfen (vgl. hierzu: Becker/Benedens/Deppe/ Düwel/Kluge/Liedtke/Schmidt, Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg, § 4 KAG, Rdnr. 115 [Dezember 2010]), weil der Elternbeitrag nicht nach dem Wert und den Kosten der Kindertagesbetreuung zu bestimmen, sondern nach § 17 Abs. 2 BbgKitaG sozialverträglich zu gestalten nach dem Einkommen der Eltern zu staffeln ist. Insoweit weicht das brandenburgische Landesrecht auch nicht von der nach § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII i. d. F. des KICK nunmehr vorgegebenen bundesgesetzlichen Regel ab, wonach diese Beiträge zu staffeln sind, soweit Landesrecht ausnahmsweise nichts anderes bestimmt; eine solches Regel-Ausnahmeverhältnis für ein Beitragsstaffelungsgebot enthielt die bis zum Inkrafttreten des KICK gültige Vorgängerregelung des § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII a. F. nicht, wonach dem Landesgesetzgeber insoweit lediglich die Möglichkeit für eine Gebührenstaffelung eröffnet war, ohne dass auf bundesgesetzlicher Ebene hierfür eine Regel vorgegeben war.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 92 Abs. 3 Satz 2 und § 158 Abs. 2 der VwGO).