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Entscheidung 1 W 157/10


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Zivilsenat Entscheidungsdatum 14.10.2010
Aktenzeichen 1 W 157/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 10. August 2010 - Az.: 2 O 198/10 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 1.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger hat zunächst im einstweiligen Verfügungsverfahren (Landgericht Potsdam, Az.: 2 O 111/10) und mit dem vorliegenden Klageverfahren den Beklagten auf Unterlassung der Behauptungen in Anspruch genommen,

a) die Kanzlei des Klägers sei für die schleppende Abwicklung von Liquidationen bekannt;

b) der Kläger habe als anwaltlicher Berater der LPG „…“ (T) H… unberechtigte Auszahlungen mit-/veranlasst;

c) Auszahlungen an die Herren S… und K… seien nur aufgrund von freundschaftlichen bzw. verwandtschaftlichen Beziehungen zum Kläger zustande gekommen.

Nachdem die Parteien das einstweilige Verfügungsverfahren aufgrund einer Unterlassungserklärung des Beklagten vom 9. Juni 2010 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat der Kläger die am 4. Juni 2010 eingereichte Klage vor Zustellung zurückgenommen. Das Landgericht hat nach Anhörung der Parteien dem Beklagten mit Beschluss vom 10. August 2010 die Kosten des Verfahrens auferlegt. Zur Begründung hat es auf den im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Kostenbeschluss vom 16. Juni 2010 verwiesen. Darin hat es ausgeführt, dass der Verfügungsbeklagte - der Beklagte des vorliegenden Verfahrens - die Wahrheit der von ihm aufgestellten Tatsachenbehauptungen nicht glaubhaft gemacht habe. Soweit er sich darauf berufe, die Äußerung über die schleppende Abwicklung von Liquidationen durch den Verfügungskläger, den Kläger des hier geführten Verfahrens, sei ein Zitat, habe er sich vom Inhalt der Äußerung nicht ausreichend distanziert. Er könne sich auch nicht mit Erfolg auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen, weil die von ihm aufgestellten Behauptungen unwahr seien. Gegen den am 20. August 2010 zugestellten Beschluss vom 10. August 2010 hat der Beklagte am 2. September 2010 sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Die gemäß den §§ 269 Abs. 5 Satz 1, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu treffen (§ 269 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 ZPO). Der Anlass zur Einreichung der Klage ist aufgrund der vom Beklagten abgegebenen Unterlassungserklärung entfallen. Die Klage ist daraufhin vor Zustellung zurückgenommen worden. Die Kosten sind in dem angefochtenen Beschluss zutreffend dem Beklagten auferlegt worden, weil er ohne die Klagerücknahme im Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre.

Dem Kläger stand analog § 1004 BGB i. V. m. den §§ 823 Abs. 1 823 Abs. 2 BGB, 186 StGB ein Anspruch auf Unterlassung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Gefahr der Wiederholung einer gleichartigen Verletzung zu. Die in den Unterlassungsantrag des Klägers aufgenommenen Äußerungen des Beklagten sind geeignet, das Ansehen des Klägers herabzusetzen, da sie nahelegen, dass seine Kanzlei verzögert arbeite und dass er persönliche Interessen bei der Beratung eines Mandanten in den Vordergrund gestellt habe.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gilt nicht unbeschränkt, sondern findet seine Grenzen in den Rechten anderer, darunter dem Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG (BVerfG, NJW 2003, 1856). Ob eine Äußerung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzt, ist nach Auslegung des Bedeutungsgehaltes der Äußerung durch Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall festzustellen. Das Recht auf Meinungsfreiheit erstreckt sich auf Wertungen ebenso wie auf Tatsachen, die der Meinungsbildung dienen können. (BVerfGE 90, 1 (14)). Für die Abgrenzung der Tatsachen von Werturteilen kommt es darauf an, welchen Inhalt die Äußerung hat. Während Werturteile durch die subjektive Beziehung des Einzelnen zum Inhalt der Aussage geprägt sind (BVerfGE 33, 1 (14); 90, 241 (247) und für sie das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens kennzeichnend ist (BVerfGE 7, 198 (210); 61, 1 (8)), steht bei der Tatsachenbehauptung die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Realität im Vordergrund (BVerfG, NJW 2003, 1130). Eine Tatsache ist im Unterschied zum Werturteil einer Überprüfung auf ihren Wahrheits- und Richtigkeitsgehalt durch Erbringung eines Beweises zugänglich (BVerfGE 90, 241 (247)). Bei Vermengung von Tatsachenbehauptungen und Werturteilen handelt es sich insgesamt um eine grundrechtlich geschützte Meinungsäußerung, wenn der tatsächliche Gehalt substanzarm ist und gegenüber der subjektiven Wertung des Mitteilenden in den Hintergrund tritt (BVerfG NJW 1992, 1439 (1440)). Voraussetzung der rechtlichen Würdigung ist die Auslegung des Sinns der Äußerung aus der Sicht eines verständigen Empfängers unter Berücksichtigung der für ihn wahrnehmbaren, den Sinn der Äußerung mitbestimmenden Umstände (vgl. BVerfGE 93, 266 (295), BVerfGE 107, 275).

Die Äußerungen, deren Unterlassung der Kläger begehrt, sind nach den dargestellten Grundsätzen Tatsachenbehauptungen. Dass die Äußerungen vom Beklagten abgegeben worden sind, hat der Kläger im einstweiligen Verfügungsverfahren, auf das beide Parteien Bezug nehmen, glaubhaft gemacht und im vorliegenden Verfahren den Liquidator als Zeugen benannt.

Die Behauptung, die Anwaltskanzlei des Klägers sei für den schleppenden Verlauf von Liquidationen bekannt, ist dem Wahrheitsbeweis zugänglich. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Beklagte bei der Äußerung lediglich wiedergegeben hat, was ihm gegenüber im Gespräch mit Beschäftigten einer B… Anwaltskanzlei geäußert worden ist. Denn auch die Wiedergabe dessen, was ein Dritter geäußert hat, kann eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen, wenn es an einer eigenen und ernsthaften Distanzierung desjenigen, der die Äußerung wiedergibt, fehlt (BGHZ 132, 13). Eine solche Distanzierung hat der Beklagte nicht vorgetragen.

Auch die Äußerungen, der Kläger habe unberechtigte Auszahlungen mit veranlasst und einige Zahlungen seien auf die persönlichen Beziehungen des Klägers zu bestimmten Empfängern zurückzuführen, stellen entgegen der Ansicht des Beklagten Tatsachenbehauptungen dar. Zwar enthält die Einschätzung, eine Auszahlung sei „unberechtigt“ erfolgt, eine rechtliche Bewertung. Dieser Bewertung liegen jedoch konkrete Tatsachen zu Grunde, die dem Wahrheitsbeweis zugänglich sind. Beim Adressaten wird der Eindruck hervorgerufen, dass ein Sachverhalt vorlag, der keinen fälligen Zahlungsanspruch der ehemaligen Mitglieder der LPG begründete und dass der Kläger dennoch im Rahmen seines Beratungsmandates Zahlungen als notwendig darstellte, da er zu den Empfängern S… und K… in freundschaftlichem bzw. verwandtschaftlichem Verhältnis stand.

Da sich Meinungen in der Regel auf tatsächliche Annahmen stützen oder zu tatsächlichen Verhältnissen Stellung beziehen, sind sie durch das Grundrecht jedenfalls insoweit geschützt, als sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind, welche Art. 5 Abs. 1 GG in seiner Gesamtheit gewährleistet (vgl. BVerfGE 61, 1 (8)). Der Schutz von Tatsachenbehauptungen endet erst dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Nicht geschützt ist daher die bewusst oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung (vgl. BVerfGE 54, 208 (219); 61, 1 (8)).

Steht der Wahrheitsgehalt der Äußerungen nicht objektiv fest, obliegt dem Äußernden die Beweislast für die Wahrheit einer zur Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Anspruchstellers geeigneten Behauptung (NJW 1998, S. 3047 (3049)). Es gilt auch im Rahmen der Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB und der Analogie zu § 1004 BGB die Beweisregel des § 186 StGB (BGHZ 132, 13, 23; BGH NJW 1994, 2614 (2515)).

Der Beklagte hat keinen Beweis dafür angetreten, dass seine Äußerungen wahr sind. An der Wiederholung unwahrer Tatsachenbehauptungen besteht kein schutzwürdiges Interesse. Er kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt habe, da bei unwahren Behauptungen ein berechtigtes Interesse nicht vorliegen kann. In Betracht käme eine Wahrnehmung berechtigter Interessen allenfalls bei nicht erweislich wahren Behauptungen unter der Voraussetzung, dass der Beklagte dargelegt hätte, welche Bemühungen er unternommen hat, den Wahrheitsgehalt seiner Tatsachen zu überprüfen und dass er hierbei die Sorgfaltspflichten eingehalten und Anhaltspunkte festgestellt hat, die auf die Wahrheit seiner Angaben hindeuten (BGH NJW 1998, 3047 (3049)).

Die das Unterlassungsbegehren rechtfertigende Wiederholungsgefahr hat vorgelegen. Der rechtswidrige Eingriff begründet die tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr, die vom Anspruchsgegner entkräftet werden kann (BGH, VersR 1987, 1016 (1018); VersR 1994, 570 (572)). Der Beklagte hat die vermutete Wiederholungsgefahr nicht entkräftet. Insbesondere ergab sich nicht aus der Situation des Gesprächs, in dem die streitigen Äußerungen gefallen sind, dass keine Wiederholungsgefahr bestehe. Vielmehr lag es gerade aufgrund des erheblichen Unmutes des Beklagten über die Dauer des Liquidationsverfahrens nahe, dass er sich in ähnlicher Weise wie bereits gegenüber dem Liquidator auch gegenüber anderen Personen, etwa weiteren ehemaligen Mitgliedern der LPG, äußern würde. Dass der Beklagte sich von den Argumenten des Liquidators überzeugen ließ und seine Behauptungen nicht aufrecht erhielt, ergibt sich auch nicht aus dem Telefonvermerk vom 22. Februar 2010.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 574 Abs. 2 ZPO).

Die Festsetzung des Beschwerdewertes richtet sich nach der Höhe des Kosteninteresses für das Verfahren erster Instanz (§ 3 ZPO).