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Unzulässiger Normenkontrollantrag; privatrechtliche Ausgestaltung eines Benutzungsverhältnisses für die Trinkwasserversorgung; kein Anspruch eines Mieters auf Abschluss eines Versorgungsvertrages


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 24.03.2010
Aktenzeichen OVG 9 A 4.08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 47 VwGO, § 12 KomVerf BB, § 8 GKG, § 7 AVBWasserV, § 10 AVBWasserV, § 22 AVBWasserV, § 35 AVBWasserV

Tenor

Der Normenkontrollantrag des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Antragsteller ist Eigentümer eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks im Verbandsgebiet des Antragsgegners. Das Grundstück ist an die Wasserversorgung des Antragsgegners angeschlossen, die dieser gemäß seiner Wasserversorgungssatzung vom 23. November 2001 als öffentliche Einrichtung betreibt.

Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die von der Verbandsversammlung des Antragsgegners am 22. November 2007 beschlossene und am 20. Dezember 2007 im Amtsblatt für den Landkreis Uckermark bekannt gemachte 8. Änderung der Wasserversorgungssatzung vom 23. November 2001, soweit sie die Anlage 2 betrifft. Die Änderungssatzung hat insoweit folgenden Inhalt (Unterstreichung nur hier):

„Anlage 2 der Satzung über den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und die Versorgung der Grundstücke mit Wasser (Wasserversorgungssatzung) im Versorgungsgebiet des ZVWU ERGÄNZENDE WASSERVERSORGUNGSBEDINGUNGEN DES "ZWECKVERBANDES WASSERVERSORGUNG UND ABWASSERENTSORGUNG DER WESTUCKERMARK" TEMPLIN (ZVWU) ZUR AVB WASSERV, geändert am 25. November 2005, gültig ab 01. Januar 2006, wie folgt geändert:

1. Punkt 2. Vertragsabschlüsse, Absatz 2.2. wird gestrichen und ersetzt durch:

Gemäß § 2 der Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVB WasserV) besteht zu allen Anschlussnehmern ein Wasserliefervertragsverhältnis, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung zu dieser Satzung mit Wasser versorgt werden. Mit allen neuen Anschlussnehmern ist ein Vertrag zu schließen. Dieser kommt auch dadurch zustande, dass die Leistung des ZVWU in Anspruch genommen wird. Vertragspartner sind Grundstückseigentümer.

Ist das Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet, so tritt an die Stelle des Eigentümers der Erbbauberechtigte. Besteht für das Grundstück ein Nutzungsrecht, so tritt der Nutzer an die Stelle des Eigentümers. Nutzer sind die in § 9 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes vom 21. September 1994 (BGBl. I. S. 2457) genannten natürlichen und juristischen Personen des privaten oder öffentlichen Rechts. Dieser Personenkreis wird nur Vertragspartner, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das Wahlrecht über die Bestellung eines Erbbaurechts oder den Ankauf des Grundstückes, gemäß den §§ 15 und 16 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes, bereits ausgeübt oder gegen den Anspruch des Nutzers keine der nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz statthaften Einreden und Einwendungen geltend gemacht worden sind, andernfalls bleibt das Vertragsverhältnis des Grundstückseigentümers unberührt.

In begründeten Ausnahmefällen wird der Vertrag mit dem Nutzungsberechtigten abgeschlossen, wenn sich der Eigentümer zur Erfüllung des Vertrages mit verpflichtet und seine Zustimmung zur Mitübernahme der Zahlungsverpflichtung durch den Nutzungsberechtigten auf einem dafür vorgesehenen Formblatt ausdrückt.

Im Falle der Veräußerung des Grundstückes oder des Rechtes ist ein Antrag auf Weiternutzung, mit Angabe des Zählerstandes, durch den Nacheigentümer an den ZVWU zu stellen. In einer Entscheidung legt der ZVWU die weiteren Nutzungsmöglichkeiten des Anschlusses und damit verbundene Auflagen fest.

2. In Punkt 18 Zahlungspflicht, Absatz 18.1, Satz 7, wird das Wort Übernahme ersetzt durch das Wort Mitübernahme .

Der Antragsteller meint, dass durch die Satzungsänderung die Grundstückseigentümer nunmehr unzulässigerweise in die Pflicht genommen würden, obwohl sie gar nicht Empfänger der Versorgungsleistungen seien. In der Vergangenheit sei es auch Mietern, Pächtern und sonstigen Grundstücksnutzern möglich gewesen, einen Wasserlieferungsvertrag mit dem Antragsgegner ohne Einbeziehung des Grundstückseigentümers zu schließen. Zu diesem Zweck seien in den Wohnungen des Mehrfamilienhauses des Antragstellers jeweils Messeinrichtungen installiert worden, die dem Antragsgegner bisher ein problemloses Abrechnen der Wasserlieferungen mit den Mietern ermöglicht hätten. Die Satzungsänderung lasse die Begründung neuer Versorgungsverhältnisse nur zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner zu. Dies sei unangemessen. Einerseits werde dadurch dem Antragsteller eine Zahlungsverpflichtung für die Wasserversorgung auferlegt, die tatsächlich den Mietern diene. Andererseits werde den Mietern durch die Satzungsänderung ein eigenständiges Recht auf Wasserversorgung durch den Antragsgegner aberkannt. Die Wasserversorgungssatzung des Antragsgegners, die das Versorgungsverhältnis öffentlichrechtlich regele, sei entsprechend den Bestimmungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser vom 1. April 1980, BGBl I 1980, 750 -AVBWasserV-, zu gestalten (§ 35 Abs. 1 AVBWasserV). Die AVBWasserV gehe in ihren § 7 Abs. 1 und § 10 Abs. 8 davon aus, dass Kunden und Anschlussnehmer nicht zwingend Grundstückseigentümer sein müssten, also auch bloße Grundstücksnutzer Vertragspartner sein könnten. Eine Satzungsbestimmung, die - wie hier - den Mieter als Kunden ausschließe, verstoße gegen die AVBWasserV, da sich der Antragsgegner dadurch seinem Auswahlermessen entziehe. Denn unabhängig von der unmittelbaren Sachnähe des Grundstücksnutzers werde der Grundstückseigentümer in Haftung genommen, obwohl die Inanspruchnahme des tatsächlichen Leistungsempfängers möglich sei. Die Satzungsänderung führe zudem zu einer unzulässigen gebührenrechtlichen Heranziehung von Grundstückseigentümern für Leistungen, die von Dritten, nämlich den Mietern, veranlasst worden seien.

Der Antragsteller beantragt,

die 8. Änderung der Satzung über den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung und die Versorgung der Grundstücke mit Wasser im Versorgungsgebiet des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserentsorgung der Westuckermark vom 23. November 2001, wie sie von der Verbandsversammlung am 22. November 2007 beschlossen und im Amtsblatt für den Landkreis Uckermark vom 20. Dezember 2007 veröffentlicht worden ist, hinsichtlich der Änderung der Anlage 2 für nichtig zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Nach Auffassung des Antragsgegners ist der Antrag bereits unzulässig. Aufgrund der privatrechtlichen Ausgestaltung des Versorgungsverhältnisses erzeugten die Regelungen der Anlage 2 keine normativen Rechtswirkungen, die mit der Normenkontrolle nach § 47 VwGO beseitigt werden könnten. Der Normenkontrollantrag sei jedenfalls unbegründet, da es dem Antragsgegner freigestellt sei, sein Angebot auf Abschluss eines Versorgungsvertrages auf den Grundstückseigentümer zu beschränken oder eine Direktabrechnung mit den Mietern unter den Vorbehalt einer Mithaftung des Grundstückseigentümers zu stellen (Hinweis auf BGH, Urteil vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02 -, NJW 2003, 3131).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die von dem Antragsgegner vorgelegten Satzungsunterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag ist unzulässig.

Das Oberverwaltungsgericht entscheidet nach § 47 Abs. 1 VwGO „im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ über die Gültigkeit der dort genannten Rechtsnormen. Dieses Erfordernis ist nur dann erfüllt, wenn Rechtsstreitigkeiten, die aus dem Vollzug der zur Überprüfung gestellten Vorschrift entstehen können, in die Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte fallen würden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 1995 - 7 NB 1/95 -, juris). Diese Beschränkung bezweckt, dass das Oberverwaltungsgericht nicht eine Rechtsvorschrift mit allgemein verbindlicher Wirkung (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO) für ungültig erklären können soll, wenn für Rechtsstreitigkeiten aus deren Anwendung die Gerichte anderer Gerichtsbarkeiten zuständig sind. So liegt der Fall hier, da die zur Überprüfung gestellte Änderung der Anlage 2 ausschließlich privatrechtlichen Charakter hat.

Bei der Benutzung öffentlicher Einrichtungen ist zwischen dem Anspruch auf Zugang zu der öffentlichen Einrichtung, das „Ob“ der Benutzung, und der Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses, dem „Wie“ der Benutzung, zu unterscheiden. Während sich der Anspruch auf Zulassung oder Zugang zu der öffentlichen Einrichtung einer Kommune grundsätzlich nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Kommunalrechts (vgl. § 12 BbgKVerf i.V.m. § 8 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3 bis 7 Wasserversorgungssatzung) bestimmt, ist es in der Rechtsprechung weitgehend anerkannt, dass die Regelung des Benutzungsverhältnisses auch dann privatrechtlich erfolgen kann, wenn für die Einrichtung ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. April 2005 - 8 CN 1/04 -, juris). Vorliegend hat der Antragsgegner das Benutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet. Nach § 8 der Wasserver-sorgungssatzung werden die Art der Versorgung und weitere Versorgungsbedingungen durch die AVBWasserV als allgemeine Wasserversorgungsbedingungen sowie ergänzende Wasserversorgungsbe-dingungen und Entgeltregelungen gemäß Anlagen 2 bis 5 geregelt. Durch die Heranziehung der AVBWasserV hat sich der Antragsgegner für die Begründung privatrechtlicher Benutzungsverhältnisse zu den Kunden entschieden, da die Verordnung die öffentliche Wasserversorgung in der Form des Privatrechts regelt (§ 1 Abs. 1 AVBWasserV). Die privatrechtliche Natur der Benutzungsverhältnisse ergibt sich zudem unmissverständlich aus den ergänzenden Wasserversorgungsbedingungen in der Anlage 2 zur Wasserversorgungssatzung, wonach der Antragsgegner auf der Grundlage eines privatrechtlichen Versorgungsvertrages Wasser an seine Kunden liefert (Punkt 2.1 der Anlage 2). Die zur Überprüfung gestellte Änderung der Anlage 2 betrifft damit ausschließlich privatrechtliche Bestimmungen, nämlich die zu den Vertragsabschlüssen (Punkt 2.2 der Anlage 2) sowie zur Zahlungspflicht (Punkt 18.1 der Anlage 2). Für die Kontrolle derartiger allgemeiner Geschäftsbedingungen ist das Oberverwaltungsgericht nicht zuständig. Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Anlage 2 als Teil – und damit in Form – einer Satzung erlassen worden ist; nicht die Form entscheidet über die Nachprüfbarkeit durch das Oberverwaltungsgericht, sondern der inhaltliche Charakter der Regelungen.

Unbeschadet dessen vermag der Senat nicht zu erkennen, dass der Normenkontrollantrag in der Sache Erfolg haben könnte. Der Antrag hätte nur dann Erfolg, wenn es rechtlich geboten wäre, dass der Wasserversorger seine Versorgungsverträge direkt mit den Mietern abschließt. Ein entsprechendes Gebot ist nicht ersichtlich. Es ergibt sich zunächst weder aus der Verfassung noch aus einfachem Gesetzesrecht oder Satzungsrecht des Wasserversorgers. Die Einwohner einer Gemeinde sind auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 BbgKVerfG i.V.m. § 8 Abs. 1 GKG nur im Rahmen des geltenden Rechts berechtigt, die Wasserversorgungsanlage des Antragsgegners zu benutzen. Teil dieses geltenden Rechts ist auch § 3 der Wasserversorgungssatzung, der ein Anschluss- und Benutzungsrecht ausschließlich für die Grundstückseigentümer vorsieht.

Anders als der Antragsteller meint, verstößt die angefochtene Regelung in der geänderten Anlage 2, nach der Vertragspartner nur noch Grundstückseigentümer sind, auch nicht gegen die Bestimmungen der AVBWasserV. Aus der AVBWasserV (insbesondere § 22 Abs. 1 Satz 1) ergibt sich im Gegenteil gerade, dass Vertragspartner des Wasserversorgers der Grundstückseigentümer ist (vgl. KG Berlin, Urteil vom 7. November 2007 - 11 U 16/07-, juris). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs richtet sich das Angebot des Wasserversorgers auf Erbringung von Versorgungsleistungen typischerweise an die Grundstückseigentümer, weil nur diesen ein Anspruch auf Anschluss an die Versorgung zusteht und Wasserversorgungsunternehmen ihre Versorgungsaufgabe durch Abschluss des Wasserversorgungsvertrages mit diesem Personenkreis hinreichend erfüllen (vgl. Urteil vom 30. April 2003, a.a.O.).

Dieses Ergebnis ist nicht unbillig. Der Eigentümer eines Grundstücks profitiert auch dann vom Wasseranschluss, wenn das Grundstück komplett vermietet ist; ohne Wasseranschluss dürfte die Vermietbarkeit regelmäßig nicht gegeben sein. Zudem wählt der Eigentümer die Mieter aus. Angesichts dessen ist es nicht unbillig, wenn der Wasserversorger sich an ihn hält. Die Mieter wiederum stehen auch dann nicht schutzlos da, wenn der Versorgungsvertrag nur mit dem Eigentümer geschlossen werden kann. Unterlässt dieser es, seine Zahlungspflicht gegenüber dem Versorger zu erfüllen und droht deshalb ein Abstellen des Wassers, können die Mieter zivilrechtlich gegen den Eigentümer vorgehen, und zwar auch im Wege des Eilrechtsschutzes; äußerstenfalls können sie auch ordnungsrechtliche Hilfe in Anspruch nehmen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. September 2008 - 2 B 17.07 -, juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. dem hier entsprechend anwendbaren § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.