Gericht | FG Berlin-Brandenburg 4. Senat | Entscheidungsdatum | 15.02.2018 | |
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Aktenzeichen | 4 K 4295/16 | ECLI | ECLI:DE:FGBEBB:2018:0215.4K4295.16.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2007 (Streitjahr) die Erfassung eines Gewinns aus der privaten Veräußerung eines Grundstücks nach § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) strittig.
Die 1979 geborene ledige Klägerin wurde vom Finanzamt B… (fortan FA) im Streitjahr einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und bezog außerdem Arbeitslosengeld.
Aufgrund notariellen Übertragungsvertrages vom 27.10.2004 – auf den das Gericht wegen der weiteren Einzelheiten Bezug nimmt (Hülle ESt-Akte) – erwarb die Klägerin von ihrer Mutter (die Zeugin C…) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Übernahme der in Abteilung III des Grundbuchs zugunsten der D… AG sowie der E… Bank eingetragenen brieflosen Grundschulden in Höhe von (insgesamt) 450.000 DM einen Vierseitenhof in F… (Brandenburg), G…-straße (Streitgrundstück) mit einer Größe von zirka 81.660 m². Nicht „übernommen“ von der Klägerin wurden die den Grundschulden zugrunde liegenden Darlehen, die auch nach der Grundstücksübertragung weiterhin von der Mutter der Klägerin bedient wurden. Nach den Angaben der Zeugin C… im Termin beruhen die betreffenden Darlehen zur Hälfte auf Betriebsmittelkrediten einer von der Zeugin seinerzeit betriebenen Buchbinder-GmbH bei der E… Bank. Zur anderen Hälfte handelte es sich um Kreditaufnahmen der Zeugin, mit denen diese die Anschaffung und den Ausbau der Bauten auf dem Streitgrundstück finanzierte.
Auf dem von der Klägerin erworbenen Streitgrundstück befanden sich (u.a.) ein Haupthaus (120 m²) sowie ein Nebengebäude (ca. 60 m²), das ehemals als Stallung diente (Skizze Erdgeschoss/Haupthaus, vgl. Einheitswertakte [EW-Akte] zur Steuernummer …, Fach 2001). Zugleich mit der Übertragung des Grundstücks bestellte die Klägerin ihrer Mutter und deren Lebensgefährten als Gesamtberechtigte im Sinne des § 428 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (lebenslanges Wohnrecht nach § 1093 BGB), die im Grundbuch eingetragen wurde. Die Ausübung des Wohnrechts durfte nach IV. des notariellen Übertragungsvertrages nicht durch Dritte ausgeübt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat auf den diesbezüglichen notariellen Vertrag ergänzend Bezug (vgl. Bl. 59 f <61> ESt-Akte).
Das Streitgrundstück hatte die Mutter der Klägerin im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens am 08.12.1998 zu einem Barmeistgebot von 285.000 DM ersteigert. Seinerzeit war das Grundstück mit einem Wohnhaus, mehreren Stallgebäuden, einer Scheune, einer Futterküche, einer Garage und einem Schuppen bebaut (siehe Beschluss des Amtsgerichts B… vom 10.09.1998, Bl. 131 f ESt-Akte).
Nach dem Grundstückserwerb setzte die Mutter der Klägerin das Haupt- und Nebengebäude instand und baute das Nebengebäude 2002/2003 zu Wohnraum (Wohnküche, Bad und Schlafzimmer) aus. Die Instandsetzungs- und Ausbaukosten betrugen (zwischen den Beteiligten unstrittig) etwa 70.000 €. Das Hauptgebäude (120 m²) nutzte die Mutter der Klägerin zusammen mit ihrem Lebensgefährten (heutiger Ehegatte) vom Zeitpunkt des Grundstückserwerbs im Jahre 1998 bis zur Veräußerung im Jahre 2007 zu eigenen Wohnzwecken. Das Nebengebäude wurde ab dessen Fertigstellung in den Jahren 2002/2003 bis zur Veräußerung (was zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig ist) von der Klägerin hauptsächlich an den Wochenenden zu privaten Wohnzwecken genutzt. Unter der Woche wohnte die Klägerin wegen einer Ausbildung andernorts. Bis zur Fertigstellung des Nebengebäudes wohnte die Klägerin zeitweise im Haupthaus der Zeugin.
Ein Teil des Grund und Bodens von rund 6 Hektar Wiesenfläche war an die H… GmbH verpachtet (vgl. § 1 des Grundstücksvertrages vom 14.09.2007 auf Bl. 111 ff <113> ESt-Akte). Die Pachterlöse i. H. v. 500 € im Jahr wurden vor und auch nach der Übertragung des Streitgrundstücks auf die Klägerin bis zu dessen Veräußerung im Jahre 2007 von der Zeugin C… vereinnahmt.
Einheitswertrechtlich wurde das Streitgrundstück der Klägerin durch Zurechnungsfortschreibungsbescheid vom 18.04.2005 in der Grundstücksart „Einfamilienhaus“ mit einem Einheitswert in Höhe von 7.515 € (= 14.700 DM) auf den 01.01.2005 zugerechnet (vg. EW-Akte/Fach 2001).
Mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 14.09.2007 – auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 111 ff ESt-Akte) – verkaufte die Klägerin unter Ausschluss der Sachmängelhaftung (§ 6 des Vertrages, Bl. 111 <120> ESt-Akte) das Streitgrundstück lastenfrei, geräumt und mit Ausnahme der an die H… GmbH verpachteten Wiesenflächen frei von jeder tatsächlichen Nutzung oder Nutzungsrechten des Verkäufers und Dritter (siehe § 5 Ziff. 1 des Kaufvertrages, Bl. 111 <118> St-Akte) zu einem Kaufpreis von 530.000 € an Frau J... . Von dem Kaufpreis entfielen gem. § 3 des Vertrages 15.000 € auf den Verkauf „beweglicher Güter“. Das Pachtverhältnis mit der H… GmbH sollte vereinbarungsgemäß mit der Erwerberin J... fortgesetzt werden (siehe §§ 1, 5 Ziff. 4 des Vertrags, Bl. 111 f <113, 119> ESt-Akte). Von dem auf dem Notaranderkonto hinterlegten Kaufpreis wurden die durch Grundschulden besicherten Darlehen in Höhe von 265.748,97 € bedient. Den restlichen Kaufpreiserlös in Höhe von rund 264.250 € zahlte der Notar an die Klägerin aus, mit dem diese in der Folgezeit den Erwerb eines Grundstücks in I… finanzierte. Mit der einvernehmlichen Veräußerung des Streitgrundstücks beabsichtigten die Klägerin und deren Mutter der drohenden Zwangsvollstreckung der Grundschuldgläubigerin zu entgehen. Durch die seitens der E… Bank erfolgte sukzessiv reduzierte Betriebsmittellinie verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Buchbinderei GmbH zunehmend und es zeichnete sich ab, dass die E… Bank zur Rückführung ihrer Kredite aus den Grundschulden die Zwangsvollstreckung in das Streitgrundstück betreiben würde.
In ihrer für das Streitjahr abgegebenen Einkommensteuererklärung erklärte die Klägerin keinen Gewinn aus der privaten Veräußerung des Streitgrundstücks, weil sie von einer die Besteuerung ausschließenden Selbstnutzung zu Wohnzwecken ausgegangen war.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 23.01.2013 (Bl. 15 f ESt-Akte) unterwarf das FA – dem die Veräußerung des Streitgrundstücks im Streitjahr durch eine Mitteilung des Notars zur Kenntnis gelangte – (zunächst) einen Betrag in Höhe von 325.484 € den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften und setzte die Einkommensteuer des Streitjahres auf 132.389 € fest. Unter den Erläuterungen zur Festsetzung führte es aus, dass eine Steuerbefreiung für den Gewinn aus der Veräußerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht eingreife, weil das Grundstück nicht – wie erforderlich – im Jahr der Veräußerung sowie in den beiden Vorjahren von der Klägerin zu „eigenen Wohnzwecken“ genutzt worden sei.
Der dagegen gerichtete Einspruch hatte teilweise Erfolg.
Mit Einspruchsentscheidung vom 26.09.2016 (Bl. 5 ff. Streitakte) reduzierte das FA den Veräußerungsgewinn auf 195.515 € und setzte die Einkommensteuer auf 75.437 € herab. Im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, dass hinsichtlich des von der Klägerin zu eigenen Wohnzwecken genutzten Nebengebäudes von der Steuerfreiheit der Veräußerung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ausgegangen werden könne, während für die Veräußerung des Hauptgebäudes, das von deren Mutter bzw. deren Lebensgefährten bewohnt worden sei, in Ermangelung einer Selbstnutzung durch die Klägerin eine Steuerbefreiung nicht in Betracht käme und der Besteuerungstatbestand erfüllt sei. Demgemäß habe - so das FA - lt. Tz. 5 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 05.10.2000 (Bundessteuerblatt [BStBl] I 2000, 1383) bei der Veräußerung eines teilweise zu eigenen Wohnzwecken und teilweise zu anderen Zwecken genutzten Gebäudes eine Aufteilung nach dem Verhältnis der Nutzflächen zu erfolgen, mit der Konsequenz, dass lediglich ein Drittel des Veräußerungsgewinnes außer Ansatz zu lassen sei und der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn deshalb 195.515 € betrage. Wegen der Einzelheiten zur Berechnung des steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns nimmt der beschließende Senat auf die Einspruchsentscheidung des FA vom 26.09.2016 Bezug.
Hiergegen hat die Klägerin am 01.11.2016 Klage erhoben.
Die Klägerin hält weiterhin an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung fest, dass der Gewinn aus der Veräußerung des Streitgrundstücks vollumfänglich von der Besteuerung auszunehmen sei. Ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholend und vertiefend führt sie aus, dass hinsichtlich des von der Mutter und deren Lebensgefährten zu Wohnzwecken genutzten Gebäudeteils eine „Nutzung zu anderen Zwecken“ i. S. des BMF-Schreibens vom 05.10.2000 und mithin eine die Steuerbefreiung ausschließende Nutzung nicht vorliege, mit der Konsequenz, dass der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG vom FA zu Unrecht abgelehnt worden sei. Von der vorerwähnten Formulierung könnten lediglich Nutzungen umfasst sein, über die der zivilrechtliche (wirtschaftliche) Eigentümer des Grundstücks verfügen könne. Im Streitfall fehle es an einer solchen Nutzungsbefugnis soweit es den von ihrer (der Klägerin) Mutter genutzten Gebäudeteil angehe. Insoweit sei bedeutsam, dass ihre (der Klägerin) Mutter sich im Zuge der Grundstücksübertragung die ausschließliche Nutzung dieses Gebäudeteils zu Wohnzwecken aufgrund einer im Grundbuch eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (lebenslang) vorbehalten habe. Angesichts dessen habe ihr im Zeitraum zwischen Grundstückserwerb im Jahre 2004 und Grundstücksveräußerung im Jahre 2007 zu keinem Zeitpunkt die Nutzungsbefugnis über die von ihrer Mutter und deren Lebensgefährten genutzten Gebäudeflächen zugestanden, mit der Folge, dass ihr diese (ausnahmeschädliche) Nutzung nicht zugerechnet werden dürfe. Abgesehen davon lasse das FA bei seiner Entscheidung unberücksichtigt, dass die den von der Erwerberin J... nicht übernommenen Grundschulden zugrunde liegenden Darlehensverbindlichkeiten bereits bei der Grundstücksübertragung im Jahre 2004 bestanden hätten. Aus den weit vor der Grundstücksübertragung erfolgten Darlehensinanspruchnahmen durch ihre Mutter habe sie – die Klägerin – keinerlei wirtschaftlichen Nutzen gezogen. In Höhe der an die darlehensgebenden Gläubiger weitergeleiteten Teile des Veräußerungserlöses in Höhe von 265.487,97 € seien ihr nachträgliche Anschaffungskosten für das Grundstück entstanden, um deren Höhe der vom FA angesetzte Veräußerungsgewinn reduziert werden müsse. Wegen des weiteren Vortrags nimmt der Senat auf den Klageschriftsatz der Klägerin vom 24.10.2016 (Bl. 1 ff. Streitakte) ergänzend Bezug.
Die Klägerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid vom 23.01.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.09.2016 mit der Maßgabe zu ändern, dass der bei den sonstigen Einkünften erfasste Veräußerungsgewinn aus privatem Veräußerungsgeschäft außer Ansatz gelassen wird,
hilfsweise, bei der Ermittlung der Einkünfte aus privatem Veräußerungsgeschäft nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 265.748,97 € zu berücksichtigen,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Verhandlungstermin am 15.02.2018 hat der Senat die Frau C… als Zeugin vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15.02.2018 Bezug genommen.
Dem Senat hat bei der Entscheidungsfindung neben je einem Band (Bd.) Streitakten zum Hauptsacheverfahren 4 K 4295/16 sowie zum PKH-Verfahren ein Bd. Einkommensteuerakten des FA Luckenwalde zur Steuernummer … vorgelegen, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der angefochtene Bescheid sowie die Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung [FGO]).
Der Beklagte ist zutreffend von einem privaten Veräußerungsgeschäft ausgegangen und hat den Veräußerungsgewinn nicht zu Lasten der Klägerin zu hoch angesetzt.
Das Gericht kann offen lassen, ob auch auf der auf das von der Klägerin zu eigenen Wohnzwecken genutzte Nebengebäude entfallende Veräußerungsgewinn als privates Veräußerungsgeschäft hätte berücksichtigt werden müssen, denn insoweit steht das Verbot der Verschlechterung einer Änderung zum Nachteil der Klägerin entgegen (vgl. Ratschow in Gräber, FGO 8. Aufl. 2015, § 96 Rn. 51 m.w.N.).
Nach § 22 Nr. 2 des im Streitjahr geltenden EStG sind sonstige Einkünfte solche aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. des § 23 EStG. Hierzu gehören nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG der letztgenannten Vorschrift Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre betragen. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG sind Wirtschaftsgüter (WG) ausgenommen, die im Zeitraum zwischen (u.a.) Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Einzubeziehen sind auch Gebäude und Außenanlagen, soweit sie innerhalb des Zehnjahreszeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert wurden. Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG ist bei unentgeltlichem Erwerb dem Einzelrechtsnachfolger für Zwecke dieser Vorschrift die Anschaffung durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen.
Vorliegend liegt kein Anschaffungsfall i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, sondern ein unentgeltlicher Erwerb nach § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG vor, weil die Klägerin ihrer Mutter und mithin der Rechtsvorgängerin gegenüber keine Gegenleistung erbracht hat (zur Definition des unentgeltlichen Erwerbs vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 35. Aufl. 2016, § 23 Tz. 40 m.w.N.).
Das im Übertragungsvertrag aus dem Jahr 2004 zugunsten der Mutter und ihres Lebensgefährten vorbehaltene (dingliche) Wohnrecht begründet keine Gegenleistung. Vielmehr geht das Vermögen des Rechtsvorgängers um das dingliche Wohnrecht geschmälert auf den Rechtsnachfolger über. Anders als im Fall der Übernahme schuldrechtlich begründeter Verpflichtungen (vgl. § 194 BGB) beinhaltet der Übergang dinglicher Belastungen (dazu gehören auch dingliche Nutzungsrechte) keine Gegenleistung des Erwerbers an den Veräußerer, mit der Konsequenz, dass insoweit keine Anschaffungskosten gegeben sind (vgl. Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 17.11.2004 I R 96/02, BStBl II 2008, 296; Musil in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 279. Lieferung 05.2017, § 23 EStG Tz. 231 für Vorbehaltsnießbrauch; juris).
Ebenso stehen die von der Klägerin mit dem Grundstückserwerb übernommenen Grundschulden nicht der Annahme eines unentgeltlichen Erwerbs entgegen.
Zwar stellen die im Rahmen des Erwerbs eines WG übernommenen Schulden beim Erwerb eines WG eine Gegenleistung dar. Es liegt also in Höhe der Schuldübernahme und einer (etwaigen) Barzahlung ein Entgelt vor (Musil in: Herrmann/Heuer/Raupach a.a.O.). Im Streitfall ist aber bedeutsam, dass die von der Zeugin C… durch Grundschulden abgesicherten Darlehen von der Klägerin nicht übernommen wurden. Folglich liegt auch keine von der Genehmigung der Bank unabhängige Erfüllungsübernahme i. S. des § 415 Abs. 3 BGB vor. In dem zwischen der Klägerin und ihrer Mutter geschlossenen notariellen Übertragungsvertrag fehlt es an einer im Vorhinein und formgemäß (wirksam) vereinbarte diesbezüglichen Abrede (§ 41 AO). Der Beklagte weist deshalb zu Recht darauf hin, dass es sich der Sache nach um eine nachträglich vereinbarte Kaufpreisverwendung handelt. Für diese Würdigung sprechen auch die plausiblen Angaben der Zeugin im Verhandlungstermin, denen zufolge die Veräußerung des Streitgrundstücks im Jahre 2007 geboten war, weil sich aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten bei der Buchbinderei-GmbH abzeichnete, dass die E… Bank die Zwangsvollstreckung in das Streitgrundstück betreiben würde.
Nicht zweifelhaft ist ferner, dass die Klägerin aufgrund des Übertragungsvertrages im Jahre 2004 nicht nur dessen zivilrechtliche Eigentümerin, sondern auch wirtschaftliche Eigentümerin des Streitgrundstücks geworden ist, mit der Konsequenz, dass der Besteuerungstatbestand der privaten Grundstücksveräußerung in ihrer Person verwirklicht wurde.
Anders wäre zu entscheiden, wenn die Zeugin C… aufgrund des (u.a.) zu ihren Gunsten bestellten lebenslangen dinglichen Wohnungsrechts die Klägerin als zivilrechtliche Eigentümerin von der Einwirkung auf das Streitgrundstück für dessen gewöhnliche Nutzungsdauer ausgeschlossen hätte (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO). Dies ist nicht der Fall. Für den Ausschluss des Berechtigten reichen schuldrechtlich oder dinglich begründete Nutzungsrechte – hier das an die Mutter und deren Lebensgefährten geknüpfte lebenslange dingliche Wohnungsrecht an dem belasteten Streitgrundstück - nicht aus. Aufgrunddes Nutzungsrechts wird die Zeugin als dinglich Nutzungsberechtigte nicht in die Lage versetzt, ähnlich einem Eigentümer über die Substanz des Grundstücks zu verfügen (vgl. etwa für Nießbrauchs- und Wohnungsrecht BFH-Beschlüsse vom 20.12.2005 X B 128/05, Sammlung der Entscheidungen des BFH [BFH/NV] 2006, 704; vom 29.03.2012 II B 65/11, 2012, 1094, BFH/NV 2012, 1094; Ratschow in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 39 Rz. 42 m. w.N.).
Von einem unentgeltlichen Erwerb ausgehend ist bei der Berechnung der Spekulationsfrist deshalb auf den Erwerb der Rechtsvorgängerin (Mutter der Klägerin) im Jahre 1998 abzustellen. Auch insoweit ist die Veräußerung des Streitgrundstücks (noch) innerhalb der 10-jährigen Spekulationsfrist erfolgt.
Zwar betrug die Spekulationsfrist zum Zeitpunkt des Erwerbs (1998) noch zwei Jahre. Erst mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (StEntlG, Bundesgesetzblatt [BGBl] I 1999, 304) wurde die Veräußerungsfrist auf 10 Jahre verlängert. Nach § 52 Abs. 39 Abs. 1 EStG galt die neue Frist erstmals ab dem Veranlagungszeitraum (VZ) 1999, bezog aber – rückwirkend – auch bereits erworbene Grundstücke ein, sofern der Vertrag über die Veräußerung erst im Jahr 1999 oder später geschlossen wurde. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Verlängerung der Spekulationsfrist im Grundsatz nicht beanstandet, sie jedoch insoweit als verfassungswidrig angesehen, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des StEntlG am 31.03.1999 entstanden sind und nach der zuvor geltenden Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Verkündung steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können (vgl. Finanzgericht [FG] Köln, Urteil vom 18.10.2016 8 K 3825/11, Entscheidungen der Finanzgerichte [EFG] 2017, 222 mit Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG, juris). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor, denn zum Zeitpunkt der Verkündung des StEntlG am 31.03.1999 war die frühere zweijährige Spekulationsfrist nicht verstrichen, so dass steuerfreie Wertsteigerungen nach alter Rechtslage noch nicht realisiert waren.
Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG liegt kein privates Veräußerungsgeschäft vor, wenn WG, die (Alt. 1) im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (Alt. 1) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren (Alt. 2) zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht außer Frage, dass das von der Mutter und deren Lebensgefährten zu (eigenen) Wohnzwecken genutzte Haupthaus nicht unter einen der Ausschlusstatbestände des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG fällt.
Eine Nutzung zu „eigenen Wohnzwecken" ist bei § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nach zutreffender höchstrichterlicher Rechtsprechung so zu verstehen wie in § 10e EStG und in § 4 des Eigenheimzulagengesetzes -EigZulG- (vgl. BFH-Urteil vom 18.01.2006 IX R 18/03, BFH/NV 2006, 936 m. w. N.; FG München, Urteil vom 11.07.2017 12 K 796/14, EFG 2017, 1795 m. Anmerkung Wackerbeck; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 282. Lieferung 10.2017, § 23 Tz. 130).
Danach dient eine Wohnung eigenen Wohnzwecken, wenn sie vom Steuerpflichtigen selbst tatsächlich und auf Dauer angelegt bewohnt wird (vgl. dazu eingehend Beschluss des BFH vom 28. Mai 2002 IX B 208/01, BFH/NV 2002, 1284, m.w.N. zur Rechtsprechung).
Eigene Wohnzwecke setzen die persönliche Nutzung als rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer voraus (vgl. FG Münster, Urteil vom 18.06.2007 1 K 3749/05 E, EFG 2007, 1605 bestätigt durch BFH-Beschluss vom 15.04.2008 IX B 159/07, BFH/NV 2008, 1342; Trossen, jm 2015, S. 23 ff.). Hieran fehlen es, wenn der Eigentümer seine Nutzungsbefugnis von einem anderen ableitet, wie dies etwa im Fall eines Vorbehaltsnießbrauchs mit Überlassung der Wohnung an den Eigentümer wäre (siehe Wacker, Kommentar zum EigZulG, 3 Aufl. 2001, § 4 Rn. 5).
Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt allerdings auch vor, wenn das WG von einem unterhaltsberechtigten Kind zu Wohnzwecken genutzt wird. Nach der BFH-Rechtsprechung (siehe Urteil vom 26.11.1994 X R 94/91, Bundessteuerblatt [BStBl] II 1994, 544) ist die Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken anzunehmen, weil der Steuerpflichtige (Stpfl.) in Erfüllung seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung seinem Kind außerhalb des Familienhaushalts eine Wohnung zur Verfügung stellt. Dies begründete der BFH seinerzeit mit der Erwägung, dass die Nutzung der Wohnung durch das Kind dem Eigentümer als eigene zuzurechnen sei, weil es ihm obliege, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen.
Nach neuerer BFH-Rechtsprechung wird ein Gebäude auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der StPfl. nur zeitweilig nutzt, so dass auch Zweitwohnungen sowie nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden, unter die Ausschlusstatbestände des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG fallen (siehe BFH-Urteil vom 27.06.2017 IX R 37/16, BStBl II 2017, 1192).
Ebenso ist eine Mitnutzung durch Dritte zu eigenen Wohnzwecken unschädlich, wenn die Wohnung nicht nur vom Eigentümer (Veräußerer), sondern auch von seinen Familienangehörigen genutzt wird (Ehegatte, unterhaltsberechtigte Kinder).
Auch die Finanzverwaltung formuliert in Tz. 22 des BMF-Schreibens vom 05.10.2000 (a.a.O.) - als das Gericht allerdings nichtbindende norminterpretierende Vorschrift (siehe hierzu Gersch in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 4 Rn. 10 m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung) - zur streitrelevanten Norm des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG die Ausnahme, dass es unschädlich sei, „wenn der Steuerpflichtige Teile des Wirtschaftsguts einem Dritten unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen hat. Die dem Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken verbleibenden Räume müssen jedoch noch den Wohnungsbegriff erfüllen und ihm die Führung eines eigenen selbständigen Haushalts ermöglichen. Ein Wirtschaftsgut wird auch dann zu eigenen Wohnzecken genutzt, wenn es vom Steuerpflichtigen nur zeitweise bewohnt wird, in der übrigen Zeit ihm jedoch als Wohnung zur Verfügung steht (z. B. Wohnung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnung; auf die Belegenheit der Wohnung in einem Sondergebiet für Ferien- und Wochenendhäuser kommt es nicht an). “
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist hinsichtlich des streitigen Hauptgebäudes von einem privaten Veräußerungsgeschäft auszugehen, weil es an den Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG fehlt.
Nach den uneingeschränkt glaubhaften Bekundungen der Zeugin, sind das Haupt- und Nebengebäude zwei baulich voneinander getrennte Baukörper, die jeweils über eigene Zugänge, Sanitär- und Küchenbereiche verfügen. Da der Begriff des WG i. S. des § 23 EStG wie im Sinne der Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4 ff. EStG verwendet wird (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.1978 VIII R 72/76, BStBl II 1979, 298; Weber-Grellet in Schmidt, EStG,36. Aufl. 2017, § 23 Tz. 12) handelt es sich beiden Gebäuden um zwei getrennte - in unterschiedlichem Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehende - WG. Überdies bilden Haupt- und Nebengebäude zwei Wohnungen im bewertungsrechtlichen Sinn. Beide Einheiten bilden eine baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit. Es bestehen eigene Zugänge. Zudem sind nach den Angaben der Zeugin die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume wie Küche, zumindest ein Raum mit Kochgelegenheit, ein Bad oder eine Dusche und eine Toilette in beiden Gebäuden vorhanden. Dies ergibt sich zudem auch aus der Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes auf den 01.01.2008 (vgl. EW-Akten zur St.-Nr.:…). Dem folgend wurde das Grundstück mit Einheitswertbescheid vom 07.06.2013 im Wege der Wert- und Artfortschreibung) auf den Stichtag des 01.01.2008 als „Mietwohngrundstück“ eingeordnet (vgl. Bescheid und Grundrissskizze in der beigezogenen EW-Akte des FA Königs Wusterhausen zu: …). Der Umstand, dass lediglich eine Heizungsanlage sowie ein Versorgungsanschluss für Wasser und Strom vorhanden waren, ist für die Beurteilung unerheblich.
Da Haupt- und Nebengebäude somit als eigene Wohnungen (WG i. S. des § 23 EStG) zu betrachten sind, ist die Nutzung des Hauptgebäudes durch die Zeugin und deren Lebensgefährten keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken der Klägerin und somit als schädlich einzustufen. Der Senat lässt offen, ob eine Mitnutzung durch Familienangehörige im Sinne des vorstehenden BMF-Schreibens vom 05.10.2000 unschädlich wäre. Für eine beachtliche Mitbenutzung des Hauptgebäudes zu Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren durch die Klägerin ist kein Raum. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist vielmehr davon auszugehen, dass das Hauptgebäude im streitrelevanten Zeitraum maßgeblich allein durch die Zeugin und deren Lebensgefährten zu Wohnzwecken genutzt wurde, während die Klägerin nach dessen Fertigstellung 2002/2003 das Nebengebäude hauptsächlich während ihrer ausbildungsfreien Zeiten nutzte. Übliche Besuchsaufenthalte zur Pflege verwandtschaftlicher Beziehungen der Klägerin im Haushalt der Zeugin (Mutter) begründen keine beachtliche Nutzung zu eigenen Wohnzwecken und sind als nicht ausreichend zu erachten. Ungeachtet dessen wäre eine Mitbenutzung des Hauptgebäudes durch die Klägerin zu Wohnzwecken ohnehin deshalb unzureichend, weil die Selbstnutzung nicht aus deren Eigentümerstellung folgte, sondern auf dem dinglichen Wohnungsrecht der Zeugin gründete, was nicht ausreichend wäre (Wacker, Kommentar zum EigZulG, 3 Aufl. 2001, § 4 Rn. 5).
Schließlich hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die unentgeltliche Nutzung des Hauptgebäudes durch die Mutter der Klägerin (Verwandte gerader Linie als Angehörige i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 3 AO) für die Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht ausreicht. Zwar enthält die Regelung des § 4 Satz 2 EigZulG i. d. Fassung vom 26.03.2007 die ausdrückliche gesetzliche Regelung, dass eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch vorliegt, soweit eine Wohnung unentgeltlich an Angehörige (§ 15 AO) zu Wohnzwecken überlassen wird. Diese Regelung wurde jedoch nicht in die gesetzliche Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1Nr. 1 EStG übernommen, da es hier nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht um eine Wohnungsbauförderung, sondern um eine Besteuerung des Wertzuwachses eines WG geht, von der lediglich das bisher vom Stpfl. selbst zu Wohnzwecken genutzte WG ausgenommen werden soll. Das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der „Ausschließlichkeit“ i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 EStG deutet darauf hin, dass an den zeitlichen Umfang der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken hohe Anforderungen zu stellen sind, mit der Folge, dass es sich bei dem privilegierten WG um einen Wohnsitz (§ 8 AO) des Stpfl. handeln muss, woran es hinsichtlich des hier in Rede stehenden Hauptgebäudes mangelt.
Die Höhe des Veräußerungsgewinns ist zwischen den Beteiligten nicht strittig. Die Berechnung des Beklagten weist keine Fehler tatsächlicher, rechnerischer oder rechtlicher Art auf, so dass es keiner weitergehenden Ausführungen des Gerichts bedarf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.