Gericht | FG Berlin-Brandenburg 4. Senat | Entscheidungsdatum | 09.01.2017 | |
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Aktenzeichen | 4 V 4265/15 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller zu 4/5 und dem Antragsgegner zu 1/5 auferlegt.
Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Hinzuschätzungen.
Der Antragsteller ist verheiratet. In den Jahren 2008 bis 2010 (Streitjahre) wurde er mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Seine Ehefrau erzielte in geringem Umfang Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Antragsteller erzielte als Einzelunternehmer der Speisegaststätte „B…“ (C…-Straße in D…) Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Die Gaststätte hatte keinen festen Ruhetag. Neben den Umsätzen aus dem Verzehr von Speisen und Getränken in der Gaststätte erzielte der Antragsteller auch Einnahmen im Zusammenhang mit Volksfesten sowie der Ausrichtung bzw. Lieferung von Buffets.
Aufgrund Gesellschaftsvertrages vom 30.11.2010 wandelte der Antragsteller mit Wirkung zum 01.01.2011 sein Einzelunternehmen in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts um und nahm seine Ehefrau E… als Gesellschafterin (Mitinhaberin) mit einer 2 %igen Beteiligung am Gesellschaftsvermögen sowie am Gewinn und Verlust der Gaststätte auf. Mit gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung vom 30.06.2013 wurde die GbR zum 31.12.2013 ohne Liquidation vollbeendet. Danach ist Frau E… zum 31.12.2013 aus der zweigliedrigen GbR ausgeschieden und ihr Gesellschaftsanteil dem Antragsteller angewachsen. Seither führt der Antragsteller die Gaststätte wieder als Einzelunternehmen fort.
Zur Erfassung seiner „fast ausschließlich“ bar vereinnahmten Erlöse verwendete der Antragsteller in seinem Lokal eine „offene Ladenkasse“ (Hinweis auf Seite 4 des Bp-Berichts vom 25.08.2015, <Bl. 14 Streitakte>). Dazu notierte er das Datum der Tageseinnahme, die Summe der jeweiligen Kellnerzettel (Ursprungsaufzeichnungen) und bildete rechnerisch daraus eine tägliche Tageseinnahme. Diese Notizen enthalten außer dem Datum der Tageseinnahme keine fortlaufende Nummerierung. Hinsichtlich seiner aus (Familien-)Festen, Veranstaltungen (F…) und der aus der Lieferung von Buffets resultierenden Bareinnahmen fertigte der Antragsteller gleichfalls handschriftliche Notizzettel, in denen der Tag sowie die Summe der erzielten Tageseinnahmen aufgezeichnet wurden (vgl. Bl. 57 – 61 Bp-Handakte).
Seine gewerblichen Einkünfte aus der Gaststätte ermittelte der Antragsteller gemäß § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) durch EÜR. Die Ursprungsaufzeichnungen bewahrte der Antragsteller nicht auf. Die Einnahmen im Zusammenhang mit den Volksfesten hielt der Antragsteller ebenfalls in einer Summe auf einem „Schmierzettel“ unter Angaben des Datums der Einnahme fest.
Aufgrund seiner für die Streitjahre in den Jahren 2009, 2010 und 2011 beim Antragsgegner eingereichten Einkommen-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuererklärungen wurde der Antragsteller mit Einkommen-, Gewerbesteuermess- sowie unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuer-Bescheiden mit folgenden Umsätzen und Gewinnen aus Gewerbebetrieb antragsgemäß veranlagt (in €):
2008
2009
2010
Umsätze 19 %
142.888
124.302
119.439
Gewinn
28.374
19.842
20.103
Aufschlagsatz (Durchschnitt)
123 %
181 %
187 %
Der Antragsgegner ordnete am 03.12.2014 eine sich auf die Streitjahre erstreckende Außenprüfung (Ap.) an, deren Ergebnisse im Außenprüfungsbericht vom 25.08.2015 zusammengefasst sind und auf den der beschließende Senat wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend Bezug nimmt.
Der Prüfer gelangte zu der Auffassung, dass die Kassenführung des Antragstellers in den Streitjahren nicht ordnungsgemäß erfolgt sei und den Unterlagen die Vermutung der sachlichen Richtigkeit gemäß § 158 Abgabenordnung (AO) fehle. Weder seien die vom Antragsteller behaupteten täglichen Bargeldanfangsbestände in Höhe von 200 € dokumentiert noch sei nachvollziehbar aufgezeichnet worden, dass der Bargeldbestand am Ende eines jeden Geschäftstages mit den in der Kasse enthaltenen Bargeldbeträgen abgeglichen worden sei. Die Verkaufsvorgänge seien nicht einzeln, sondern lediglich in einer Summe je bedienten Tisch bzw. Kunden aufgezeichnet worden. Fortlaufend nummerierte Kellnerbons oder Tagesabschlüsse, in denen der End- und Anfangsbestand der Kasse, die Entnahmen und Einlagen aufgezeichnet wurden und mit der Tageslosung abgeglichen worden seien, fehlten.
Weiterhin monierte der Prüfer die fehlende Durchnummerierung der handschriftlichen Einnahmenzettel. Dies sei ebenfalls als gewichtiger Aufzeichnungsmangel zu erachten, weil für eine Reihe von Tagen keine solchen Aufzeichnungen existierten (2008: 14 Tage; 2009: 25 Tage und 2010: 22 Tage), obgleich es in den Streitjahren keinen festen Schließungstag gegeben habe, so dass eine nachträgliche Entfernung der Zettel nicht ausgeschlossen werden könne.
Auch hinsichtlich der Feiern/Buffets fehlten Ausgangsrechnungen/Quittungen und sei die vollständige Erfassung der Umsätze durch einen sachverständigen Dritten nicht überprüfbar.
Aufgrund der mit Hilfe der Daten des Betriebs durchgeführten Zeitreihenvergleiche stellte der Prüfer außerdem eine große Schwankungsbreite der Rohgewinnaufschlagsätze (RGAS) sowohl monats-, quartals- als auch jahresbezogen fest (Hinweis auf Anlage 1a des Bp-Berichts), quartalsbezogene durchschnittliche RGAS für 2008: von 105 % (II. Quartal) bis 142 % (IV. Quartal); für 2009: von 155 % (II. Quartal) bis 222% (I. Quartal), für 2010: von 126 % (IV. Quartal) bis 229 % (I. Quartal). Die stark schwankenden RGAS legten nach Ansicht des Prüfers den begründeten Verdacht nahe, dass die Aufzeichnungen neben den formellen Mängeln auch in materieller Hinsicht unrichtige Besteuerungsgrundlagen (Gewinne und Umsätze) auswiesen, weil der Betrieb - so der Prüfer - keinen signifikanten saisonalen Schwankungen unterliege und von einem weitgehend homogenen Geschäftsverlauf über das gesamte Geschäftsjahr hinweg mit gleichbleibendem Verlauf der Aufschlagsätze auszugehen sei. Aufgrund der Mängel sah der Prüfer in allen drei Streitjahren Anlass für Hinzuschätzungen. Als Schätzungsmethode wandte er die Quantilsschätzung an. Im Rahmen dieser Methode berechnete der Prüfer auf der Basis der ihm vom Antragsteller zur Verfügung gestellten betrieblichen Daten die monatlichen RGAS aller drei Streitjahre. Auf der Grundlage einer 17%igen Preissteigerung (Vergleich der Speise- und Getränkekartenpreise per 01.01.2007/01.01.2009) nahm der Prüfer eine “Konjunkturbereinigung“ dergestalt vor, dass für Zwecke der Vergleichbarkeit der Daten aller drei Streitjahre so getan wurde, als habe es bereits im Jahr 2008 eine 17 %ige Preissteigerung gegeben. Sodann legte er bezogen auf den Prüfungszeitraum (Streitzeitraum) einen Standardnormalbereich (Regelgeschäftsbereich) fest, der zwischen dem 20 %- und dem 80 %-Quantil lag. Die Werte, die außerhalb des Standardnormalbereichs lagen, stellten sog. Ausreißer dar und wurden nicht berücksichtigt. Das 80 %-Quantil der RGAS, nach der Konjunkturbereinigung betrugen für 2008 185 %, für 2009 und 2010 jeweils 233 %. Auf der Grundlage dieser RGAS) nahm der Prüfer folgende Hinzuschätzungen bei den steuerpflichtigen Umsätzen zum Regelsteuersatz (19 %) und Gewinnen des Antragstellers vor (Hinweis auf Anlagen 2d für 2008, Bl. 19 3d, Bl. 23 Bp.-Akte 2008 – 2010):
gerundete Beträge in € | ||||||
2008 | 2009 | 2010 | ||||
Wareneinsatz lt. Prüfer | 59.429 | 43.872 | 43.821 | |||
erklärter RGAS | 123 % | 181 % | 187 % | |||
geschätzter RGAS | 185 % | 233 % | 233 % | |||
Wirtschaftlicher Umsatz (WU) | 169.374 | 146.094 | 145.924 | |||
bisheriger WU | 132.372 | 123.105 | 125.656 | |||
Differenz (Hinzuschätzung) | 37.002 | 22.989 | 20.268 | |||
Umsatze zu 19 % (neu) | 179.888 | 147.302 | 139.439 | |||
Gewinn (neu) | 44.030 | 27.370 | 23.800 |
In geänderten Bescheiden über Einkommen-, Umsatz- sowie Gewerbesteuermessebetrag für 2008 und 2009 vom 15.09.2015 sowie für 2010 vom 21.09.2015 folgte der Antragsgegner den Feststellungen seines Prüfers.
Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben der hiesigen Verfahrensbevollmächtigten vom 16., 17. und 23.09.2015 (rechtzeitig) Einsprüche ein, über die der Antragsgegner noch nicht entscheiden hat und mit denen er sich gegen die vom Prüfer vorgenommenen Hinzuschätzungen dem Grunde und der Höhe nach zur Wehr setzt (Bl. 1 f, 19 f Heftung). Zugleich beantragte er, die auf den Hinzuschätzungen beruhenden Mehrsteuern hinsichtlich Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer 2008 bis 2010 gemäß § 361 Abgabenordnung (AO) von der Vollziehung auszusetzen; der Antragsgegner lehnte den Antrag jedoch mit Verwaltungsakt vom 10.11.2015 ab (Bl. 31 f Heftung, 60 f Streitakte).
Mit seinem beim Finanzgericht (FG) am 07.12.2015 (Bl. 1 f Streitakte) eingegangenen Eilantrag ersucht der Antragsteller das Gericht um Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung hält er daran fest, dass der Antragsgegner weder dem Grunde noch der Höhe nach zu Hinzuschätzungen berechtigt sei.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners habe er (der Antragsteller) seinen ihm als Einnahmenüberschussrechner obliegenden gesetzlichen (Einzel-)Aufzeichnungspflichten entsprochen. Kellnerbons hätten nicht existiert und hätten nicht vernichtet werden können. Richtig sei, dass der Antragsteller bzw. der Mitarbeiter den vom Gast kassierten Bargeldbetrag auf einem Blatt eines Blockes eingetragen habe, der das Datum beinhalte. Die einzeln aufgezeichneten Beträge des jeweiligen Tages seien zu einem Gesamtbetrag addiert worden. Diese Unterlagen seien dem Prüfer vorgelegt und nicht bemängelt worden. Damit habe er hinsichtlich des „normalen“ Gaststättengeschäfts der Einzelaufzeichnungspflicht entsprochen und sei bereits dem Grunde nach kein Raum für Hinzuschätzungen. Hinsichtlich seiner Einnahmen anlässlich des „F…“ habe eine Einzelaufzeichnungsverpflichtung nicht bestanden, weil lediglich Waren von geringem Wert an eine Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft worden seien und insoweit eine von der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung zugelassene Ausnahme vom Grundsatz der Einzelaufzeichnungspflicht bei Barumsätzen gegeben sei. Für darüber hinausgehende Aufzeichnungsverpflichtungen bestehe kein Raum, da es anders als beim Bilanzierenden beim Einnahmenüberschussrechner keine Pflicht gebe, ein ordnungsgemäßes Kassenbuch zu führen. Dies folge daraus, dass es bei der EÜR keine Bestandskonten und somit auch kein Kassenkonto gebe und vereinnahmtes Bargeld sofort Privatvermögen werde (Bundesfinanzhof [BFH], Beschluss vom 16.02.2006 X B 57/05, Sammlung der Entscheidungen des BFH [BFH/NV] 2006, 940). Selbst wenn Aufzeichnungsmängel anzunehmen sein sollten, wäre weiterhin zu prüfen, ob diese von solchem Gewicht sind, das sie eine Schätzung rechtfertigen.
Auch der Höhe nach wiesen die Schätzungen des Prüfers nach Auffassung des Antragstellers erhebliche Mängel auf. So sei schon nicht plausibel, dass für die Schätzung des RGAS des Jahres 2008 auf den achtschlechtesten Rohgewinn des Folgejahres zurückgegriffen werde. Die „Konjunkturbereinigung“ sei falsch berechnet. Die Berechnung könne nur richtig sein, wenn der Anteil der einzelnen Getränke und Speisen am monatlichen Umsatz dem vom Prüfer zugrunde gelegten Durchschnittssatz entspräche und für die neu in die Speisekarte aufgenommenen Speisen der Aufschlagsatz kalkuliert werde, der dem 185 %-Quantil entspreche. Diesen Anforderungen werde die Berechnung des Prüfers nicht gerecht. In fehlerhafter Weise sei im Jahre 2008 die Preiserhöhung ab 01.01.2009 berücksichtigt worden. Eine Vergleichbarkeit der Jahres 2008 mit den nachfolgenden Jahren 2009 und 2010 sei auch deshalb nicht gegeben, weil der Antragsteller ab 2009 elf neue Speisen eingeführt habe. Bei seiner Quantilsberechnung setze der Antragsgegner in unzulässiger Weise die Warenbezahlung mit dem Wareneinsatz gleich. Dies führe zu fehlerhaften Berechnungen, weil schon geringe Verschiebungen zu erheblichen Mängeln bei der Quantilsberechnung führen würden. Neben den 4477 durch Barzahlung erfolgten Wareneinkäufen hätten auch die per Banküberweisung (31 Vorgänge) getätigten Einkäufe in die Berechnung der monatlichen Aufschlagsätze einbezogen werden müssen, was ebenfalls zu einer Änderung der Quantilsberechnung geführt hätte. Zudem habe der Prüfer die Lagerkapazitäten in einem viel zu geringem Umfang berücksichtigt. Abgesehen von diesen Mängeln sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Quantilschätzung bislang um eine von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht akzeptierte Methode handele. Die vom BFH zum sog. Zeitreihenvergleich monierte „technisch-rechnerische Überlegenheit“ der Finanzbehörde gegenüber dem Steuerpflichtigen (Urteil vom 25.03.2015 X R 20/13, Bundessteuerblatt [BStBl] II 2015, 743) gelte gleichermaßen für die vorliegende Quantilsschätzung. Angesichts der bei der Ermittlung des Quantils berücksichtigten umfangreichen Datenmengen werde der Steuerpflichtige der Möglichkeit beraubt, die hochkomplexen und vielschichtigen EDV-basierten Berechnungen des Finanzamtes auf Schlüssigkeit und Plausibilität zu prüfen und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die das Berechnungsergebnis umsetzenden Steuerbescheide angemessen abzuwägen. Dies stelle sich als verfassungsrechtlich bedenklich dar, weil das aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) folgende verfassungsrechtliche Gebot des effektiven Rechtsschutzes vom Bürger nicht mehr sachgerecht wahrgenommen werden könne. Abgesehen davon komme der Antragsteller nicht mehr seinem aus § 121 AO folgenden Begründungserfordernis eines belastenden Steuerverwaltungsaktes im gebotenen Maße nach.
Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die der Bescheide über Einkommen-, Umsatz- sowie Gewerbesteuermessebetrag für 2008 und 2009 vom 15.09.2015 sowie für 2010 vom 21.09.2015 unter Berücksichtigung der mit Verwaltungsakten vom 19.01.2016 und 20.01.2016 für das Jahr 2008 teilweise erfolgten Vollziehungsaussetzung bis einen Monat nach Bekanntgabe der die Einspruchsverfahren abschließenden Einspruchsentscheidungen von der Vollziehung auszusetzen, soweit sie auf Hinzuschätzungen beruhen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsgegner ist den vom Antragsteller geäußerten Bedenken hinsichtlich des Streitjahres 2008 teilweise gefolgt und hat unter Außerachtlassung der Preissteigerung als 80 %-Quantil den RGAS von bisher 185 % auf 165 % reduziert, sodass sich für 2008 der Hinzuschätzungsbetrag beim laufenden Gewinn bzw. den Umsätzen zum Regelsteuersatz auf lediglich noch (netto) 25.000 € (statt bisher 37.000 €) beläuft. Die hierauf beruhenden zu hoch berechneten Mehrsteuern (Einkommen-, Umsatz und Gewerbesteuermessbetrag) hat der Antragsgegner mit Verwaltungsakten vom 19.01.2016 und 20.01.2016 (Bl. 148 Streitakte) von der Vollziehung ausgesetzt.
Im Übrigen hält er daran fest, dass die Hinzuschätzungen dem Grunde und der Höhe nach zu Recht erfolgt seien.
Seinen bisherigen Vortrag wiederholend und ergänzend hält er daran fest, dass der Antragsteller auch unter Berücksichtigung der geringeren Anforderungen an die Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten eines Einnahmenüberschussrechners seine Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Aufzeichnung seiner Bareinnahmen in gravierendem Maße verletzt habe. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass bei Barverkäufen an im Allgemeinen dem Gewerbetreibenden unbekannte Personen in offenen Ladengeschäften Erleichterungen bei der Aufzeichnungen der Bargeschäfte gelten, sei davon auszugehen, dass die vom Antragsteller im Rahmen der Prüfung vorgelegten handschriftlichen Einnahmezettel als nicht ordnungsgemäß zu erachten seien. Weder sei die Vollständigkeit noch die Richtigkeit der erklärten Bareinnahmen überprüfbar. Tageskassenberichte, aus denen der Tagesanfangsbestand, der Endbestand, Einlagen und Entnahmen sowie bar verauslagte Betriebsausgaben entnommen werden könnten, seien vom Antragsteller nicht geführt bzw. vorgelegt worden. Demgegenüber könnten die handschriftlichen Listen des Antragstellers keine Gewähr für eine korrekte Erfassung der Umsätze bieten, weil die Ursprungsaufzeichnungen nicht aufbewahrt bzw. vorgelegt worden seien und nicht auszuschließen sei, dass im Nachhinein die nicht durchnummerierten Einnahmenzettel aus dem Ringbuch entweder ausgetauscht der gar entfernt worden seien. Hinsichtlich der Einnahmen aus Familienfeiern/Lieferung von Buffets komme erschwerend ein Verstoß gegen die Einzelaufzeichnungspflicht hinzu, weil der Antragsteller es vorwerfbar unterlassen habe, dem Prüfer aussagekräftige Unterlagen über Angebote, Absprachen mit Kunden u.s.w., geschweige Quittungen o.ä. vorzulegen. Auch insoweit handele es sich um einen groben Verstoß, weil es sich um größere Umsatzgeschäfte mit Kunden handelte, deren Namen dem Antragsteller nach Lage der Dinge bekannt gewesen seien. Auch hinsichtlich der vom Antragsteller anlässlich von Volksfesten (z. B. D… F… 2008 bis 2010) erbrachten Leistungen seien dem Prüfer keinerlei Ursprungsaufzeichnungen (Tagesaufzeichnungen) zugänglich gemacht worden, obgleich der Antragsteller mit Schreiben der Betriebsprüfungsstelle vom 10.11.2015 hierzu aufgefordert worden sei. Die aufgezeigten Aufzeichnungsmängel nähmen den vorgelegten Aufzeichnungen ihre Beweiskraft, weil Zweifel an deren sachlichen Richtigkeit bestehe (§ 158 AO).
Mit Ausnahme des Jahres 2008 (siehe oben) sei eine Korrektur der fraglichen Hinzuschätzungen nicht geboten. Soweit der Antragsteller die unzulässige Gleichsetzung von Wareneinkauf und Wareneinsatz rüge, sei dies zwar zutreffend, jedoch dem Umstand geschuldet, dass bei einer Gewinnermittlung durch EÜR keine Verpflichtung zur Ermittlung von Warenbeständen durch (permanente) Inventuren bestehe. Aufzeichnungen des Antragstellers zum Warenbestand seien nicht vorgelegt worden. Die Berücksichtigung eines fiktiven Warenbestands verbiete sich, weil dieser nicht bekannt sei. Davon abgesehen könne aufgrund der Betriebsstruktur aber ausgeschlossen werden, dass etwaige – vom Antragsteller ohnehin nicht näher präzisierte - Warenbestände einen bedeutsamen Einfluss auf die Quantilsberechnung nehmen könnten. Anhand der vom Antragsteller zur Verfügung gestellten Datensätze zu dessen Wareneinkäufen in den Streitjahren werde deutlich, dass die Hauptanzahl der Wareneinkäufe zwischen 0 bis 100 € liege. Hierbei handele es sich um laut Einkaufsbelegen um teils mehrmals täglich getätigte Einkäufe beim „Discounter“, bei denen die zur Speisenzubereitung erforderlichen frischen Produkte eingekauft worden seien. Für diese Wareneinkäufe sei anzunehmen, dass sie als „leicht verderbliche Ware“ zum Aufbau eines siginifikanten Warenbestandes nicht geeignet seien. Diese Annahme decke sich auch mit den Angaben des Antragstellers, dass in seiner Gaststätte viele Speisen mit frischen Produkten zu bereitet würden. Zudem habe der Prüfer im Betrieb des Antragstellers lediglich einen „handelsüblichen Gefrierkühlschrank“ in Augenschein nehmen können, der aufgrund seines Volumens lediglich als gering zu erachtende Kühlmöglichkeiten für schnell verderbliche Ware (Fisch, Fleisch) geboten habe. Aufgrund der betrieblichen Strukturen müsse angenommen werden, dass der Großteil des Warenbestandes alkoholische und nichtalkoholische Getränke betreffe. Auch im Getränkebereich könne eine Bevorratung vernachlässigt werden, weil die vom Prüfer überprüften Einkäufe in der Spanne zwischen 100 bis 812 € - die Biereinkäufe sowie Einkäufe beim Großmarkt beträfen – den Schluss zuließen, dass der Antragsteller in den Streitjahren in 135 Wochen von insgesamt 157 Wochen regelmäßig zwischen ein- bis viermal wöchentlich eingekauft habe. Davon abgesehen sei eine Notwendigkeit für eine Bevorratung nicht erkennbar, weil nach den Feststellungen des Prüfers die Belieferung mit Bier frei Haus erfolgt sei und auch Einkäufe im Großmarkt über alle Jahre hinweg regelmäßig stattgefunden hätten.
Davon abgesehen könnten etwaige durch einen Monatswechsel bedingte Verschiebungen von Wareneinkauf (Lieferung) und Wareneinsatz (die zum Verkauf gelangten Waren bzw. Zutaten zum Einkaufspreis) vernachlässigt werden, weil sich daraus ergebende Auswirkungen auf den Rohgewinn in Folgemonaten wieder ausgleichen würden. Auch seien Schwankungen des Warenbestandes zu vernachlässigen. Abgesehen davon, dass es bei einem Einnahmenüberschussrechner aufgrund fehlender Warenbestandsermittlungen ausgeschlossen sei, zum Monats- oder Jahresende (Ende des Wirtschaftsjahres) Bestandskorrekturen zu ermitteln, sei im Streitfall zu berücksichtigen, dass der Prüfer keine in der Betriebsstruktur liegende Gründe (etwa saisonale Besonderheiten) habe feststellen können, die eine Korrektur der monatlichen Rohgewinne bzw. RGAS erforderlich machten. Davon abgesehen müsse sich der Antragsteller vorhalten lassen, dass er keine konkreten Wareneinkäufe benannt habe, die eine Korrektur der auf der Grundlage seiner Daten ermittelten Rohgewinne vonnöten gemacht hätten. Angesichts des homogenen Verlaufs des Geschäftsbetriebs über das gesamte Wirtschaftsjahr hinweg könne davon ausgegangen werden, dass sich Verschiebungen bei Einkäufen und Verkäufen über den Monats- zw. Jahreswechsel letztlich ausgleichen und signifikante Fehlergebnisse bei der Ermittlung der monatlichen Rohgewinne durch die beschriebenen Verschiebungen nicht zu besorgen seien. Auffälligkeiten bestünden auch bei der Warenbestandsentwicklung. Ausgehend von einem geschätzten Warenanfangsbestand im Getränkebereich in Höhe von 5.592 € (Bier, Spirituosen, Cola, Fanta, Sprite, siehe Seite 20 des Schriftsatzes vom 26.01.2016, Bl. 131 f Streitakte) ergebe sich nach der retrograden Bestandsermittlung mit einem geschätzten Anfangsbestand im April 2008 ein Warenbestand in Höhe von 4.532 € - was dem Einkauf des Unternehmens für einen gesamten Monat entspreche. Trotz des hohen Warenbestandes, der sich bis Ende November noch auf 6.696 € erhöhte, würden dennoch Getränke fast täglich, teils mehrmals täglich, eingekauft und würde der Betrieb nahezu wöchentlich mit Bier beliefert. Auch in den folgenden Zeiträumen von September bis Dezember 2009 und Januar bis Mai 2010 korrespondiere das Einkaufsverhalten des Antragstellers nicht mit den hohen Warenbeständen, was darauf hindeute, dass der rechnerisch ermittelte Warenbestand nicht mit dem tatsächlichen Warenbestand korrespondiere und den Schluss zuließe, dass Waren ohne vollständige Erfassung des Warenumsatzes verkauft worden seien. Schließlich weist der Antragsgegner darauf hin, dass die Quantilschätzung im Streitfall die sachgerechteste Schätzungsmethode sei, die tatsächlich erzielten Umsätze und Gewinne realitätsgerecht abzubilden und den herkömmlichen Verprobungs- und Schätzungsmethoden der „Vermögens- und Geldverkehrsrechnung“ bzw. der „Aufschlagskalkulation“ vorzuziehen sei. Eine seriöse Geldverkehrsrechnung scheitere daran, dass im Streitfall die Anfangs- und Endbestände nicht verlässlich ermittelt werden könnten, weil der Antragsteller nach Angaben von dessen Ehefrau gegenüber dem Prüfer über ein Auslandskonto verfügen solle, auf dem regelmäßig Bargeldeinzahlungen vorgenommen worden seien. Überdies habe der Antragsteller im Eröffnungsgespräch angegeben, dass die Bareinnahmen seiner Gaststätte in einem Tresor gelagert würden und ein Großteil der betrieblichen Barausgaben aus diesem Bargeldbestand bestritten worden sein. Zudem sei diese Schätzungsmethode auch deshalb mit Unsicherheiten belastet, weil erhebliche Informationen über Hobbys, Vorlieben, Lebensstandard des Antragstellers und seiner Angehörigen und der damit zusammenhängende finanzielle Aufwand unbekannt seien und damit einer zuverlässigen Schätzung entzogen sei. Auch die Aufschlagskalkulation weise erheblich höhere Unschärfen aus als die Schätzung nach dem 80 %-Quantil, weil aufgrund der unzureichenden Aufzeichnungen über die Preisgestaltung, insbesondere bei den Buffets und Familienfeiern, nicht hinreichend sicher feststellbar sei, wann der Antragsteller was an welchen Tagen verkauft habe. Demgegenüber weise die Quantilschätzung als statistisch-mathematische (Schätzungs-)Methode den Vorteil auf, dass sie sich ausschließlich an den innerbetrieblichen Kennzahlen und damit gegenüber der reinen Richtsatzprüfung als Schätzungsmethode nach dem äußeren Betriebsvergleich (hier Rohgewinn I für Gaststätten und Speiselokale: 170 % [unterer Richtsatz [RS]] - 233 % [mittlerer RS]- 335 % [oberer RS]) ein genaueres Abbild von den tatsächlichen Verhältnissen liefere als die Richtsatzschätzung und dieser gegenüber vorzuziehen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vortrag nimmt der Senat auf den Schriftsatz des Antragsgegners vom 26.01.2016 ergänzend Bezug (Bl. 122 f Streitakte).
Dem Senat haben bei seiner Entscheidungsfindung neben einem Band (Bd.) Streitakten zu dem vorliegenden und dem weiteren Eilverfahren 4 V 4255/15 die Steuerakten des Antragsgegners (je 2 Bde. Betriebsprüfungs [Bp]-, Bp-Hand-, Bilanz- und Einkommensteuer-Akten sowie je 1 Bd. Vertrags.- Feststellungs- und Umsatzsteuer-Akten sowie eine Heftung mit Einspruchsvorgängen) zu den Steuernummern … und … vorgelegen, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.
II.
1.
a) Soweit der Antragsteller die Aussetzung der Zinsfestsetzungen zur Einkommensteuer bzw. Umsatzsteuer für 2008 bis 2010 bzw. die Aussetzung des Solidaritätszuschlags zur Einkommensteuer 2008 bis 2010 begehrt, wäre der Eilantrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weilder Einkommen- und Umsatzsteuerfestsetzungen Grundlagenbescheide für den jeweiligen Zinsbescheid darstellen (vgl. § 233a Abs. 5 als lex specialis zu § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, vgl. Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 233a Rz 41 m.wN. zur BFH-Rechtsprechung). Gleiches gilt für das Verhältnis zwischen Einkommensteuerbescheid und der Festsetzung des Solidaritätszuschlages (§ 51a Abs. 5 Satz 2 EStG, Loschelder in Schmidt, 34. Aufl. 2015, § 51a Tz 6 m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung).
Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheids ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheids auszusetzen oder aufzuheben (§ 69 Abs. 2 Seite 4, 7 FGO). Für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Folgebescheids fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis (Urteil des BFH vom 20.10.1987 VIII R 413/83, BStBl II 1988, 240). Zur Vermeidung dieser Rechtsfolge hat das Gericht deshalb den Eilantrag dahingehend einschränkend ausgelegt, dass lediglich die Aussetzung der Einkommen- nicht aber der darauf beruhenden Zinsfestzungen begehrt wird. Dementsprechend ist der Betreff des Eilantrages in der im Rubrum des Beschlusses ersichtlichen Weise korrigiert worden.
b) Da das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, kann Aussetzung der Vollziehung regelmäßig nur bis zum Ergehen einer das Rechtsbehelfsverfahren abschließenden Einspruchsentscheidung beansprucht werden (vgl. FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.03.1984 IX V 440/83, Entscheidungen der Finanzgerichte [EFG] 1984, 564, Stapperfend in Gräber, FGO, 8. Aufl., § 69 Tz. 231). Insoweit hat das Gericht, den Eilantrag in der im Antrag ersichtlichen Weise gleichfalls einschränkend ausgelegt.
2.
Der im Übrigen zulässige Eilantrag ist unbegründet.
Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung anordnen.
Ernstliche Zweifel i. S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen nach ständiger und zutreffender Rechtsprechung des BFH vor, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Dabei obliegt es den Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen. Eigene Sachverhaltsermittlungen des Gerichts sind nicht erforderlich (Koch in Gräber, FGO, 7. Auflage [2010], § 69 Rn. 121 f.). Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bzw. des Rechtsmittels zu berücksichtigen. Es muss die ernsthafte Möglichkeit bestehen, dass der Antragsteller in der Hauptsache mit seinem Begehren obsiegt (BFH-Beschluss vom 26. Juni 2003 X S 4/03, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2003, 1217). Die „ernsthafte Möglichkeit“ verlangt nicht, dass die für den Erfolg in der Hauptsache sprechenden Gründe überwiegen; die Aussetzung kann sogar dann zu gewähren sein, wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides später im Hauptverfahren bestätigt werden sollte (BFH-Beschluss vom 23. August 2004 IV S 7/04, BFH/NV 2005, 9). Andererseits genügt nicht bereits irgendeine vage Erfolgsaussicht (BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1998 I B 101/98, BFH/NV 1999, 753; Koch in Gräber, FGO, 7. Auflage [2010], § 69 Rn. 86 m. w. N.).
Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den Streitfall unterliegen nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung die (korrigierten) Hinzuschätzungen der Ausgangsumsätze keinen durchgreifenden Zweifeln.
Für die Hinzuschätzungen dem Grunde nach beruht dies auf den folgenden Erwägungen:
Nach § 162 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Im finanzgerichtlichen Verfahren kann das Gericht im Rahmen der ihm nach § 96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FGO obliegenden eigenen Schätzungsbefugnis die Schätzung des Finanzamtes prüfen und als eigene übernehmen. Es kann sich dann darauf beschränken, substantiierten Einwendungen des Steuerpflichtigen gegen die Schätzung des Finanzamts nachzugehen (vgl. BFH, Beschlüsse vom 20.04.2006 VIII B 33/05, BFH/NV 2006, 1338; vom 12.10.2005 VIII B 241/04, BFH/NV 2006, 3269). Will der Steuerpflichtige eine abweichende Schätzung herbeiführen, ist er gehalten, erweisbare Tatsachen vorzutragen, die geeignet sind, einen anderen als den von der Finanzbehörde geschätzten Betrag als wahrscheinlich erscheinen zu lassen (BFH-Beschluss vom 13.03.2000 III B 62/99, BFH/NV 2000, 1119).
Die Wahl der Schätzungsmethode steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Ziel jeder Schätzung muss es sein, Besteuerungsgrundlagen so zu ermitteln, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. Schätzergebnisse müssen darüber hinaus wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (BFH-Urteil vom 18.12.1984 VIII R 195/82, BStBl II 1986, 226).
Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag oder weitere Auskunft verweigert oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Aufzeichnungen nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde gelegt werden können oder wenn Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen bestehen (§ 162 Abs. 2 AO).
Im Streitfall ist Anlass zur Schätzung gegeben, denn der Antragsteller hat im Rahmen seiner in den Streitjahren ausgeübten gewerblichen Tätigkeit nicht die gesetzlichen Aufzeichnungserfordernisse über die vollständige und zeitnahe Erfassung seiner nahezu ausschließlich (bar) zugeflossenen Betriebseinnahmen in entsprechender Anwendung des § 146 Abs. 1 Satz 2 AO erfüllt (zur analogen Anwendung: FG Niedersachsen, Urteil vom 08.12.2011 12 K 389/09, EFG, 2013, 291).
Nach den plausiblen und nachvollziehbaren Feststellungen der Betriebsprüfungsstelle bestehen außerdem gewichtige Indizien dafür, dass der Antragsteller seine Betriebseinnahmen in den dem Antragsgegner vorgelegten Aufzeichnungen nicht vollständig erfasst hat und neben der formellen Ordnungswidrigkeit auch eine sachliche (materielle) Unrichtigkeit der Aufzeichnungen wahrscheinlich ist.
Zwar enthält die Gewinnermittlung durch EÜR nach § 4 Abs. 3 EStG, von welcher der Antragsteller in zulässiger Weise Gebrauch gemacht hat, keine Verpflichtung zur Aufzeichnung der Einnahmen und /oder Betriebsausgaben. Eine Verpflichtung zur Aufzeichnung ergibt sich jedoch aus § 22 Umsatzsteuergesetz (UStG) i.V.m. den §§ 63 bis 68 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV). Mangels Bestandskonten folgt daraus zwar keine Pflicht zum Führen eines Kassenbuches. Dennoch müssen aber nach Geldeingang chronologisch geordnete Aufzeichnungen vorliegen, die über eine bloße Belegsammlung hinausgehen (siehe etwa BFH-Beschluss vom 13. März 2013 X B 16/12, BFH/NV, 2013, 902; Kanzler in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4 EStG Tz. 522 m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Nur bei Vorlage solchermaßen geordneter und vollständiger Belege kann eine EÜR für sich die Vermutung der Richtigkeit in Anspruch nehmen (FG Saarland, Urteil vom 21. Juni 2012 1 K 1124/10, EFG 2012, 1816, FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Juli 2007 14 K 3368/07, Juris). Für bargeldintensive Unternehmen ist weiterhin erforderlich, dass die Bareinnahmen und Barausgaben täglich, also zeitnah, aufgezeichnet werden, sodass eine bloße Belegsammlung zur Erfüllung der Aufzeichnungspflicht nicht ausreicht (BFH-Beschluss vom 2. September 2008 V B 4/08, Juris). Lediglich aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität (Vielzahl von einzelnen Geschäften mit geringem Wert, z. T. Centbeträge) besteht die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nicht für Einzelhändler (und vergleichbare Berufsgruppen), die im Allgemeinen Waren an ihnen der Person nach unbekannte Kunden über den Ladentisch gegen Barzahlung verkaufen (BFH-Beschluss vom 7. Februar 2008 X B 187/07, Juris).
Im Streitfall dürfte hinsichtlich der zu stellenden Anforderung an die Dokumentation auch bei summarischer Betrachtung eine Differenzierung zu erfolgen haben:
Während die Einnahmen aus den Festen/Feiern und den Buffetlieferungen allein schon wegen des betragsmäßiges Umfangs des einzelnen Geschäfts mit mutmaßlich namentlich bekannten Vertragspartnern zweifelsohne der Einzelaufzeichnungspflicht nach § 22 UStG i.V.m. §§ 63 ff UStDV unterfallen dürften, spricht vieles dafür, dass hinsichtlich der Umsätze aus dem laufenden Gaststättenbetrieb die Vereinfachungsregelung zum Zuge kommt.
Gerade aber bei den „normalen“ Gaststättenumsätzen ohne Einzelaufzeichnungsverpflichtung gilt gleichwohl, dass die Einnahmeermittlung ebenfalls nachvollziehbar dokumentiert und überprüfbar sein muss, weil eine „Besteuerung auf Zuruf“ dem verfassungsrechtlich geforderten Verifikationsprinzip zuwider laufen würde (so zutreffend FG Niedersachsen a.a.O.) und überdies der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung unterlaufen werden könnte (Art. 3 Abs. 1 GG, § 88 Abs. 3 AO).
Außerdem ist die Aufbewahrung aller Belege (vgl. § 147 AO, der auch für die EÜR gilt, Rätke a.a.O., § 147 Tz. 4 m.w.N. zur finanzgerichtlichen Rechtsprechung) im Regelfall notwendige Voraussetzung für den Schluss, dass nicht nur die geltend gemachten Betriebsausgaben als durch den Betrieb veranlasst angesehen werden, sondern auch die Betriebseinnahmen vollständig erfasst sind. Damit eine fortlaufende, vollständige und richtige Verzeichnung der Geschäftsvorfälle sichergestellt wird, ist es deshalb erforderlich, dass die Ursprungsaufzeichnungen (z. B. Kellnerbons, Kassenzettel oder Kassenstreifen) aufbewahrt werden, wenn der Steuerpflichtige – wie im Streitfall – kein Kassenbuch oder Kassenbericht führt und auch eine chronologische nach dem Tag des Geldeingangs geordnete Belegablage mit Einzelaufzeichnung nicht vorliegt (siehe FG Niedersachsen a.a.O., Rätke in Klein, 12. Aufl. 2014, § 146 Rn 28). Demgegenüber vermag eine handschriftliche Liste der täglichen Umsätze ohne Aufbewahrung weiterer Belege als ordnungsgemäße Aufzeichnungen der Betriebseinnahmen nicht zu genügen (so zutreffend FG Niedersachsen a.a.O. mit Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 07.02.2008 X B 189/07 und das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 26.07.2007 14 K 3368/06 B, beide in juris).
Bei Anlegung dieser Maßstäbe werden die Aufzeichnungen des Antragstellers, die dem beschließenden Senat exemplarisch vorlagen (vgl. Bl. 57 bis 61 Bp-Handakte/Fach „Tagesabschlüsse“) den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die Nachprüfbarkeit der Betriebseinnahmen nicht gerecht.
Hinsichtlich der (überdies nicht unerheblichen) Einnahmen aus der Ausrichtung von Festen/Feiern und der Lieferung von Buffets dürfte der auf den handschriftlichen Listen für die Feste unter einem Tag als Gesamteinnahme ausgewiesene Betrag (z. B. 57, 59 – 51 Bp-Handakte/Fach „Tagesabschlüsse“) den Aufforderungen an die Einzelaufzeichnungspflicht nicht ansatzweise erfüllen, denn daraus wird weder die Person des Vertragspartners erkennbar noch wofür der Betrag vereinnahmt worden ist. Unterlagen oder Angaben zur Erhellung des einzelnen Geschäftsvorfalls (wie Angebote, Rechnungen, Quittungen u. dgl.) sind vom Antragsteller trotz Aufforderung des Antragsgegners bis zum heutigen Zeitpunkt nicht vorgelegt worden.
Auch hinsichtlich der Umsätze aus dem laufenden Gaststättenbetrieb erscheint eine Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen nicht gegeben.
Obgleich die Einzelaufzeichnungspflicht nicht gegeben sein dürfte, erscheinen die handschriftlichen Aufstellungen der geschäftstäglichen Umsätze der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht nicht zu genügen. Abgesehen davon, dass es sich ausweislich der dem Gericht exemplarisch vorliegenden Aufstellungen um Ringbucheinlagen handeln dürfte, die – wie der Antragsgegner zutreffend hervorhebt – angesichts der fehlenden Durchnummerierung jederzeit „spurlos“ ausgetauscht oder gar entfernt werden können, ist nicht ansatzweise ersichtlich, von wem, wann und auf welche Weise die jeweiligen Tagesumsätze ermittelt worden sind. Dem Vortrag des Antragstellers, bei diesen Aufstellungen handele es sich um die Ursprungsaufzeichnungen (Kellnerzettel) vermag der Senat nach Würdigung auch für Zwecke des Eilverfahrens nicht zu folgen und sieht ihn als durch nichts belegte Schutzbehauptung an. Gegen die Richtigkeit des Sachvortrag spricht, dass die Aufzeichnungen ersichtlich nur von einer Person stammen und zudem ihrer Gestaltung nach den Eindruck erwecken, als seien die Eintragungen erst im Nachhinein geschehen. Näheres bedarf ggf. der Aufklärung im Hauptsacheverfahren.
Bei den dargestellten Aufzeichnungs- und Aufbewahrungsmängeln im Bereich der normalen Gaststättenumsätze sowie den Umsätzen aus Feiern/Festen und Buffets dürfte es sich jeweils um gravierende Pflichtverletzungen handeln, weil sie allesamt die Richtigkeit und Vollständigkeit der Bareinnahmen als den Kernbereich der steuerlichen Gewinnermittlung des vom Antragsteller unterhaltenen bargeldintensiven Gewerbebetriebes betreffen. Hierbei handelt sich zwar um formelle Mängel, die einen sicheren Schluss auf die Verkürzung von Einnahmen nicht zulassen. Gleichwohl bietet die in Rede stehende unzureichende Aufzeichnung der Bareinnahmen keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen. Davon abgesehen wird die Unrichtigkeit der Einnahmen auch durch die vom Prüfer dargestellten großen Schwankungen der Rohgewinnaufschläge (vgl. Anlagen 1a), 1b) und 1c) des Bp-Berichts vom 25.08.2015, korrigiert durch die Anlagen 3a), 3b) und 4a) zum Schriftsatz des Antragsgegners 26.01.2016, 122 f <144, 145, 146>) bestätigt, wobei der Senat sich bewusst ist, dass die Rohgewinnermittlungen des Antragsgegners insofern eine Schwachstelle aufweisen, als der Wareneinkauf mit dem Wareneinsatz gleichgesetzt wird. Dennoch dürfte diesem Mangel kein erhebliches Gewicht zukommen, weil der Antragsgegner konkret dargelegt hat, dass die eingekauften Waren in einem überschaubaren Zeitraum verbraucht (verkauft) wurden und eine nennenswerte Lagerhaltung aufgrund fehlender Lagerkapazitäten nicht stattgefunden habe. Den detaillierten Ausführungen des Antragsgegners ist der Antragsteller in lediglich allgemeiner Form entgegen getreten, sodass dessen Vortrag auch für Zwecke des Eilverfahrens die nötige Überzeugungskraft fehlt.
Die Schätzung begegnet auch der Höhe nach keinen durchgreifenden Bedenken.
Der Senat hält die Quantilschätzung im Streitfall für sachgerecht, weil nach dieser Schätzungsmethode der normale Geschäftsverlauf als repräsentativ angesehen wird und zudem mit der vorsichtigen Wahl des obersten Werts mit dem 80 %-Quantil die objektivierte Leistungsfähigkeit unabhängig von Extremwerten berücksichtigt wird und alle betrieblichen Besonderheiten abgebildet werden.
Im Streitfall sind weder nach dem Vortrag der Beteiligten noch sonst nach Aktenlage Hinweise dafür ersichtlich, dass die vom Prüfer verwendeten betriebsinternen Daten des Antragstellers fehlerhaft übernommen worden sind. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass die fehlerfreie Datenübernahme durch den Ausweis der Abstimmsummen und die Anzahl der übernommenen Datensätze gewährleistet war.
Der Streuung der Rohgewinnabschlagsätze ist nach Ansicht des Senats mit dem Ansatz des 80 %-Quantils ausreichend Rechnung getragen. Saisonale Schwankungen, konjunkturelle Schwankungen oder sonstige in der Betriebsstruktur angelegte Besonderheiten von Gewicht sind weder geltend gemacht noch sonst erkennbar.
Das Gericht folgt insoweit der Methode der Hinzuschätzung von Besteuerungsgrundlagen mittels des 80 %-Quantils (so auch FG Hamburg, Beschluss vom 26.08.2016 6 V 81/16, juris).
Im Allgemeinen ist der Antragsgegner nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, in diesem Schätzungsrahmen an die obere Grenze zu gehen. Denn Abweichungen von den tatsächlichen Verhältnissen sind notwendig mit einer Schätzung verbunden, die in Unkenntnis der wahren Gegebenheiten erfolgt. Die Schätzung erweist sich erst dann als rechtswidrig, wenn sie den durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmen verlässt. Wird die Schätzung aber erforderlich, weil der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten verletzt, kann sich das Finanzamt an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren, weil der Steuerpflichtige möglicherweise Einkünfte verheimlichen will (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 15.05.2002 X R 33/99, BFH/NV 2002, 1415; vom 15.07.2014 X R 42/12, BFH/NV 2015, 145; vom 28.07.2015 VIII R 2/09, BStBl II 2016, 447).
Das Gericht weicht mit seiner Entscheidung zwar vom 5. Senat des FG Berlin-Brandenburg ab, der mit (rechtskräftigem) Beschluss vom 24.08.2016 – 5 V 5089/16 (vgl. juris) entschieden hat, dass die Quantilsschätzung nicht als zulässige Schätzungsmethode, sondern allenfalls als Verprobungsmethode zu erachtet sei, die sodann zu weiteren Ermittlungen Anlass bieten könne. Abgesehen davon, dass auch der 5. Senat in dem dort entschiedenen Rechtsstreit eine pauschale Umsatz- und Gewinnhinzuschätzung von 10 % der (erklärten) Umsätze aufgrund der als gravierend erachteten Kassenmängel für geboten angesehen hat, liegt nach Ansicht des beschließenden Senats indes keine Vergleichbarkeit mit dem hiesigen Streitfall vor, weil in dem vom 5. Senat entschiedenen Eilverfahren zwei elektronische Registrierkassen zum Einsatz gelangt sind, während vorliegend die unzureichende Dokumentation von aufzeichnungspflichtigen Bareinnahmen im Streit sind. Den oben dargestellten Aufzeichnungsmängeln (Fehlen sämtlicher Ursprungsaufzeichnungen) kommt dabei nach Ansicht des beschließenden Senats ein solches Gewicht zu, dass sie einem gänzlichen Fehlen von Unterlagen gleichzusetzen sind, mit der Konsequenz, dass angesichts fehlender zumutbarer und erfolgversprechender Ermittlungsansätze (vgl. die zutreffenden Ausführungen des Antragsgegners zur Schätzung durch Vermögens- und Geldverkehrsrechnung, durch Aufschlagskalkulation bzw. zu den Schwächen einer reinen Richtsatzschätzung auf Seite 29 f seines Schriftsatzes vom 26.01.2016, Bl. 122 f <136>) eine Vollschätzung unausweichlich erscheint. Überdies unterscheidet sich der hiesige Rechtsstreit auch darin, dass der Antragsgegner bei seiner Quantilschätzung von einem 36 Monate umfassenden und damit von einem wesentlich längeren Zeitraum ausgegangen ist als der Antragsgegner des vom 5. Senat entschiedenen Eilverfahrens.
Der Senat sieht schließlich auch keinen Verstoß gegen den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes. Der Antragsgegner hat seine Schätzung nachvollziehbar und anschaulich begründet und dem Antragsteller auch während der Prüfung die Möglichkeit zur Mitwirkung gegeben.
Zudem liegen den Hinzuschätzungen Daten des Antragstellers zugrunde, deren Hintergrund diesem am besten bekannt sein dürften.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO, denn der Antragsgegner hat während des gerichtlichen Eilverfahrens mit Verwaltungsakten vom 19.01.2016 und 20.01.2016 hinsichtlich der im Streit stehenden Einkommen-, Umsatzsteuer- sowie Gewerbesteuermessbetragsfestsetzungen für 2008 teilweise Aussetzung der Vollziehung gewährt.
Die Beschwerde wird gemäß § 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 FGO zugelassen, denn der Senat weicht mit seiner Entscheidung über die grundsätzliche Zulässigkeit einer Quantilschätzung von dem Beschluss des 5. Senats vom 24.08.2016 zum Az. 5 V 5089/16 ab, mit der Konsequenz, dass eine Entscheidung des BFH dazu geboten erscheint, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Quantilschätzung für zulässig erachtet wird.