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Türkei; Abschiebung; PTBS; Suizidgefahr; Blutrache; widersprüchliches Vorbringen; Glaubhaftmachung; Sicherungsvorkehrungen


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 18.01.2013
Aktenzeichen OVG 7 S 11.13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 60a Abs 2 AufenthG, § 123 VwGO, § 146 Abs 4 VwGO

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. November 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der nach eigenen Angaben Ende November 2010 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland eingereiste türkische Antragsteller begehrt unter Berufung auf - durch eine psychische Erkrankung begründete - Reiseunfähigkeit, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zur Untersagung von Abschiebungsmaßnahmen bzw. Erteilung einer Duldung zu verpflichten.

Er beantragte im Rahmen des Verfahrens über den Abschiebungsgewahrsam am 1. Dezember 2010 die Gewährung von Asyl, die durch Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BMF) vom 21. Februar 2011 unter Verneinung der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie von Abschiebungsverboten als unbegründet abgelehnt wurde. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Berlin durch rechtskräftiges Urteil vom 2. August 2011 zurück (VG 36 K 89.11 A).

Den Antrag auf Verlängerung bzw. Erneuerung seiner zunächst wegen Passlosigkeit erfolgten Duldung lehnte der Antragsgegner im Hinblick auf die nach Vorsprache im türkischen Generalkonsulat erfolgte Zusage der Erteilung eines Rückkehrdokuments durch Bescheid vom 5. September 2012 mit der Begründung ab, das vorgelegte Attest des Diplom-Psychologen und psychologischen Psychotherapeuten A... (nachfolgend: A.)vom 30. April 2011 sei nicht geeignet, die behauptete Reiseunfähigkeit zu belegen. Hiergegen hat der Antragsteller am 5. Oktober 2012 Klage erhoben (VG 15 K 325.12) und gleichzeitig den Erlass der streitgegenständlichen einstweiligen Anordnung sowie Prozesskostenhilfe beantragt.

Durch Beschluss vom 22. November 2012 hat das Verwaltungsgericht beide Anträge abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die geltend gemachte Reiseunfähigkeit des Antragstellers wegen einer psychischen Erkrankung sei durch die vorgelegten Bescheinigungen des A., zuletzt durch Gutachten vom 3. November 2012, nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Dabei könne offen bleiben, ob dafür die Vorlage fachärztlicher Atteste erforderlich sei. Denn die Bescheinigungen des A. könnten nicht als fachlich begründete gutachterliche Stellungnahmen angesehen werden. So habe er in seiner Bescheinigung vom 30. April 2012 die im verwaltungsgerichtlichen (Asyl-)Urteil enthaltene Bewertung fehlender politischer Verfolgung im Hinblick auf die vom Antragsteller behauptete Bedrohung durch Blutrache bei einer Rückkehr in die Türkei als Bagatellisierung des Sachverhalts bezeichnet und - in deutlich zu Tage getretener Parteinahme - dessen Angaben unkritisch übernommen, obwohl das Urteil etliche Gesichtspunkte benannt habe, die gegen eine fluchtauslösende private Bedrohung sprächen. Auch werde die Aussagekraft der Bescheinigungen des A. zusätzlich dadurch relativiert, dass sie jeweils nur auf einem tiefenpsychologischen Anamnesegespräch beruhten und weitere, selbst als sinnvoll eingeschätzte Behandlungsschritte nicht unternommen worden seien. Ein Abschiebungshindernis ergebe sich auch nicht aus der behaupteten Gefahr der Blutrache in der Türkei, was schon aus der gemäß § 42 AsylVfG bestehenden Bindungswirkung der Verneinung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse durch den bestandskräftig gewordenen Bescheid des BMF folge. Mangels hinreichender Erfolgsaussichten komme auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht.

II.

Die am 7. Dezember 2012 erhobene und am 27. Dezember 2012 begründete Beschwerde gegen den dem Antragsteller am 26. November 2012 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts, die nach dem hiermit gestellten Antrag und der Begründung allein auf die Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bzw. Duldung im Wege einstweiliger Anordnung gerichtet ist und sich nicht gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe wendet, hat auf der Grundlage des nach § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO allein maßgeblichen Beschwerdevorbringens keinen Erfolg.

Der Antragsteller macht zunächst geltend, es sei nicht erkennbar, aufgrund welcher Ausbildung etc. das Gericht die Sachkunde und Kompetenz besitze, sich über die fachlichen Beurteilungen des A. hinwegzusetzen. Diesbezüglich sei vom Gericht festgestellt worden, dass es für die Anerkennung von gutachterlichen Stellungnahmen nicht der Erstellung „durch einen Facharzt der Psychiatrie“ bedürfe. Abgesehen davon, dass Letzteres unzutreffend ist - stattdessen wird die Eignung nur fachärztlicher Atteste zur Glaubhaftmachung ausdrücklich offen gelassen -, stellt das Verwaltungsgericht die Sachkunde oder Kompetenz des A. nicht in Frage. Vielmehr beanstandet es fehlende Neutralität in der Begutachtung angesichts deutlicher Parteinahme zu Gunsten des Antragstellers und unkritische Übernahme der Angaben über seine Flucht, obwohl im - dem A. vorliegenden - (Asyl-)Urteil etliche Gesichtspunkte genannt würden, die gegen eine fluchtauslösende private Bedrohung sprächen. Schließlich würde die Aussagekraft der Bescheinigungen des A. auch durch jeweils nur einmalige tiefenpsychologische Anamnesegespräche und fehlende weitere Behandlungsschritte relativiert.

Soweit die Beschwerde weiter ausführt, die diagnostizierten Erkrankungen würden auch nicht durch „die Urteile des Verwaltungsgerichts im Asylverfahren“ in Frage gestellt, da „diese Entscheidungen“ - tatsächlich gab es jedoch nur ein solches Urteil - ohne Anhörung in der mündlichen Verhandlung erfolgt seien und deshalb die Glaubhaftigkeit der Angaben und die Glaubwürdigkeit des Antragstellers nicht überprüft werden konnten, ist darauf hinzuweisen, dass der vorliegend angegriffene Beschluss seine Bedenken gegen die Verwertbarkeit der Bescheinigungen des A. nicht mit dem (Asyl-)Urteil begründet, sondern mit der unkritischen Übernahme von Angaben des Antragstellers unter Außerachtlassung zweifelbegründender Umstände.

Der Antragsteller beruft sich zur Beschwerdebegründung weiterhin auf ein - gleichzeitig vorgelegtes - Attest der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Y... (nachfolgend: Y.) vom 18. Dezember 2012. Darin sei eine Anpassungsstörung (ICD 10:F 43.2) und eine posttraumatische Belastungsstörung (nachfolgend: PTBS) diagnostiziert und seine Behandlungsbedürftigkeit aus nervenärztlicher Sicht festgestellt worden. Bei einer Abschiebung sei deshalb eine Verzweiflungstat, d.h. Suizid, nicht auszuschließen. Damit werde die Diagnose des A. bestätigt und seine Reiseunfähigkeit bejaht.

Auch unter Berücksichtigung dieses Attestes ist jedoch ein Anspruch auf Untersagung von Abschiebungsmaßnahmen nicht glaubhaft gemacht. Zwar wird hierin eine solche Anpassungsstörung, v.a. eine PTBS, diagnostiziert, eine Verzweiflungstat bei einer Rückführung nicht ausgeschlossen und eine Behandlungsbedürftigkeit aus nervenärztlicher Sicht bestätigt, auch wenn Y. eine Äußerung bezüglich der Reisefähigkeit ablehnt, da sie den Antragsteller erst einmal gesehen habe.

Ob auch hinsichtlich des Attestes der Y. Zweifel an der Eignung zur Glaubhaftmachung eines krankheitsbedingten Abschiebungshindernisses bereits deshalb bestehen, weil die Angaben des Antragstellers unkritisch übernommen werden, wenn ausgeführt wird, „Die Umstände und die Angst des Pat. sind meiner Meinung nach glaubhaft und berechtigt, da der Pat. aus der Ost-Türkei stammt und hier die Ehre sehr hochgehalten wird. Hinrichtungen wegen `Ehrenbereinigung´ sind in der Türkei an der Tagesordnung, so dass der Pat. in Lebensgefahr ist, wenn er in die Türkei zurückkehrt“, mag letztlich dahinstehen. Denn bereits die zuvor zitierte „Vorgeschichte“ des Antragstellers weicht derart von seinem bisherigen Vorbringen ab, dass ihre Richtigkeit nicht als glaubhaft gemacht anzusehen ist, womit gleichzeitig die Grundlage für die vor allem attestierte PTBS entfällt. Hiernach, d.h. dem Attest der Y. vom 18. Dezember 2012, habe der Antragsteller erklärt, er sei mit seiner ebenso wie er in Gaziantep wohnhaften Freundin nach mehrfacher Ablehnung einer Heirat durch ihre Familie nach Bodrum „durchgebrannt“. Nach einer Woche hätten ihre Angehörigen sie dort jedoch gefunden und die Tochter mitgenommen. Er selbst sei mit einem Messer am Unterarm verletzt worden, habe jedoch nach Istanbul fliehen können. Von dort sei er später nach Deutschland zu seinem Vater geflüchtet, nachdem seine Mutter und er den Vater gebeten hätten, ihn dorthin zu holen. Demgegenüber hatte er bei der Befragung durch das BMF am 13. Januar 2011 erklärt, nach Ablehnung einer Heirat durch ihre Familie und ihrer „Entführung“ durch ihn - aufgehalten habe man sich danach in der Wohnung eines Freundes in Nizip - habe man sie erwischt, wobei ihr Bruder S. sie ins Bein gestochen habe und nur ihr Onkel es verhindert habe, dass ihr Bruder sie umbringe. Nach Angaben seiner Mutter sei sie später mit einem anderen Mann verheiratet worden. Er selbst sei damals nach Bodrum geflohen, wo er aber auf der Straße von ihren Onkeln gefunden worden sei. Er habe jedoch „abhauen“ können, sei mit dem Taxi zum Busbahnhof und von dort nach Istanbul, wo er Schleuser kontaktiert habe. Mit Hilfe seiner Mutter und von dieser geschicktem Geld sei er dann außer Landes gegangen. Von diesen beiden Darstellungen weicht schließlich auch die im „Gutachten“ des A. vom 30. April 2011 dargelegte Vorgeschichte ab. Danach habe die romantische Liebesgeschichte mit einer jungen Frau in der Heimat damit geendet, dass er von ihrer Familie mit dem Tode bedroht und mit einem Messer nach ihm geworfen worden sei. Er sei dann zu seinem Vater nach Berlin geflohen. Über das Schicksal seiner damaligen Freundin wisse er nichts. Aus dem Polizeiprotokoll über seine Ingewahrsamsnahme am 30. November 2010 ergibt sich ein noch gänzlich anderes Geschehen. Danach hatte ein anderer Türke die Polizei informiert, dass er vom Antragsteller um Hilfe gebeten worden sei. Dieser habe ihm mitgeteilt, er sei vor drei Tagen von Schleusern für 5.000 EUR nach Deutschland gebracht worden, wobei ihm versprochen worden sei, er könne in Deutschland arbeiten und eine Frau heiraten. Seither habe er ohne Obdach auf einem Spielplatz in Wedding übernachtet. Von einer Flucht aus Furcht vor Blutrache nach Deutschland war hierbei überhaupt nicht die Rede.

Unabhängig von der somit fehlenden hinreichenden Glaubhaftmachung eines krankheitsbedingten Abschiebungshindernisses weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass sich die Frage, ob Maßnahmen bei der Gestaltung der Abschiebung - wie ärztliche Hilfe und Flugbegleitung - ausreichen, um der auf einer psychischen Erkrankung beruhenden ernsthaften Suizidgefahr wirksam zu begegnen, erst aufgrund einer möglichst fundierten und genauen Erfassung des Krankheitsbildes und der sich daraus ergebenden Gefahren beantworten lässt; eine abstrakte oder pauschale Zusicherung von Vorkehrungen wird dem gebotenen Schutz aus Art. 2 Abs. 2 GG nicht gerecht (vgl. OVG Sachsen Anhalt, Beschluss vom 20. Juni 2011 - 2 M 38/11 -, juris, Rz. 5; OVG NW, Beschluss vom 09.05.2007 - 19 B 352/07 -, NVwZ-RR 2008, 284 und juris Rz. 7). Zum Inhalt der gebotenen Vorkehrungen verweist der Senat auf die nachfolgend auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen des OVG Sachsen-Anhalt in dem Beschluss vom 20. Juni 2011, denen er sich aufgrund summarischer Prüfung anschließt (vgl. auch die Beschlüsse des 11. Senats des OVG Berlin-Brandenburg vom 25. August 2011 - OVG 11 S 49.11 -, juris Rz. 7 ff., und 3. November 2011 - OVG 11 S 48.11):

„Die Ausländerbehörde ist von Amts wegen verpflichtet, aus dem Gesund-heitszustand des Ausländers folgende Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten, und hat gegebe-nenfalls durch ein vorübergehendes Absehen von der Abschiebung oder durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (BVerfG, Beschl. v. 16.04.2002 - 2 BvR 553/02 -, juris; Beschl. v. 26.02.1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, 241). Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 24.02.2010 - 2 M 2/10 -, juris) kann auch eine bestehende psychische Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG in zwei Fallgruppen begründen: Zum einen scheidet eine Abschiebung aus, wenn und solange der Ausländer wegen Erkrankung transportunfähig ist, d. h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des „Reisens" wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Zum anderen muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie - außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bedeutet; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne). Es geht also nicht nur darum, während des eigentlichen Abschiebevorgangs selbstschädigende Handlungen eines aufgrund einer psychischen Erkrankung suizidgefährdeten Ausländers zu verhindern; eine Abschiebung hat vielmehr auch dann zu unterbleiben, wenn sich durch den Abschiebevorgang die psychische Erkrankung (wieder) verschlimmert, eine latent bestehende Suizidalität akut wird und deshalb die Gefahr besteht, dass der Ausländer unmittelbar vor oder nach der Abschiebung sich selbst tötet. Von einem inlandsbezogenen Abschiebungshindernis ist auch dann auszugehen, wenn sich die Erkrankung des Ausländers gerade aufgrund der zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland wesentlich verschlechtert, und nicht nur, wenn ein Suizid während der Abschiebung droht (BayVGH, Beschl. v. 23.10.2007 - 24 CE 07.484 -, juris). Es ist ferner darauf zu achten, dass sich die krankheitsbedingte Suizidgefahr nicht in dem Zeitraum zwischen der Ankündigung und der Durchführung der Abschiebung realisiert (vgl. OVG NW, Beschl. v. 15.10.2010 - 18 A 2088/10 -, juris). Das von der Ausländerbehörde in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehört der Zeitraum des Aufsuchens und Abholens in der Wohnung, des Verbringens zum Abschiebeort sowie die Zeit der Abschiebehaft (VGH BW, Beschl. v. 06.02.2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, 213 [214]). Auch den Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur endgültigen Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats darf die Ausländerbehörde nicht außer Acht lassen (VGH BW, Beschl. v. 06.02.2008, a.a.O.). Die ihr obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, endet nicht immer schon mit der Ankunft des Ausländers im Zielstaat, sondern kann zeitlich bis zum Übergang in eine Versorgung und Betreuung im Zielstaat fortdauern, wenn dem Ausländer unmittelbar nach seiner Ankunft im Zielstaat eine Gesundheitsgefährdung droht, etwa weil er einer Betreuung oder medizinischen Behandlung bedarf. In derartigen Situationen ist sicherzustellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Heimatland zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer wie bei der allgemeinen medizinischen Versorgung auch in diesem Zusammenhang regelmäßig auf den allgemein üblichen Standard der Möglichkeiten in seinem Heimatland zu verweisen ist (vgl. Beschl. d. Senats v. 08.09.2010 - 2 M 91/10 -, juris; OVG NW, Beschl. v. 27.07.2006 - 18 B 586/06 -, EZAR-NF 51 Nr. 12, m. w. Nachw.). …“

Dass der Antragsgegner diese Anforderungen missachten und eine ernsthafte Selbstgefährdung des Antragstellers in Kauf nehmen würde, ist angesichts dessen aus diversen Verfahren vor dem 11. Senat des OVG Berlin-Brandenburg bekannten Verfahrenspraxis in vergleichbaren Fällen nicht erkennbar. Danach verfahre er, falls Anhaltspunkte für eine ernsthafte Gesundheitsgefährdung im Rahmen der Abschiebung vorlägen, bei Abschiebungen in die Türkei regelmäßig dergestalt, dass der Ausländer vor der Ausreise auf seine Transport- und Reisefähigkeit ärztlich untersucht werde, dass er durch einen Arzt begleitet werde, die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in der Türkei über die geplante Ankunft des Ausländers in der Türkei informiert werde und Botschaftsmitarbeiter den Ausländer in der Türkei in Empfang nehmen und ihn der zuvor organisierten und erforderlichen medizinischen Versorgung zuführen würden oder dass die Botschaft sich direkt mit den türkischen Behörden in Verbindung setze, die dann die Organisation der medizinischen notwendigen Hilfe/Versorgung einschließlich einer gegebenenfalls erforderlichen Unterbringung organisieren und den türkischen Staatsangehörigen in Empfang nehmen würde. Ferner hat der Antragsgegner in jenen Verfahren ausgeführt, dass der Sachverhalt neu zu beurteilen wäre, falls die ärztliche Untersuchung ergebe, dass derzeit einer akuten Selbsttötungsgefahr gerade nicht durch entsprechende behördliche Begleitmaßnahmen begegnet werden könne.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).