Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 19.12.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 7 S 104.13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 60a Abs 2 S 1 AufenthG, Art 6 GG, § 123 VwGO, § 146 Abs 4 VwGO |
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Die rechtzeitig erhobene und begründete Beschwerde des vietnamesischen Antragstellers gegen den sein Begehren auf Untersagung der Abschiebung im Wege einstweiliger Anordnung ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29. Oktober 2013 hat auf der Grundlage des nach § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO allein maßgeblichen Beschwerdevorbringens keinen Erfolg.
Dabei geht der Senat wegen der umfassenden Prüfung in den Gründen des Beschlusses davon aus, dass das Verwaltungsgericht - ungeachtet des eingangs der Gründe nur zitierten Antrags zu 1., dem Antragsgegner die Abschiebung „heute um 15:00 Uhr“ zu untersagen - auch über den Antrag zu 2., diesen zur Erteilung einer Duldung zu verpflichten, entschieden und das Begehren des Antragstellers vollumfänglich abgelehnt hat. Diese Auffassung vertreten nach ihrem Vorbringen ersichtlich auch der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung sowie der Antragsgegner in seiner Beschwerdeerwiderung.
Zur Beschwerdebegründung macht der Antragsteller zunächst geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne es nicht allein darauf ankommen, dass das am 25. September 2013 geborene Kind der Frau T..., die ebenfalls Vietnamesin ist, aufgrund deren fortdauernder Ehe mit Herrn S... „rechtlich“ dessen Kind sei, obwohl er die Vaterschaft beim Familiengericht angefochten habe, der Ehemann am Anfechtungsverfahren auch mitwirken wolle und unbestritten sei, dass er sich um das Kind auch kümmere. Insoweit sei auf einen Beschluss des VG Osnabrück vom 30. November 2012 - 5 B 67.12 - zu verweisen, wonach bei Fehlen durchgreifender Zweifel an der Vaterschaft familiäre Lebensbeziehungen zwischen einem nichtehelichen Vater und seinem Kind schutzwürdig sein können (so auch Beschluss des OVG Lüneburg vom 13. Januar 2010 - 4 ME 14.10 - und Urteil des VG Freiburg vom 21. Dezember 2010 - 5 K 902.10 -).
Dieses Vorbringen rechtfertigt keine vom streitgegenständlichen Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin abweichende Entscheidung.
Dabei mag hier dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen vom Fehlen „durchgreifender Zweifel an der Vaterschaft“ auszugehen ist. Im Falle des Beschlusses des VG Osnabrück war dies - wie der (nicht mehr zitierte) unmittelbar folgende Satz im Anschluss an die zitierte Passage des Beschlusses belegt - deshalb nicht zweifelhaft, weil sich die Vaterschaft aus einem vorliegenden Abstammungsgutachten ergab. Ein solches lag auch in dem Fall des OVG Lüneburg vor. Dem Urteil des VG Freiburg schließlich lag der Fall zugrunde, dass der Kläger gegen einen Abschiebungskostenbescheid „damals noch nicht“ im Rechtssinne der Vater des Kindes war, weil die Vaterschaftsanerkennung wegen des noch nicht abgeschlossenen Scheidungsverfahrens der Mutter noch nicht wirksam war.
Demgegenüber bestehen vorliegend zumindest derzeit „durchgreifende Zweifel“ an der Vaterschaft des Klägers. Dass ein Abstammungsgutachten vorliegt oder auch nur beantragt ist, wird seitens des Antragstellers ebenso wenig behauptet wie ein laufendes Scheidungsverfahren der Kindesmutter. Auch eine - die Vaterschaft des Antragstellers bestätigende - Erklärung des Ehemannes der Mutter des Kindes, d.h. des rechtlichen Vaters, ist weder im gerichtlichen Verfahren noch ausweislich der Ausländerakte dem Antragsgegner vorgelegt worden. Die notarielle Vaterschaftsanerkennung vom 16. Mai 2013 für das seinerzeit noch ungeborene Kind, die auch lediglich ein Getrenntleben der Eheleute „innerhalb der Ehewohnung … seit dem 8. Mai 2013“, mithin seit gerade erst einmal acht Tagen und nur unter diesen Umständen, behauptet, führt in den Vorbemerkungen zwar aus, dass die Mutter erklärt habe, der Ehemann sei anwesend und wolle die Erklärung bestätigen. Letzteres ist ausweislich der vorgelegten Urkunde jedoch nicht erfolgt, auch werden hierin nur zwei Erschienene, der Antragsteller und Frau T..., aufgeführt. Zudem soll die elterliche Sorge für das Kind hiernach auch allein der Kindesmutter zustehen. Schließlich hat der Antragsteller aber auch nicht glaubhaft gemacht, dass er ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren beim Familiengericht, wie zur Beschwerdebegründung weiter behauptet wird, tatsächlich beantragt hat und nur ein Aktenzeichen noch nicht vorliege. Denn in einem solchen Fall hätte es zumindest der Darlegung bedurft, wann und wo ein solcher Antrag mit welcher Begründung gestellt wurde, bzw. hätte eine Kopie des betreffenden Antrags eingereicht werden müssen.
Dem unsubstantiierten Vorbringen des bereits mehrfach wegen - zuletzt gewerbsmäßiger - Steuerhehlerei (Einschmuggeln und Verkauf von Zigaretten in großem Umfang) unter seinem Alias-Namen vorbestraften Antragstellers Glauben zu schenken, besteht im Übrigen schon deshalb wenig Veranlassung, weil dieser jahrelang über seine Identität getäuscht und sich der Abschiebung durch den Antragsgegner entzogen hat. Die - zudem lange zurückliegende - Zustimmung der Mutter des Kindes zur Vaterschaftsanerkennung in der genannten notariellen Urkunde vom 16. Mai 2013 gibt bei dieser Sachlage ebenso wenig Veranlassung, die Vaterschaft des Antragstellers als unzweifelhaft anzusehen, wie deren nicht weiter substantiierte Erklärung in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 12. August 2013, dass ihr „2. Kind am 09.10.2013“ vom Antragsteller „abstammt“.
Einen im Wege einstweiliger Anordnung durchsetzbaren Anspruch auf Untersagung der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann der Antragsteller auch nicht mit seinem Beschwerdevorbringen erfolgreich geltend machen, er sei suizidgefährdet, wie durch die Atteste vom 6. und 7. November 2013 belegt werde.
Abgesehen davon, dass schon nicht dargelegt oder ersichtlich ist, warum der Antragsteller sich erst eine Woche nach dem Vorfall im Flugzeug anlässlich der damit verhinderten Abschiebung in die dort genannte ärztliche Behandlung begeben hat, genügen diese Atteste schon inhaltlich nicht den zu stellenden Mindestanforderungen für ihre Verwertbarkeit (vgl. dazu etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Mai 2007 - OVG 2 S 47.07 -, juris Rz. 7 f. m.w.N.). Hinsichtlich des Attestes der Ärztin für Allgemeinmedizin-Psychotherapie Will vom 6. November 2013 fehlen die notwendigen konkreten und nachvollziehbaren Anknüpfungspunkte bzw. Befundtatsachen, wenn dort hinsichtlich Suizidalität lediglich ausgeführt wird, diese wurde „spontan geäußert“. Auch wird hierin nicht deutlich gemacht, warum dem Glauben zu schenken ist, bzw. woraus sich ergibt, dass der Antragsteller diese Äußerung nicht lediglich zielgerichtet und wahrheitswidrig einsetzt, um - sein bisheriges Verhinderungsverhalten fortsetzend - künftige neuerliche Abschiebungsversuche auszuschließen. Das Attest der Charite vom 7. November 2013 lässt schon weder hinreichende Befundtatsachen noch eine konkrete Diagnose erkennen.
Zudem hat der Antragsteller aber auch nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass nach der im Attest vom 7. November 2013 erwähnten Entlassung mit medikamentöser Versorgung, mithin seit eineinhalb Monaten, überhaupt eine entsprechende fachärztliche Behandlung stattgefunden hat.
Darüber hinaus ist aber auch nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsgegner im Falle hinreichender sowie aktueller Glaubhaftmachung eines ernsthaften Gesundheitsrisikos für den Antragsteller nicht die erforderlichen Sicherungsvorkehrungen treffen wird, wie sie im Beschluss des OVG Sachsen-Anhalt vom 20. Juni 2011 - OVG 2 M 38.11 - (juris Rz. 5) genannt und dem Antragsgegner aus den Beschlüssen des 7. Senats vom 18. Januar 2013 - OVG 7 S 11.13 - (juris Rz. 11 ff.) und des 11. Senats vom 25. August 2011 - 11 S 49.11 - (juris Rz. 7 f.) hinreichend bekannt sind. Dass dieser vorliegend anders verfahren würde, als dort von ihm selbst im Falle des Vorliegens von Anhaltspunkten für eine ernsthafte Gesundheitsgefährdung bei einer Abschiebung in die Türkei dargelegt (OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rz. 13), ist nicht anzunehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).