Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 25.03.2021 | |
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Aktenzeichen | 9 WF 23/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:0325.9WF23.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 10.08.2020 (Az. 39 FH 5/20) teilweise aufgehoben, soweit der von der Antragsgegnerin an den Antragsteller für das Kind L... P…, geboren am … .2003, zu zahlende Unterhalt auf 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der 3. Altersstufe für den Zeitraum vom 10.10.2020 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres festgesetzt worden ist. Der Antrag des Antragstellers auf Festsetzung von Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren wird insoweit als unzulässig zurückgewiesen.
2. Die weitergehende Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 10.08.2020 (Az. 39 FH 5/20) wird als unzulässig verworfen.
3. Die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz fallen dem Antragsteller in Höhe von 15 % und der Antragsgegnerin in Höhe von 85 % zur Last. Bei der Kostenentscheidung erster Instanz verbleibt es.
4. Der Beschwerdewert wird auf 10.782,00 € festgesetzt.
5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Die Antragsgegnerin ist die Mutter des am ...2003 geborenen L… P…, der zunächst im Haushalt des Kindesvaters gelebt hat und seit dem 10.10.2020 nunmehr dauerhaft im Haushalt der Antragsgegnerin lebt. Für das Kind werden seit Mai 2018 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) gewährt.
Mit Schreiben vom 23.06.2020 begehrte der Antragsteller aus übergegangenem Recht die Festsetzung von Kindesunterhalt im Umfang von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des (gesamten) Kindergeldes für ein erstes Kind für die Zeit ab Mai 2018 bis längstens (zur Vollendung des 18. Lebensjahres) 28.02.2021.
Nachdem die Antragsgegnerin im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 251 FamFG gegenüber dem Gericht keine Stellungnahme abgegeben hatte, hat das Amtsgericht Oranienburg mit Beschluss vom 10.08.2020 den laufenden Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren vom 01.07.2020 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in Höhe von monatlich 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der 3. Altersstufe, abzüglich des für ein erstes Kind zu zahlenden Kindergeldes von 204,00 €, mithin in Höhe von derzeit monatlich 293,00 €, sowie rückständigen Kindesunterhalt für die Zeit vom 01.05.2018 bis 30.06.2020 in Höhe von insgesamt 7.266,00 € festgesetzt.
Gegen die am 14.08.2020 zugestellte Entscheidung hat die Antragsgegnerin mit einem am 14.09.2020 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt, mit der sie sich auf den Wechsel des Kindes in ihren Haushalt sowie auf fehlende Leistungsfähigkeit beruft.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1 und 64 FamFG grundsätzlich statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt.
Die Beschwerde ist jedoch unzulässig soweit der Kindesunterhalt für den Zeitraum vom 01.05.2018 bis 09.10.2020 festgesetzt worden ist und unterliegt deshalb insoweit der Verwerfung, weil die Antragsgegnerin den Einwand mangelnder Leistungsfähigkeit nicht in zulässiger Weise erhoben hat.
Nach § 256 Satz 1 FamFG können mit der Beschwerde nur Einwendungen gegen die Zulässigkeit oder die Unzulässigkeit des vereinfachten Verfahrens, die Zulässigkeit von Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG sowie die Unrichtigkeit der Kostenentscheidung oder Kostenfestsetzung, sofern sie nach allgemeinen Grundsätzen anfechtbar sind, geltend gemacht werden. Soweit sich die Beschwerde auf Einwendungen nach § 252 Abs. 2 bis 4 FamFG stützt, ist die Beschwerde gemäß § 256 Satz 2 FamFG allerdings unzulässig, wenn diese nicht erhoben waren, bevor der Festsetzungsbeschluss erlassen worden ist.
So verhält es sich hier. Der von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren erhobene Einwand der Leistungsunfähigkeit unterfällt der Regelung des § 252 Abs. 4 FamFG und kann im vereinfachten Verfahren nach §§ 249 ff. FamFG nur geltend gemacht werden, wenn der Unterhaltspflichtige zugleich unter Verwendung des eingeführten Vordrucks (§ 259 FamFG) Auskunft über seine Einkünfte, sein Vermögen und seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Übrigen erteilt sowie Belege zu den Einkünften vorlegt, bevor der Festsetzungsbeschluss verfügt ist. Bezieht der Unterhaltspflichtige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, so bedarf es der rechtzeitigen Vorlage eines aktuellen Bewilligungsbescheides (§ 252 Abs. 4 Satz 1 und 2, Abs. 5 FamFG). Die Beschwerde kann gemäß § 256 Satz 2 FamFG auf solche Einwendungen nach § 252 Abs. 4 FamFG nur gestützt werden, sofern diese Einwendungen jeweils in der danach erforderlichen Form bereits vor Verfügung des Festsetzungsbeschlusses erhoben waren. Dabei ist es unerheblich, aus welchem Grund die Antragsgegnerin ihre fehlende Leistungsfähigkeit erstinstanzlich nicht vorgetragen und belegt hat, soweit sie hierzu objektiv die Gelegenheit hatte (OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.08.2017 - 5 UF 180/17 - Rn. 6 juris).
Der Antrag des Antragstellers ist der Antragsgegnerin zusammen mit den nach § 251 Abs. 1 Satz 2 FamFG zu erteilenden Hinweisen, einschließlich der nach § 251 Abs. 1 Satz 2 FamFG zu setzenden Monatsfrist am 04.07.2020 zugestellt worden. Mit Verfügung der Rechtspflegerin des Amtsgerichts vom 26.06.2020 wurde die Antragsgegnerin auf die erforderliche Darlegung und Vorlage entsprechender Belege hingewiesen. Die Antragsgegnerin hat indes ihre Einwendungen nicht in genügender Form rechtzeitig erhoben und kann diese mithin auch im Beschwerdeverfahren nicht mehr in zulässiger Weise erheben. Auf die dem Antragsteller außergerichtlich mit Schreiben vom 04.06.2019 und vom 19.06.2020 erteilte Auskunft kann sich die Antragsgegnerin daher im Beschwerdeverfahren nicht berufen.
Auf den Umstand, dass der Einwand der mangelnden Leistungsfähigkeit nicht in zulässiger Weise erhoben worden ist, ist die Antragsgegnerin bereits mit Schreiben des Amtsgerichts vom 12.11.2020 sowie vom 28.12.2020 hingewiesen worden.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin war daher insoweit gemäß §§ 256 Satz 2, 68 Abs. 2 Satz 2 FamFG als unzulässig zu verwerfen. Der Antragsgegnerin bleibt es aber unbenommen, die Frage ihrer Leistungsfähigkeit nach § 240 FamFG in einem ordentlichen Verfahren klären zu lassen. Soweit sie den entsprechenden Abänderungsantrag innerhalb eines Monats nach Rechtskraft dieses Beschlusses beim zuständigen Amtsgericht stellt, kann sie dabei auch eine rückwirkende Überprüfung ihrer Unterhaltsverpflichtung erreichen.
Die Beschwerde hat jedoch in der Sache Erfolg, soweit sich die Antragsgegnerin gegen die Festsetzung von Unterhalt für den Zeitraum vom 10.10.2020 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (am 28.02.2021) wegen fehlender Barunterhaltsverpflichtung wendet, da insoweit eine im Beschwerdeverfahren (uneingeschränkt) zulässige Einwendung erhoben, nämlich die Zulässigkeit des vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahrens in Frage gestellt wird.
Nach § 249 Abs. 1 FamFG ist das vereinfachte Verfahren nur statthaft, wenn der Unterhalt des minderjährigen Kindes, das mit dem in Anspruch genommenen Elternteil nicht in einem Haushalt lebt, festgesetzt werden soll. Hierbei handelt es sich um eine Zulässigkeitsvoraussetzung des vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahrens im Sinne von § 252 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Die Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren ist auf den Fall und denjenigen Zeitraum beschränkt, dass das Kind nicht im Haushalt des in Anspruch genommenen Elternteils lebt und dieser allein barunterhaltspflichtig ist (vgl. OLG Celle, FamRZ 2003, 1475; OLG Stuttgart FamRZ 2014, 1473 für den Fall der Barunterhaltspflicht beider Elternteile, weil das Kind von einem Dritten betreut wird; BGH, FamRZ 2017, 816 für den Fall eines Obhutswechsels während des laufenden Verfahrens). Dieser Einwand kann auch noch uneingeschränkt im Beschwerdeverfahren geltend gemacht werden (§ 65 Abs. 3 FamFG). Soweit der Kindesunterhalt für die Zeit vom 10.10.2020 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres am 28.02.2021 festgesetzt worden ist, ist das vereinfachte Unterhaltsfestsetzungsverfahren daher (ex nunc) unzulässig. Nach dem (unstreitigen) Obhutswechsel am 10.10.2020 hat das Kind seinen Lebensmittelpunkt seither im Haushalt der Antragsgegnerin, die den Unterhalt damit durch Pflege und Erziehung im eigenen Haushalt gewährt.
Der angefochtene Beschluss war daher insoweit gemäß § 256 S. 1 FamFG aufzuheben und der Antrag auf Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren nach § 252 Abs. 1 S. 2 FamFG zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus §§ 40, 51 Abs. 1 und 2 FamGKG.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.