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Entscheidung OVG 4 B 16.17


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 4. Senat Entscheidungsdatum 17.03.2021
Aktenzeichen OVG 4 B 16.17 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0317.OVG4B16.17.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 41 Abs 2 S 4 BG BE 2009, § 2 BeamtVG BE, § 14 BeamtVG BE, § 36 BeamtVG BE, § 37 BeamtVG BE

Leitsatz

Der Besoldungseinbehalt nach § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG bemisst sich nach dem erdienten "normalen" Ruhegehalt. Ein fiktives Unfallruhegehalt bleibt außer Betracht.

Tenor

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger streitet um die Berücksichtigung eines fiktiven Unfallruhegehalts bei der Bemessung des Besoldungseinbehalts nach § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG.

Der am 196 geborene Kläger trat 197 als Polizeiwachtmeister in den Dienst des Beklagten. Er wechselte nach Erwerb der Laufbahnbefähigung im Aufstieg 199in die Laufbahn des gehobenen Dienstes der Schutzpolizei und wurde zuletzt 200 zum Polizeihauptkommissar (BesGr. A 11) befördert.

Am 10. Juni 2014 erlitt der Kläger bei einer Verkehrsüberwachung einen Unfall, den der Beklagte mit Bescheid vom 9. Oktober in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 10. November 2014 als Dienstunfall anerkannte mit den Verletzungen „Zerrung rechtes Knie, Ruptur Innenmeniskushinterhorn und Außenmeniskushinterhorn, Kontusion mediales Tibiaplateau (siehe MRT-Bericht vom 19.06.2014)“; unfallunabhängig bestehe eine mediale und retropatellare Chondropathie.

Der Kläger war im Anschluss an den Dienstunfall durchgehend dienstunfähig erkrankt und wurde wiederholt polizeiärztlich untersucht. Der Polizeiarzt hielt den Kläger zunächst für polizeidienstunfähig, aber allgemein dienstfähig. Einen Versuch der Wiederaufnahme des Dienstes im Hamburger Modell im Innendienst im März 2015 brach der Kläger nach wenigen Tagen ab. Zu einem weiteren vom Polizeiarzt für möglich gehaltenen Versuch im Sommer 2015 kam es nicht. Mit polizeiärztlicher Stellungnahme vom 30. September 2015 teilte der Polizeiarzt u.a. mit, der Kläger leide „dienstunfallbedingt (10.06.2014)“ unter schmerzhaften Bewegungseinschränkungen mit wiederholt auftretenden Reizerscheinungen des rechten Kniegelenks. Die Einschränkungen führten zu einer Minderbelastbarkeit des rechten Kniegelenkes und die damit verbundenen Schmerzen zu einer somatoformen Schmerzstörung. Die individuelle Leistungsfähigkeit sei so stark gemindert, dass eine zusammenhängende Verrichtung einer Tätigkeit, die länger als drei Stunden dauere, nicht gegeben sei. Nach Erklärung des Dienstvorgesetzten, er halte den Kläger für dauernd unfähig, Amtspflichten im Polizeivollzugsdienst sowie im Verwaltungsdienst zu erfüllen, und nach Anhörung des Klägers, der Einwendungen gegen die Zurruhesetzung erhob, versetzte ihn der Polizeipräsident in Berlin mit Bescheid vom 18. Februar 2016, zugestellt am 2. März 2016, wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Polizeipräsident in Berlin mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2016 zurück. Die gegen die Zurruhesetzung gerichtete Anfechtungsklage (VG 26 K 103.16) hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 15. März 2019 abgewiesen. Über den Berufungszulassungsantrag des Klägers (OVG 4 N 14.19) hat der Senat noch nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 5. April 2016 teilte die Personalstelle dem Kläger u.a. mit, bis zur Bestandskraft des Bescheides bzw. bis zum Abschluss des Verfahrens sei gemäß § 41 Abs. 2 LBG die die Versorgung übersteigende Besoldung ab dem 1. April 2016 einzubehalten. Die monatlichen Bruttobezüge beliefen sich auf 2.563,15 Euro (laut beigefügter Berechnung: 71,75 vom Hundert der ruhegehaltfähigen Bezüge abzüglich eines Versorgungsabschlags von 10,8 vom Hundert zuzüglich des Familienzuschlags für ein Kind). Eine endgültige Berechnung der Versorgungsbezüge werde nach Abschluss des Verfahrens vom Landesverwaltungsamt Berlin vorgenommen.

Der Kläger erhob mit Schreiben vom 12. April 2016 Widerspruch, mit dem er den Versorgungsabschlag bei der Berechnung des fiktiven Ruhegehalts beanstandete. Aufgrund der polizeiärztlichen Mitteilung vom 30. September 2015 stehe fest, dass ihm ein Unfallruhegehalt zustehe. Der Beklagte könne sich mit dem Verweis auf die endgültige Berechnung der Versorgungsbezüge durch das Landesverwaltungsamt nicht der Gewährung des fiktiven Ruhegehalts nach § 36 LBeamtVG entziehen.

Der Polizeipräsident in Berlin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2016 als unbegründet zurück. Nach § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG sei während eines Rechtsstreits über die Zurruhesetzung die Besoldung in der Höhe zu gewähren, die dem Beamten zweifelsfrei zustehen werde, wenn die Zurruhesetzung Bestand habe. Im Fall des Klägers stehe nicht zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen für die Gewährung eines Unfallruhegehalts erfüllt seien.

Der Kläger hat am 11. Mai 2016 Klage erhoben. Den zeitgleich gestellten, auf die Zahlung von Besoldungsbezügen in Höhe eines fiktiven Unfallruhegehalts gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. Juni 2016 (VG 26 L 122.16) zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg (Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2016 – OVG 4 S 25.16 –).

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. August 2017 als unbegründet abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass einem Beamten nach § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG während eines Rechtsstreits über seine Zurruhesetzung die Besoldung in der Höhe zu gewähren sei, die ihm zweifelsfrei zustehen werde, wenn die Zurruhesetzung Bestand habe. Dies schließe eine nähere Betrachtung des Ruhegehaltssatzes zur Ermittlung des fiktiven Ruhegehaltes ein, wohingegen Entscheidungen aufgrund von Kannvorschriften (§ 49 Abs. 2 LBeamtVG) nicht zu treffen seien. Damit werde zugleich die Verpflichtung des Dienstherrn begründet, dem Beamten gegebenenfalls Besoldung in Höhe eines ihm unzweifelhaft zustehenden Unfallruhegehalts zu zahlen und lediglich den dieses übersteigenden Betrag einzubehalten. Hier stehe jedoch nicht zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen für die Gewährung eines Unfallruhegehalts gemäß § 36 Abs. 1 LBeamtVG erfüllt seien; insbesondere sei nicht geklärt, ob der Kläger infolge des Dienstunfalls dienstunfähig geworden sei. Bei Zweifelsfällen wie dem vorliegenden bestehe auch keine aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn erwachsende weitergehende Nachforschungs- oder Aufklärungspflicht. Der Polizeipräsident sei daher auch nicht verpflichtet gewesen, durch Nachfrage bei dem Polizeiarzt die Frage der dienstunfallrechtlichen Kausalität aufzuklären, sondern habe dies dem Landesverwaltungsamt im Pensionsfestsetzungsverfahren überlassen können. § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG erfordere nach seinem Sinn und Zweck keine endgültige Festsetzung des zu erwartenden Ruhegehalts. Es handele sich bei der Entscheidung nach dieser Norm um eine vorläufige Regelung, mit der das dem Beamten bei einem Misserfolg seiner Rechtsbehelfe entstehende Risiko von Besoldungsrückforderungen vermieden werde.

Der Kläger hat gegen das ihm am 17. August 2017 zugestellte Urteil am 5. September 2017 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt und unter Antragstellung begründet.

Der Kläger meint, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei mit dem Wortlaut und mit Sinn und Zweck des § 41 LBG nicht vereinbar. Mit dem polizeiärztlichen Gutachten vom 30. September 2015, wonach die Minderbelastung und insbesondere die Folgen, wonach er nicht mehr allgemein dienstfähig sei, aus den anerkannten Verletzungen des Dienstunfalles herrührten, sei durch den Beklagten dokumentiert, dass seine Dienstunfähigkeit kausal unfallbedingt aufgrund des Dienstunfalles vom 10. Juni 2014 sei. Der Wortlaut des § 41 LBG sei eindeutig. Danach sei die die Versorgung übersteigende Besoldung zu gewähren. Dazu gehöre auch eine Unfallversorgung gemäß § 36 oder 37 LBeamtVG. Weshalb bei Zweifelsfällen aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn keine weitergehenden Nachforschungs- oder Aufklärungspflichten folgten, erschließe sich nicht. Der Beklagte habe eine aus § 41 LBG folgende Verpflichtung zur Sachaufklärung. Bei Dienstunfallangelegenheiten gemäß § 36 LBeamtVG stelle regelmäßig die Dienstbehörde die Kausalität fest und teile die entsprechenden Feststellungen dem Landesverwaltungsamt mit. Es entspreche nicht effektivem Rechtsschutz, wenn der Dienstherr gegen seine Alimentations- bzw. Unterhaltspflicht vorsätzlich verstoße, weil er Aufgabenzuweisungen entgegen der gesetzlichen Bestimmung vornehme. Soweit der Senat in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren meine, mit der Verfahrensweise gehe kein irreparabler Nachteil einher, sei eine solche theoretische Argumentation mit den tatsächlichen Auswirkungen nicht vereinbar. Werde der wirtschaftliche Nachteil des Klägers irgendwann wieder ausgeglichen, stehe effektiver Rechtsschutz nur auf dem Papier. Es sei ohne weiteres möglich, dass die jeweils zurruhesetzende Dienstbehörde verpflichtet sei, auch Ansprüche auf ein mögliches Unfallruhegehalt festzustellen. Selbst wenn eine solche Entscheidung negativ wäre und der Betroffene hiergegen den Rechtsweg beschreiten müsste, hätte er Klarheit über die voraussichtlichen Versorgungsbezüge.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 10. August 2017 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 5. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. April 2016 zu verpflichten, seinen Antrag auf Gewährung von Dienstbezügen in Höhe des voraussichtlichen Ruhegehaltes unter Beachtung der Rechtauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Wortlaut von § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG enthalte zwar keine Beschränkung dahingehend, dass dem Beamten während eines Rechtsstreits über die Zurruhesetzung die Besoldung nur in der Höhe zu gewähren sei, die ihm zweifelsfrei zustehen werde, wenn die Zurruhesetzung Bestand habe. Diese Beschränkung ergebe sich aber aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Gesetzgeber nehme ausgehend von der Vorläufigkeit der Bezügezahlung während der Rechtsbehelfsverfahren die Fallgestaltung in den Blick, dass diese Verfahren letztlich erfolglos bleiben und die Zurruhesetzung bestätigt werde. Zur Vermeidung von Überzahlungen werde ein für den Beamten negativer Verfahrensausgang quasi vorweggenommen. Dasselbe Prinzip stecke dahinter, Bezüge in Höhe des Unfallruhegehalts vorläufig nur zu zahlen, wenn dieses zweifelsfrei zustehen würde. Die Forderung des Klägers, im Rahmen der vorläufigen Bezügefestsetzung die Kausalitätsfrage bereits abschließend und notfalls mit demselben Aufwand klären zu lassen wie bei der endgültigen Pensionsfestsetzung, widerspreche der Vorläufigkeit der Regelung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte zum vorliegenden Verfahren sowie zum Verfahren VG 26 K 103.16 / OVG 4 N 14.19, der Personalakte des Klägers (4 Bände + 1 Nebenakte Erkrankungen), der Gesundheitsakte des Klägers (2 Bände) und der vom Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge (1 Zurruhesetzungsvorgang, 1 Dienstunfallakte, 2 Widerspruchsvorgänge) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die auf die Verpflichtung zur Neubescheidung gerichtete Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Die Verpflichtungsklage in der Form der Bescheidungsklage ist statthaft. Zwar ist der Einbehalt eines Teils der Bezüge gemäß § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG nach allgemeiner Auffassung eine kraft Gesetzes eintretende automatische Folge der Verfügung über die Ruhestandversetzung, die keines eigenen, die Rechtsfolge umsetzenden Verwaltungsaktes bedarf (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 1991 – 2 C 26.89 – juris Rn. 29; Koch, in: Plog/Wiedow, BBG 2009, § 47 Rn. 74, Stand April 2017; Summer, in: GKÖD, L § 47 Rn. 15 a. E., Stand April 2013; Baßlsperger, in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 66 BayBG Rn. 13a, Stand Mai 2013). Das für die Bestimmung der Klageart maßgebliche Klagebegehren des Klägers ist demgegenüber von der Rechtsauffassung getragen, dass der Beklagte in Anwendung von § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG über die Voraussetzungen für die Gewährung eines Unfallruhegehalts zu entscheiden habe. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, ist eine Frage der Begründetheit, nicht der Zulässigkeit der Klage.

Die Klage ist nicht begründet. Der Beklagte stellt in die Bemessung der dem Kläger nach § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG zu zahlenden Bezüge zu Recht das fiktive „normale“ Ruhegehalt (vgl. Nabizad, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, § 36 Rn. 4, Stand Dezember 2020) ein, das er zutreffend gemäß § 14 Abs. 1 und 3 LBeamtVG auf der Basis eines Ruhegehaltssatzes von 71,75 vom Hundert unter Berücksichtigung eines Versorgungsabschlags von 10,8 vom Hundert berechnet. § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG eröffnet dem Kläger keinen Anspruch auf Besoldung in Höhe eines fiktiven Unfallruhegehalts.

Nach § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG ist mit dem Ende des Monats, in dem die Versetzung in den Ruhestand der Beamtin oder dem Beamten oder ihrer oder seiner Vertreterin oder ihrem oder seinem Vertreter mitgeteilt worden ist, die die Versorgung übersteigende Besoldung einzubehalten. „Versorgung“ im Sinne von § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG ist das erdiente „normale“ Ruhegehalt ( § 2 Abs. 1 Nr. 1 LBeamtVG) und nicht auch ein als Teil der Unfallfürsorge (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 LBeamtVG) an dessen Stelle tretendes Unfallruhegehalt nach § 36 LBeamtVG oder erhöhtes Unfallruhegehalt nach § 37 LBeamtVG (vgl. Nabizad, a.a.O.). Dieses gegenüber der Auffassung des Verwaltungsgerichts engere Begriffsverständnis des Senats folgt aus Sinn und Zweck der Regelung und der Systematik des Status- und Versorgungsrechts.

Der Wortlaut ist offen. Er lässt mit dem in der Norm selbst nicht weiter konkretisierten Begriff „Versorgung“ in der Zusammenschau mit § 2 LBeamtVG Raum für eine weite, auch die Versorgung im Rahmen der Unfallfürsorge umfassende Auslegung, wie sie das Verwaltungsgericht im Ausgangspunkt seiner Prüfung vorgenommen hat. Zwingend ist diese Auslegung jedoch nicht. § 2 LBeamtVG enthält keine Legaldefinition des Begriffs „Versorgung“ (Wittmer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, § 2 Rn. 1, Stand Oktober 2020). Die Aufzählung in § 2 LBeamtVG hat deskriptiven Charakter, weil der Begriff „Versorgungsbezüge“ nicht definiert und inner- wie außerhalb des Beamtenversorgungsgesetzes unterschiedlich verwendet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2016 – 2 C 17.14 – juris Rn. 19).

Es entspricht Sinn und Zweck der Regelung, dass die Besoldungsstelle die nach § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG zu zahlenden Bezüge auf der Grundlage der vorliegenden Personaldaten des Beamten berechnen kann, wie das bei der Berechnung des erdienten Ruhegehalts nach den Vorschriften des Abschnitts II (§§ 4 bis 15a) des Landesbeamtenversorgungsgesetzes regelmäßig der Fall ist. Für eine vorgezogene umfassende Prüfung der im Falle der Bestandskraft der Zurruhesetzung zustehenden Versorgungsbezüge bietet § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG keinen Raum. Dieser trifft eine vorläufige besoldungsrechtliche Regelung für die Zeit zwischen Zustellung der Zurruhesetzungsverfügung (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 LBG) und Abschluss des Zurruhesetzungsverfahrens, in der gegen die Zwangspensionierung gerichtete Rechtsbehelfe aufschiebende Wirkung entfalten. Der betroffene Beamte erhält ungeachtet der grundsätzlich aufschiebenden Wirkung der von ihm eingelegten Rechtsbehelfe nicht weiter die volle Besoldung. Im Ergebnis wird die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage zur Zwangspensionierung hinsichtlich der besoldungs- bzw. beamtenversorgungsrechtlichen Folgen aufgehoben. Der Dienstherr muss nicht den Weg des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO gehen (Summer, in: GKÖD, BBG, Stand April 2013, L § 47 Rn. 15). Diese Wirkung tritt – der Senat teilt die insoweit allgemeine Auffassung (s.o.) – kraft Gesetzes ein.

Die Regelung verhindert damit eine (unter Umständen erhebliche) Überzahlung von Bezügen im Fall der Bestandskraft der Zurruhesetzung, deren Rückforderung für den Dienstherrn mit dem Risiko der Realisierung seiner Forderung und für den Beamten mit empfindlichen Auswirkungen auf seine Lebensführung und die seiner Familie (vgl. BT-Drs. 14/4659 S.53) verbunden wäre. Nicht zuletzt wirkt die Regelung dem Anreiz entgegen, dass die Zurruhesetzung nur deshalb angefochten wird, um möglichst lange die höhere Aktivbesoldung zu erhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 1997 – 2 C 3.97 – juris Rn. 20 zu § 44 Abs. 4 Satz 1 BBG a.F.; Koch, in: Plog/Wiedow, BBG 2009 § 47 Rn. 75, Stand April 2017; Brockhaus, in: Schütz/Maiwald, BeamtR, § 34 LBG NRW 2016 Rn. 56, Stand Mai 2018; Baßlsperger, in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 66 BayBG Rn. 13a, Stand Mai 2013). § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG dient nicht dem Zweck, dem Beamten, der seiner Zurruhesetzung entgegentritt, frühzeitig Klarheit zu verschaffen, wie hoch seine Versorgung im Falle des Eintritts der Bestandskraft der Zurruhesetzungsverfügung wäre, insbesondere ob er Anspruch auf ein Unfallruhegehalt bzw. erhöhtes Unfallruhegehalt hätte.

Der Beamte erleidet auch keinen unter Fürsorgegesichtspunkten nicht hinnehmbaren Nachteil, wenn er insoweit auf das Pensionsfestsetzungsverfahren verwiesen wird. Der Einbehalt eines Teils seiner Bezüge führt nicht dazu, dass ihm endgültig die ihm zustehende Besoldung bzw. Versorgung vorenthalten wird. Er erhält während des Schwebezustands der aufschiebenden Wirkung seiner Rechtsbehelfe Bezüge in Höhe der grundsätzlich verfassungskonformen (vgl. nur BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. Juli 2010 – 2 BvR 616/09 – juris) „normalen“ Versorgung. Der Nachteil, dass ihm ein unter Umständen nachzuzahlender Betrag nicht zeitgerecht für den amtsgemäßen Unterhalt zur Verfügung stand, wird ihm durch das Gesetz im Wege einer für den Regelfall typisierenden Interessenabwägung grundsätzlich zugemutet (vgl. Koch, a.a.O. Rn. 77). Der Verweis des Klägers in der Berufungsbegründung auf eine Kostenentscheidung des Senats nach § 161 Abs. 2 VwGO vom 15. September 2010 ( – OVG 4 S 25.10 – nicht veröffentlicht), in einem Verfahren, das die verzögerte Entscheidung der Versorgungsbehörde über die Gewährung eines Unfallruhegehalts nach Eintritt in den Ruhestand betraf, ist für die Auslegung von § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG unergiebig.

Von der Zurruhesetzungsbehörde zu treffende Feststellungen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung eines Unfallruhegehalts vorliegen, liefen nicht nur dem vorläufigen Charakter des Bezügeeinbehalts nach § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG entgegen, sondern auch dem Zusammenspiel von Status- und Versorgungsrecht bzw. der über die Zurruhesetzung entscheidenden Dienstbehörde und der für die Versorgungsfestsetzung zuständigen Versorgungsbehörde.

Die Systematik des Beamtenversorgungsgesetzes knüpft an die Tatsache der Versetzung in den Ruhestand und an deren Grund an, den die für die Statusentscheidung zuständige Behörde gegeben hat. Status- und Versorgungsgesetz sind systematisch darauf angelegt, ineinander zu greifen und nicht zu konträren Ergebnissen zu kommen. Dies wird durch die Bindungswirkung der Zurruhesetzungsverfügung im Versorgungsverfahren erreicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2007 – 2 C 22.06 – juris Rn. 12; OVG Münster, Urteil vom 16. September 2020 – 1 A 612/14 – juris Rn. 51; VGH Mannheim, Urteil vom 20. Juli 2016 – 4 S 2467/15 – juris Rn. 62). Zum Grund der Zurruhesetzung gehören im Fall der Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit auch der konkrete körperliche Zustand oder die konkreten gesundheitlichen Gründe, die der Einschätzung der Zurruhesetzungsbehörde zugrunde liegen, der Beamte sei zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig. Die Ursachen für die die Dienstunfähigkeit begründenden körperlichen bzw. gesundheitlichen Beeinträchtigungen – insbesondere die Frage, ob diese Beeinträchtigungen dienstunfall- oder nicht dienstunfallbedingt sind – sind hingegen nicht Gegenstand des Zurruhesetzungsverfahrens, sondern des nachfolgenden Versorgungsverfahrens (vgl. OVG Münster, a.a.O. Rn. 53 f. m.w.N.). Erst die Versorgungsbehörde stellt auf der Grundlage eines bestandskräftigen Zurruhesetzungsbescheides fest, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Dienstunfall und der Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit besteht. Hierbei gilt der Kausalitätsbegriff des Dienstunfallrechts der Beamten, wonach als Ursache im Rechtssinne nur solche für den eingetretenen Schaden ursächliche Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne anzuerkennen sind, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise an dessen Eintritt mitgewirkt haben, die also insofern als „wesentlich“ anzusehen sind (Theorie der wesentlich mitwirkenden Ursache). Die materielle Beweislast für den Nachweis des geforderten Kausalzusammenhangs trägt ausgehend von den auch im Dienstunfallrecht anwendbaren allgemeinen Beweisgrundsätzen der Beamte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. September 1994 – 2 C 24.92 – juris Rn. 17). Die Entscheidung mag im Einzelfall durch die bestandskräftige Feststellung der Verletzungsfolgen eines anerkannten Dienstunfalls und die Gründe des Zurruhesetzungsbescheides vorgezeichnet sein, wie dies auch in dem der bereits benannten Entscheidung des VGH Mannheim (Urteil vom 20. Juli 2016 – 4 S 2467/15 – juris) zugrundeliegenden Sachverhalt der Fall war (vgl. a.a.O. Rn. 8, 10, 43 ff.), auf die sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung berufen hat. Die Zuständigkeit der Versorgungsbehörde für die auf dieser Grundlage zu treffende Entscheidung steht auch in diesem Fall nicht in Frage.

Erfolgt nach alledem die Prüfung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Dienstunfall und Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit nicht vor dem (bestandskräftigem) Abschluss des Zurruhesetzungsverfahrens, ist in die Berechnung des für die Bemessung des Einbehalts maßgeblichen Ruhegehalts nach § 14 LBeamtVG auch der Versorgungsabschlag nach § 14 Abs. 3 Nr. 3 LBeamtVG einzustellen, wie es der Beklagte hier getan hat. Die Nichtverminderung des Ruhegehalts bei einem Dienstunfall stellt – ebenso wie das Unfallruhegehalt – eine dienstunfallrechtliche Vergünstigung dar, die gesetzessystematisch in § 36 LBeamtVG gehört (vgl. Strötz, in: GKÖD, O § 14 Rn. 49 Fn. 46 Stand 3/2017).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Verbindung mit § 127 Nr. 2 BRRG, der nach § 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG weiterhin anwendbar ist, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Auslegung der landesrechtlichen beamtenrechtlichen Vorschrift des § 41 Abs. 2 Satz 4 LBG zuzulassen.